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The Tiger and the Wolf

von

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Weibliche Intuition - eine Analyse

Der nächste Morgen im mccallschen Haushalt lief relativ normal ab. Scott und seine Mutter frühstücken miteinander, unterhielten sich über Schule und Arbeit, das Lacrossetraining und den Kostümball an Halloween. Der Werwolf machte seinen Namen alle Ehre, indem er mindestens für zwei Personen Rührei mit geröstetem Toast verschlang, was seiner Mutter ein Lächeln abrang. Nachdem das Morgenmahl erledigt war, setzten sie sich ins Wohnzimmer, Melissa mit einem Glas Wein bewaffnet und es folgte jener Teil des Tages, dem der Alpha ein wenig nervös entgegenblickte.
 

„Mom, findest du nicht, dass es noch ein wenig zu früh ist, um zu trinken?“, begann Scott mit einem nervösen Witz die Konversation.
 

„Das könnte ich dich auch fragen, Schatz – nach nicht einmal einer Woche bereits einen Freund heranzuschleppen, das ist sogar für Teenagerverhältnisse erstaunlich früh.“ Melissas Lippen zierte ein Schmunzeln.
 

„Ich… also“, stotterte der Alpha vor sich hin und konnte dabei fühlen, wie seine Ohren von einer dezenten Röte geziert wurden.
 

„Schatz, alles gut“, beruhigte ihn seine Mutter sanft. „Du scheinst ihn sehr zu mögen, hm?“ Bei der Frage verschwand ihr Gesicht hinter dem Glasrand und machte es so besonders schwer, ihre Miene zu deuten.
 

„Kann man so ausdrücken“, rieb sich Scott verlegen den Nacken. „Es ist schwierig zu erklären.“
 

„Versuch es doch einfach einmal?“, schlug Melissa vor und stellte das Weinglas auf dem Couchtisch vor ihr ab.
 

„Okay.“ Er atmete tief durch. „Mom, ich glaube ich habe mich wirklich in Luke verliebt. Es ist ganz anders als mit Allison damals. Er bringt mich zum Lachen und er ist unendlich süß, wenn er nervös ist, ganz anders als sein Auftreten in der Schule.“
 

„Dort ist er nicht so schüchtern?“, erkundigte sich seine Mutter interessiert. „Auch nicht so steif und förmlich?“
 

„Überhaupt nicht. Er hat sich am ersten Tag bereits erfolgreich mit Jackson angelegt. Es ist einfach so verrückt, weil ich ihn kaum kennen dürfte und doch fühlt es sich an, als würde ich manchmal genau wissen, was er als Nächstes macht. Ich kann seinen Herzschlag förmlich spüren, seine Finger auf meiner Haut hinterlassen ein unbeschreibliches Prickeln und seine Lippen…“ Erst in diesem Moment realisierte er, wem er gerade von Luke vorschwärmte und zog seinen hochroten Kopf ein. Einen flüchtigen Blick zu Melissa hin wagend, konnte er erkennen, wie sie erneut lächelte. „Du hältst mich für verrückt, oder?“
 

„Nein, nur für sehr verliebt. So als wärst du dir ganz sicher. Ist er es denn?“
 

Scott rang mit sich selbst. Sollte er seiner Mutter wirklich die ganze Wahrheit präsentieren? Ihr auch von den Zweifeln berichten, den Vermutungen und der Narbe? In seinem Hinterkopf meldete sich eine Stimme, nicht mehr als ein leises und verschlagenes Flüstern, er solle es nicht machen, doch dann entschied er sich, nicht auf seinen Kopf, sondern seinen Bauch zu hören. Er liebte seine Mutter und vertraute ihr blind.
 

„Mom, ich weiß es nicht“, gestand er ehrlich ein. „Es ist alles so kompliziert.“
 

„Kompliziert?“ Melissas Augenbrauen wanderten ein wenig in die Höhe und sie runzelte die Stirn. „Inwiefern?“
 

„Weil Lukes Mal von einer großen Narbe verdeckt wird.“
 

„Eine Narbe – von einem Unfall?“
 

„Auch das weiß ich nicht; er möchte nicht darüber sprechen, zumindest jetzt noch nicht. Die Narbe überschattet wohl das Seelenmal.“
 

„Okay, aber du hast doch deines noch? Luke hat sich doch mit Taylor vorgestellt? Dein Seelenmal deutet aber auf jemanden mit dem Nachnamen A hin“, warf Melissa ein.
 

