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Die Sonne scheint für alle

von

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XIII.

 

Lucifer erwacht mit dem Gefühl, als käme er von einem warmen Ort in eine Kühlkammer, doch er will das nicht genauer analysieren, dazu müsste er nämlich erst die Watte aus seinem Kopf vertreiben und das ist ihm jetzt einfach zu anstrengend. Müde reibt er sich die Augen und hievt sich dann langsam in eine sitzende Position.

„Guten Morgen, Lucifer", hört er eine sanfte Stimme neben sich.

„Guten Morgen", nuschelt er automatisch zurück.

Er reibt sich den letzten Schlaf aus den Augen und blinzelt dann in Maos lächelndes Gesicht. Er und Alciel sitzen an dem niedrigen Tisch, vor jedem von ihnen steht eine Tasse Tee und mitten auf dem Tisch... Lucifers Augen weiten sich überrascht - dampfen auf einem Teller goldbraun gebackene, frische Eierkuchen. Gierig saugt er den herrlichen Duft ein, der von dieser Süßigkeit ausgeht und ihm läuft sofort das Wasser im Munde zusammen. Unwillkürlich beginnt er zu lächeln, doch dann hält er abrupt inne. Vielleicht bekommt er ja gar nichts ab - es wäre ja nicht das erste Mal, dass die beiden sich selbst ein Festmahl gönnen und er leer ausgeht.

„Ich geh duschen und so", murmelt er, geht die anderthalb Meter zum Wandschrank hinüber, holt sich frische Wäsche und schlurft dann hinüber zum Bad.

„Lass dir nicht zu viel Zeit", ruft Mao ihm derweil nach. „Die Eierkuchen werden kalt."

„Mylord, ich gebe erneut zu bedenken, dass dies kein gesundes und ausgewogenesFrühstück ist."

„Das stimmt, Ashiya. Aber Lucifer steht auf sie, nicht wahr?"

Lucifer hat gerade die Badezimmertür beiseitegeschoben, aber diese Bemerkung lässt ihn überrascht zögern.

„Das stimmt", gibt er zu. Er darf wirklich etwas abhaben?

„Danke", fügt er dann noch leise hinzu, bevor er im Bad verschwindet.

Mao schenkt Alciel ein triumphierendes Grinsen. Der lächelt fröhlich zurück.

„Er hat sich bedankt, Mylord. Und es klang ehrlich."

„Natürlich, Ashiya", zufrieden nippt Mao an seiner Tasse. „Es liegt an uns, ihm zu zeigen, dass er für uns nicht nur ein nützliches Werkzeug ist, sondern viel, viel mehr." Er schluckt seinen Tee herunter und grummelt dann: „Ich weigere mich, dem Stamme Nimm anzugehören.“

Alciel starrt einen Moment sinnend auf die geschlossene Badezimmertür.

„Nun“, meint er dann gedehnt, „einmal können wir uns diese Süßspeise durchaus mal gönnen. Aber nur heute."

„Einmal die Woche", berichtigt Mao ihn sanft, aber entschieden.

Alciel verzieht das Gesicht.

„Aber ...“, klagt er weinerlich, „Eierspeisen gelingen mir nie."

Mao gluckst nur, langt zu ihm hinüber und wuschelt ihm vergnügt durch die blonden Haare.

„Das macht nichts. Ich bereite gerne für uns einmal in der Woche das Frühstück zu. Ehrlich, das macht mir nichts aus.“

Alciel mag es nicht, wenn man so durch seine Frisur fährt, und bei seinem König macht er da (ausnahmsweise) keine Ausnahme. Doch er lächelt, als er Maos Hand aus seinem Haar pflückt und wagt es sogar, sie für einen Moment festzuhalten und zu drücken, um ihm sein stummes Einverständnis zu signalisieren.

Diese ganze Situation hat etwas von einer Verschwörung an sich – aber eine gute. Alciel beginnt, sich den Kopf zu zermartern, wie er Lucifer ebenfalls eine Freude machen könnte. Er will nicht ins Hintertreffen geraten, aber er sollte seinen Herrn auch nicht in seiner Großzügigkeit und Güte übertreffen.

Für die nächsten zehn Minuten sitzen sie einfach nur schweigend da, trinken ihren Tee und lauschen auf das Wasserrauschen der Dusche.

 

 

Es ist nicht einfach zu duschen, wenn sich der dominante Arm in einer Schiene befindet und nicht nass werden darf, aber er bekommt langsam Übung darin. Wenigstens müssen sie nicht mit heißem Wasser geizen, auch wenn dieses Minibadezimmer aus dem letzten Jahrhundert ein lächerlicher Witz ist zu dem, was Mao-samas richtiges Castle in der Dämonenwelt an Badezimmern zu bieten hat.

Auch wenn es nicht leicht war, ihn von den Vorzügen fließenden Wassers zu überzeugen.

Aber Lucifer war es leid, zu leben wie in der Steinzeit. Er mochte dem Himmel den Rücken gekehrt haben, aber das bedeutete nicht, dass er sich Komfort und Luxus versagte. Nicht, wenn es eine andere Möglichkeit gab.

Dass er jetzt hier in so beengten Verhältnissen duschen muss und ihm nicht einmal eine handelsübliche Badewanne zur Verfügung steht, steigert seine Laune wahrlich nicht. Das hier ist einfach nur ein Loch. Er fragt sich wirklich, wieso die beiden nichts besseres finden konnten.

Ich kann das ändern.

Nachdenklich streicht er sich durch das klatschnasse Haar und verzieht dann schmerzhaft das Gesicht. Es ziept, dort, wo sie ihn genäht haben. Er hatte es für einen Augenblick wirklich vergessen.

