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Die Sonne scheint für alle

von

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XXIII.

 

Müde streicht sich Emi Yusa über die Stirn. Glücklicherweise hat sie jetzt endlich Feierabend. Dieser Tag war wieder einer dieser Tage, wo alle verrückten Anrufe immer bei ihr landeten. Zum Ende hin fiel es ihr immer schwerer, nicht auszurasten. Aber sie steht kurz vor einer Prämie, da kann sie sich solch ein Benehmen nicht leisten.

Wenigstens geht es Rika gut. Sie ist zwar etwas stiller als sonst, aber alles in Allem kommt sie sehr gut mit ihrer Enttäuschung klar. Besser, als Emi befürchtet hat. Diese Japaner sind wirklich ein sehr nüchterner Menschenschlag. Rational und logisch denkend ohne große emotionale Ausraster – das gefällt ihr.

Sie würde sich gerne daran ein Beispiel nehmen, aber da ist ihr leider ihr Temperament im Wege.

Voller Vorfreude auf ihren wohlverdienten Feierabend, verläßt sie das Hochhaus, in der das Call-Center, in dem sie arbeitet, seinen Sitz hat und tritt auf den großen, belebten Vorplatz, als ihr Blick zwischen all den vorbei hastenden Menschen auf eine ihr nur allzu gut bekannte Person fällt.

„Chi-chan. Was machst du hier?“ Und fügt dann, fast schon aus Gewohnheit, schnell hinzu: „Ist etwas passiert?“

Chiho wirkt völlig aufgelöst.

„Emi... entschuldige, dass ich dich so überfalle. Ich störe dich sicher, aber ich muss dich etwas fragen.“

Emi mustert sie zum ersten Mal etwas genauer. Ihre Augen sind rot, als hätte sie geweint.

„Kleines, du siehst ja völlig fertig aus. Was ist denn passiert?“

„M-Mao...“

„Was hat dieser Teufel wieder angestellt?“ braust die Heldin sofort auf.

Chiho erschrickt und zuckt sichtlich zusammen.

„N-nichts...“, beeilt sie sich sofort zu versichern, und dann kullert ihr eine Träne über die Wange.

Emi betrachtet sie beunruhigt, nimmt sie dann an der Hand und führt sie zu ihrem Lieblingsplatz, wo sie oft zusammen mit Rika ihre Mittagspause verbringt – eine kleine hölzerne Bank im Schatten eines ausladenden roten Ahorns.

„Ich höre“, meint sie dann nur, während sie sich setzt und das Mädchen neben sich zieht.

Chiho wirft ihr einen unsicheren Blick zu, nagt an ihrer Unterlippe und wringt die Hände im Schoß.

„Mao sagte mir heute, er sei verheiratet“, platzt es schließlich aus ihr heraus. „Und zwar mit Urushihara.“ Sie hebt den Kopf und starrt Emi aus großen, tränennassen Hundeaugen an. „Ich kann es nicht glauben. Er lügt doch sicher, oder Emi? Aber wieso sollte er mich anlügen? Habe ich ihm irgend etwas getan?“

Emi starrt sie einen Moment lang einfach nur an, bemüht, eine ruhige, sachliche Miene beizubehalten und sich ihre Überraschung nicht anmerken zu lassen.

Huh? Mao und Urushihara? Was hat dieser perverse Dämonenkönig der Kleinen nur erzählt? Ashiya und Urushihara sind doch ein Paar – sie hat es schließlich mit eigenen Augen gesehen!

„Ich dachte, Ashiya und das Kellerkind seien zusammen“, entfährt es ihr dann doch unbedacht.

Chiho gibt einen erschrockenen Laut von sich.

„Du weißt es also?“ stößt sie vorwurfsvoll hervor. „Und hast mir nichts gesagt?“

„Huh?“, macht die Heldin verwirrt. „Chi-chan, was-?“

„Mao sagte, er und Ashiya, sie beide wären mit Urushihara verheiratet. Kann das sein, Emi? Ist dir etwas davon in Ente Isla zu Ohren gekommen?“

Nein. Ist es nicht. Nicht im Geringsten. Aber das hat nichts zu bedeuten. In diesen Kategorien hat nie jemand gedacht, nicht einmal Olba, so ehrgeizig und korrupt er auch war und so sehr er jede Möglichkeit nutzte, um seine Machtposition zu stärken, und verdammt, diese Information wäre Gold wert gewesen – aber die Dämonen wurden als empfindungslose Monster angesehen, nie als Wesen, die so etwas wie Zuneigung empfinden können. Also dachte niemand daran, dass zwischen dem Dämonenkönig und seinen Generälen diese Art von Beziehung bestehen könnte.

Denn - Dämonen können nicht lieben.

Sie glaubt das auch heute noch. Gut, jetzt, wo sie Menschen sind, hat sich das vielleicht geändert. Aber wenn, dann nur ein bißchen. Ein klitzekleines bißchen. Sie sind und bleiben emotionale Krüppel. Von daher hat sie auch Ashiyas ungebührliches Benehmen gegenüber Rika nicht überrascht – und sie wollte sie ganz bestimmt nicht verkuppeln, um Ashiya und Mao zu trennen, wie dieses Kellerkind behauptete!

