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Als die Dunkelheit das Licht verschlang

Buch I: Hohepriester Chaths
von

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Kapitel VIII

Chaths runzelte immer wieder die Stirn, als er so seiner Schlange folgte. Am Stand der Sonne erkannte er, dass sie nicht nach Hause liefen. „Wo führst du mich hin, Apophis?“, fragte er leise und seufzte erleichtert auf, als seine Schlange im Schatten eines Felsens Rast machte.

Chaths setzte sich und atmete schwer. Er gab Apophis etwas Wasser und lehnte sich dann an den Felsen.

Er legte seinen Kopf in den Nacken und dachte nach. Er verstand nicht, warum Amsu so verärgert gewesen war und so grübelte und grübelte er und fand doch keine Lösung.

Und immer wieder musste er schniefen. Er stellte alles in Frage, auch die Freundschaft von Amsu. War es denn überhaupt eine Freundschaft? Hatte Amsu ihn denn nicht nur für seine Zwecke benutzt? Es hatte so wehgetan, als Amsu aus heiterem Himmel sagte, dass er nicht mehr von ihm geweiht werden wollte. Was sollte er jetzt tun? Er wusste es nicht.

Plötzlich stockte er. Er spürte wieder diese furchteinflößende Präsenz. „Was willst du?“, grollte er bedrohlich und Apophis trat in den Schatten. „Darf ich mich zu dir setzen?“, fragte der Gott leise. Am liebsten hätte Chaths nein gesagt, doch seine Schlange züngelte ihn wie beruhigend an und so seufzte er leise und nickte nur.

Apophis lächelte warm. „Danke“, raunte er und setzte sich neben Chaths, diesen komplett in seine dunkle Aura hüllend, damit der Junge sich daran gewöhnen konnte.

Chaths erschauerte, als er so eingehüllt wurde und Panik wollte sich seiner bemächtigen.

„Wehr dich nicht dagegen, Chaths. Mach dich mit dieser Dunkelheit vertraut. Atme ruhig und akzeptiere sie, heiße sie willkommen“, befahl Apophis leise.

„Wer bist du?“, fragte Chaths zögernd. „Ich höre auf den Namen Apophis.“ stellte der Gott sich vor und musste grinsen, als er das schamvolle Zusammenzucken des Jünglings sah. „Ja, ich war sehr überrascht, dass du sie Apophis getauft hast. Es freut mich aber auch, dass du ohne Vorurteile zu sein scheinst und jedes Lebewesen achtest. Sie mag dich.“

Chaths streichelte sanft den Kopf seiner Schlange, während er zuhörte und musste dann scheu lächeln. „Ich mag sie auch. Sie ist wirklich lieb und hilft mir wo sie nur kann“, nickte er. Und dann schwieg er, um wieder nachzudenken.

„Darf ich dich was fragen?“, begann er nach einer Weile und Apophis nickte leicht. „Frag.“

„Ist es wirklich so schlimm? So verwerflich? Ich meine, sie sind tot und brauchen die Lebensmittel nicht mehr.“

Apophis ließ seinen Blick gleiten und überlegte kurz, wie er es Chaths am besten beibringen sollte.

„Stell dir vor du baust ein eigenes Haus. Mit deinen eigenen Händen und bezahlst mit dem Geld, was du dir hart erarbeitet hast“, begann er geduldig und Chaths nickte.

„Du richtest dich ein. Und du legst dir einen Vorrat für schlechte Zeiten an. Wenn nun jemand Fremdes einfach in dein Haus kommt, um sich zu bedienen, was dann?“

Der Jüngling legte den Kopf schief. „Das darf er doch nicht. Das ist mein Eigentum!“, erklärte er. Der Gott nickte. „Das ist korrekt. Was aber, wenn du nicht da bist? Wenn du auf Reisen bist. Der Fremde wird sich sagen, da du ja eh nicht da bist, kann er sich bedienen.“

Chaths runzelte die Stirn. „Nein, kann er nicht. Nur weil ich nicht da bin, ist das immer noch mein Eigentum!“

Erneut nickte der Gott lobend. „Richtig. Und genauso ist es mit den Grabbeilagen. Nur weil sie tot sind, also im Moment nicht da sind, kannst du dich nicht einfach so bedienen. Schließlich haben die Toten zu ihren Lebzeiten hart für ihre Grabstätten arbeiten müssen“, erklärte er ruhig.