Warum muss immer ich derjenige sein, der die Sachen anpackt?

So wie das mit der Warmwasserversorgung im Castle. Oder wie die Zeitaufteilung fürs Training ihrer Soldaten. Verdammt, er hatte sogar die Idee für eine Schule kleiner Dämonenrotznasen, wo sie lesen und rechnen lernen. Es war die einfachste Methode, sich eine neue Generation schlauer Gefolgsleute heranzuziehen, denn er war es wirklich leid, ihnen alles tausendmal erklären zu müssen. Bei Mao und Alciel hatte es ja auch funktioniert.

Seufzend stellt er die Dusche aus und wickelt sich in ein Handtuch. Er fühlt sich immer noch nicht sauber, aber ihm wird schon schwindlig von der Hitze. Während er in seine Kleidung schlüpft, muss er sich ein paar Mal am Waschbecken abstützen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.

So eine Gehirnerschütterung ist wirklich ätzend!

So ganz ohne seine heilende Magie ist er wirklich total aufgeschmissen.

Wie sehr er das hasst!

Seufzend stützt er sich am Waschbecken ab und starrt in den beschlagenen Spiegel.

Öhhhh... Nein, er wird das nicht abwischen, er will gar nicht erst wissen, ob er so mies aussieht, wie er sich fühlt.

Mit einem weiteren, tiefen Seufzer nimmt er ein Handtuch und rubbelt sich damit die Haare trocken, wobei er sehr vorsichtig mit seinem Hinterkopf ist.

Aber irgendwann kann er es nicht mehr länger herauszögern, also atmet er noch einmal tief durch, setzt sein bestes Pokerface auf und verlässt das Bad.

 

 

Als Lucifer zurückkommt, zeigt er eine ausgesprochen gleichmütige Miene und lässt sich betont lässig am Tisch nieder.

„Spuckt es aus“, meint er dann und starrt mit düster zusammengezogenen Augenbrauen auf die Eierkuchen. „Was wollt ihr von mir?“

„Mao-sama hat sich viel Mühe gegeben...“ beginnt Alciel sofort tadelnd, wird jedoch von Mao höchstpersönlich unterbrochen.

„Ich will mich bei dir entschuldigen.“ Maos Stimme ist leise und sehr ruhig und gerade deshalb umso eindrucksvoller. „Für alles, was ich dir vorgestern angetan habe. Nein, eigentlich für alles, was ich dir angetan habe, seit wir uns das erste Mal begegnet sind, vor allem für all die Dinge, von denen mir gar nicht bewusst war, was ich dir damit antue. Und ich gestehe, dass ich das jetzt immer noch nicht weiß, aber ich verspreche dir, mich zu bessern. Aber dafür musst du mir klipp und klar sagen, was dich stört. Abgemacht?“

Alciel neben ihm zieht scharf die Luft zwischen den Zähne ein und starrt ihn aus großen Augen an, als könne er nicht fassen, was sein König da gerade sagt. Und auch Lucifer ist verblüfft. Es ist nicht unüblich, dass sich Mao mit solch großen Worten entschuldigt, aber bisher noch nie bei ihm!

Das bringt ihn ein wenig aus dem Gleichgewicht.

„Ist das dein Ernst?“

„Ja, Lucifer. Mein voller Ernst.“ Intuitiv greift Mao nach seiner Hand und instinktiv scheut Lucifer zurück. Doch dann wird er sich dessen bewußt und legt sie wieder auf den Tisch.

Mao wagt ein kleines Lächeln und verschlingt zaghaft ihre Finger miteinander, immer darauf gefasst, dass Lucifer wieder zurückschreckt, doch als das nicht geschieht, wird aus seinem Lächeln ein breites, zufriedenes Grinsen.

Lucifer starrt für einen Moment nur auf ihre beiden Hände und hebt dann den Kopf. In seinen violetten Augen schimmert so etwas wie vorsichtige Hoffnung.

„Gut. Könntest du … könntet ihr mich dann bitte ab sofort immer so nennen, wenigstens, wenn wir unter uns sind?“

Irritiert runzelt Mao die Stirn. „Wie?“

„Bei meinem Namen. Lucifer.“ Er zögert kurz und fährt dann entschuldigend fort: „Ich weiß, dass es wichtig ist, weil wir uns hier anpassen müssen, so lange wir hier leben und so, aber... ich bin nicht Urushihara Hanzō. Es gibt keinen Urushihara Hanzō. Er ist Fake. Und ich … bin kein Fake. Ich … will kein Fake sein. Nicht für euch.“ Zum Ende hin wird seine Stimmer immer leiser, bis sie nur noch ein schwer verständliches Murmeln ist. Doch dank ihrer gestohlenen Dämonenenergie können sie ihn sehr gut verstehen.

„Du bist doch kein Fake!" protestiert Alciel heftig, bevor Mao darauf etwas erwidern kann. „Du bist auch kein Werkzeug. Und du warst es auch nie. Für keinen von uns. Niemals!", erklärt er kopfschüttelnd. „Was ist nur los mit dir, dass du immer in diese Richtung denkst? Und jetzt hör auf mit diesen furchtbaren Gedanken und iss. Eierkuchen schmecken am besten, wenn sie noch warm sind."

Mit diesen Worten schaufelt er gleich drei der goldgelben Süßspeisen auf einen Teller, bestreut sie dick mit Puderzucker und stellt den Teller dann schwungvoll vor Lucifer hin.

„Und jetzt: Guten Appetit."

Lucifer wagt es nicht, ihm zu widersprechen und auch Mao schweigt. Ihr selbsternannter Hausmann kann selbst auf ihn ganz schön einschüchternd wirken, wenn er es darauf anlegt.

 

 

 



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