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The Tiger and the Wolf

von

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Ein Versprechen

„Du siehst übrigens noch beschissener aus als Jackson damals nach der Sache mit Derek“, kommentierte Stiles trocken Scotts Augenringe. „Schlecht geschlafen?“
 

„Gar nicht“, beantwortete er die Frage und rieb sich dabei mit den Handballen über die Augen. „Eine lange Geschichte. Erzähl mir lieber zuerst einmal, was deine Recherchen ergeben haben.“ Beim Wort „Recherchen“ wurde Stiles ein wenig kleiner und seine blassen Wangen zierte eine dezente Röte. „Du hast doch recherchiert, oder?“, erkundigte sich Scott.
 

„Ja, habe ich. Auch. Unter anderem“, antwortete Stiles und räusperte sich dezent.
 

„Ich will es gar nicht wissen, oder?“, interpretierte Scott das Verhalten seines besten Freundes mit einem schiefen Grinsen auf den Lippen. „Oder darf es nicht wissen?“
 

„Ich kann dir eine Zeichnung machen, wenn du willst, oder eine audiovisuelle Beschreibung liefern, mit allen Einzelheiten?“, trat Stiles die Flucht nach vorne an, was bei Scott nur dazu führte, dass er energisch den Kopf schüttelte. „Sicher?“
 

„Ganz sicher“, bestätigte ihm Scott. „So sehr ich dich auch liebe, Bro, so wenig will ich mir irgendwelche Bettgeschichten von dir anhören. Konzentrieren wir uns lieber auf das Wesentliche: Was hast du herausgefunden?“
 

Beide waren inzwischen an ihren Spinden angekommen. Jeder verschwand hinter seiner Tür und kramte die Sachen für die nächste Stunde hervor, während sie sich miteinander unterhielten. Mimik und Gestik des jeweiligen Anderen blieben verborgen, doch das war auch nicht nötig, um den Gesichtsausdruck des jeweils Sprechenden zu erraten. Sie kannten sich bereits seit Kindesbeinen an und waren so eng zusammengerückt, dass sie sich blind vertrauten.
 

„Deprimierend wenig. Über Luke scheint es keine Aufzeichnungen zu geben. Er existiert quasi gar nicht, wie ein Geist. Keine Einträge in sozialen Netzwerken, keine Berichte, keine Anmeldedaten für die renommiertesten Privatschulen in Cambridge, nichts. Nicht, dass man leicht an solche Daten käme, aber es gibt überhaupt keinen Anhaltspunkt. Daddy scheint seinen Sohn sehr gut vor der Öffentlichkeit abzuschirmen.“ Stiles klang dabei ein wenig frustriert.
 

„Denkst du dann, dass er gelogen hat?“ Irgendetwas sträubte sich in Scott, wenn er Luke der Lüge bezichtigte. Er wollte und konnte nicht schlecht über ihn denken, zumindest in diesem Moment nicht. Das war bei einem eigentlich Fremden ungewöhnlich. Für einen kurzen Augenblick tauchte wieder dieses warme Gefühl in seinem Körper auf, das Prickeln, welches seine Fingerspitzen zucken ließ, während er sein Buch für Geschichte einräumte.
 

„Nein. Das ist nicht ungewöhnlich. Personen des öffentlichen Interesses sind äußerst darauf bedacht ihr Privatleben geheim zu halten. Dafür werden teilweise eigene Unternehmen angeheuert, die sich darum kümmern, dass nichts von ihren Klienten nach außen dringt. In Daniel Taylor scheinen sie wohl einen solchen Klienten gefunden zu haben.“
 

„Ist das jetzt beunruhigend oder nicht?“, fragte Scott nach einer kurzen Zeit des Schweigens. Die angenehme Empfindung war wieder verschwunden. Er sehnte sich bereits wieder danach und konnte sich nicht erklären warum. Es hatte ihn glücklich gemacht, Sorgen und Probleme vergessen lassen und ihm so etwas wie Herzklopfen beschert. Positives Herzklopfen.
 

