Zum Inhalt der Seite

Fremder Feind

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Rettung

Jodie sah in das dunkle Wasser. „Vorsicht“, hörte sie die vertraute Stimme des FBI Agenten ein weiteres Mal in ihrem Kopf. Aber ehe sie reagieren konnte, fühlte sie das eiskalte Wasser, welches wie mit spitzen Nadeln auf ihre Haut einstach. Jodie merkte, wie sich ihre Lungen langsam mit Wasser füllten und gleichzeitig setzte bei ihr eine unbeschreibliche Panik ein. Als Jodie auftauchte, wollte sie Luft holen und um Hilfe rufen, aber sie konnte es nicht. Sie röchelte, krächzte und spie Wasser. Sie schlug wild um sich und sank wieder nach unten.

Über sich sah sie ein Licht, ein warmes Glühen, das im Takt ihres Herzens zu pulsieren schien. Sie sehnte sich danach, es zu erreichen und doch war da ein kleiner Hauch in ihr, der ans aufgeben dachte. Jodie streckte dennoch die Hand nach vorne aus. Das Licht schien zum Greifen nahe, doch während sie versuchte sich zu bewegen, gaben ihre Kräfte nach. Sie war nicht stark genug um weiter zu machen. Jodie begann weiter zu sinken und schloss langsam ihre Augen.

Als plötzlich Hände nach ihr griffen und sie hochzogen, spürte sie wieder Hoffnung. Kaum dass sich ihr Kopf wieder über Wasser befand, hustete sie und spuckte Wasser. Ihr Körper wurde an den Körper der anderen Person gedrückt und Jodie verspürte erneut ein Gefühl von Wärme, ehe alles schwarz wurde.

„Stirb mir hier ja nicht weg“, zischte Shuichi aufgebracht. Er drückte sie näher an sich und schwamm zurück an den Hafen. Glücklicherweise waren sie noch nicht allzu weit weg und nachdem er Jodie auf den harten und kalten Boden gezerrt hatte, beugte er sich über sie. „Komm schon, atme“, sagte er leise.

Akai wusste, dass nun jede Sekunde zählte. Er legte seine Hand auf ihren Brustkorb und schluckte. Im nächsten Moment handelte er automatisch – so wie er es in der Ausbildung und in den jährlichen Auffrischungen gelernt hatte: Er hauchte ihr seinen eigenen Atem ein. Während einer gefühlten Ewigkeit verspürte er wieder Angst, die gleiche Angst, die ihn schon vor einem Jahr heimsuchte. Und doch war er voller Hoffnung. Hoffnung, dass er dieses Mal nicht zu spät kam. Gerade als er mit der Herz-Rhythmus-Massage anfangen wollte, hustete Jodie und spuckte den nächsten Schwall Wasser aus.

Shuichi machte ihr etwas Platz, während Jodie weiterhin mit ihrem Hustenanfall zu kämpfen hatte. Trotzdem beobachtete er sie genau und nachdem sie sich langsam aufsetzte, strich er ihr über den Rücken. „Geht’s?“, wollte er besorgt wissen.

Die junge Amerikanerin sah ihn geschockt an. „Was…was…“, murmelte Jodie leise. „Dai…Shuichi…Dai…Shuichi…Shuichi Akai.“ Im nächsten Moment hielt sich Jodie den Kopf und kniff die Augen schmerzerfüllt zusammen. „Aua…nein…bitte nicht…nein…“

Jodie spielte auf dem Sofa im Wohnzimmer. Sie hatte immer noch das Kleidchen an, das sie in der Schule trug und hielt sich gerade noch so wach. Die junge Amerikanerin gähnte herzhaft und nahm ihren Teddy in den Arm. „Papa soll schnell nach Hause kommen“, murmelte sie leise und bedrückt. Minuten später hörte sie das Knarzen der Haustür. Langsam kletterte Jodie von dem Sofa herunter und lief aufgeregt in den Flur. Er war gekommen. Doch ihr Vater war nirgends zu sehen. Enttäuscht ging sie zur Haustür. Als sie die Schuhe ihres Vaters und seine Jacke am Garderobenständer sah, erstrahlte ihr Gesicht. „Papa ist wieder da“, sagte sie zu sich selbst. Sie war voller Freude und lief sofort in die Richtung der Küche.