Chaths schluckte betroffen. „Oh, tut mir leid. Ich wusste das nicht.“

Apophis lächelte. „Ich weiß... Möchtest du noch immer an Amsus Seite sein? Sein Hohepriester werden und ihn weihen und treu zur Seite stehen?“

Der Jüngling stockte leicht. „Ich... Ja, eigentlich schon, aber er will mich nicht mehr...“, erklärte er leise und vergrub aufschluchzend sein Gesicht in die Schlange.

Der Gott schüttelte amüsiert den Kopf über das so untypische Verhalten der Kobra. Dann musterte er diesen jungen und doch so alten Mann. „Amsu will dich als seinen Hohepriester und Freund. Und er möchte von dir die Weihe erhalten. Und du wirst mein Diener werden. Ich werde dich zu meinem Priester machen. Allerdings wirst du dich vorher der Ma'at stellen. Dein Herz muss rein sein, sonst kannst du nicht gerecht mit meiner Macht umgehen“, erklärte Apophis ernst.

Chaths schluckte leise. „Aber Ausar hat gesagt, ich soll den Gott erwählen, dessen Name mir mein Herz zuflüstert. Und das ist Anubis...“, wagte er vorsichtig einzuwenden.

Apophis nickte anerkennend. „Ich schlage dir vor, dass du vor die Ma'at trittst. Wenn dein Herz gewogen ist und du dich immer noch Anubis zugehörig fühlst, dann wirst du dessen Diener. Einverstanden?“

Chaths strahlte warm, als er nickte. „Einverstanden.“
 

Chaths schrie leise auf, als Apophis ihn packte und er einen Zug spürte. Als er wieder festen Boden unter den Füßen hatte, spürte er sofort, dass er überall war, nur nicht in einem Tempel. Er spürte so viel Macht, so viel Dunkelheit und alles, was nicht irdisch wirkte.

Chaths keuchte leise auf und begann zu zittern. Apophis legte beruhigend eine Hand auf Chaths Schultern und drückte sie warm.

So beruhigte sich der Jüngling und ließ nun die Atmosphäre auf sich wirken. Da stockte er, als sich ihm jemand langsam näherte.

Chaths runzelte die Stirn. „Anpu?“ fragte er leise und seine Stimme klang so dumpf und leise.

Anubis blieb stehen und schmunzelte. „Ja, Anpu... oder Anubis“, erklärte der Gott ruhig.

„Wie ich sehe bist du nun hier, um dich von der Ma'at prüfen zu lassen?“

Chaths nickte zaghaft. „Ja. Apophis meinte, ich muss es tun, damit ich meine Weihe bekomme, um Amsu zu weihen“, erklärte er und schien wie in den Raum zu lauschen.

„Ich bin nicht in diesen Tempel, richtig?“

Anubis nickte, während er seinen Blick gleiten ließ. „Das ist korrekt. Da du als Diener des Apophis in Frage kommst, wirst du so geprüft werden, wie eine verstorbene Seele“, erklärte er.

„So richtig mit Osiris als Richter und den ganzen anderen Götter als Zeugen?“, fragte der Junge ungläubig.

„Korrekt.“ Chaths runzelte die Stirn. „Und was passiert, wenn... wenn mein Herz nun schwerer ist als die Feder?“

Da räusperte sich Apophis leise. „Es wird dir nichts passieren. Nur wirst du dann nicht mein Diener werden und auch die Weihe nicht bekommen“, erklärte der Gott ruhig.

Chaths nickte verstehend. „Ok. Dann los?“, schlug er vorsichtig vor.

Apophis legte nun beide Hände schwer auf Chaths Schultern und hielt ihn fest, während Anubis nun näher trat.

