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Als die Dunkelheit das Licht verschlang

Buch I: Hohepriester Chaths
von

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Kapitel IV

Fasziniert beobachtete Amsu Chaths und seine Schlange. Ja, er war sehr erschrocken gewesen, als Chaths mit einem Sack Vorräte zurückkam und dann zu einem Geröllhaufen gegangen war und tatsächlich nach einer Schlange griff und ihr eine Art Ledergeschirr anlegte.

Und nun schlängelte die Kobra vorweg und Chaths folgte ihr auf den Fuß, hatte er ja eine dünne Leine an dem Ledergeschirr befestigt und hielt diese in der Hand.

Als die Sonne am höchsten stand, machten sie Pause. Sie teilten sich das essen und auch die Kobra bekam ein Ei und Wasser. Nach zwei Stunden Rast zischelte die Kobra und sie setzten ihren Weg wieder fort. Sie redeten kaum miteinander, weil sie ein jeder in ihren eigenen Gedanken vertieft waren.

Die Nacht verbrachten sie unter dem freien Sternenhimmel eng aneinander gekuschelt und Amsu musste sich sehr überwinden, die Kobra in ihrer direkten Körpernähe zu akzeptieren.

So waren sie tatsächlich drei Tage unterwegs, als sie schließlich einen alte, verlassene Tempelruine des Aton fanden.

Als sie drei auf den Vorplatz standen, beugte sich Amsu ohne nachzudenken zur Kobra runter und nahm ihr das Geschirr ab.

„Ich würde sagen, wir bleiben hier, Chaths. Es ist ein alter verfallener Tempel des Aton“, erklärte der Prinz leise und Chaths nickte. „Wir brauchen essen und trinken, wenn wir hier bleiben wollen“, gab er zu bedenken.

„Ich weiß. Lass uns mal in die Hallen und die Wohnräume gehen und schauen, ob und was wir finden“, meinte Amsu und zog Chaths hinter sich her.
 

„Amsu? Wenn die Götter so toll sind und es so wichtig ist, den Göttern zu huldigen. Warum kann es dann dazu kommen, dass Tempel einfach so verlassen und sich selbst überlassen werden?“, fragte Chaths nach einer Weile, als sie schon eine gefühlte Ewigkeit durch die Ruinen wanderten.

Amsu blieb stehen und ließ seinen Blick gleiten. Das war eine wirklich gute Frage. „Ich weiß es nicht, Chaths. Vielleicht hängt das damit zusammen, dass jeder Pharao anders entscheidet, welcher Gott es wert ist, dass man ihm einen Tempel widmet oder ihn mehr huldigt“, versuchte der Prinz zu erklären.

„Aber warum? Ich meine die Götter verändern sich doch nicht. Sie sind doch heute genau dieselben wie vor Ewigkeiten. Warum müssen denn immer so viele Tempel errichtet werden? Reicht denn nicht ein einziger?“, harkte Chaths nach. Amsu senkte den Blick. „Ich weiß es nicht. Vielleicht fragen wir da mal Ausar“, schlug er vor und Chaths nickte leicht. „Einverstanden. Hast du nun schon etwas gefunden, wo wir bleiben können?“, fragte er dann nach und Amsu wiegte den Kopf. „Also wir haben kein Dach über den Kopf, aber wir können uns eine Ecke gemütlich herrichten“., schlug er vor und Chaths lächelte spitzbübisch. „Dann los. Ich bin müde.“ Amsu lacht schallend auf und gemeinsam richteten sie sich ein Lager her.
 

Am nächsten Morgen schlug Chaths die Augen auf und streckte sich genüsslich. Er atmete tief die frische Luft ein und erhob sich langsam. Vorsichtig tastete er sich durch die Ruinen, bis er die freie Wüste betrat und vom warmen Wüstenwind ergriffen wurde. In diesen Moment fühlte sich der Junge frei von allen Verpflichtungen.

Plötzlich stutzte er und neigte leicht den Kopf. Er hörte Fußschritte im Sand, die sich ihm langsam näherten. „Amsu?“, fragte er leicht verunsichert. Ein sanftes Lachen war die Antwort.