„Da bin ich“, sagte Agent Starling und drückte seiner Frau einen Kuss auf die Wange. „Schläft Jodie schon?“, wollte er wissen.

Die Amerikanerin schüttelte mit dem Kopf. „Sie wartet im Wohnzimmer auf dich. Wollte dir unbedingt noch Gute-Nacht sagen. Du kennst ja unsere Tochter. Wenn sie sich mal etwas in den Kopf gesetzt hat…“

Starling lächelte. „Die Sturheit hat sie von mir.“

Jodie blieb vor dem Eingang der Küche stehen. Behutsam legte sie ihren Teddy auf den Boden und kicherte. „Gleich wird Papa überrascht sein“, sagte sie leise zu dem Bären. Sie kicherte aufgeregt. „Daddy!“ Jodie kam in die Küche gelaufen und umklammerte sofort seine Beine. „Du warst heute nicht beim Abendessen“, fing sie an. „Wir haben gewartet und gewartet, aber dann hatte ich großen Hunger und hab alles von meinem Teller aufgegessen.“

Der Agent hob sie nach oben. „Gomen nasai“, antwortete er. „Das ist japanisch und heißt: Es tut mir leid“, erklärte er. „Ich bin noch ein paar Wochen in diesen Fall eingespannt. Aber wenn er erst einmal abgeschlossen ist, muss ich nicht mehr so lange weg sein.“

„Versprochen?“, wollte die Siebenjährige wissen.

Starling nickte. „Und was hör ich da, du möchtest nicht schlafen gehen?“

Jodie schüttelte sofort vehement den Kopf. „Nicht solange ich dir nicht Gute-Nacht sagen durfte.“

„Was hältst du davon, wenn du jetzt nach oben in dein Zimmer gehst, dir deine Schlafsachen anziehst und ich dann vorbei komme und dir eine Gute-Nachtgeschichte vorlese?“

„Das wäre toll!“ Die Augen des Mädchens strahlten.

Der Agent lächelte. „Das habe ich von meiner Kleinen erwartet.“ Er ließ sie wieder nach unten und Jodie lief sofort aus der Küche. „Vergiss das Zähne putzen nicht“, rief er ihr nach.

Jodie konnte ihre Tränen nicht mehr verbergen und ihr Kopf pochte ununterbrochen. Es waren alte Erinnerungen. Erinnerungen an ihre Familie, die sie nicht mehr kannte. Nicht einmal das Gesicht ihres Vaters konnte sie deutlich vor sich sehen. „Bitte nicht“, wisperte Jodie leise. „Es soll aufhören…bitte…“

„Jodie.“

Jodie saß in ihrem langen Nachthemd auf dem Bett und wartete. Ihr Märchenbuch lag direkt vor ihr. Die Seite war bereits aufgeschlagen und Jodie betrachtete die Bilder in der Geschichte. Sie kannte jedes ihrer Kinderbücher beinahe auswendig. Manchmal – wenn ihre Eltern dachten, sie würde schlafen – übersprangen sie beim Vorlesen ein paar Seiten. Dann schlug Jodie sofort die Augen auf und rügte ihre Eltern für dieses Verhalten. Sie lachten zusammen und die Geschichte wurde komplett vorgelesen.

Jodie wippte hin und her. Heute ließ sich ihr Vater viel Zeit. „Mensch, Papa“, murmelte sie leise zu sich selbst und kletterte aus ihrem Bett. Wieder nahm sie ihren Teddybären an sich und verließ das Zimmer. Sie sah Licht im Arbeitszimmer ihres Vaters und setzte ein schmollendes Gesicht auf. Er arbeitete wieder, anstatt ihr eine Geschichte vorzulesen.

Energisch ging Jodie zum Arbeitszimmer. Sie lugte langsam durch den geöffneten Türspalt. Dann blickte ihr die fremde Frau in die Augen.

„Wer sind Sie?“, wollte Jodie leise wissen.