Langsam drang seine Klaue in Chaths Oberkörper ein. Der Jüngling weitete seien Augen entsetzt, als er die Klaue in seinen Körper spürte. Er wurde panisch und versuchte sich zu wehren, doch Apophis hielt ihn unerbittlich fest. „Ruhig, Kleiner. Wehr dich nicht dagegen. Dir passiert nichts“, raunte Apophis sanft.

So beruhigte sich der Junge langsam und Anubis schloss seine Klauen um das warme, schlagende Herz des Jünglings. Sanft nahm er das Herz aus der Brust und brachte es zur Ma'at, um es dort in die eine Schale zu legen. Dann nahm er die Feder der Ma'at und legte sie in die andere Schale.
 

Instinktiv wusste Chaths, was nun zu tun war. Aus irgendeinem Grund spürte er, dass sein Herz in der Waagschale der Ma'at lag.

Er löste sich von Apophis und trat vorsichtig einige Schritte vor. Er atmete tief durch.
 

„Gruß dir, du Größter Gott, Herr der Vollständigen Wahrheit!

Ich bin nicht freiwillig zu dir gekommen, mein Herr, ich bin geholt worden, um deine Vollkommenheit zu schaun.

Ich kenne dich nicht, und ich kenne deinen Namen nicht, ich kenne die Namen dieser 42 Götter nicht, die mit dir sind in dieser Halle der Vollständigen Wahrheit, die von denen leben, die zum Bösen gehören, und sich von ihrem Blut nähren an jenem Tag, an dem Rechenschaft abgelegt wird vor Osiris“, begann Chaths mit voller Stimme zu sprechen. Und nicht nur Apophis Augen weiteten sich bei den Worten, die der Junge da von sich gab.

„Ich habe viele Götter beleidigt.

Ich habe kein Waisenkind um sein Eigentum gebracht.

Ich habe Dinge getan, was die Götter verabscheuen.

Ich habe keinen Diener bei seinem Vorgesetzten verleumdet.

Ich habe anderen Schmerz zugefügt und ich habe niemanden hungern lassen, ich habe viele Tränen verursacht.

Ich habe nicht getötet, und ich habe nicht zu töten befohlen; einigen habe ich aber ein Leid angetan.

Ich habe die Opferspeisen in den Tempeln vermindert und die Götterbrote angetastet;

ich habe die Opferkuchen der Verklärten fortgenommen“, sprach Chaths weiter.
 

Apophis musste sich ein Lachen verkneifen und auch Anubis schmunzelte. Der Gott brauchte nicht zur Ma'at zu schauen, um zu sehen, dass die Feder schwerer war als das Herz des Jungen. Denn dieser sprach die Worte aus dem Totenbuch, die vorgeschrieben waren, während das Herz gewogen wurde. Aber nicht auswendig gelernt, sondern der Wahrheit angepasst. Und er sprach die reine Wahrheit. Er war grundehrlich.

Selbst der schlimmste Sünder würde die Prüfung des Herzens bestehen, wenn er ehrlich wäre und all seine Taten gestehen würde.

Osiris hatte alles schweigend beobachtet und nickte schließlich. Er erkannte das Urteil der Ma'at an. So brachte Anubis das Herz wieder zu Chaths und legte es ihn behutsam in die Brust.

„Du wurdest gerichtet und für rein befunden!“, sprach Anubis und über den Herzen von Chaths entstand eine goldene Ma'at.

„Ich bezeuge es und akzeptiere das Urteil“, sprach Anubis weiter und legte seine Hand auf Chaths Stirn, wo sich die feinen Linien eines Schakalkopfes zwischen den Augenbrauen bildeten. Dann trat der Gott zurück und Chaths drehte sich instinktiv zu Apophis um.

„Wirst du mein Diener werden?“, wollte der Gott ruhig wissen und der Junge horchte in sich, lauschte dem Herzen.

Unmerklich nickte er. „Ja, ich will“, raunte er und da trat Apophis an ihn ran und legte seine Hände auf Chaths Augen.

Chaths schrie gellend auf, als glühender Schmerz durch seinen Körper raste.



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