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Immer dienstags

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„Gregory ...“, sagte Mycroft und hörte selber, dass seine Stimme krächzend klang.

„Oh ...“

Der Mann am anderen Ende der Leitung schien erstaunt zu sein, ihn am Apparat zu haben. Und offenbar ebenso ratlos bezüglich dessen, was man jetzt sagen sollte, wie Mycroft selber.

Mycroft riss sich als erster zusammen.

„Gregory“, sagte er, „bitte, hör mir einen Augenblick zu, ja?“

„Nun ...“

Gregory schien zu zögern.

Doch dann sagte er:

„Nun gut. Sag, was du zu sagen hast, Marc ...“

Er räusperte sich.

„... oder sollte ich besser sagen, Mycroft?!“
 

Gregorys Stimme klang schneidend und abweisend. Mycroft konnte es ihm nicht übelnehmen.

„Gregory, es tut mir leid. Ich weiß, ich habe mich dir unter falschem Namen vorgestellt. Ich bedauere das, und ich möchte dir gern erklären, warum. Aber dafür bitte ich dich um ein persönliches Gespräch.“

„Ich bin mir nicht sicher“, antwortete Gregory, „ob ich überhaupt mit dir reden möchte. Nein, falsch. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich genau das nicht möchte.“

Mycroft stöhnte.

„Ich verstehe dich, Gregory. Wirklich. Und du hast alles Recht, wütend auf mich zu sein. Dennoch ... dennoch bitte ich ich dich um ein Treffen. Ich möchte dir erklären, warum ... und ich verspreche dir, von nun an ehrlich zu dir zu sein. Und wenn du mich nach dem Gespräch nie wieder sehen möchtest, dann akzeptiere ich das natürlich und werde dich nicht wieder belästigen. Versprochen.“
 

Du lieber Himmel. Greg wusste nicht, was er davon halten sollte.

Der Mann, der hier so verzweifelt bat, klang so sehr nach Marc und so wenig nach dem eiskalten Holmes, dem gewieften Politiker, dem herrschsüchtigem Despoten, dem strengen älteren Bruder, den er auf Watsons Beschreibung hin in Mycroft Holmes sah, dass es ihm nicht gelingen wollte, diese beiden so verschiedenen Persönlichkeiten miteinander in Einklang zu bringen.

Es klang so sehr nach Marc, dass es einfach sein Herz rührte.
 

Dennoch. So schnell wollte er nicht klein bei geben.

„Nun, du wirst ohnehin meine Entscheidung akzeptieren müssen, ob ich einem Treffen nun zustimme oder nicht. Immerhin bin ich keiner deiner Untergebenen, die du herum scheuchen kannst.“

Wieder seufzte Mycroft.

„Selbstverständlich, Gregory.“

„Du wirst es also hinnehmen, wenn ich dir jetzt sage, du sollst dich zum Teufel scheren? Und wirst mich nie wieder behelligen?“

„Nun, wenngleich mich das auch zutiefst betrüben würde ... welches Recht hätte ich, deine Entscheidungen nicht zu akzeptieren?“

Oh Himmel, diese geschwollene Redeweise ... Gregory mochte das. Er grinste.

„Also ... ja?“, hakte er nach.

„Ja“, sagte Mycroft mit belegter Stimme.
 

Gregory spürte, dass der Ärger in ihm zu bröckeln begann.

Natürlich war noch lange nicht alles gut, oh nein. Er würde Erklärungen fordern, jawohl, knallhart auf den Tisch. Und er würde ein paar Regeln aufstellen. Aber ...

Er war zumindest bereit, die Brücken nicht komplett abzubrechen.

Vielleicht war ja doch etwas da, was man retten konnte.
 

„Nun gut. Wenn das so ist ... dann bin ich mit einem Treffen einverstanden.“

Man konnte das Aufatmen des anderen selbst durch die Telefonleitung deutlich hören.

„Aber“, sagte Gregory, „zu meinen Bedingungen.“

„Selbstredend.“

„Du wirst mich ausführen. Ins Arlecchino e Colombina, da hat es mir am besten gefallen und ich fühle mich dort wohl.“

„Einverstanden.“

„Und ... dein Chauffeur wird mich abholen, und auch dann nach Hause bringen, wenn wir bei dem Gespräch auf keinen gemeinsamen Nenner kommen.“

„Natürlich.“

„Und du wirst mir überlassen, wie es dann weitergeht. Keinerlei Beeinflussungsversuche, keine Ultimaten oder dergleichen Unsinn. Und ...“

Er schwieg einen Augenblick, bis Mycroft sich genötigt fühlte, nachzuhaken:

„Ja, Gregory?“

„Keine Lügen.“

„Keine Lügen.“

„Egal, was ich dich frage, Ma.. Mycroft, du antwortest mir offen und ehrlich.“

„Nun“, sagte Mycroft zögernd, „ich werde dir eventuell nicht alles beantworten können, jedenfalls nicht, was meine berufliche Tätigkeit betrifft.“

„Nun“, sagte Gregory, „wir werden sehen.“
 

„Und“, sagte Mycroft leise, „wann ... möchtest du ...“

„Dienstag“, sagte Gregory. „Kommenden Dienstag, zur selben Zeit wie immer.“

„Ja“, antwortete Mycroft. „Das klingt wunderbar.“

Er räusperte sich.

„Und ... danke, Gregory. Danke, dass du mich nicht abgeschrieben hast.“

„Bilde dir bloß nichts ein“, sagte Greg, „ich bin noch lange nicht versöhnt. Aber ... na ja, ein Anfang ist vielleicht gemacht.“

„Danke“, sagte Mycroft, und er klang hoffnungsvoll. „Bis Dienstag, mein ...“

Nein, mein Schatz zu sagen, wäre jetzt wohl nicht angebracht. Und so verschluckte er das Wort, das ihm auf der Zunge gelegen hatte und legte auf.
 

Gregory stützte des Gesicht auf den Arm und dachte nach.

Dienstag also.

Dienstag würde er sich mit Mycroft treffen ... nein. Mit Marc. Der Mann, den er kannte war Marc. Und Marc hatte eben in ihm diese Gefühle aufgelöst ... diese Sehnsucht, die dafür gesorgt hatte, dass er am Ende einem Treffen zugestimmt hatte.

Was der kommende Dienstag also wohl bringen würde?

Nun, man würde sehen.



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