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Nur Ein Kuss

von

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Das Gebirge in der Ferne zeichneten sich schwach gegen den dunkelblauen Himmel ab, an dem sich langsam die Wolken rosa verfärbten. Noch lagen die letzten Minuten der Nacht über Japan, aber schon bald würden sich Sonnenstrahlen über den Horizont schieben und das Land wärmen. Noch war alles ruhig.

Unter ihnen schoss der schwarze Asphalt dahin, die Strommasten sausten nur so vorbei, während sich die Berge nur langsam zu entfernen schienen. Auf seine Handfläche gestützt und die Stirn an die kühle Scheibe gelehnt, starrte Kageyama Tobio gedankenverloren auf die Landstraße hinaus.

Keine Ahnung, wie lange sie schon unterwegs waren. Kageyama kam es vor, wie eine Ewigkeit, dabei konnte es realistisch höchstens zwei Stunden her gewesen sein, dass sie ihre Taschen eingeladen und sich alle müde und in ihre dicken Sportjacken und Schals eingemummelt auf ihre Plätze begeben hatten. Aber nicht ohne vorher eine feurige Motivationsrede ihres Kapitäns über sich ergehen lassen zu müssen, die in einem langgezogenen Gähnen geendet war. Natürlich waren sie alle motiviert. Aber eben auch sehr müde.

Die meisten seiner Teammitglieder waren wieder eingeschlafen, nur ganz vorne im Bus, den die Volleyballmannschaft der Karasuno High ganz für sich alleine hatte, obwohl er eigentlich viel zu groß für die wenigen Spieler war, redeten sich Nishinoya und Tanaka über irgendeine Belanglosigkeit in Rage. Vorhin war aus einer der hinteren Reihe ein Schuh geflogen gekommen, aber das hatte die beiden Rabauken auch nicht zur Ruhe bringen können und nun versuchte Kageyama das Geschwätz einfach auszublenden. Mehr oder minder erfolgreich.

Kageyama war definitiv kein Morgenmensch, aber wo er sich schon einmal in aller Frühe aus dem Bett gequält hatte, würde er einen Teufel tun und versuchen wieder einzuschlafen. Das würde ihn am Ende nur noch müder machen. Und um ehrlich zu sein, hatte er sich schon daran gewöhnt, nie ausgeschlafen zu sein, was blieb ihm auch anderes übrig, wenn er morgens und abends trainieren wollte. Aber das gehörte nunmal dazu, wenn man den Plan hatte, der Beste zu werden. Schlafen konnte er noch, wenn er tot war und er hatte nicht vor abzutreten, bevor er sich seine Krone nicht verdient hatte.

Hinata neben ihm sah das offenbar ganz anders. Sobald sie aus der Stadt heraus auf die Landstraße aufgefahren waren und die übelkeitserregenden Wendemanöver ihr Ende fanden, war er eingeschlafen. Immer mal wieder wurde Kageyama von einem leisen Schnarchen aus seinen Gedanken gerissen. Dann schubste er den anderen einfach leicht an, so dass sein Kopf wieder zur Seite rollte und das unangenehme Geräusch hörte auf. Wieso hatte sich der Knirps überhaupt neben ihn setzen müssen?

Immerhin würde Hinata sich nicht übergeben, solange er schlief, dachte Kageyama und grinste in seine Handfläche, während er mit wenig Mitleid für Tanaka an ihre letzte Tour in dem Bus zurückdachte.

Auch bei ihrer ersten Begegnung hatte Hinata sich den Bauch gehalten und sah aus, als sei er kurz davor sich zu übergeben. Der Junge musste endlich etwas gegen seinen nervösen Magen unternehmen, bevor er noch während eines ernsten Spiels mitten aufs Feld kotzte. Kageyama hatte von Anfang an gewusst, dass Hinata ein Idiot war, aber in der kurzen Zeit, die sie zusammen im selben Team spielten, hatte er sich verändert. Sie beide hatten das wohl. Kageyama selbst war damals noch der einsame König auf dem Spielfeld gewesen, der Monarch, der seine Kameraden wie Untergebene behandelte. Und Hinata hatte wohl irgendwie geahnt, dass er Talent hatte, aber noch keine Ahnung davon gehabt, wie er es einsetzen konnte. Ein ungeschliffener Diamant. Ganz anders als Kageyama selbst, der Jahre Zeit gehabt hatte, seine Technik zu perfektionieren und in der Mittelschule als einer der besten Setter des Landes galt.