Es war trotzdem schäbig und Rika hatte das nicht verdient und dafür würde sie Ashiya immer noch am Liebsten mit Betterhalf durchbohren wie sie es mit Lucifer tat.

Hah! Sie hätte wirklich besser zielen sollen.

„Emi?“

„Uh. Oh. Weißt du, Chi-chan...“ Denk nach, Emi, denk nach. Was willst du? Dass Chiho sich von den Dämonen endlich fernhält, nicht wahr? Und plötzlich weiß sie, was sie zu tun hat. Verzeih mir, Chiho, es ist nur zu deinem Besten. „So leid es mir tut, dir das sagen zu müssen, aber ich glaube nicht, dass Mao gelogen hat.“

„Was?“ kiekst das Mädchen in so hoher Tonlage auf, dass Emi unwillkürlich schmerzhaft das Gesicht verzieht. Doch dann erwidert sie völlig ruhig:

„Wenn er und diese kleine Pest durch einen Blutschwur aneinander gebunden sind, erklärt das alles. Vor allem, wieso sie ihn nach allem, was er ihnen und uns antat, bei sich aufgenommen haben. Normalerweise zeigt Satan nämlich keine Gnade einem Verräter gegenüber.“

Chiho denkt kurz darüber nach. Das klingt logisch, aber sie weigert sich, zu glauben, dass ihr Mao wirklich so unbarmherzig sein kann. Emi ist schließlich nicht ohne Vorurteile und sie kennt Mao nicht so gut wie sie! Nein, Mao und Ashiya hatten einfach Mitleid mit diesem Kellerkind. Außerdem fühlten sie sich bestimmt schuldig, weil sie ohne ihn aus Ente Isla fliehen mussten.

Plötzlich erinnert sie sich, was Emi ihr von Ashiya und der armen Rika erzählt hat. Auch das kann sie nicht wirklich glauben – Ashiya und Rika sind so ein schönes Paar!

„Sind Ashiya und Urushihara also auch mit einem Blutschwur aneinander gebunden? Ich dachte, Ashiya und Rika hatten ein Date?“ Ashiya wird doch bestimmt nicht mit Rika ausgegangen sein, wenn er Gefühle für Urushihara hat, oder? Nein, das wäre falsch und passt gar nicht zu dem Blonden.

„Das Date lief nicht gut.“ Emi holt einmal tief Luft. „Und was Ashiya und Urushihara betrifft... Rika hat es gestern herausgefunden. Ich bin froh, dass es geschah, bevor sie sich wirklich in Ashiya verlieben konnte.“

„Arme Rika. Geht es ihr gut?“

„Sie kommt darüber hinweg. Und du auch, Chi-chan. Mao ist es nicht wert.“ Tröstend drückt Emi ihre Hände.

Chiho versucht ein tapferes Lächeln, aber es mißglückt völlig. Ihre Gedanken, vor kurzem noch aufgeregt flatternde Kolibris, setzen sich allmählich. Aber je mehr der Schock abklingt, desto größer wird ihre Wut.

„Glaubst du nicht auch, dass Urushihara ihn nur erpresst?“

Irritiert runzelt Emi die Stirn.

„Wie meinst du das?“

„Mao hat bestimmt ein schlechtes Gewissen und fühlt sich schuldig, weil Urushihara aus dem Fenster fiel.“

„Er fiel nicht, Chiho“, berichtigt sie Emi. „Er sprang. Mit voller Absicht.“

„Oh. Wie hinterhältig. Nur, damit die beiden zu ihm zurückkehren?“

„Öh...“ Emi zögert und denkt genauer darüber nach. Sie hat sich nie die Frage gestellt, wieso Lucifer aus dem Fenster sprang. Sie teilt nicht Chihos Theorie, aber wenn es hilft, dass sie sich von Mao fernhält, sollte sie ihr lieber zustimmen. Andererseits lügt sie sie nicht gerne an.

„Das wäre durchaus möglich?“

Wenn auch nicht, damit sie zu ihm zurückkehren. Eher, damit er sie zukünftig damit erpressen kann.

„Typisch! Dieser hinterfotzige, kleine Bastard!“

Emi verschluckt sich an ihrem eigenen Speichel, als sie Chiho derart fluchen hört. Doch die gerät immer mehr in Rage.

„Ich wette, er hat Mao damals auch zu diesem Blutschwur gezwungen. Das passt zu ihm, diesem egoistischen Bastard! Ich hasse ihn! Ich hasse ihn! Ich wünschte, er wäre tot!

Und dann:

„Warum hast du ihm in Ente Isla nicht den Garaus gemacht? Emi! Warum hast du nicht besser gezielt?

Plötzlich springt die Fünfzehnjährige auf die Füße. Sie bebt vor Wut und ballt die Hände zu Fäusten.

Emi betrachtet sie argwöhnisch und erhebt sich, Böses ahnend, ebenfalls.

„Chiho...?“

Doch diese gibt nur etwas von sich, das einem Kriegsschrei sehr ähnlich klingt und stürmt davon.

 

 

 



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