„Natürlich und es fühlt sich auch so an, wie Stiles es immer mit Derek beschrieben hat. Luke und ich scheinen ein unfassbar gutes Team zu sein. Wir haben in der Schule etwa beim Fußballspiel gewonnen und das, obwohl ich noch nie wirklich einen Ball an den Füßen hatte. Es war als würde ich wissen, wohin er spielt, was ich machen muss, wann ich den Ball wieder abgeben muss… beim Orientierungslauf genauso. Er war verdammt schnell und extrem ausdauernd und auch viel zu stolz, zuzugeben, sich zu sehr verausgabt zu haben. Als ich ihm dann vorgeschlagen habe, ihn auf meinem Rücken zu tragen, hat er nach kurzem Zögern zugestimmt. Ich weiß, warum auch immer, dass er das nur gemacht hat, weil ich es gewesen bin, der ihn getragen hat.“ Scotts Redefluss wurde von einem gelegentlichen Nicken begleitet, aber seine Mutter verhielt sich ansonsten erstaunlich ruhig und beschränkte sich aufs Zuhören.

„Mom, du hast keine Ahnung, wie er gegenüber dem Coach aufgetreten ist – absolut desinteressiert und gleichgültig. Im Unterricht interessiert er sich auch für sonst niemanden und Stiles scheint er absolut nicht ausstehen zu können. Mir gegenüber verhält er sich aber ganz anders. Er ist sanft, liebevoll, behutsam und furchtbar verletzlich. Auf der Herfahrt hat er sich die ganze Zeit Gedanken gemacht, wie er dir beibringen soll, dass wir nun wohl zusammen sind und ob du mit ihm zufrieden bist, er deinen Ansprüchen genügt, gut genug für mich ist…“
 

„So wie du ihn beschreibst, versucht er wohl diese verletzliche Seite nach außen hin zu kaschieren. Ich habe ihm aber auch angesehen, wie sehr er in dich verliebt sein muss. Dieses Leuchten in den Augen, dazu die Gesten und Blicke – es ist kein Wunder, dass er sich dir gegenüber ganz anders verhält.“ Melissa griff wieder nach ihrem Weinglas und nippte daran.
 

„Weil er in mich verliebt ist?“
 

„Ja, aber vor allem, weil er dir zu vertrauen scheint. So wie du Luke beschreibst und wie er mir gegenüber aufgetreten ist, scheint er schwerlich in der Lage zu sein, irgendjemandem Vertrauen und Zuneigung entgegenzubringen.“ Seine Mutter lehnte sich ein wenig zurück, das Glas bei sich behaltend. „Er klammert auch, oder?“
 

„Ja. Luke hält fast pausenlos meine Hand“, bestätigte Scott.
 

„Weil er Angst hat dich zu verlieren“, stellte die Krankenschwester fest.
 

„Woher willst du das wissen?“
 

„Ich habe Augen im Kopf, Schatz. Er wusste gar nicht, wohin er zuerst sehen soll, zu dir oder zu mir. Dazu dieses verschüchterte Verhalten, so konträr zu dem, was du mir eben berichtet hast.“
 

„Dann glaubst du, bin ich nur eine Art Ankerpunkt für ihn?“ Enttäuschung machte sich in dem Alpha breit. Er wollte nicht nur eine Art Notnagel sein, etwas, an dem man sich festklammern konnte.
 

„Ja und nein. Luke liebt dich höchstwahrscheinlich wirklich und du bist ebenso sein Anker, aber genau deswegen will er dich nicht verlieren oder hat Angst, dich zu verlieren. Darf ich raten, dass er in einer schwierigen familiären Situation aufgewachsen ist?“ Melissas Mundwinkel zuckten ein wenig, als Scott, mit halboffenem Mund, nickte. „Wir haben genügend solche Jugendliche im Krankenhaus, die auch verhaltensauffällig sind. Tief in seinem Inneren wird er wahrscheinlich Sorge haben, nicht auszureichen, um dich halten zu können, und sich darum so bemühen.“
 

„Darf ich deswegen bei ihm mitessen, während er das bei Stiles nur zähneknirschend hingenommen hat?“, wollte der Werwolf wissen.
 