„Nein, mein Name ist nicht Amsu. Mein Name ist Anpu und ich bin ein Wanderer. Ist es mir erlaubt einige Tage hier zu rasten?“

Chaths runzelte die Stirn und lauschte der Stimme und den Worten nach. „Wenn Amsu damit einverstanden ist...“, nickte er schließlich und wandte sich um. Langsam tastete er sich wieder in den Tempel zurück.

„Amsu, wir haben Besuch!“, rief er laut. „So lange wie deine Schlange ihn mag, ist mir alles egal!“, kam es zurück gemurrt und Chaths lachte leise. Es hörte sich so an, als ob Amsu noch am schlafen war. Er deutete in Richtung Amsus Stimme. „Dort ist unser Schlaflager. Allerdings musst du dir deinen Platz selber herrichten“, sagte er zu Anpu und der Wanderer nickte leicht. „Verstanden. Ihr seid Flüchtlinge?“, fragte er vorsichtig.

„Wir sind Pilger und auf Bildungsreise“, trat Amsu langsam näher und musterte den Wanderer prüfend. Irgendetwas war an diesem Mann, der scheinbar mittleren Alters war, unheimlich. Ja beinahe mystisch, um nicht zu sagen göttlich. Oder es wirkte nur so, weil das Gesicht des Fremden ihn an irgendeinen Gott erinnerte, nur wusste er nicht an welchen.

Der Fremde verzog seine Lippen sanft zu einem Lächeln. „Mein Name ist Anpu. Und ihr seid?“ Amsu schnaubte abfällig. „Ich bin Amsu, der zukünftige Pharao und das hier ist Chaths, mein Hohepriester.“

Anpu lachte leise auf. „Warum trägt dein Hohepriester nicht die Insignien und auch bei dir sehe ich nirgends Zeichen, dass du einen Hohepriester an deiner Seite hast.“

Chaths schmunzelte sanft. „Wie Amsu bereits sagte, wir sind auf Pilgerreise. Ich hab erst vor kurzen das Augenlicht verloren und nun müssen wir uns neu kennenlernen. Vor allem, weil ich ihn tätowieren soll. Ich muss erst lernen ohne Augenlicht zu schreiben“, erklärte Chaths ruhig. „Verstehe“, neigte Anpu anerkennend sein Haupt. „Soll ich euch behilflich sein, als Dank dafür, dass ich hier bei euch rasten darf?“

Amsu zögerte und blickte zu Chaths, der wiederum nur hilflos mit den Schultern zuckte. Schließlich nickte der junge Prinz. „Wir nehmen das Angebot dankend an!“

Anpu lächelte und folgte dann Amsu zu dem Schlaflager, um sich eine eigene Schlafstelle herzurichten. Dann verabschiedete er sich von den beiden Jungs und ging jagen.
 

Die Sonne ging unter, als die Drei an einem Lagerfeuer saßen und gemeinsam von der Gazelle speisten, die Anpu erlegt hatte.

„Warum wurdest du geblendet?“, wollte da Anpu direkt wissen und Chaths stockte. Er zögerte und biss sich auf die Lippen. „Spielt das eine Rolle?“, fragte Amsu bedrohlich. Anpu blickte kühl den jungen Prinzen an und seine Augen funkelten kalt. „Ja, das spielt sehr wohl eine Rolle. Denn so wie ich es sehe, wurde er in einem Ritual geblendet und das bedeutet, dass er große Schuld auf sich geladen hat!“

Ungläubig starrte Amsu den Älteren an, während Chaths keuchte. Er fing an zu zittern und Tränen liefen stumm über seine Wangen. Hilflos schlang er seine Arme um sich und Amsu wusste nicht, was er nun tun sollte. Schließlich nahm er Chaths tröstend in die Arme und hielt ihn fest. „Wir haben nichts getan!“, fauchte er beinahe mit rauer Stimme.

Anpu hob beschwichtigend die Hand. „Bitte erzählt, was passiert ist“, bat er leise.

Chaths räusperte sich und begann leise zu erzählen von der Idee auf die Ma'at zu klettern und was dann passiert war. Er erzählte wie sie wohl von den Göttern beschützt worden waren, da sie ohne Verletzungen davon gekommen sind, er erzählte von Pharao Hanbal, wie er wirklich sauer war und ihn dann geblendet hatte. Dann erzählte er von Ausar und was dieser gesagt hatte.

Anpu hörte schweigend zu und nickte schließlich sehr ernst. „Der Pharao hat seine Befugnisse überschritten. Es stand ihm nicht zu, dich zu blenden.“

Da lachte Amsu leise auf. „Soweit waren wir auch...“, sagte er und begann dann zu erzählen wie sein Papa ihn zugesichert hatte, dass Chaths sein Hohepriester werden würde und es sich dann anders überlegt hatte. Er erzählte wie er zu Chaths geflohen war und dass er wollte, dass Chaths ihn seinen Gott eintätowierte. Ihn als Thronfolger in einem Ritual legitimierte.

Erneut hörte Anpu zu und nickte diesmal beinahe amüsiert. „Und welchen Gott fühlst du dich gehörig?“, wollte er leise wissen.

Da regte sich Chaths leise. „Aton. Amsu fühlt sich Aton gehörig. Und ich... Anubis“, erklärte er ruhig.

Tief atmete Anpu ein. „Verstehe. Eine sehr interessante Kombination. Fehlt eigentlich nur noch ein Leibwächter in eurem Bunde der Seth oder Apophis gehörig ist“, stellte er fest.

„Niemals!“, entfuhr es Amsu. „Die beiden sind böse!“, zischte er und Chaths hob verwirrt eine Augenbraue. „Wie kommst du darauf?“, wollte er wissen. „Seth tötete seinen Bruder Osiris und verriet seinen Geliebten Horus, in dem er ihn den Thron rauben wollte!“, erklärte Amsu beinahe empört und Chaths legte leicht seinen Kopf schief.

„Aber Amsu, die Überlieferung, dass Seth seinen Bruder Osiris getötet haben soll wurde doch nur von den Menschen erdacht. Und zwar von einem Pharao, der die Verehrung Seths unterbinden wollte. In den alten Überlieferungen, die noch älter als diese Geschichte von dem Brudermord ist, wird berichtet, dass Osiris schlichtweg im großen Fluss ertrunken ist. Mehr nicht. Seth hat damit überhaupt nichts zu tun. Und Seth ist der Beschützer Ras. Er sorgt dafür, dass Ra jeden Tag aufs neue seine Bahn in unserer Welt ziehen kann. Und Apophis ist so alt wie die Götter selber, wenn nicht sogar noch älter. Es gibt keine wirklichen und verlässlichen Überlieferungen zu Apophis!“, predigte Chaths beinahe und Amsu starrte ihn ungläubig an. „Woher weißt du das alles?“, wollte der Prinz wissen. „Das weiß doch jedes Kind“, kam es nur trocken zurück, was Anpu amüsiert lachen ließ.

Amsu jedoch schwieg nachdenklich über das Gehörte. „Kein Gott ist besser als der andere!“, kam er zur Erkenntnis und Chaths nickte. „Meine Worte.“
 

Am nächsten Morgen wanderte Chaths schon bei Sonnenaufgang in den Ruinen der großen Tempelhallen. Er lief die Wände entlang und tastete mit seinen Fingern die Einkerbungen ab. Schließlich kam er an einen Altar und er bemerkte ein Zeichen, dass sich sehr oft wiederholte. Geduldig fuhr er mit den Fingern über die Einkerbungen und begann sie sich einzuprägen.

„Das ist das Zeichen für Aton“, erklang ruhig die Stimme von Anpu und Chaths zuckte leicht zusammen. „Ich hab dich nicht gehört...“, raunte er und Anpu lachte leise. „Wenn ich es nicht will, kann mich niemand hören. - Du versuchst dir die Zeichen einzuprägen. Kannst du denn überhaupt lesen und schreiben?“, fragte der Wanderer ruhig. Chaths schüttelte beschämt den Kopf.

Anpu nickte und ließ seinen Blick über die Wände gleiten und stockte dann. „Chaths, weißt du wie diese rituelle Weihe abläuft? Weißt du, was du tun und was du sagen musst? Wie und was du Amsu tätowieren musst?“, fragte er ruhig und erneut schüttelte Chaths den Kopf.

„Ich weiß nicht, ob ich der Richtige bin. Ich halte nichts von den Göttern und soll sogar ein Hohepriester werden! Ist das nicht so etwas wie eine Verhöhnung der Götter?“, fragte er leise.

Amsu trat dazu und räusperte sich leise. „Chaths... ich hab noch nie solch ehrliche Worte gehört. Noch nicht einmal von Priestern. Meinst du nicht, dass es nur auf dein Herz ankommt? Es ist doch egal ob du an die Götter glaubst, sie liebst oder hasst. Was zählt ist doch unterm Strich, dass du dir zum Schluss, wenn du vor dem großen Gericht stehst, nichts vorwerfen musst und nichts bereust“, meinte der Prinz und Chaths dachte nach und wiegte den Kopf. „Du meinst, dass wir alle vor dem Totengericht stehen werden?“, fragte er dann und Amsu nickte überzeugt. „Genau das!“

Anpu beobachtete die beiden und lauschte den Worten und leicht neigte er anerkennend seinen Kopf. „Sehr gute Worte, Prinz. Chaths, wirst du Amsu weihen und an dessen Seite stehen?“, fragte er dann ernst.

„Wenn Amsu es wünschst, werde ich es tun“, antwortete Chaths schlicht, was Amsu vor Freude aufjauchzen ließ und Chaths in seine Arme zog. Dieser lachte amüsiert auf und erwiderte die feste Umarmung.

Anpu nickte. „Dann haben wir nur das Problem, dass du Amsu erst weihen darfst, wenn du die Weihe von deinem Gott erhalten hast, Chaths.“

Chaths runzelte die Stirn. „Und wie funktioniert das? Was muss ich tun?“

Amsu schaute nun ebenfalls fragend zu Anpu, denn das hatte er nicht bedacht. Anpu lächelte nachsichtig. „Entweder er wird von einem Priester geweiht oder er lässt sich von seinem Gott weihen“, erwiderte er ruhig. „Und woher will er ganz ohne die alten Lehren wissen, welcher Gott der seinige ist? Ja, er hat Anubis erwählt, aber woher weiß er, dass Anubis der Richtige ist?“, fragte Amsu sofort und neugierig.

Chaths lachte leise. Waren es genauso seine Fragen und Bedenken, die Amsu da aussprach. Anpu nickte nur verstehend zu den Fragen.

„Wie Hohepriester Ausar bereits gesagt hat, soll Chaths einfach nur auf sein Herz hören. Und wenn Anubis nicht der Richtige ist, dann wird er sich weigern Chaths zu weihen und als seinen Diener zu zeichnen“, erklärte Anpu ruhig.

Beide Jungen schwiegen und dachten nach. Amsu nickte als Erster. „Gut, dann habe ich keine Sorgen mehr, dass etwas falsch laufen könnte“, sagte er ernst. Anpu schmunzelte. „Auch du, junger Prinz kannst dich von deinem Gott persönlich zeichnen lassen“, schlug er vor, doch Amsu schüttelte energisch den Kopf. „Nein! Chaths soll mich weihen!“

Nun lachte Chaths leise auf. „Keine Angst, Amsu. Ich werde dich weihen. Anpu, wie trete ich mit Anubis in Kontakt?“, wollte er wissen und Anpu zuckte mit den Schultern. „Das musst du selber herausfinden. Tut mir leid.“

Chaths seufzte leise und ließ seine Schultern hängen, während Amsu sich nachdenklich umblickte. „Ich hab dir doch von dieser Tempelanlage des Anubis erzählt, Chaths. Ich denke, dort werden wir ihn rufen können“, überlegte der junge Prinz. Chaths hob seinen Kopf und sein Gesicht erhellte sich. „Das ist eine super Idee! Weißt du, wie wir dahin kommen? Und wie lange dauert es?“

Amsu wiegte den Kopf hin und her, während er nachdachte. „Wir müssen den großen Fluss erreichen und von da kann ich dich zu dem Tempel des Anubis bringen.“

Chaths nickte. „Dann sollten wir Vorräte vorbereiten und dann mit dem neuen Sonnenlauf aufbrechen!“
 

Als die Sonne am nächsten Tag aufging, verabschiedeten sich die beiden Jungs von Anpu, der amüsiert beobachtet hatte, wie Chaths der Kobra, die auf den Namen Apophis hörte, eine Art Ledergeschirr anlegte.

Lange blickte er den beiden und der Schlange, die an einem Lederriemen vor Chaths her schlängelte, nach. „Wir sehen uns wieder...“, murmelte er warm und fragte sich, was wohl Apophis dazu sagen würde, wenn er wüsste, zu was sich eines seiner Geschöpfe herabließ.



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