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Wandel des Herzens

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Wandel des Herzens

Lydia Martin saß an ihrem Schminktischchen in ihrem Zimmer und betrachtete nachdenklich ihr eigenes Spiegelbild. Es war Freitag, das Wochenende stand bevor, sie hatte soeben mit ihrer Mutter zu Abend gegessen und draußen hatte ein leichter Regen eingesetzt, nachdem es bereits den ganzen Tag lang bedeckt gewesen war.

Ein typischer Wintertag in Kalifornien.
 

Lydia ließ den heutigen Schultag Revue passieren. Im Grunde hatte es nichts Besonderes gegeben, keine Angriffe von irgendwelchen Monstern, keine Begegnungen mit dem Übernatürlichen und niemand war gestorben. Es war ein guter, ein friedlicher Tag in Beacon Hills gewesen und wenn es nach ihr ginge, dann könnten sie alle so sein, denn Lydia suchte diese Katastrophen nicht, vielmehr fanden sie die Banshee von ganz allein, ob sie es nun wollte, oder nicht.

Sie hatte begonnen, sich mit ihrer teuren Bürste aus Wildschweinborsten zu kämmen: Hundert Bürstenstriche, um ihr volles, erdbeerblondes Haar zum Glänzen zu bringen. Sie tat dies jeden Abend, denn es entspannte sie, doch irgendwie wollte sich diese Ruhe heute bei ihr nicht einstellen? Etwas musste heute wohl doch geschehen sein, irgendeine kleine Sache, doch wichtig genug, um sie nervös zu machen.

Was könnte es nur gewesen sein?
 

In den Unterrichtsstunden war alles zum Besten gewesen. Sie hatte sich wie immer gut vorbereitet, hatte alle Hausaufgaben vollständig erledigt und konnte auf alle Fragen ihrer Lehrkräfte ausnahmslos exzellente Antworten geben. In den Fluren lächelten die Mitschüler und Mitschülerinnen ihr zu und einige sprachen sie auch auf ihr tolles Outfit an, so wie sie es häufig taten.

In der Mittagspause hatte sie dann mit Scott, Jackson, Allison und Stiles zusammen gesessen und das war doch auch wirklich nett gewesen, oder etwa nicht? Ja sicher, zwischen Jackson und ihr hatte nach ihrer Trennung eine Zeit lang ein unterkühltes Schweigen geherrscht, doch sie war über ihn hinweg, richtig? Mittlerweile konnten sie sich sogar schon wieder ganz normal miteinander unterhalten. Sie hielt im Bürsten inne, beschwor Jackson Bild vor ihrem geistigen Auge herauf und prüfte ihr Herz.

Nein, entschied sie, da war gar nichts mehr; kein Herzklopfen, keine Sehnsucht und auch kein Zorn, sondern vielmehr Erleichterung, dass es nun vorbei war. Sie hatte endlich begriffen, dass sie beide nicht für einander bestimmt waren und es war irgendwie okay!
 

Doch plötzlich sah Lydia ein anderes Gesicht vor sich und der Blick seines Besitzers ging einfach so an ihr vorbei.

Stiles Stilinski war lange Zeit überhaupt nicht auf ihrem Radar erschienen. Er gehörte zu den Personen, deren Existenz die Lydia Martin von früher überhaupt nicht zur Kenntnis genommen hatte. Solche wie er erschienen ihr nicht wichtig genug, um sich ihre Namen, oder Gesichter zu merken. Er war kein Athlet, hatte kein besonderes Amt in der Schule inne und war weder reich, noch besonders populär.

Die Lydia von damals war wirklich ein ziemliches Arschloch gewesen, wie sie sich heute eingestehen musste und im Spiegel sah sie sich über sich selbst lachen und den Kopf schütteln.
 

