Begegnung
Kapitel 07 - Begegnung
"Willkommen", kam es herzlich von dem Koch des kleinen Restaurants. Es wunderte ihn, dass ein Mann in Anzug und Krawatte, der eine Sonnenbrille trug und an dessen Frisur er bereits sah, dass er nicht in dieses Viertel gehörte, in sein kleines Restaurant stolperte. Doch das dieser dann zur Salzsäule erstarrte ließ ihn fragend eine Augenbraue hochziehen. "Ist alles mit Ihnen in Ordnung?", fragte er daher.
Diese Frage erregte die Aufmerksamkeit seiner Gäste, die ihr Mittagessen hier einnahmen. Darunter auch sein Stammgast, der Yamada Tarō genannt wurde. Der Blonde lenkte seinen Blick von seiner Schale Soba zu dem Fremden und musterte diesen eindringlich. Dabei fiel ihm auf, dass der Fremde ihn scheinbar anstarrte.
"Kann ich helfen, Meister?", fragte er sachlich.
Die Frage schien den Fremden zu verwirren. Dann schien der Anzugträger einen Schritt zurück zu taumeln und Tarō stand auf. Für ihn wirkte es so, als würde der Mann jeden Augenblick den Halt verlieren.
"Hey, Mann. Kommen Sie, setzen Sie sich erst einmal hin", meinte Tarō, hielt dem Anderen eine Hand hin und deutete mit der zweiten auf den Sitz neben seinen. Als der Fremde seine Hand zögerlich in die Tarōs legte, konnte der Blonde spüren, wie der Brünette scheinbar zitterte. Dann leitete der Mechaniker den Anzugträger zum Hocker und ließ ihn sich setzen, bevor er sich selbst wieder hinsetzte.
"Chef... hast du mal 'nen Tee?", fragte Tarō den Koch, der nickte und sich umdrehte, das dauerkochende Wasser von der Kochstelle nahm und einen frischen Tee aufbrühte. Diesen stellte er dem Geschäftsmann hin. Doch dieser schien immer noch durch seine Sonnenbrille Tarō anzustarren.
"Vielleicht... hat der gute Mann einen Schlaganfall?", rätselte der Blonde und griff vorsichtig nach der Sonnenbrille. Als er sie dem Brünetten abzog durchzog ihn ein Schock. Diese blauen Augen... wie in seinem Traum. Und sie gehörten nicht einer ausländischen Frau, sondern einem... Mann!
"Hey Yamada", kam es jetzt besorgt von dem Koch. Doch dann sah er die blauen Augen und verstand die Reaktion des Blonden.
"Kennen wir uns?", fragte Tarō schließlich den Brünetten. Dieser wirkte noch immer, als hätte er einen Geist gesehen.
"Na, Köter", kam es von dem herein kommende Uejima, dem Schweißer, dessen Tageshighlight wohl das alltägliche Mittagessen war, bei dem er eine Spitze nach der anderen gegen Tarō fuhr. Doch Tarō hatte gerade keinen Kopf für den Schweißer. Der Brünette begann langsam zu blinzeln. Verwirrt zog er seine Augenbraue zur Nasenwurzel.
"Ob wir uns kennen?", wiederholte Seto die Frage, die er gerade nicht verstand.
"Komm, Mann", meinte Tarō lächelnd. "Nehmen Sie erst mal einen Schluck vom Tee. Der ist echt gut."
Automatisch griff Seto nach dem einfachen Becher, in dem der Koch ihm den Tee serviert hatte und nahm einen Schluck. Der Tee war gut. Nicht überragend, aber gut. Und er gab ihm eine Wärme zurück, die in den letzten Augenblicken aus ihm gewichen war. Dann musterte er Jonouchi Katsuya, der ihn wirklich nicht wiederzuerkennen schien, obwohl er eben für einen Moment den Eindruck gemacht hatte.
"Ja, wir kennen uns", beantwortete Seto schließlich die Frage und Jonouchis Augen weiteten sich ungläubig. Auf einmal schien der Blonde ganz aufgeregt zu sein.
"Na, biste endlich aufgeflogen?", kam es stichelnd von Uejima, doch auch dieses Mal ignorierte der Blonde den Schweißer.
