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Die drei Sonnen von Arlon

von

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Kapitel 4

Ich stehe mit Emiras auf einer Art Feldweg. Besser kann man ihn als breiten Trampelpfad bezeichnen. Links und rechts von uns sind Felder mit bunten Gräsern, die uns bis zu den Kniekehlen reichen. Einige scheinen im Sonnenlicht zu glänzen oder kleine Funken zu werfen.

Vor mir erstreckt sich eine Weite über mehrere Kilometer und nur vereinzelt sind Bäume zu sehen. Diese schaffen es nicht die Rauchschwaden zu verdecken, die am Horizont zu erkennen sind. Hier sieht es aus wie im Anfangsgebiet des Spiels. Wenn man sich angemeldet und die ersten Monster getötet hat, kommt man früher oder später in ein Dorf, das von solchen Gräsern umgeben ist.

„Dort vorne liegt Taisteal. Dort werden wir Halt machen und dich vernünftig einkleiden. In diesen Klamotten bist du leichte Beute“, höre ich Emiras neben mir. Nur bedingt höre ich ihm zu. Ich bin tatsächlich im Spiel. Das muss ein Scherz sein. Ich träume. Hatte ich einen Unfall und lag nun im Koma? Diese Erklärung ist immerhin logischer, als zu glauben, dass ich wahrhaftig mit beiden Füßen auf Arlons Boden stehe. Ich drehe mich einmal um meine eigene Achse, um die Umgebung in mich aufzunehmen. Es ist der Wahnsinn, wie die Gräser im Sonnenlicht leuchten und aussehen, als würden sie goldenen Funken sprühen.

„Nach Taisteal, dem Steindorf“, flüstere ich zu mir selbst und sehe wieder dorthin, wo der Rauch gen Himmel steigt.

Wir setzen uns in Bewegung und ich komme aus dem Staunen nicht mehr raus. So viele Male habe ich diesen Ort auf dem Bildschirm meines Computers schon gesehen, doch kein einziges Mal ist vergleichbar mit diesem Moment. Es in Wirklichkeit zu sehen, mit den eigenen Augen, war viel extremer. Extrem groß, extrem weit und extrem beeindruckend, so würde ich dieses Dorf in Worten zusammenfassen.

In der Nähe von Taisteal wachsen ebenfalls solche Gräser. Es scheint, als würden die Gräser auf den näheren Feldern nicht nur in verschiedenen Farben schimmern, sondern diese auch wechseln. Bewege ich mich nur ein paar Schritte weiter, werden sie von pastellblau zu einem pastellgelb. Im Spiel selbst war es genauso, aber nie habe ich so darauf geachtet, wie ich es jetzt tat. Dieses Farbenspiel zu sehen war einfach nur extrem magisch.

„Kommst du nun endlich, Kimba? Wir haben nicht viel Zeit. Zudem musst du noch lernen mit einer Waffe umzugehen.“ Ich muss ein wenig joggen, um zu Emiras aufzuschließen, da dieser das Dorf bereits passiert hat. „Wie meinst du das, mit einer Waffe umgehen? Das kann ich doch schon längst.“ Stolz strecke ich meinen Körper nach oben und mein Gang beginnt etwas zu federn, als ich mich selbst daran erinnere, wie gut ich den Bogen im Spiel beherrsche. Ich bin die beste Bogenschützin in ganz Arlon, laut Aussage meiner Gilde.

Eigentlich war es mein Charakter, aber ich spiele und steuere sie, also ging ein großer Teil der Bewunderung auf mich über. Überzeugt von meinen Gedanken und meinem Können bin ich um so verwirrter, als Emiras zu glucksen beginnt.

„Was glaubst du denn? Nur weil du ein paar Tasten drücken kannst, bist du perfekt? Ein Buch über Kriege zu lesen macht dich nicht zum Soldaten. Du musst selbst die Waffe führen, ihr Gewicht in den Händen halten, die Beschaffenheit in den Fingern fühlen. Erst wenn du das kannst, dann…“

„Dann bin ich eine Kriegerin“, unterbreche ich ihn mit euphorischem Unterton. Mehr als einen komischen Blick, bei dem er beide Augenbrauen in die Höhe zieht und ein kurzes Schnalzen mit seiner Zunge, bekomme ich nicht von ihm. Habe ich nun recht, oder nicht?