Irgendwann waren Stiles und sie sich dennoch gegen alle Wahrscheinlichkeit näher gekommen, vermittelt durch den ganzen Wahnsinn, welcher über ihrer aller Leben hereingebrochen war. Es hatte damit angefangen, dass ein Peter Hale auf dem Rachefeldzug mit Fängen und Klauen eine blutige Schneise in ihre kleine Stadt geschlagen hatte. Und irgendwie hatten das Chaos und das Drama danach nie wieder aufgehört. Es hatte sie alle als Team eng zusammengebracht, hatte sie schnell erwachsen werden lassen und irgendwie waren sie und Stiles darüber eben enge Freunde geworden.
 

Sicher, Lydia wusste schon lange, dass Stiles mehr als Freundschaft von ihr wollte. Er hatte es mehr als deutlich gesagt an jenem Abend des Schulballs, an welchem ein einziger Biss ihr Leben vollständig umgekrempelt und jene übernatürlichen Kräfte in ihr geweckt hatte, welche vermutlich immer schon unbemerkt in ihr geschlummert hatten. Stiles hatte sie sogar damals schon besser gekannt, als sie sich selbst, hatte Potential und Genialität in ihr erkannt, obschon sie sich so sehr darum bemüht hatte, diese vor Jackson und dem Rest der Welt zu verbergen. Sie war sich so gerissen dabei vorgekommen, den Leuten vorzumachen, sie sei bloß ein hübsch zurechtgemachtes Püppchen, um für niemanden, insbesondere nicht für die Männer in ihrem Leben, allzu bedrohlich zu wirken. Hübsch sein, lustig und vor allem beliebt, dass hatte den höchsten Stellenwert für sie gehabt.

Doch dann hatte es da plötzlich Stiles gegeben. Allison hatte ihn ihr als Begleiter zum Ball wortwörtlich aufzwingen müssen und sie hatte auf ihrem hohen Ross gesessen, fest dazu entschlossen, diesen Jungen und diesen Abend zu hassen und beides möglichst schnell hinter sich zu lassen.

Doch er hatte sie überrascht, zutiefst verblüfft sogar, weil er keine Angst vor ihr hatte, weder vor ihrem abweisenden Verhalten, noch vor ihrem Verstand. Im Gegenteil hatte er sie vollkommen durchschaut und wollte unfassbarer Weise genau deswegen bei ihr sein, weil sie so unglaublich schlau war. Dies hatte sie noch nie bei einem Jungen erlebt.
 

Seitdem war Stiles wohl immer Lydias Plan B gewesen, auch wenn sie es sich selbst niemals klargemacht hatte, vor dem heutigen Tag. Sie hatte sich darauf verlassen, dass Stiles immer da sein würde, ganz gleich, wie lange sie brauchen würde, um sich für ihn zu entscheiden. Eines Tages, abhängig davon wie die Dinge so liefen, würde sie sich vielleicht dazu herablassen ihn zu erhören, wenn sie endgültig genug hatte von den muskulösen, hübschen, oberflächlichen, dummen Jungs, die ihr ohnehin nicht gewachsen waren, aber dennoch so gut an ihrem Arm aussahen, mit ihren 200-Dollar-Haarschnitten, den Klamotten von „Hugo Boss“ und ihren Sportwagen.
 

Doch Stiles Blick beim Mittagessen war einfach so an ihr vorbeigegangen und das war es, was Lydia heute unbewusst wahrgenommen hatte. Es war ganz offensichtlich, dass sie nun nicht mehr das einzige war, was er sah. Wenn sie es recht bedachte, dann hatte er sie heute sogar überhaupt nicht richtig angeschaut, hatte weder ihr neues Kleid bemerkt, noch dass sie die Haare ein wenig anders getragen hatte.

Und so war es bereits seit einer Weile. Lydia hatte es nur nicht bemerkt, denn sie war sich ihrer Sache wohl einfach zu sicher gewesen.
 

Ihr wurde schlagartig kalt und sie rieb sich Arme und Beine.

