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Wolken sind auch nur Zuckerwatte

von

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Luke legte leise seufzend den Controller seiner Playstation auf den Glastisch vor sich und sah hinüber zu der kleinen Miniaturausgabe von Scott, die ihm ein triumphierendes Grinsen schenkte; ein Grinsen, das ihn sehr an sein eigenes erinnerte.
 

„Ich habe gewonnen, Papa!“, strahlte er.
 

„Hast du“, bestätigte ihm sein Vater und griff hinter sich. Jonathan hatte es tatsächlich fertiggebracht selbstständig Zuckerwatte herzustellen. Jaden flog aus irgendeinem Grund auf diesen süßen Fraß und Scott würde ihm zwar den Kopf abreißen, doch er hatte gewettet und verloren.
 

„Hier“, hielt ihm Luke die Schüssel mit den Zuckerfäden hin.
 

Ihm wurde das Porzellan förmlich aus den Händen gerissen, bevor sich der kleine Frechdachs mit Genuss über dessen Inhalt hermachte. „Du solltest nächstes Mal dich selbst aussuchen und nicht diesen doofen Kane.“
 

Erneut musste der Brite ein Seufzen unterdrücken. Es lag nicht daran, dass er in Fifa als Spielfigur die besseren Werte besessen hätte, aber die Reaktionsgeschwindigkeit seines Sohnes war einfach übermenschlich. Kein Wunder, er war schließlich ein Werwolf, wie auch sein Vater.
 

„Du weißt genau, dass Papa Harry Kane sehr mag“, versuchte er Jaden halbherzig zu tadeln.
 

„Ja, du hast auch ein Poster von ihm im Zimmer“, wurde ihm bestätigt. „Wie ich eines von dir!“
 

„Ist ja gut.“ Luke hob die Hände und gab sich schmunzelnd geschlagen, während er seinen Sohnemann dabei beobachtete, wie dieser im Nu sämtliche Zuckerwatte verputzt hatte.
 

„Ich habe jetzt eine ganze Wolke gegessen“, verkündete Jaden stolz, mit zuckerverschmiertem Gesicht und klebrigen Fingern.
 

„Eine Wolke?“ Der Brite hatte, in weiser Voraussicht, auch einen nassen Lappen bereitgelegt, mit dem er nun versuchte, den Schaden zu begrenzen, zumindest dahingehend, dass Jonathan nicht das komplette Sofa säubern musste.
 

„Ja. Ich habe Onkel Stiles gefragt, woraus denn Wolken bestehen würden und er meinte, sie seien Zuckerwatte. Laura hat das Gleiche gesagt.“
 

Luke lag auf der Zunge, dass Onkel Stiles ein degenerierter Vollidiot mit ADHS sei und sich besser um seinen eigenen Dreck kümmern sollte, aber er verkniff sich jeglichen dummen Kommentar. Mittlerweile hatte er sich damit abgefunden, dass Stiles´ der Patenonkel seines Sohnes war und von diesem heiß und innig geliebt wurde.
 

„Hat dir deine Wolke denn geschmeckt?“ Er wischte Jaden über den Mund und betrachtete halbwegs zufrieden sein Gesamtwerk – der Junge war einigermaßen sauber.
 

„Jaaaa. Bekomme ich Nachschlag?“
 

Scott und Jaden teilten sich nicht nur ihr Aussehen, sondern auch diesen verdammten Welpenblick, dem Luke schwerlich widerstehen konnte. Er verstand nicht einmal, warum sein Gefährte so dagegen war, den Jungen mit Süßigkeiten zu bombardieren – als geborener Werwolf würde er wohl kaum mit Übergewicht, Diabetes oder fauligen Zähnen zu kämpfen haben. Wahrscheinlich war das wieder Stiles´ mieser Einfluss.
 

„Ich darf nicht, Champ, sonst wird Daddy böse auf uns.“
 

Jaden verzog das Gesicht und seine Augenbrauen wanderten dabei nach unten. Wahrscheinlich würde gleich der Controller, den er neben sich gelegt hatte, dran glauben müssen. Auch, wenn er Scotts Spiegelbild war, hatte er ebenso einige Eigenschaften von Luke geerbt, unter anderem das latente Aggressionsproblem.
 

„Na komm, was hältst du davon, wenn du mir erzählst, was gestern in der Schule passiert ist, hm?“ Der Brite rückte ein wenig näher an seinen Sohn heran und zog ihn dann in eine Umarmung, die sofort erwidert wurde.
 

„Nichts“, log er und vergrub dabei sein Gesicht in Lukes T-Shirt.
 

„Daddy meinte aber, du wärst böse gewesen?“
 

„War ich nicht!“, wies der Kleine vehement zurück. „Ich habe diesen blöden Oliver nur verhauen, weil er etwas Gemeines über dich und Daddy gesagt hat.“
 

Lukes Augenbrauen wanderten nach unten, während er begann, Jaden behutsam über den Rücken zu streicheln. Er klang aufgeregt und auch verletzt. Das wiederum hatte er von Scott geerbt; dieses Gefühle zeigen in der Öffentlichkeit.
 