„Nicht wirklich. Zumal auch sein Vater mit großer Anonymität bezüglich seines Privatlebens glänzt. Der offizielle Lebenslauf ist äußerst langweilig und spiegelt quasi den mustergültigen Erfolgstraum eines jeden Unternehmers wider: Bahnbrechende Erfindung, Patentierung, verdient damit ein Vermögen, spendet einen Teil für wohltätige Zwecke, behält einen Teil und investiert den Rest in hochriskante Aktiengeschäfte, die sich als gewinnbringend herausgestellt haben. Keine Skandale, kaum negative Presse, mal abgesehen von der Tatsache, dass sein Unternehmen hochmoderne Waffen entwickelt, die nicht nur zur bloßen Abschreckung dienen, nichts. Er ist offiziell alleinstehend und Vater eines Sohnes. Name und Alter des Kindes sind aber nicht zu ermitteln gewesen.“
 

„Das bedeutet, dass du nichts herausgefunden hast“, schlussfolgerte Scott und drückte seine Spindtür zu.
 

„Exakt“, bestätigte ihm Stiles und tat es ihm gleich. „Über die offiziellen Kanäle ist nichts über Luke herauszufinden.“
 

„Und inoffiziell?“ Scott gefiel der Ausdruck in Stiles Gesicht nicht.
 

„Das ist die Frage. Ich würde aber bevorzugen, auf die Lösung nicht zurückgreifen zu müssen. Das Beste wird sein, sich mit Chris und Allison zu unterhalten. Derek meinte, du solltest das machen, oder Isaac.“
 

„Dazu müsste sie erst einmal aus ihrem Kurzurlaub zurück sein. Ich kann mich aber heute bei Chris erkundigen.“
 

„Es reicht, wenn du das morgen oder so erledigst. Da kommen sie doch zurück? Lydia und Allison?“
 

„Ja, soweit ich informiert bin schon.“
 

„Sehr gut, Isaacs Laune ist nämlich unerträglich ohne Allison. Er war gestern noch kurz bei Derek und mir und puh…“ Stiles wiegte seine Hand hin und her und schüttelte dabei den Kopf. „Das wars jedenfalls von meiner Seite.“
 

„Gut, dann bin wohl ich dran“, meinte Scott, verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich mit der Schulter gegen seinen Spind. „Neben Fußball scheint er äußerst interessiert an Langlauf und Parkoursport zu sein. Was ist das überhaupt?“
 

„Parkour ist eigentlich eine Fortbewegungsart, bei der man möglichst effektiv versucht Hindernisse zu überwinden. Dabei steht die Effizienz im Vordergrund“, erklärte ihm Stiles, was bei Scott nur Unverständnis auslöste. Sein bester Freund seufzte leise. „Eine Mauer wird so überwunden, dass man so wenig Geschwindigkeit wie möglich verliert. Kreativität steht dabei im Vordergrund, wie auch Einfallsreichtum und dementsprechende körperliche Fitness.“
 

„Das klingt irgendwie anstrengend“, meinte Scott nachdenklich. „Und erinnert mich an das erste Training nach meinem Biss, als ich über den Verteidiger einfach hinweggesprungen bin.“
 

„Jein, lassen wir es einfach so stehen, okay?“ Stiles verschmälerte seine Augen ein wenig. „Woher weißt du das eigentlich?“
 

„Weil er es heute meiner Mum erzählt hat.“
 

„Wie, er hat es deiner Mutter erzählt?“
 

Scott druckste ein wenig herum, ehe er damit begann, Stiles über seine Mitfahrgelegenheit gestern und heute aufzuklären. Genauso über ihr Gespräch und auch ein wenig zähneknirschend über Lukes Narbe. Letzteres kam ihm wie ein Verrat vor. Luke hatte sie ihm im Vertrauen gezeigt. Er wollte ihn nicht hintergehen. Stiles war aber auch sein bester Freund und sie hatten keine Geheimnisse voreinander. Gerade die Geschichte um die Narbe schien sein Gegenüber zu interessieren, wie auch Scotts Gefühlskarussell, denn er lupfte verwundert die Augenbrauen.
 

