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The Boyfriend Experience

von

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The Boyfriend Experience

Agent Mieczyslaw Stilinski lag auf seinem Bett und drehte die Visitenkarte der Agentur wieder und wieder nachdenklich in den Händen.

Eigentlich war heute ein guter Tag. Ein wirklich guter! Der große Fall war endlich abgeschlossen, er hatte eine Belobigung erhalten, eine Beförderung in Aussicht gestellt bekommen, auf der Karrieretreppe beim FBI würde es für ihn damit gleich mehrere Stufen bergauf gehen und er hatte nun erst einmal einige Wochen wohlverdienten Erholungsurlaub vor sich. Es lief im Grunde alles bestens für ihn und dennoch wollte sich das erwartete Hochgefühl einfach nicht einstellen.
 

Vor einer Weile hatte er sich mit seinem ehemaligen Partner Steiner auf einen Drink getroffen. Sie hatten 5 Jahre miteinander gearbeitet, bis Stilinski vor einem Jahr Agent Tate zugeteilt worden war, doch sie hatten in diesen Jahren eine echte Freundschaft entwickelt. An diesem Abend hatte Ethan Steiner ihm auch diese Visitenkarte mit den Worten in die Hand gedrückt:
 

"Komm´ schon Mitch! Du weißt, dass es in unserem Job beinahe unmöglich ist, jemanden kennenzulernen. Aber ganz ehrlich, es ist nicht gesund, dass ein junger Mann wie du, Anfang dreißig, attraktiv und voller Leben, immer nur allein schläft! Und die Typen die da vermittelt werden, sind echtes Spitzenniveau, nicht irgendwelche Stricher von der Straße. Man muss es sich zwar etwas kosten lassen, doch es ist die Sache wert. Probier es aus! Leb´ mal und hab´ Spaß!"
 

"Ich weiß nicht Ethan...?" hatte Stilinski darauf geantwortet: "Es ist doch nicht dasselbe, wie jemanden zu haben, den man tatsächlich liebt und mit dem man sein Leben teilt."
 

"Sicher ist es nicht dasselbe und du brauchst ein bisschen Fantasie und die Bereitschaft, dich auf die Sache einzulassen. Diese Typen verkaufen nicht die Realität, aber dennoch eine ziemlich glaubhafte Illusion. Diese Agentur heißt ja nicht zufällig `The Boyfriend Experience´. Es geht nicht bloß ums schnöde Vögeln allein. Du kannst alles haben, was du auch in einer Beziehung hättest, genau das richtige für einen altmodischen, romantischen Jungen wie dich, Mitch."
 

Stilinski hatte die Karte im Grunde bloß eingesteckt, weil er wollte, dass sein Freund Ruhe gab. Niemals hatte er vorgehabt, von dieser Dienstleistung tatsächlich Gebrauch zu machen, doch nun saß er hier, hatte allen Grund zum Feiern und fühlte sich dennoch leer und niedergeschlagen. Er konnte sich nichts vormachen: Er war einsam!
 

Er brauchte mehrere Anläufe, wählte die Nummer, legte wieder auf, ehe eine Verbindung zustande kam und versuchte es erneut, bis er schließlich all seinen Mut zusammennahm und tatsächlich anrief. Das Gespräch dauerte eine ganze Weile. Die freundliche Stimme am anderen Ende der Leitung klärte mit ihm nicht bloß kurz und knapp das Geschäftliche, nein die junge Frau nahm sich wirklich Zeit, ihn ausgiebig zu seinen Wünschen, Vorlieben und Interessen zu befragen, erklärte ihm, dass seine Privatsphäre in jedem Fall gewährleistet sei und dass er bei fehlender Sympathie jederzeit die Möglichkeit hätte, nach einem anderen Dienstleister zu verlangen. Es wurde eine Location und ein Termin für eine erste Verabredung vereinbart und damit war das Gespräch beendet.
 

Stilinski legte das Telefon weg und schlagartig brach ihm der kalte Schweiß aus. Was hatte er nur getan? Er war ein Gesetzeshüter und hatte gerade eine Verabredung zu käuflichem Sex getroffen? Wenn das je herauskäme, dann wäre es das vermutlich gewesen mit seiner Karriere! Er streckte die Hand nach dem Telefon aus, um alles wieder rückgängig zu machen, doch dann holte er tief Luft und ließ es bleiben.

Es würde nicht herauskommen, sagte er sich.

Man sei diskret, hatte man ihm versprochen und seine Verabredung selbst würde nichts von ihm wissen, nicht einmal seinen Namen. Es war sicher, denn sonst hätte Ethan ihm schließlich nicht dazu geraten.

Ein weiterer tiefer Atemzug und Stilinski beruhigte sich wieder. Heute Nacht hatte er eine Verabredung und alles würde gut laufen.

Und falls nicht, dann hatte er es wenigstens versucht.
 

Dem Agent war es nicht möglich vor seinem Blinddate noch etwas zu essen. In seinem Magen war ganz einfach kein Platz, neben diesem riesigen Bienenschwarm, welcher sich dort nach allen Regeln der Kunst austobte. Er stand stattdessen ratlos vor seinem Kleiderschrank und überlegte fieberhaft, was er anziehen sollte. Designerjeans und Seidenhemd wurden anprobiert, doch schnell wieder verworfen, in Stoffhose und Wollpullover war es ihm zu warm, denn er schwitzte vor Aufregung ja jetzt bereits wie ein Affe. Am Ende entschied sich Stiles für eine enge Anzughose und einen figurbetonten Zweireiher in schwarz, ein blütenweißes Oberhemd und eine dezente schmale Krawatte. Er überprüfte seinen Look noch einmal vor dem Spiegel und entschied dann, dass er so vermutlich niemandes Auge beleidigte. Er mochte ja für diese ganze Sache zahlen, doch es schadete sicher nicht, wenn sein Date nicht direkt wieder weglaufen wollte, sobald er ihn sah.
 

Eine Dreiviertelstunde später traf Stillinski am vereinbarten Treffpunkt, in der Bar eines großen Hotels ein und blickte sich suchend um. Die Agentur hatte ihm vorab ein Foto geschickt, damit er wusste, nach wem er Ausschau halten musste. Es war noch früh und aus diesem Grund noch recht leer und Stilinski hatte seine Verabredung rasch an der Theke, auf einem Barhocker sitzend erblickt. Er straffte sich noch einmal, nahm seinen Mut zusammen und machte sich dann auf den Weg.

Er hockte sich neben den Fremden und fragte nervös:
 

„Hi! Kann es sein, dass wir verabredet sind?“

Sein Mund war trockener, als die Wüste Gobi.
 

Der Unbekannte drehte sich um und präsentierte ein spektakuläres Lächeln:

„Ja, ich denke, bei mir bist du richtig. Ich bin Derek und wie darf ich dich nennen?“
 

Stilinski rutschte das Herz in die Hose. Das Foto wurde seinem Gegenüber nicht gerecht. Vor ihm saß der absolut schönste Mann, den er je gesehen hatte, groß, athletisch, ohne beladen zu wirken, große, grüne Augen und ein nahezu vollkommenes, markantes Gesicht mit gepflegtem Dreitagebart:

„Ich bin Stiles.“ stellte er sich vor, dankbar, dass ihm die Stimme nicht versagte.

Er wusste selbst nicht so genau, warum er ausgerechnet diesen Namen wählte? Stiles, das war der Junge von der Highschool gewesen, der mit Mädchen ausgegangen war, weil er sich einfach nicht eingestehen konnte, dass er schwul war. Stiles war der junge Mann, der am College seinen alten Schulfreund Danny wiedergetroffen, sich in ihn verliebt und dreieinhalb Jahre lang eine Beziehung mit ihm geführt hatte. Und Stiles war damals gemeinsam mit dieser Verbindung gestorben und wurde zu Grabe getragen. Ab da gab es nur noch Mieczyslaw Stilinski, der von allen Mitch genannt wurde, weil niemand außerhalb Polens diesen Vornamen auszusprechen vermochte. Lediglich diejenigen, die ihn von früher kannten, seine Freunde Lydia und Scott und sein Dad nannten ihn heute noch Stiles, weil sie sich einfach nicht an sein neues Ich gewöhnen konnten.
 

„Freut mich, dich kennenzulernen, Stiles!“ sagte der Fremde und irgendwie klang es vollkommen aufrichtig, so als hätten sie hier tatsächlich ein echtes Date. Dieser Derek war wirklich gut in seinem Job, dachte Stilinski im Stillen:
 

„Mich freut es auch.“ erwiderte er und nahm neben Derek Platz: „Ich würde gern hier erst einmal hier etwas trinken, ist das in Ordnung? Darf ich dir etwas bestellen?“
 

„Gern!“ erwiderte sein Gegenüber: „Ich nehme einen Martini.“
 

Stiles gab die Bestellung auf und orderte für sich selbst eine Weißwein-Schorle. Er hatte einen leeren Magen und wollte nicht riskieren kurz nach ihrem Zusammentreffen bereits volltrunken vom Stuhl zu fallen.

Die beide Männer prosteten sich zu, nahmen einen Schluck und Stiles dachte fieberhaft darüber nach was er als nächstes sagen könnte, damit kein unangenehmes Schweigen entstand, doch Derek nahm ihm diese Last ab, indem er ihm Fragen zu seiner Person stellte.

Ob er hier in San Francisco leben würde, oder nur auf der Durchreise sei?
 

Stiles lächelte erleichtert, weil sein Gegenüber es ihm so leicht machte:

„Ich bin im Grunde ein echter Kleinstadt-Junge, doch ich bin mit Anfang Zwanzig zum Arbeiten hierher gekommen. Ich mag die Stadt, doch es ist immer nicht der erste Ort, an den ich bei dem Wort „Zuhause“ denke. Irgendwie ist es seltsam?“
 

„Ich finde es gar nicht seltsam. Mir geht es ähnlich wie dir.“ gab Derek zurück: „Ich bin auch in der Kleinstadt groß geworden, lebe nun schon seit über 15 Jahren hier und dennoch wird mir der Trubel hier oft zu viel und ich fahre hinaus auf´s Land und genieße dort die Ruhe und das vollkommen andere Tempo. Die Leute auf dem Land haben scheinbar einfach viel mehr Zeit.“
 

Stiles strahlte, weil er endlich jemanden gefunden hatte, dem es so ging, wie ihm selbst. Die Menschen welche er sonst traf, konnten ihn in diesem Punkt nicht verstehen. Scheinbar liebte jeder außer ihm selbst den Trubel der Großstadt:

„Ich weiß genau, was du meinst.“ erwiderte er:
 

„Ist es erlaubt zu fragen, in welchem Teil der Stadt du lebst?“ hakte Derek nach.
 

Stiles dachte kurz darüber nach, doch im Grunde sprach wohl nichts dagegen, auf diese Frage eine Antwort zu geben:

„Ich habe mir drüben in Nob Hill ein kleines Häuschen gekauft, damals als die Immobilienpreise noch nicht der vollkommene Irrsinn waren. Es ist recht schön, viktorianischer Stil, mit Blick über die Stadt, ruhig gelegen und mit einem hübschem kleinen Gärtchen dahinter. Der perfekte Ort, um von meinem Job abzuschalten.“
 

„Was arbeitest du denn?“ wagte Derek sich weiter vor.
 

Stiles zögerte. Er hatte nicht die Absicht, diesem vollkommen Fremden mitzuteilen, dass er beim FBI tätig war und so antwortete er vage:

„Ich bin beim Staat angestellt.“
 

Derek gab sich mit dieser Auskunft zufrieden und hakte nicht weiter nach. Stiles atmete auf, weil seine Verabredung die Wahrung seiner Privatsphäre, welche ihm von der Agentur zugesichert worden war, auch tatsächlich respektierte. Stattdessen fragte Derek:

„Was würdest du heute eigentlich gern tun? Willst du hier bleiben? Wir könnten uns ein Zimmer nehmen? Oder hast du etwas anderes im Sinn?“
 

Stiles wand sich unbehaglich auf seinem Barhocker:

„Ich... uhm... ich glaube, dabei brauche ich deine Hilfe. Ich habe so etwas wie das hier noch nie in meinem Leben getan. Ich weiß gar nicht, was möglich ist? Wo sind deine Grenzen? Was würdest du nicht wollen? Ich... Gott ist das peinlich!“ stammelte der
 

Derek lächelte, bedeckte Stiles Hand, welche nervös auf dem Tresen herumzappelte, mit der seinen und dieser wurde sogleich ein wenig ruhiger:

„Ist in Ordnung, Stiles. Dir muss überhaupt nichts peinlich sein.“ erklärte Derek mit sanfter Stimme: „Als erstes ist es für dich wichtig zu wissen: Du bist der Boss! Was du sagst, wird gemacht. Es geht darum, dass es für dich gut wird. Und solltest du tatsächlich Vorlieben haben, bei denen ich nicht mitgehen kann, dann würde ich dich das auf respektvolle Weise wissen lassen. In diesem Fall hoffe ich, dass es dich nicht beschämt. Denn deine Wünsche sind in jedem Fall in Ordnung, aber Vorlieben sind eben unterschiedlich gelagert, verstehst du?“
 

Stiles schoss das Blut in seinen Kopf:

„Was? NEIN! Ich... ich bin ein ganz gewöhnlicher Typ. Ich stehe auf ganz normale Sachen, aber...“ Er atmete tief durch und rang darum, seine Fassung wiederzugewinnen: „Ist es denn pervers, wenn ich vorerst gar nichts machen will? Wenn wir einfach nur etwas essen gehen würden und einen angenehmen Abend verbringen? Versteh´ mich nicht falsch, es liegt nicht an dir. Du bist ein Traum, mehr als ich zu hoffen gewagt hätte, aber ich fürchte ich kann das nicht. Ich hatte noch nie Sex mit einem vollkommen Fremden. Bevor ich mich auf so etwas einlassen könnte,muss ich erst wissen, wen ich eigentlich vor mir habe. Ist das blöd?“
 

Derek lachte amüsiert und verschränkte ihre Finger:

„Entschuldige, ich habe dich überfordert. Natürlich ist es okay, uns erst einmal kennenzulernen. Ich würde sehr gern mit dir essen gehen.“ Dann legte er den Kopf schief, blickte Stiles intensiv an und fügte mit einem kleinen Lächeln an: „Du bist wirklich süß, weißt du das?“
 

Es klang aufrichtig und Stiles errötete zu seinem eigenen Ärger erneut:

„Danke.“ erwiderte er verunsichert. Dann fragte er: „Ist italienisch okay?“
 

„Gern!“ versicherte Derek.
 

Stiles zog sein Handy hervor, reservierte einen Tisch in seinem Lieblingsrestaurant, zahlte ihre Drinks und sie brachen auf.
 

„Ich bin mit dem Wagen da. Fahren wir zusammen?“ wollte Stiles wissen:
 

„Das wäre schön. Ich bin mit dem Taxi gekommen.“ stimmte Derek zu.
 

Und so bestiegen sie wenig später Stiles nagelneuen mintfarbenen Jeep Wrangler JL:

„Das ist nicht der Wagen, den ich bei jemandem wie dir erwartet hätte, Stiles. Ich war sicher, dass etwas sportlicheres eher dein Ding wäre?“ kommentierte Derek.
 

Stiles erklärte, er habe ihn sich aus nostalgischen Gründen angeschafft, denn er erinnere ihn an seinen ersten Wagen als jugendlicher, einen CJ5 Robins Egg. Dieses Auto habe er sehr geliebt.
 

Der Verkehr auf den Straßen war überschaubar und zehn Minuten später hielten sie bereits auf dem Parkplatz des Restaurants. Sie bekamen einen ruhigen Tisch, abgeschieden in einer Nische, wo sie vor neugierigen Blicken geschützt waren und Stiles begann sich wieder ein wenig anzuspannen, nun wo es nur noch sie beide und keinerlei Ablenkung zu geben schien.
 

Erneut streckte Derek seine Hände aus und nahm die von Stiles:

„Hey du! Du musst keine Angst haben. Du bist in Sicherheit!“ versicherte er: „Du bestimmst, wie weit dies hier geht und du kannst es jederzeit abbrechen, wenn es nicht das ist, was du dir vorgestellt hast.
 

Obwohl Stiles rational klar war, dass Derek diese Dinge nur aus rein geschäftlichem Interesse sagte, bewirkte es dennoch, dass er sich tatsächlich ein wenig sicherer fühlte. Er nickte und lächelte schwach über den Tisch hinweg. In diesem Moment kam der Kellner mit den Speisekarten, und der Agent nahm sie dankbar entgegen, da sie ihm etwas zu tun gaben und ihn dadurch von seiner Nervosität ablenkten.

Nachdem Stiles seine Wahl getroffen hatte, warf er einen Blick auf seinen Tischnachbarn, welcher mit irgendetwas zu ringen schien, woraufhin der Agent erklärte:

„Du kannst dir bestellen, was immer du willst. Der Tintenfisch soll hier gut sein, auch wenn ich persönlich keinen mag.“
 

„Ich denke, ich werde den gemischten Salat nehmen.“ gab Derek zurück und Stiles meinte ein gewisses Bedauern in seiner Stimme zu vernehmen:
 

„Einen Salat? Bist du sicher?“ versicherte er sich daher noch einmal: „Von diesem Hasenfutter wird man doch nicht satt? Und du bist ein großer, stattlicher Kerl!“
 

Derek blickte seufzend von der Karte auf und entgegnete:

„In meinem Job muss ich auf meine Figur achten, weißt du?“
 

„Du siehst unglaublich gut aus. Daran wird sich auch nichts ändern, wenn du einmal über die Stränge schlägst.“ beteuerte Stiles: „Warum gönnst du dir nicht einfach, wonach immer es dir gerade verlangt und dann stehst du später glücklich und zufrieden vom Tisch auf. Ich verrate es auch keinem, versprochen!“
 

„Was ich wirklich gern essen würde ist Spaghetti in Gorgonzola-Soße. Eine schlimmere Todsünde gibt es für einen figurbewussten Hobbysportler wie mich wohl kaum, weißt du?“ erwiderte Derek unglücklich:
 

„Wow, das klingt toll!“ stellte Stiles fest: „Also bestelle ich das zweimal und dann vielleicht noch Tiramisu zum Dessert?“
 

Ein weiterer schwerer Seufzer von Derek:

„Du bist ein echter Verführer, weißt du das? Hinterher werde ich mit Sicherheit an meinen Schuldgefühlen sterben.“
 

„Wirst du nicht!“ ordnete Stiles an und nun war er es, der, all seinen Mut zusammennehmend, nach Dereks Hand griff: „Du wirst es mit allen Sinnen genießen und dich daran erfreuen. Und morgen zum Frühstück gibt es dann wieder einen Eiweißshake und ein rigoroses Workout, richtig?“

Er lächelte und sein Gegenüber ließ sich davon anstecken:
 

„Also gut, einverstanden.“ erwiderte Derek, schob jedoch noch ein: „Ich werde das so was von bereuen!“ hinterher.
 

Als der Kellner eine Weile später mit ihren dampfenden, duftenden Tellern wiederkam, hatte Stiles die Gelegenheit, seinen Tischnachbarn dabei zu beobachten, wie er seine Spaghetti, triefend in fettiger, sahniger Käsesoße zelebrierte, als mache er soeben eine religiöse Erfahrung, oder habe gerade den Orgasmus seines Lebens.

Stiles schmunzelte still in sich hinein:
 

„Was denn? Schmeckt es DIR denn gar nicht?“ fragte Derek ein wenig verlegen.
 

„Es ist lecker.“ bestätigte der Angesprochene: „Doch es kommt längst nicht an meine hausgemachte Gorgonzola-Soße heran. Und ICH würde die Pasta dann auch selbst herstellen und nicht dieses Zeug aus der Packung verwenden.“
 

„Du kochst?“ fragte Derek überrascht:
 

„Selten. Für mich allein macht es mir keinen Spaß. Aber früher habe ich es für meinen Dad getan. Er und ich waren allein. Meine Mom ist bereits früh gestorben und Dad kam oft erst spät von der Arbeit nachhause.“ gab Stiles zurück und erst nachdem er zu ende gesprochen hatte, wurde ihm klar, dass er gerade einen ziemlich private Einblick in sein Leben gegeben hatte.

Verdammt! Er fühlte sich offensichtlich ein wenig zu Wohl bei diesem Fremden!
 

Doch dann sagte Derek:

„Ich habe meine Mom auch verloren. Nicht nur sie, sondern im Grunde meine ganze Familie. Als ich sechzehn war, kam ich zu meinem Onkel. Warme Mahlzeiten gab es bei uns eigentlich nie. Peter war...“ er räusperte sich: „Ach nicht so wichtig.“
 

Stiles spürte genau, dass auch Derek offensichtlich nicht vorgehabt hatte, etwas so Persönliches von sich preiszugeben. Es war wohl auch ihm einfach so herausgerutscht.
 

Einem Impuls folgend ergriff Stiles nun ein zweites Mal die Hand seines Gegenübers und sagte sanft:

„Nun ja... jetzt gibt es eine warme Mahlzeit. Genieß´ sie! Es ist nämlich echt schön, dir dabei zuzuschauen.“
 

Derek wirkte verlegen. Er lächelte und nahm einen weiteren Bissen. Von der professionellen Nonchalance bei ihrer Begrüßung war in diesem Moment nichts mehr zu spüren.

Stiles gefiel das.
 

Nach dem Hauptgang gönnten sich die beiden Männer tatsächlich noch den angekündigten Nachtisch, untermalt von den zufriedenen „Ohs“ und „Ahs“ Dereks, einen Kaffee und später noch einen Absacker. Sie hatten keine Eile, ihr Date beizeiten zu beenden, plauderten, ohne dass ihnen dabei je der Gesprächsstoff ausging, auch wenn sie privatere Themen ab jetzt vorsichtig umschifften.

Stiles stellte fest, dass dieser Derek ihm überaus sympathisch war. Er wusste selbst nicht, was er sich von diesem Abend und seinem Gegenüber erwartet hatte, aber mit Sicherheit nicht dies hier. Er hatte wohl angenommen, irgendeinen aalglatten Schönling ohne Tiefgang und Herzlichkeit zu treffen, doch so war es ganz und gar nicht. Die Zeit mit Derek war angenehm, so als würden sie beide sich schon lange kennen. Konnte das von Dereks Seite wirklich alles nur gespielt sein? Da floss doch auch eine ganze Menge von dem, was dieser Mensch in Wirklichkeit war in ihre Begegnung mit ein, oder täuschte er sich da?

Stiles beschloss, dem Rat von Ethan zu folgen, sich auf diese Sache einzulassen und sie ganz einfach zu genießen. Am Ende spielte es keine Rolle, ob es echt war, oder ob Derek im nur etwas vormachte, denn dies hier war schließlich immer noch ein geschäftlicher Deal. Stiles zahlte dafür und es ging nicht tatsächlich um Beziehungsanbahnung.
 

Sie saßen bis kurz vor Mitternacht an ihrem Tisch. Sie waren mittlerweile längst die letzten Gäste im Restaurant, der Kellner hatte ihnen die Rechnung bereits vor einer halben Stunde gebracht und schlich nun auffällig häufig an ihrem Tisch vorbei, bis Stiles schließlich sagte:
 

„Ich schätze, wir sollten die guten Leute wohl mal Feierabend machen lassen, was denkst du?“
 

„Es wäre wohl ratsam, ehe man uns mit Gewalt vor die Tür setzt, was?“ gab Derek lachend zurück.
 

Als Stiles endlich bezahlte, atmete der Kellner sichtlich auf. Der Koch und der der Geschäftsführer verabschiedeten die beiden Männer an der Tür, ein weiteres, unfehlbares Indiz, dass ihr Aufbruch mehr als überfällig gewesen sein dürfte.

Kaum ging die Tür hinter den beiden zu, hakte Stiles sich bei Derek unter und brach in Gelächter aus:

„Ich schätze, in diesem Laden sollten wir uns nicht mehr allzu bald blicken lassen?“ prustete er los:
 

„Ich finde, sie waren immer noch sehr höflich!“ gab Derek zurück und stimmte in das Lachen mit ein.

Als sie sich wieder beruhigt hatten fragte er dann:

„Und was möchtest du nun tun, Stiles? Wozu hast du Lust?“
 

Darüber musste der Befragte einen Moment nachdenken. Dann entschied er:

„Ich würde es für heute gern dabei belassen. Darf ich dich nachhause fahren?“
 

Derek wirkte überrascht zu sein, doch er stimmte zu. Sie stiegen ein weiteres Mal in dieser Nacht in den Jeep und Stiles fuhr Derek zur angegebenen Adresse, einem Apartmentgebäude und stieg für die Verabschiedung ebenfalls aus dem Wagen aus.
 

Sie standen eine Weile unschlüssig vor einander und schließlich fragte Derek:

„Bist du sicher, dass du nicht mit hinauf kommen willst, Stiles? Die Nacht ist noch jung und ich fürchte, dass du heute nicht wirklich auf deine Kosten gekommen bist. Das fände ich sehr bedauerlich.“
 

Stiles versicherte lächelnd:

„Ich hatte einen wundervollen Abend. Ich danke dir dafür.“ Er zögerte kurz, dann fragte er: „Darf ich dich wohl bald wieder anrufen?“
 

„Ich würde mich freuen.“ erklärte Derek und zückte eine Visitenkarte mit seiner eigenen Nummer:

„Melde dich einfach, dann machen wir etwas aus.“

Er nahm Stiles Hand, führte sie zu seinen Lippen und küsste sie. Es war eine eigenartige, altmodische, unerwartet intime Geste, die ein aufgeregtes Ziehen in Stiles Magengrube erzeugte. Ehe er noch in irgendeiner Weise darauf reagieren konnte, hatte Derek sich bereits abgewandt und war im Gebäude verschwunden, ohne sich noch einmal umzuschauen.
 

Stiles stieg wieder in seinen Wagen und saß noch eine Weile nachdenklich hinter dem Steuer, ehe er den Motor startete.



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