Und jetzt hatten sie gemeinsam den schrägen Aufsteiger, diese Wahnsinnsattacke, vor der die anderen Teams nur so zittern würden. Kageyama freute sich schon darauf, sie in einem offiziellen Spiel einsetzen zu können, ihr Zusammenspiel zu perfektionieren. Sie hatten sich inzwischen gut aufeinander abgestimmt, auch wenn es Kageyama am Anfang viel Kraft gekostet hatte, aus seinen alten Mustern auszubrechen und zu verstehen, dass der Angreifer sich nicht seinen Bällen anpassen musste sondern umgekehrt. Jetzt verfolgten sie das gleiche Ziel und waren beide bereit, alles in dessen Erreichung zu investieren. Es beindruckte Kageyama, mit wieviel Verbissenheit Hinata trainierte und wieviel Selbstvertrauen er hatte (wenn er sich nicht gerade vor Bauchschmerzen krümmte). Und fast noch mehr bewunderte er, wieviel Vertrauen Hinata in ihn selbst legte, wenn er mit geschlossenen Augen nach dem Ball schlug, den er ihm zuspielte.

Aber ein Idiot war Hinata trotzdem.

Vielleicht würden die nächsten Tage ja die perfekte Gelegenheit sein, ihm das auszutreiben, dachte Kageyama nicht ohne einen leichten Anflug von Sadismus. Takeda-san hatte relativ spontan ein Trainingswochenende mit ihren Rivalen von Nekoma organisieren können, gegen die sie bereits ein Trainigsmatch gespielt (und verloren, wie Kageyama zähneknirschend zugeben musste) hatten. Aber diesmal würden sie sie bestimmt schlagen!

Wieder ließ ihn ein Schnarchen aufschrecken und diesmal war es lauter und länger als vorher. Kageyama zog es bei dem Geräusch innerlich alles zusammen und er stieß Hinata ein wenig unsafter als zuvor an die Schulter, woraufhin dieser leise seufzte und fast so aussah, als würde er aufwachen wollen.

Kegeyama fror mitten in der Bewegung ein. Bloß nicht aufwachen, sollte Hinata ruhig die ganze Fahrt durchschlafen, dann hätte Kageyama wenigstens seine Ruhe!

Angespannt starrte er auf seinen Nebenmann, der zwar immernoch die Augen geschlossen hatte, sich aber leicht zu regen begann und versuchte ihn mit reiner Gedankenkraft dazu zu bringen, nicht vollständig aufzuwachen.

Hinata erschauderte leicht, als wäre ihm kalt und schlug dann langsam ein Auge auf, während das andere wirkte, als wolle es weiterschlafen.

"Sind wir schon da?", murmelte er leise, aber es klang mehr wie 'Sinwaschonna'.

"Nein, schlaf weiter, Idiot!"

Hinata murmelte nur etwas Unverständliches, dann fiel auch das geöffnete Auge wieder zu und er drehte sich ein bisschen ein, um sich in eine bequemere Position zu bringen. Und schon war er wieder eingeschlafen und sein Kopf sackte zur Seite und kam auf Kageyamas Schulter zu liegen.

Dieser erstarrte augenblicklich erneut. Was fiel dem Knirps eigentlich ein, er war doch kein Kissen? Nur mit Mühe und Not konnte er den Drang bekämpfen, den Anderen gleich wieder von sich zu schubsen und zu riskieren, dass er dadurch endgültig aufwachen und Kageyama für den Rest der Fahrt ein Ohr abkauen würde. Dann doch lieber das Kissen spielen, entschied sich Kageyama aus reinem Selbsterhaltungstrieb. Aber musste der Idiot sich unbedingt genau so auf ihn legen, dass er ihm mit seinem Dickschädel schmerzhaft auf das Schulterblatt drückte?