„Ich bin mir ziemlich sicher. Dazu würde auch passen, dass er sich von dir hat tragen lassen, obwohl es ihm offenbar peinlich gewesen ist. Wahrscheinlich sieht er Stiles sogar als eine Bedrohung an, weil du ihn lieber haben könntest als ihn.“
 

„Aber er hat ja Allison und Isaac auch von seinem Lunch etwas abgeben“, gab Scott zu bedenken. „Warum? Nur weil sie seine Cousine ist und er der Freund seiner Cousine?“
 

„Solche Kinder haben oft das Bedürfnis nach einer intakten Familie, einem Stück Normalität. Allison ist Familie, genauso wie Isaac. Ich wage zu behaupten, dass er sich ihnen gegenüber ähnlich wie dir verhalten wird.“ Melissa nippte wieder an ihrem Glas, dessen rotflüssiger Inhalt zur rasch zur Neige ging.
 

„Du weißt, dass das furchtbar anstrengend klingt? Ich habe Stiles außerdem versprochen, ihn für nichts und niemanden auf dieser Welt zu versetzen.“
 

„Das sollst du ja auch nicht, er wird sich an ihn gewöhnen, wie auch umgekehrt. Viel wichtiger ist, geduldig mit ihm umzugehen und ihm zu zeigen, dass seine Angst unbegründet ist.“ Melissa stellte ihr Glas beiseite und nahm Scott bei den Händen. „Er wird sich panisch davor fürchten, dich zu verlieren.“
 

Der Werwolf legte den Kopf schief und zuckte leicht überfordert mit dem rechten Mundwinkel. „Mom, woher weißt du das alles? Du kennst ihn doch kaum? Ich kenne ihn kaum…“ Tatsächlich wusste er, trotz allem, so erstaunlich wenig über seinen Freund, dass er daran zu zweifeln begann, ob es überhaupt die richtige Entscheidung gewesen war, der Beziehung zuzustimmen.
 

„Weibliche Intuition und Erfahrung, Schatz.“ Melissa schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln. „Ich will ehrlich zu dir sein: Es geht sehr schnell, aber ich werde dich nicht aufhalten, sondern bestärken. Zweifelsohne liebt dich Luke, das habe ich gemerkt. Das sage ich dir jetzt auch schon zum dritten Mal.“
 

„Trotzdem…“ Scott rieb sich über den Oberarm. Es war so viel passiert und das binnen einer Woche. Er wusste selbst nicht einmal, wie er reagieren sollte. Fakt war, dass er mit Luke zusammen sein wollte und wirklich sehr auf ihn stand, verliebt war, aber auch, dass es eine große Reihe von Gefahren und Problemen mit sich brachte, mit ihm verbunden zu sein. „Stört es dich nicht, dass er der Enkel von Gerard ist?“
 

„Nein“, antwortete seine Mutter ohne zu zögern. „Es hat mich auch bei Allison nicht gestört, trotz der Vorkommnisse. Wenn du ihn liebst, kann er kein schlechter Mensch sein, so viel Intuition und Menschenkenntnis besitzt du, Schatz.“
 

Er nickte daraufhin nur und holte tief Luft. Seine Mutter schien ihn zu verstehen und Luke gegenüber keine Vorurteile zu besitzen, nicht wie etwa Stiles oder zweifelsohne auch Allison. Mit ihr über dieses Thema zu sprechen wäre sowieso seltsam gewesen. „Mom, ich denke aber, dass Luke lügt.“ Sobald diese Worte seine Lippen verlassen hatten, war da wieder jenes Schuldgefühl, welches an ihm nagte, sobald er auch nur ansatzweise schlecht über den Briten dachte. Nein, er war überzeugt, der Dunkelblonde log nicht, doch irgendwie…
 

„Du glaubst also, er ist dein Seelengefährte?“ Es war nicht einmal eine wirkliche Frage gewesen, sondern eine simple Feststellung seitens Melissa.
 

„Ich wünsche es mir zumindest“, gestand der Alpha leise. „So lange musste ich schon warten, zusehen, wie alle anderen um mich herum glücklich sind, während ich alleine dahinvegetierte. Es ist ja nicht so, als würde mich der Umstand stören, dass es ein Junge ist, überhaupt nicht, nur…“
 

„Du bist dir unsicher, ob es wirklich so ist? Warum er diesen Umstand vor dir verheimlicht? Ob du ihm vertrauen kannst? Was alles auf dich zukommt, wenn du wirklich an ihm festhältst? Ob du es dir nicht nur einbildest, weil du als letzter von deinen Freunden deinen Gefährten finden wirst?“ Jede einzelne Frage war nur rhetorischer Natur und obwohl er seine Mutter gut kannte, war Scott doch immer wieder verblüfft ob ihrer schnellen Auffassungsgabe. „Schatz, das sind Fragen, die dir niemand beantworten kann. Du weißt, ich bin mit einem Jungen an deiner Seite genauso glücklich wie mit einem Mädchen, solange du glücklich bist.“ Um ihre Worte zu unterstreichen, griff sie wieder nach Scotts Händen und zog ihn dieses Mal in eine sanfte Umarmung.
 