„Das ist ein großes Geheimnis. Ich kann es dir nicht verraten….“

„Das ist Papas Brille“, kam es von dem Mädchen.

„Oh. Entschuldige“, sagte sie. „Hier, nimm sie.“

Jodie sah zu ihrem Vater. „Was ist mit ihm? Ist er eingeschlafen?“, fragte sie in ihrer kindlichen Art. „Dabei hat er mir eine Gute-Nachtgeschichte versprochen.“

„Es tut mir leid. Bleibst du an seiner Seite, bis er wieder aufwacht?“

„Ja“, nickte Jodie und lief zu ihm. Sie setzte sich neben ihren Vater. „Können wir die Tischlampe anlassen? Ich habe Angst im Dunkeln.“

„Natürlich“, antwortete Vermouth.

Langsam verließ die Schauspielerin den Raum und ging nach unten.

Jodie hockte Minuten später weiterhin neben ihrem Vater und döste.

„Jodie?“, fragte die Schauspielerin leise.

Das Mädchen setzte sich richtig auf und rieb sich die Augen. „Mhm…wo ist meine Mama?“, wollte sie leise wissen.

„Sie schläft“, antwortete Vermouth. „Was hältst du davon, wenn wir deine Eltern schlafen lassen und ihnen morgen einen Tag nur für sich allein lassen?“

„Und was ist mit mir?“, fragte das Mädchen.

„Du kannst heute Nacht mit zu mir kommen. Ich hab eine große Wohnung.“

Jodie überlegte. „Papa sagt, ich darf nicht mit Fremden mit gehen.“

„Aber ich bin keine Fremde, ich bin eine Freundin deines Papas. Wollen wir ihn wecken und fragen?“, kam es von der Schauspielerin.

„Au ja“, sagte Jodie sofort. Sie sah zu ihrem Vater hoch. „Papa…“, begann sie und rüttelte an seiner Hose.

„Du darfst ruhig mit ihr gehen“, antwortete Vermouth mit der Stimme ihres Vaters. „Sie wird auf dich aufpassen. Sei ein braves Mädchen und tu, was sie dir sagt, ja?“

„Jaaaa“, kam es von Jodie. Sie stand auf und nahm ihren Teddybären. In der anderen Hand hielt sie immer noch die Brille ihres Vaters. „Ich komm morgen wieder. Versprochen. Dann kannst du mir die Gute-Nachtgeschichte vorlesen.“

„Das werde ich. Schlaf gut, ich hab dich lieb.“

„Ich hab dich auch lieb, Papa“, sagte das Kind und umarmte ihren Vater.

Jodie schluchzte. „Papa“, murmelte sie leise.

Jodie weinte bitterlich. Das kleine Mädchen hielt ihren Teddybären im Arm und schüttelte den Kopf. „Ich will zu meiner Mama und meinem Papa…“

Vermouth rollte mit den Augen. „Das geht jetzt nicht“, antwortete sie.

„Ich will…zu Mama…und zu Papa…“

Die Schauspielerin seufzte. Sie kniete sich zu Jodie. „Jodie, hör mal“, fing sie an und legte ihre Hände auf die Schultern des Mädchens. „Wir hatten doch zwei gute Tage zusammen, nicht wahr?“

Jodie schniefte und nickte. „Aber jetzt…mag ich nach Hause. Bitte…bring mich zu Mama und Papa. Sie sollen mich abholen.“

„Das ist nicht so einfach“, begann Vermouth ruhig. „Weißt du, Jodie, deine Mama und dein Papa hatten dich sehr, sehr, sehr lieb, aber manchmal reicht das nicht aus. Deine Eltern möchten, dass du fortan bei mir bleibst.“

Das kleine Mädchen schüttelte den Kopf und drückte ihren Teddy ganz fest an sich. „Ich mag zu Mama und Papa.“

Vermouth seufzte ein weiteres Mal. „Jodie, hast du mir zugehört?“, wollte sie mit ruhiger Stimme wissen.

Jodie nickte.

„Deine Eltern möchten, dass du bei mir bleibst. Du wirst leider nicht mehr zu ihnen nach Hause gehen.“

„Dann sollen sie es mir selber sagen“, gab Jodie trotzig von sich.