Ist es nicht überall so? In Büchern oder Filmen, zum Beispiel. Die Heldin oder der Held, zu Beginn meist schwach und vielleicht sogar unbrauchbar, entwickelt sich zum Überflieger, weil er, oder sie, eine Macht, eine Kraft in sich trägt und vielleicht sogar ein Nachfahre von etwas Mächtigem ist. Vielleicht bin ich eine solche Auserwählte und Emiras weiß es einfach nicht. Aber ich werde es ihm schon zeigen. Es muss einen Grund geben, dass ich diejenige bin, die hier steht und die Sonnen retten muss. Wenn es ein Traum ist, dann ist es meiner und dann kann ich träumen, was ich will. Ich bin es, die ihn steuert.

„Gut. Wollen wir die Fakten besprechen“, beginne ich und stecke meine Hände in die vordere Tasche meines Kapuzenpullis.

„Arlon hat drei Sonnen, das ist bekannt. Aber diese besagten drei Sonnen sind nun verschwunden?“

Emiras nickt.

„Niemand weiß, wer sie sich unter den Nagel gerissen hat oder wo sie sind?“

Emiras nickt erneut.

„Und es weiß wirklich niemand, wie diese Sonnen aussehen?“

Erneutes Nicken seitens Emiras.

„Aber du weißt, wie sie aussehen?“

Dieses Mal schüttelt Emiras den Kopf.

„Das weiß niemand und genau darin liegt das Problem. Wir müssen etwas finden, dass eigentlich im Geheimen agiert.“ Das klingt immer besser. Nicht einmal im Internet steht etwas über die drei Sonnen. Das Einzige, was die Entwickler preisgegeben haben ist, dass sie die Inseln im Gleichgewicht halten. Wir stehen vor einer meterhohen Mauer, wo noch nicht mal ein Guckloch zu finden ist.

„Was genau wollen wir in Taisteal?“, frage ich nach einer konkreteren Aussage. Taisteal, das Steindorf, liefert gute Rüstungen aus Leder, Eisen oder anderem kanpferprobten Stoffen. Egal welche Waffe man zu seiner wählt, die Taisteler liefern die passende Bekleidung dazu. „Ein Krieger ist nichts ohne sein Schwert, aber ein nackter Krieger ist auch mit seinem Schwert nichts.“

Wir kommen dem Dorf schnell näher und ich kann erkennen, dass die Rauchwolke aus einem riesigen Schornstein kommt.

Wie der Name bereits sagt, ist Taisteal ein Dorf, dessen Häuser aus Stein bestehen. Selbst die Möbel sind aus Stein gehauen und nur mit Fellen belegt, damit etwas Komfort herrscht.

Wir nähern uns dem bekannten Gasthaus ‚Zum Grog‘, welches direkt am Eingangstor erbaut wurde. Die Betreiber des Gasthauses sind, laut den Informationsseiten des Spiels, die besten Ansprechpartner, wenn es um Insiderwissen innerhalb des Dorfes geht.

„Wir werden uns ein Zimmer nehmen besprechen, wie es weiter geht und den Plan durchgehen. Sofern wir einen haben, den man durchgehen kann, aber es ist immer noch besser so, als wenn wir ohne in die Schlacht ziehen.“

Es scheint, als müsste Emiras etwas Kraft aufwenden, um die schwere Tür zu öffnen.

Ich bin schon viele Male in diesem Raum gewesen und doch kommt es mir vor, als hätte er sich von den Grundsteinen auf geändert. Hinten links in einer Ecke steht eine zwei Meter lange Theke dahinter, direkt an der Wand, hängt ein Regal mit einigen Krügen und Fässern. Vor der Theke stehen Hocker aus hellem Stein. Aus dem gleichen Stein ist der lange Tisch, an dem zwölf Leute sitzen können, mitten im Raum gefertigt.

Trotz der kalten Steine, wirkt es gemütlich und einladend, was an dem Feuer im Kamin liegt.

„Guten Tag, die Herrschaften. Wie kann ich behilflich sein?“, begrüßt uns eine Dame mittleren Alters, die ungefähr einen Kopf größer ist als ich und ein wenig stämmiger. Nicht dick, vielmehr so, dass ihre weiblichen Rundungen schön zur Geltung kommen. Ihre Haut hat die Farbe von Porzellan und ihre Augen blicken mich aus pastellgrünen Iriden an. Ihre Pupillen waren ein wenig dunkler und hob sich dadurch nur minimal ab. Eine Naîrih, eine leibhaftige Naîrih steht gerade vor mir. Diese Wesen unterscheidet beim ersten Blick nichts von uns Menschen. Nur die Augen und ihre unnatürlich helle Haut zeigt, dass es Wesen eines Fantasyspiels sein müssen.

„Der Mond geht bald unter.“ Emiras Stimme klingt ruhig und rau, woraufhin sich die Augen der Wirtin verengen und sie macht auf ihrem Absatz kehrt und bedeutet uns ihr zu folgen.



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