Das war Angst, wurde ihr klar. Ein ganz normaler biologischer Vorgang; ihr Blut zog sich aus den Extremitäten zurück in die Mitte ihres Körpers, damit die Organe, insbesondere Hirn und Herz gut versorgt wären und sie sich bereit machen konnte für Kampf, oder Flucht. Ein uraltes evolutionäres Überlebensprogramm, jedoch völlig sinnlos in ihrer gegenwärtigen Situation, denn es war ja kein Säbelzahntiger in Sicht, welcher sie für heute auf seine Menükarte gesetzt hatte.

Vielmehr hatte sie möglicherweise ihre einzige Chance auf ein Zusammensein mit ihrem Seelengefährten verspielt.
 

Lydia holte tief Luft, um den Schrecken dieses Gedankens zu vertreiben und erinnerte sich an etwas, was Stiles heute Mittag seinen Freunden erzählt hatte. Sein Dad sei am Wochenende nicht in der Stadt, weil er Familienangehörige in Los Angeles besuchen würde. Dies beruhigte sie ein wenig, denn es bedeutete, dass Stiles allein im Haus sein würde.

Vielleicht hätten sie dadurch also die Chance, ungestört miteinander zu sprechen und sie könnte ihm sagen, wie unheimlich dumm sie gewesen war, doch dass sie nun einen Wandel des Herzens gehabt habe?

Vielleicht war es noch nicht zu spät?
 

Kurz dachte sie daran bis morgen zu warten, um nichts zu überstürzen, doch dafür war sie viel zu unruhig. Sie sprang auf, sagte ihrer Mutter Bescheid, dass sie sich noch mit einem Freund treffen werde, zog sich Mantel und Schuhe über und wollte loslaufen. Erst als sie die Haustür öffnete bemerkte sie, dass aus dem Nieselregen von vorhin mittlerweile ein echtes Unwetter geworden war. Sie ging zurück, zog einen Schirm aus dem Ständer und schaffte es halbwegs trocken zu ihrem kleinen, blauen Toyota.

Es fiel ihr schwer, dem Unwetter entsprechend langsam zu fahren. Sie musste sich dazu zwingen, wenn sie nicht riskieren wollte, sich mit ihrem Wagen um den nächsten Baum zu wickeln.

Dann endlich kam das Haus der Stilinskis in Sicht. Es brannte nur ein einzige kleine Lampe im Wohnzimmer und zusätzlich war da das flackernde Licht des Fernseher, wie sie von außen erkennen konnte. Gut, Stiles war also da und hatte gerade auch nichts wichtiges zu tun.
 

Lydia hielt den Wagen auf der anderen Straßenseite, holte noch einmal tief Luft und wollte bereits aussteigen, als sie erkannte, dass da noch jemand anderes auf dem Weg zum gleichen Ziel zu sein schien. Der Schemen eine Mannes, breit und groß, in dunkle Kleidung gehüllt, bewegte sich auf die Haustür zu.

Lydia blieb im Wagen und wartete ab, was geschah.

Der Unbekannte klingelte offenbar, denn wenig später ging ein weiteres Licht im Flur des Hauses an und wenig später öffnete Stiles, barfuß, in einem Batman-T-Shirt und Trainingshose die Tür.

Und im Licht, welches nun hinaus auf die Straße strömte, konnte Lydia auch genau erkennen, wer der abendliche Besucher war: Es war Derek Hale!
 

Sie kurbelte ihr Fenster herunter, um zu hören was gesprochen wurde, auch wenn das gegen das Prasseln des Regens und den Wind, welcher mittlerweile aufgekommen war, gar nicht so einfach gestaltete.

Sie spitzte die Ohren und wagte es kaum zu atmen:
 

„Hey Sourwolf, was verschafft mir die Ehre!“

Das war die Stimme von Stiles, der cool und gelassen klingen wollte:
 

„Nettes T-Shirt!“ erwiderte der Werwolf sarkastisch.
 