„Ich habe aber Angst“, gab er leise preis. „Angst es zu verbocken oder enttäuscht zu werden. Was wenn Stiles Recht hat, und es alles nur ein Plan von Gerard ist, um sich an mir zu rächen? Was, wenn dir deswegen etwas passiert oder meinen Freunden? Mom, es ist einfach so eine große Last, die auf meinen Schultern liegt.“ Schlussendlich klammerte er sich an Melissa, die ihm beruhigend über den Rücken strich und ihn einfach festhielt, was furchtbar guttat.
 

„Du wirst es nicht verbocken, Scott. Ich mag vielleicht kein Werwolf sein und auch nicht solche herausragenden Fähigkeiten besitzen, aber ich bin sehr wohl in der Lage echte Liebe von einem schlechten Schauspiel zu unterscheiden und dieser Junge ist eindeutig verliebt in dich. Du glaubst daran, dass er dein Seelengefährte ist, darum sage ich dir: Versuche es. Schiefgehen kann es immer, doch dafür hast du deine Freunde und deine Mutter, die dich auffangen und festhalten werden.“ Melissa drückte Scott einen flüchtigen Kuss auf die Stirn und bewegte ihn so, sie anzusehen. „Mal abgesehen davon, dass er wirklich hervorragende Manieren besitzt und weitaus romantischer zu sein scheint, als sämtliche Männer, die ich jemals kennengelernt habe“, fügte sie scherzhaft an.
 

„Mom“, verdrehte der Alpha die Augen und konnte ein Kichern nicht unterdrücken. „Er kann auch ganz anders sein.“
 

„Ich kann es mir lebhaft vorstellen“, bestätigte sie ihm. „Dieser weiche und sehnsüchtige Blick, den er dir heute mehrmals zugeworfen hat, spricht aber eine ganz andere Sprache. Egal wie du dich entscheidest, ich stehe hinter dir.“
 

„Danke.“ Scott löste sich aus der Umarmung. „Du bist die beste Mom der Welt.“
 

„Solange, bis ich dir wieder Hausarrest erteile, wobei das sowieso allmählich nicht mehr zu fruchten scheint. Ich könnte Luke einfach Hausverbot bei uns erteilen, zusätzlich zu Stiles…“ Dabei tippte sich Melissa nachdenklich ans Kinn.
 

„Mom!“
 

„Was denn?“, fragte sie unschuldig.
 

„Du bist genauso unmöglich!“, protestierte der Werwolf.
 

„Ich bin eine Mutter, das bedingt irgendwie beides, Schatz. So und jetzt mach dich an deine Hausaufgaben oder lerne für irgendeinen Test, denn egal ob neuer Freund oder nicht, oder deinen Pflichten als Beschützer, du bist noch immer Schüler und ich möchte gerne auf den Abschlussball meines Sohnes gehen, ohne dabei Bauchschmerzen wegen seines Notenspiegels zu haben.“
 

Scott schenkte seiner Mutter einen gespielt giftigen Blick, ehe er sich in sein Zimmer verzog und auf sein Bett warf. Es hatte gut getan, mit ihr zu sprechen. Sie hielt zu ihm und das war das Wichtigste, neben Stiles. Wenn dieser sich auch noch mit Luke anfreunden konnte und umgekehrt, bestand die reale Chance, dass diese Beziehung nicht ein Fiasko mittleren Ausmaßes werden würde. Der Gedanke daran versetzte ihm einen Stich: Nein, das würde sie ganz sicher nicht, denn sie liebten sich irgendwie. Nachdenklich zog er den Ärmel seines T-Shirts hoch und betrachtete die zwei Buchstaben, welche nach wie vor auf seiner Haut prangten: Ein L und ein A, kein L und ein T. Warum musste alles so kompliziert sein? Das Prädikat „Einfach“ war irgendwie aus seiner Lebensplanung verschwunden und das änderte sich auch nicht, als er sich an seine Hausaufgaben machte. Verrückt, wie ein einzelner Mensch und eine einzelne Woche alles über den Haufen werfen konnte.



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