"Ehrlich?", kam es von Jonouchi und seine Stimme schien sich fast schon zu überschlagen. "Woher?"
Seto sah sich kurz um und empfand, dass das nicht der richtige Ort für dieses Gespräch war.
"Wollen wir nicht wo anders hin?", fragte er den Blonden. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass sie noch immer in dem kleinen Restaurant waren und dass seine Mittagspause fast vorbei war.
"Scheiße", kam es von Jonouchi. "Hören Sie... warten Sie bitte hier, ich geh schnell bei m einem Chef Bescheid geben, dass ich heute Nachmittag frei brauch", meinte er, während er vom Hocker rutschte.
"Bei deinem Chef?", fragte Seto verwundert.
"Jap, ist nicht weit. Nur ein Stück die Straße runter in der Werkstatt", erklärte Jonouchi, der scheinbar Angst hatte, dass Seto einfach so wieder verschwinden könnte. Noch begriff Seto nicht, wieso Jonouchi ihn nicht erkannte, aber er würde einen Teufel tun und jetzt, wo er den Blonden endlich tatsächlich gefunden hatte, ihn wieder loslassen.
"Kann ich dich begleiten?", fragte er ruhig und legte mehrere Scheine, die er aus seiner Manteltasche gezogen hatte, auf den Tresen.
"Der Tee ging aufs Haus", meinte Sakamoto, der Koch.
"Für sein Mittagessen", meinte Seto ruhig.
"Danke, aber nein danke. Ich kann für mein Essen aufkommen", meinte Jonouchi und grinste, wie er es früher in der Schule oft getan hatte und wirkte einmal mehr, wie in Setos Erinnerung. Manche Dinge schienen sich nie zu ändern, wie Jonouchis Stolz. Dann zog der Blonde seine Geldbörse und krammte ein paar Scheine hervor. Bei der Gelegenheit ergatterte Seto einen Blick auf Jonouchis Führerschein, auf dem der Name Yamada Tarō stand.
Da Yamada Tarō in Japan so geläufig war, wie in den USA John Doe, erkannte Seto, dass Jonouchi tatsächlich nicht wusste wer er war, dass sie sich kannte oder wer er selbst war. Da Jonouchi seine Bitte nicht abgelehnt hatte folgte Seto Jonouchi nach draußen, der vor dem Oberklassenwagen kurz stehen geblieben war und ihn bewundernd ansah.
Jonouchi ging einmal um das Auto und prasselte mit einigen technischen Eckdaten auf Seto ein, von denen dieser jedoch keine Ahnung hatte. Nicht, weil er nichts davon verstand, sondern viel mehr, weil es ihn nicht interessiert hatte.
Dafür schien Jonouchi eine Menge davon zu verstehen, was ihn weiterhin ehrlich überraschte. Nicht, weil er den Blonden nicht für klug gehalten hätte. Er wusste nur zu gut, wie klug Jonouchi war. Aber eigentlich hatte sich der Blonde früher nie für Autos interessiert.
"Du scheinst eine Menge von Autos zu verstehen", meinte Seto schließlich. Der Blonde zuckte mit den Schultern.
"Sollte ich wohl, wenn ich an ihnen rumschraube", antwortete der Blonde nur lapidar.
"Du... bist Mechaniker?"
"Jap...", antwortete er und blickte zu dem Mann mit diesen unglaublich blauen Augen, der davon irritiert schien. "Was hätte ich denn stattdessen sein sollen?"
Seto zuckte mit den Schultern. Er war sich unsicher, ob er Jonouchi mit geballtem Wissen erschlagen sollte oder ob er dem Blonden das alles Schluck für Schluck verabreichen sollte.
"Komm, steig ein, dann fahren wir zu der Werkstatt, von der du sprachst", meinte Seto und entriegelte die Türen des Autos. Jonouchi musterte ihn kurz kritisch, doch dann nickte er und stieg auf der Beifahrerseite an. Scheinbar hatte er wohl kurz überleg, ob er zu einem ihm Fremden ins Auto steigen sollte, oder nicht und das brachte Seto doch etwas zum Schmunzeln. Dann zog er seine Sonnenbrille wieder auf und ließ sich nach dem Einsteigen von Jonouchi zu dessen Arbeitsplatz leiten.