„Hätte ich geahnt, dass du mir heute noch deine Aufwartung machst, dann hätte ich mir die Beine rasiert und mich in etwas Hübscheres geworfen.“ Auch Stiles Stimme troff vor Sarkasmus: „Also sagst du mir jetzt was du von mir willst, oder soll ich etwa raten?“
 

Lydia konnte sehen, dass Derek mit einem gewissen Trotz die Arme vor der breiten Brust verschränkte. Er war bereits jetzt klatschnass. Das Wasser rann in kleinen Bächen durch sein Haar und über sein Gesicht, dennoch sah Stiles offenbar keine Veranlassung, ihn hereinzubitten:

„Ach komm´ schon Stiles! Das alles ist schon schwer genug!“ murrte der Ältere: „Ich will über das sprechen, was du neulich gesagt hast.“
 

Auch Stiles verschränkte nun seine Arme und kniff die Augen ein wenig zusammen:

„Du meinst das Gespräch, bei dem ich dir mein Herz ausgeschüttet habe und du einfach verschwunden und danach wochenlang nicht mehr aufgetaucht bist, DIESES Gespräch? Danke, kein Bedarf!“
 

„Ich musste nachdenken!“ erwiderte Derek kleinlaut: „Ich... ich hatte Angst! Du kennst meine Bilanz! Freundin Nummer eins: Tod durch Werwolfbiss – meine Schuld. Freundin Nummer zwei: Soziopathin, die meine Familie ausgelöscht hat. Freundin Nummer drei: Dunkle Druidin auf dem Rachefeldzug. Freundin Nummer vier: Söldnerin, die nicht fähig zu einer festen Beziehung ist. Erkennst du da vielleicht irgendein Muster? Mein bisheriges Liebesleben war eine einzige Katastrophe! Da wird ein Kerl vorsichtig!“
 

Stiles hatte ein boshaftes Grinsen auf den Lippen:

„Klingt für mich eher, als solltest du die Finger von den Ladies lassen?“ höhnte er:
 

„Ja, vielleicht.“ räumte Derek ein.

Er schien mit sich zu ringen, doch dann trat er kaum merklich näher und näher an Stiles heran, wie ein Raubtier sich an seine Beute pirschte.
 

Lydia konnte ein wenig Unsicherheit auf Stiles Gesicht erkennen, dennoch wich er nicht zurück. Und schließlich griff der Ältere nach der schmalen Taille des Menschen und zog ihn an sich, aus der Haustür hinaus, zu sich in den Regen und er küsste ihn.

Es dauerte nur Sekunden, ehe Stiles Kleidung ebenfalls durchnässt und durchscheinend war, doch dies schien ihn nicht im Geringsten zu stören. Er hatte seine Arme um Dereks Nacken geschlungen, die Augen vertrauensvoll geschlossen und den Kopf im Kuss hingebungsvoll in den Nacken gelegt.
 

Es dauerte eine kleine Ewigkeit, ehe diese beiden sich wieder von einander lösten, doch irgendwann taten sie es doch und Stiles schaute Derek mit jenem Blick an, welcher früher Lydia vorbehalten war. Auch er hatte unverkennbar einen Wandel des Herzens erfahren.
 

Und Derek? Er erwiderte den Blick mit der gleichen Intensität!
 

Stiles sagte etwas zu Derek, doch Lydia konnte die Worte nicht verstehen. Sie waren zu leise, zu intim, einzig bestimmt für die Ohren des Werwolf, welchen er nun bei der Hand nahm und hinter sich her, ins Innere des Hauses zog.

Die Tür schloss sich hinter den beiden Männern und Lydia konnte beobachteten, wie im Haus ein Licht nach dem anderen erlosch.
 

Sie startete den Motor und auf der Heimfahrt fragte sie sich, ob es einen Unterschied gemacht hätte, wenn sie Stiles bloß eine Minute früher aufgesucht hätte, eine Stunde, einen Tag, eine Woche, oder einen Monat?



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