„Er hat gesagt, an der Stelle habe sich sein Seelenmal befunden?“ Stiles deutete dabei auf den Bereich, den Scott ihm an seinem eigenen Körper gezeigt hatte.
 

„Hat er und auch nicht gelogen dabei, das hätte ich bemerkt“, fügte der Werwolf nickend an.
 

Stiles starrte auf Scotts rechten Oberarm und hatte die Stirn dabei gerunzelt. Nachdenklich tippte er sich mit dem Zeigefinger ans Kinn, was ihm einen fragenden Blick seitens des Alphas einbrachte. Er öffnete den Mund, schloss ihn wieder, schüttelte den Kopf, legte ihn schief und schien mit sich selbst zu ringen.
 

„Was hast du?“ Scott war besorgt ob dieses ungewöhnlichen Verhaltens.
 

„Scott, ich… ich bin mir einfach noch nicht sicher, darum will ich die Pferde nicht scheu machen. Ich habe eine Vermutung, die sehr gut in das Muster passen würde. Nur, wenn ich damit falsch liege, wecke ich ganz falsche Erwartungen und auch Hoffnungen und ich würde dich auch damit belasten.“
 

Scott runzelte die Stirn und drückte sich von seinem Spind ab, um auf Stiles zuzugehen. Er blieb vor ihm stehen und legte ihm die Hände auf die Schultern. „Stiles, du kannst mir alles erzählen und jegliche Vermutung unterbreiten, ja? Ich verspreche dir, nichts Unüberlegtes zu machen und auch nicht enttäuscht zu sein.“
 

Stiles wandte sich unter Scotts Blick, wich ihm aus, starrte auf seine Sneaker, zupfte am Ärmel seines karierten Flanellhemdes, bis er sich endlich dazu hinreißen ließ, dass er endlich etwas sagte: „Ich habe einfach Angst, Scott.“
 

„Angst wovor?“, fragte er ruhig.
 

„Angst um dich.“ Sein bester Freund sah auf und machte einen betretenen Eindruck. In den karamellfarbenen Augen schimmerte tatsächlich so etwas wie Furcht. „Scott, du bist mein bester Freund, wir sind sowas wie Brüder. Wenn ich mit meiner Vermutung Recht habe…“
 

„Welche denn? Komm schon Stiles, spuck es aus. Nichts wird uns jemals trennen, das weißt du“, versicherte ihm Scott und drückte fest seine Schultern. „Versprochen.“
 

„Ich glaube, dass Luke dein Seelengefährte ist“, flüsterte er leise und Scotts Griff lockerte sich dabei ein wenig. Wieder ein lebhaftes Interesse an seinen Schuhen entwickelnd, starrte er zu Boden, während er bedrückt weitersprach: „Ich weiß, es passt nicht, von den Initialen her, aber was, wenn er nicht als Luke Taylor, sondern als Luke Argent geboren wurde? Oder tatsächlich noch immer so heißt, nur gelogen hat?“
 

„Und was würde das zwischen uns ändern?“, erkundigte sich der Werwolf sanft und verdrängte den Gedanken daran, dass Stiles tatsächlich Recht haben könnte. Gerade ging es um seinen besten Freund und das war wichtiger.
 

„Es könnte alles verändern, beeinflussen. Luke scheint unter Gerards Einfluss zu stehen und wenn er dein Seelengefährte ist, dann musst du dich am Ende vielleicht entscheiden, zwischen uns und ihm.“ Stiles sah nun nach oben und seine Augen waren leicht glasig.
 