So vorsichtig wie es ging, versuchte er seine Position ein wenig zu verändern. Langsam rutschte er ein bisschen tiefer und drehte sich zu Hinata ein, so dass dessen Kopf ein wenig höher auf seiner Schulter auflag. Damit hatte sich das aus dem Fenster Starren wohl für's Erste erledigt, wenn er sich keinen steifen Nacken holen wollte. Kageyama seufzte innerlich auf.

Verstohlen schielte er auf den kleinen Rotschopf auf seiner Schulter. Von hier aus konnte er nicht viel mehr erkennen als Hinatas Haufen wuscheliger Haare, seine langen Wimpern und einen leichten Rotschimmer auf seinen Wangen. Selig sind die Schlafenden oder so ähnlich war das doch, oder?

So nervig der Knirps auch war, so musste Kageyama sich doch eingestehen, dass es gut war, dass sie sich getroffen hatten. Auch wenn sie sich die meiste Zeit stritten oder wüste Beleidigungen an den Kopf knallten, im Spiel schienen sie perfekt zusammenzupassen. Hinata war ein Ärgernis und eine Herausforderung, aber er war auch stark und mutig und hatte den Willen, bis zum Schluss durchzuhalten.

Neuerdings hatte Kageyama sich immer häufiger dabei ertappt, wie er den Anderen einfach nur anstarrte, sich jedes Detail von ihm einprägte. Um sich besser an ihn anpassen zu können, versicherte sich Kageyama. Um sich auf das gemeinsame Spiel besser vorzubereiten. Er prägte sich ein, wie Hinatas Rücken sich im Sprung nach hinten bog, seinen konzentrierten Ausdruck, wenn er den Ball verfolgte, bevor er versuchte ihn abzublocken, das breite, ansteckende Lachen, wenn ein Angriff funktioniert hatte, wie sein Haar abends in der Sonne schimmerte und dabei noch orangener aussah, falls das überhaupt möglich war.

Kageyama dachte an seine ersten Tage an der Karasuno High zurück und wie verbissen Hinata um seine Anerkennung gekämpft hatte. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf seine Lippen. Ja, die hatte er sich inzwischen verdient, auch wenn er das selten genug offen zugab. Soweit kam es noch, er wollte den Kleinen ja nicht gleich auf einen Höhenflug zur Sonne schicken. Dafür gab es noch genug, was er nicht konnte. Mehr als genug.

Plötzlich seufzte Hinata wieder leise auf, kuschelte sich noch enger an Kageyama und schlang schlaftrunken seine Arme um ihn. "Gute Nacht, Mama...", murmelte er leise.

Kageyamas Herz schlug ihm auf einmal bis zum Hals und er spürte Hitze in seinem Gesicht aufsteigen.

Hinata schläft, er macht das nicht mit Absicht, versuchte Kageyama sich zu beruhigen. Wenn er aufwachte, würde es ihm bestimmt genauso peinlich sein. Glücklicherweise schien der Rest seiner Teamkameraden noch zu schlafen, so musste er sich keine dummen Kommentare anhören.

In letzter Zeit wollte Kageyama Berührungen mit dem Idioten eigentich lieber vermeiden. Er war genauso wenig ein Kuschler wie ein Morgenmensch, weswegen er überhaupt versuchte, nicht notwendige Berührungen mit anderen Menschen auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Hinata war scheinbar aber so simpel gestrickt dass er gar nicht bemerkt, wie verlegen er Kageyama machte, wenn er ihm nach einer guten Angriffsserie den Arm um die Schultern legte. Es war ja nicht so, dass Kageyama das nicht mochte, es war ihm eben einfach unangenehm. Oder eben auch nicht und vielleicht war das das eigentliche Problem.

Dann seufzte er leise, legte seine Wange auf dem Kopf des Anderen ab und schloss die Augen. Er würde nicht schlafen, aber was konnte es schaden, sich vor dem anstrengenden Wochenende noch ein bisschen auszuruhen?



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: Hinata_Shouyou
2020-09-28T16:20:49+00:00 28.09.2020 18:20
oh das ist so knuffig geschrieben
liebe KageHina♥


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