„Das geht nicht“, fing die Schauspielerin an. „Sie wollen nicht mehr mit dir reden.“

Jodie schluckte und sah Vermouth mit geröteten Augen an. „War…war…ich böse?“, fragte sie leise. „Haben Mama und Papa mich nicht mehr lieb?“

„Das stimmt leider. Deine Eltern möchten nicht, dass du nach Hause kommst.“

Jodie schluchzte.

Vermouth atmete tief durch. „Wir werden wegziehen. Ich bringe dich zu Freunden. Bei ihnen wird es dir gut gehen.“

Jodie sah sie verunsichert an. „Du willst…mich auch nicht?“, wisperte sie leise.

„Darum geht es doch nicht, Jodie. Ich kann dir kein richtiges zu Hause bieten. Und meine Freunde haben bereits zwei Kinder. Du wirst dich sicher gut mit ihnen verstehen.“

Jodie schüttelte den Kopf. „Nein, nein“, gab sie von sich. „So war das nicht. Nein…“ Sie schaukelte sich selbst hin und her. Jodie wusste, dass etwas nicht stimmte. Diese Erinnerungen waren falsch. Es konnte nicht so passiert sein. Sie hatte ihre Eltern zuletzt vor einigen…

Jodie zuckte zusammen. Sie wusste nicht mehr, was real und was falsch war.

„Jodie?“

Sie sah zu dem FBI Agenten.

„Warum? Warum soll ich mit ihm reden?“

„Ich habe gehört, dass dich deine Eltern als kleines Kind bei Freunden ließen und nie wieder abholten. Ich…mein Boss glaubt, dass du das entführte Kind eines Agenten bist. Deswegen sollte er dir die ganze Geschichte erzählen.“

Jodie wurde blass. „Was? Was sagst du da?“, fragte sie leise. „Das kann nicht…“ Jodie sank zusammen. „Meine Eltern…“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich hab damit abgeschlossen.“

„Ich weiß, es ist lange her“, fing Akai an. „Und zum jetzigen Moment können wir uns nicht sicher sein, aber die Indizien sprechen eine deutliche Sprache.“

Jodie verkrampfte. „Ich…ich..“

„Ich kann verstehen, wenn dir das zu viel ist. Wenn du noch nicht dazu bereit bist, musst du nicht mit ihm reden.“

„Ich…ich will ihn treffen“, wisperte sie leise. „Ich will…dass er mir dabei ins Gesicht sieht…ich will seine Reaktion sehen…“

„Bist du dir sicher?“

Die Amerikanerin nickte. „Ja…ich will endlich die Wahrheit wissen.“

„Wie kann das sein?“, fragte Jodie leise sich selbst. Wurde sie als Kind tatsächlich entführt und wuchs bei der Organisation auf? Oder wuchs sie mit ihren Eltern bei der Organisationauf? Die Amerikanerin sah zum FBI Agenten, der neben ihr saß. Hatte er ihre Eltern tatsächlich umgebracht. Und wenn ja, wie passte es in ihre neuen Erinnerungen?

„Jodie?“, kam es erneut von Shuichi.

Sie schüttelte den Kopf. „Ich…ich kann das nicht“, wisperte sie. „Nein…das…das geht nicht. Das ist nicht wahr.“ Sie wischte sich die Tränen weg, wurde aber von einem neuen Schwall von Emotionen gepackt. „Ich muss…muss weg…“ Langsam versuchte sie wieder auf die Beine zu kommen.

Shuichi hatte sich bereits wieder aufgerichtet und nahm ihre Hände. Er half ihr auf, ließ sie aber nicht los. Ein komisches Gefühl breitete sich in ihr aus.

„Wie kann ich dir helfen?“, wollte er leise wissen.

Abermals schüttelte sie den Kopf. „Ich…“ Jodie schluckte. „Ich will nicht mehr…“ Mit einem Mal riss sie sich von ihm los und lief weg.

„Jodie.“ Shuichi weitete seine Augen. Er würde nicht erneut zulassen, dass sie verschwand und lief er ihr nach.

Aber nicht nur er.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück