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Night of the living trees

von

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"Niemand weiß genau wo es anfing. Und inzwischen spielt es auch keine Rolle mehr. Allerdings hat es Dänemark am schlimmsten erwischt, so viel war uns klar."

"Deshalb habt ihr den Fluss gegraben, stimmts?"

"Gesprengt. Zum Glück war nicht mehr viel zu tun, um es zu einer Insel zu machen."

"Und dann sind sie nicht mehr rüber gekommen, stimmts?"

"Ja... aber es waren ja schon genug bei uns."

"Och Opa, nun erzähl schon alles!"

"Ja! Lass es dir nicht so aus der Nase ziehen!"

"Hm... na gut. Aber ich kann euch nur erzählen was ich selbst weiß und erlebt habe. Also seid still und keine Unterbrechung."

Die Kinder nickten schweigend und die Lippen zusammenpressend. Der ältere Mann, welcher ihnen gegenüber saß rieb sich über das vernarbte und bärtige Kinn und seufzte leise.
 

"Ich war kaum älter als ihr Beiden und freute mich auf Weihnachten. Ihr wisst ja was Weihnachten war?" Heftiges Nicken antwortete ihm. "Gut. Am Weihnachtsabend gab es wie jedes Jahr ein großes Festmahl. Meine zwei Tanten waren mit ihren Familien gekommen und hatten meine Cousins und Cousinen mitgebracht. Es war ein wirklich schöner Tag gewesen, gekrönt von Geschenken." Der Alte verfiel kurz in Schweigen und räuspert sich dann. "Nun irgendwann mitten in der Nacht wurde ich plötzlich wach. Es war zwei Uhr frühs, das weiß ich noch ganz genau. Ich hörte unten aus dem Wohnzimmer Gepolter. Schnell stand ich auf, da ich dachte meine Cousins wären vielleicht dabei mit unseren Geschenken zu spielen. Auf halben Weg die Treppe hinunter konnte ich bereits das ganze Wohnzimmer sehen und blieb plötzlich stehen. Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht. Mitten im Raum stand unser Weihnachtsbaum. Eigentlich war sein Platz in einer Ecke. Mein Vater hatte jedes Jahr extra immer einen Schrank zur Seite geschoben, damit er dort Platz fand. Und nun stand er auf einmal mitten im Raum. Behangen mit den Kugeln und Lichterketten. Ich sah jedoch dass der Stecker aus der Dose gezogen worden war. Als ich ihn noch wortlos anstarrte und überlegte warum der Baum plötzlich dort stand, da bewegte er plötzlich seine Äste und machte das Geräusch." Der Großvater schloss gequält die Augen und auch die beiden Kinder vor ihm taten es ihm gleich und hielten sich vorsorglich auch noch die Ohren zu. Als das Grauen der Erinnerung verflogen war und der Opa seine beiden Enkel so sitzen sah lächelte er sie traurig an. Das Geräusch kannte und fürchtete inzwischen jedes Kind. Es war unverkennbar und entstand nur wenn über hunderttausend Nadeln wild aneinander rieben. "Ja... da hörte ich es zum ersten Mal. Und erschrak bis ins Mark. Schnell drehte ich mich auf der Treppe um und stürzte nach oben in das Schlafzimmer meiner Eltern. Beide waren kaum wach zu bekommen. Zu Weihnachten tranken die Erwachsenen früher viel Alkohol, wisst ihr. Und dann konnte ich ihnen kaum begreiflich machen was ich gesehen hatte. Beide nahmen wohl an ich hätte einen Alptraum gehabt. Von dem Lärm den ich machte waren meine anderen Familienmitglieder aufgewacht, denn plötzlich stand meine Tante in der Tür und fragte was denn los sei. Hinter ihr konnte ich meinen Cousin sehen. Und dann hörte ich einen Schrei. Wir alle hörten ihn, aber ich reagierte am schnellsten und rannte zurück zur Treppe. Ihr könnt euch bestimmt vorstellen was ich sah. Ein Bein meiner jüngsten Cousine ragte gerade noch zwischen den Zweigen hervor bevor ich sehen musste wie es von diesem Ungeheuer auch noch verschlungen wurde. Vermutlich hätte es mich als nächstes gepackt, doch meine Tante, welche hinter mir stand, hatte ebenfalls alles gesehen und packte mich bei den Schultern. Dank ihr kann ich nun hier sitzen und euch die ganze Geschichte erzählen, denn sie schubste mich die Stufen hinauf und befahl mir zu rennen. Das waren die letzten Worte von ihr. Danach hörte ich nur noch das Geräusch und rannte so schnell ich konnte zurück zu meinen Eltern. Die waren inzwischen aufgestanden und kamen mir schon entgegen. Ich erinnere mich nicht mehr genau... ihr müsst wissen ich war sehr aufgeregt zu dem Zeitpunkt. Aber ich weiß noch, dass sie mir befahlen in ihr Zimmer weiter zu rennen und nicht anzuhalten. Ich tat es. Und ich schlug sogar die Tür hinter mir zu. Ja, ich dachte nicht eine Sekunde an meine kleinen Cousins und Cousinen. Nicht an meine andere Tante und auch nicht an meine Eltern. Ich habe nicht gesehen was mit ihnen passiert ist, aber... nun ich brauch nicht viel Fantasie dafür. Ich hatte einfach nur unglaubliche Angst. Und so rannte ich zum Fenster und stieß es auf. Kalter Wind schlug mir entgegen, aber ich merkte es nicht. Und dann muss ich wohl aufs Fensterbrett geklettert und das kleine Vordach hinunter gerutscht sein. Richtig erinnern kann ich mich erst wieder als meine nackten Füße im Schnee aufkamen. Und erst da funktionierten all meine anderen Sinne wieder. Aus all unseren Nachbarhäusern hörte ich Schreie, Gepolter und natürlich das Geräusch." Der Opa verfiel in Schweigen. Sein Blick schweifte in die Ferne. Seine beiden Enkel sahen sich unschlüssig an, schließlich traute sich einer den Mund zu öffnen.

"Und dann, Opa?", fragte er leise und so gut es ging seine Ungeduld unterdrückend.

"Und dann rannte ich", sagte er ohne zu blinzeln. "Ich rannte die ganze Nacht hindurch. Meine Füße waren blutig und halb erfroren. Ich rannte bis ich nirgendwo mehr das Geräusch hören konnte. Die nächsten Tage verbrachte ich wie in einer Trance. Ich denke inzwischen, dass mein Verstand sich so geschützt hat. Nach einer Woche fand mich eine Gruppe von Überlebenden während ich versuchte mich in einer Scheune zu verstecken. Bewaffnet mit Äxten erschreckten sie mich so sehr, dass sie mir fast den Rest gaben. Aber stattdessen bekam ich etwas zu Essen und eine Axt." Fast schon zärtlich fuhr er über den stark abgenutzten Kopf einer Axt, welche in seinem Schoß lag. Der Stiel schien bereits häufig gewechselt worden zu sein. "Sie nahmen mich mit sich. Und wir kämpften gegen die Bäume. Wir fanden heraus, dass sich nicht alle in diese... Monster verwandelt hatten. Nur die, die für das damalige Weihnachtsfest geschlagen worden waren. Und es waren so unzählige... Und wir fanden heraus, dass alle am gleichen Tag zum Leben erwachten. Den 25. Dezember. Wir wissen natürlich bis heute nicht warum. Aber ich muss euch sagen, das es mir auch vollkommen egal ist. Mich interessiert nur, dass wir seit einer ganzen Weile keine mehr hier gesehen haben." So etwas etwas wie ein Lächeln war in seinem Gesicht zu erahnen.

"Mama hat gesagt, es gibt immer noch ganz viele von ihnen", murmelte einer der Jungen deutlich hörbar. Sein Opa nickte ernst.

"Ja, da hat sie recht. Es gibt noch unvorstellbar viele. Und sie werden nicht älter. Sterben nicht. Und auf der anderen Seite des Grenzflusses warten noch einmal doppelt so viele." Er beugte sich zu beiden Jungs hinunter und sah ihnen ernst und fest in die Augen. "Es wird eure Aufgabe sein dieses Gebiet für uns zurück zu erobern." Die Jungs nickten feierlich und schienen sich der Verantwortung tatsächlich bewusst zu sein.

"Opa? Erzähl uns noch wie du deinen ersten Baum getötet hast!", verlangte der andere. Kurz starrte der Alte sie beide böse an, aber brach plötzlich in lautes Lachen aus. Die Jungs wirkten leicht verwirrt.

"Mit solchem Enthusiasmus werden wir schon bald keine Probleme mehr mit den Bäumen haben", sagte er lachend und wuschelte beiden durch die kurzen Haare bevor er aufstand. "Die Geschichte erzähle ich euch ein andern mal. Doch jetzt wird es Zeit für meinen Patrouillengang. Und ihr Beide geht jetzt zurück zu euren Eltern."
 

"Danke für die Geschichte Opa!", riefen die Kinder als sie fort liefen.

"Fröhliche Weihnachten", flüsterte der alte Mann und sah ihnen nach, bevor er seine Axt schulterte und in die Dunkelheit davon stapfte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Kerstin-san
2020-12-25T09:02:25+00:00 25.12.2020 10:02
Hallo,
 
na das ist ja mal eine wahre Gruselstory zu Weihnachten. Ich mochte da Setting mit dem Opa als Geschichtenerzähler, das hat mich so ein bisschen an meine Uroma erinnert, die mir und meiner Schwester immer Märchen erzählt hat (und die sind ja auch oftmals etwas brutal angehaucht).
 
Jedenfalls hat mich die Geschichte rund um die lebenden, Menschen verschlingenden Weihanchtsbäume mächtig gefesselt. Das ist so eine unheimliche Vorstellung, dass die Weihnachtsbäume zurückschlagen und dass es offenbar auch nach Jahrzehnten noch keinen Grund zur Entwarnung gibt und man quasi immer auf der Hut sein muss.
 
PS: Dir auch noch frohe Weihnachtstage^^
 
Liebe Grüße
Kerstin


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