„So? Was hat er denn gesagt?“
 

„Etwas ganz Schlimmes.“
 

Luke konnte hören, wie der Stoff seines Shirts riss und beeilte sich, jene Hand, die darin vergraben war, von seiner Brust zu entfernen. Die Narben, die er am Körper trug, reichten ihm völlig. Die Tatsache, dass sein Sohn aber so die Beherrschung verlor, entgegen Scotts Training, war alarmierend. Er musste wirklich aufgebracht sein.
 

„Möchtest du es mir sagen?“, hakte Luke behutsam nach. „Ich schimpfe auch nicht mit dir, weil du ihn verhauen hast.“ Eigentlich interessierte ihn dieses fremde Gör einen Dreck und er hatte gute Lust, auch dessen Vater zu verprügeln, aber das war in seiner Position gerade ein wenig… unseriös und auf einen Streit mit Scott konnte er herzlich verzichten.
 

„Nein.“ Jaden schüttelte heftig den Kopf und schob die Unterlippe nach vorne. „Aber er war gemein und hat mich ausgelacht, weil ich keine Mama habe.“
 

Daher wehte also der Wind. Kinder konnten grausam sein und er wäre wahrscheinlich in dem Alter ähnlich gewesen. Wahrscheinlich handelte es sich bei Olivers Vater um einen verklemmten, homophoben Vollidioten, dessen Lebensinhalt darin bestand, auf einer versifften Couch mit einem Sixpack Bier zu hocken und sich als echten Kerl zu bezeichnen, weil er eine unzufriedene Frau zuhause sitzen hatte, um die er sich nicht kümmern konnte oder wollte.
 

„Und das hat dich so gestört?“ Luke legte seine Hände an Jadens Wangen und bewegte ihn mit sanfter Gewalt zum Aufsehen. Ein Paar rot leuchtender Augen starrten ihm entgegen, kombiniert mit einer Miene aus Wut und Trauer.
 

„Er war gemein und hat das Gleiche auch über Onkel Derek und Onkel Stiles gesagt“, schnaubte er und warf sich dann wieder an Lukes Brust.
 

„Was hat denn Laura gemacht?“ Hoffentlich durchgedreht, damit er sich wenigstens nicht anhören musste, es wäre seine miserable Erziehung, die für Jadens fehlende Selbstkontrolle verantwortlich war.
 

„Sie hat ihm gesagt, ihr Grandpa würde ihn einsperren, weil er so etwas Schlimmes gesagt hat.“
 

Luke musste sich ein Lachen verkneifen: Diese Argumentationslinie, sich auf Autoritäten zu berufen, war typisch für kleine Kinder. Vor seinem geistigen Auge tauchte der Sheriff auf, wie er einen kleinen Jungen, in Handschellen, welche viel zu groß waren, abführte.
 

„Ah ja und er hat auch behauptet, ich sei blöd, weil ich ihm erklärt habe, dass Wolken aus Zuckerwatte bestehen“, wurde noch hinterhergeschossen, und zwar in einem Tonfall, der Oliver wohl zu Jadens erklärtem Todfeind machte.
 

„Das muss dir egal sein, Jaden.“ Luke strich ihm über den Hinterkopf und bemühte sich um einen ruhigen Tonfall. Der Junge würde es merken, wenn er log. Zumindest in diesem Punkt war sein eigener Großvater nicht komplett fehl am Platz gewesen: Noch konnte er Jaden etwas vormachen. „Wir haben uns lieb und dich genauso. Dass weder Daddy noch ich ein Mädchen sind, oder Onkel Derek und Onkel Stiles, tut dem keinen Abbruch. Du bist unser Kind, genauso wie Oliver das Kind von seiner Mama und seinem Papa ist.“
 

„Er wird es sowieso nicht mehr sagen.“ Der kleine Scott sah auf und grinste dabei wölfisch.
 

Luke grinste zurück und schüttelte amüsiert den Kopf. Er hatte Stiles noch vor Kurzem gesagt, dass Jaden nichts von ihm hätte, mal abgesehen von den Augen und dem Haarschnitt, der weitaus modischer war, als alles, was die heutigen Mütter und Väter ihren Kindern zumuteten.
 

„Was hältst du davon, wenn wir noch eine Runde spielen? Wenn du gewinnst, bekommst du noch etwas Zuckerwatte und wenn ich gewinne, dann ich einen Kuss, einverstanden?“
 

Sie spielten noch drei Runden und jedes Mal verlor Luke. Irgendwann ging ihm die Zuckerwatte aus und Jaden war müde geworden. Er hatte sich einfach auf ihm breit gemacht und war dabei eingeschlafen. Der Brite genoss diese innigen Momente sehr, doch ihm schlief der Arm dabei allmählich ein, wie er auch gedanklich notierte, Jonathan ein neues T-Shirt besorgen zu lassen.
 

Wenn Jaden so schlief, konnte man kaum glauben, dass er ein Wässerchen trüben könnte. Scott behauptete das Gleiche über Luke. Dieser kam auch gerade zur Tür herein und klopfte sich Schnee von seinen Schultern. Als sein Blick auf seinen Gefährten fiel, legte dieser den Zeigefinger der freien Hand auf seine Lippen und deutete auf ihren kleinen Sohn. Ein Lächeln stahl sich auf das Gesicht des Alphas und er kam auf Zehenspitzen näher.
 

„Hey, Babe“, flüsterte Scott und schenkte ihm einen Begrüßungskuss.
 

„Hey“, flüsterte Luke leise zurück. „Wie wars in der Klinik?“
 

„Irgendjemand war so dumm, sein Kaninchen mit Zuckerwatte zu füttern.“ Der Dunkelhaarige schüttelte verständnislos den Kopf, wobei sein Blick auf die Schüsseln fiel, in denen noch ein paar Süßigkeitenfäden hingen. „Ich habe dir doch gesagt, dass er keine Zuckerwatte bekommt, er hat gestern in der Schule etwas ausgefressen.“ Scotts Stimme war noch immer leise aber vorwurfsvoll.
 

„Was hat das fremde Rotzgör eigentlich gesagt? Jaden hat mein T-Shirt gekillt“, erwiderte Luke unbeeindruckt und nickte in Richtung seines zerschlissenen Oberteils.
 

„Was denkst du?“ Sein Gefährte schlug die Augen nieder und schälte sich dabei aus seiner Jacke.
 

„Hm, keine Ahnung?“
 

„Schwuchtel.“
 

Lukes Augenbrauen zogen sich nun zusammen. „Woher weiß ein sechsjähriges Kind denn, was eine Schwuchtel ist? Mal abgesehen davon, dass der Junge dann jedes Recht hatte, diesen Oliver windelweich zu prügeln.“
 

„Das ist genau der Grund, warum das Training nicht so anschlägt wie bei Laura, Luke“, zischte Scott ihm zu. „Er hat auch in der Schule erzählt, dass du am liebsten das Auto vom Schiedsrichter angezündet hättest.“
 

„Wenn der Idiot keinen Elfmeter vergibt, soll ich ihn dann loben?“ Sein Gefährte hatte nie verstanden, wie essentiell solche Entscheidungen waren und wie frustrierend sie anmuteten, wenn sie sich als falsch herausstellten. So etwas konnte das gesamte Fußballspiel beeinflussen.
 

„Irgendwann werden auch deine Anwälte nicht alles kaschieren können und was dann? Willst du, dass Jaden zu einer Zielscheibe wird? Sei es für Jäger oder Werwölfe?“ Scott war eindeutig sauer auf ihn und das, obwohl er dabei ruhig blieb und sich bemühte, ihren Sohn nicht zu wecken. „Er ist noch zu klein, um sich zu wehren. Was willst du machen, wenn man ihn entführt? Das, was du sonst auch immer machst? Mit dem Kopf durch die Wand rennen?“
 

Luke war bei jedem einzelnen Wort kleiner geworden. Dieser Tadel kam nicht unerwartet, aber er traf ihn dennoch. Ein kurzes Stöhnen seitens des Kindes auf seiner Brust ließ beide innehalten, ehe sich der Brite zur Wehr setzte: „Du tust geradezu so, als würde ich ihn gefährden. Bisher habe ich alles ausgebügelt, was schiefgelaufen ist, oder? Warum sollte sich das in Zukunft ändern?“
 

„Weil das nicht ewig funktionieren wird, Luke. Irgendwann wird man auf uns aufmerksam und dann? Ich rede nicht von irgendwelchen verrückten Groupies von dir…“
 

„Dann macht doch dieses Medaillonsding?“, schlug Luke vor.
 

„Du weißt, dass es nicht funktioniert. Reiß dich einfach ein bisschen zusammen in seiner Gegenwart, okay?“ Scott seufzte leise und sein Blick fiel erneut auf die Zuckerwatteüberbleibsel ihres Sohnes.
 

„Lust auf eine Wolke, hm?“, neckte sein Gefährte ihn.
 

„Was?“, lautete die leicht verwirrte Gegenfrage.
 

„Stiles hat ihm erzählt, Wolken würden aus Zuckerwatte bestehen.“
 

Das breite Grinsen Lukes wurde mit einer Grimasse seitens Scott gekontert, der sich aufmachte, endlich aus seiner Jacke zu schlüpfen.
 

„Babe?“, flüsterte ihm der Brite beim Gehen zu.
 

„Was?“
 

„Ich liebe dich.“
 

„Ich dich auch – und zwar so sehr, wie Wolken Zuckerwatte sind.“
 

Damit verschwand Scott und ließ einen sichtlich irritierten Gefährten zurück, der sich schlussendlich ein weiteres Lachen verkneifen musste. Er würde in Zukunft einfach ein wenig auf seine Wortwahl achten müssen, schließlich hatte er jetzt Verantwortung.



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