„Ich werde mich nie zwischen dir und jemandem entscheiden“, versuchte Scott ihn zu beruhigen. „Niemand ist mir so wichtig wie du, das weißt du, Stiles. Selbst, als ich mit Allison zusammen war, hat sich daran nichts geändert.“
 

„Das ist aber etwas anderes, Scott. Allison hast du geliebt, aber mit Luke wärst du verbunden. Ihr wärt ein Duo, füreinander geschaffen, wie es Derek und ich sind. Viel intensiver. Du könntest nicht anders, als zu ihm zu stehen. Gerard könnte dich benutzen, erpressen, an der kurzen Leine halten, such dir einen Begriff aus. Ich will dich einfach nicht verlieren, Bro.“ Stiles zögerte einen Moment, bevor er Scott in eine feste Umarmung zog und sich sogleich wieder von ihm löste. „Wenn ich nicht Recht habe, dann wirst du wieder enttäuscht werden. Ich… ich hätte gar nicht davon anfangen sollen.“ Er wandte seinen Blick ab und wischte sich hastig über die Augen.
 

„Stiles, ich…“ Scott wusste nicht was er sagen sollte. In all der Zeit, in der er auf seinen Seelengefährten gewartet hatte, und auch noch immer wartete, war ihm nie der Gedanke gekommen, dass er etwas an seiner Beziehung zu Stiles ändern könnte. Dass sie sich verändern könnte. Ohne Stiles war sein Leben nicht vollständig, es fehlte ein Stück. Er rang um die richtigen Worte, setzte an, hielt inne, überlegte erneut und wog ab und wartete darauf, dass seine Stimme zurückkehrte, die ihm plötzlich ihren Dienst versagte. Ein Leben ohne Stiles, ein Leben gegen Stiles, das würde er nicht zulassen, niemals. Seine Freundschaft zu ihm und auch zu den anderen, zu Derek, Isaac und Co, war ihm wichtiger als ein eventueller Seelengefährte.
 

„Stiles, schau mich einmal an“, forderte ihn Scott nach einem kurzen Zeitraum des unbehaglichen Schweigens auf. Sein bester Freund kam der Aufforderung nur zögernd nach, tat es dann aber doch. Der Werwolf schaute ihm dabei fest in die Augen. „Niemand wird uns beide jemals auseinanderreißen, nicht einmal mein Seelengefährte. Das werde ich verhindern, okay? Und wenn ich dafür auf meinen Gefährten verzichten muss.“
 

Stiles wischte sich erneut über die Augen: „Du weißt, dass das nicht geht. Wenn ihr euch einmal gefunden habt, dann ist das so. Ich gönne es dir natürlich, Bro, aber… Gott, ich klinge egoistisch, oder?“
 

Der Alpha schüttelte beschwichtigend den Kopf: „Tust du nicht. Wenn du Recht haben solltest, dann habe ich die Wahl, denn er meinte, es würde nur funktionieren, wenn sich sein Seelengefährte in ihn verliebt. Ich würde mich nie in jemanden verlieben, der uns auseinandertreiben könnte, jemanden, der dir schaden will. Also, Kopf hoch, wir sind ein Team, Bros.“ Dabei lächelte Scott ihm entgegen, was Stiles tatsächlich zu beruhigen schien.
 

„Und wenn es doch anders kommt? Ich meine, wenn du dich doch verliebst? Stehst du überhaupt auf Kerle?“
 

„Mir wäre es egal, wenn mein Seelengefährte männlich ist, aber mir wäre es nicht egal, wenn er etwas an unserer Freundschaft auszusetzen hätte. Vorher schicke ich ihn in die Wüste, okay? Niemand ist es wert, dass ich dich für ihn aufgebe.“
 

„Scott, du weißt ja gar nicht was du da sagst“, nuschelte sein bester Freund.
 

„Doch, sehr gut sogar.“ Scott nahm Stiles noch einmal fest in die Arme. „Wir bleiben zusammen, für immer. Bros before hoes und so.“
 

„Wir sollten jetzt aber aufhören, Scott, die Leute starren schon“, kam es gedämpft von Stiles, der sich trotz gegenteiliger Aussage an seinen besten Freund geklammert hatte. Sie lösten sich und grinsten einander zu. „Auf in den aussichtslosen Kampf namens High School“, meinte er noch, bevor sie sich, erleichtert auflachend, auf den Weg ins Klassenzimmer machten.



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