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Götterdämmerung

von

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Ragnarök

Die Wolken färbten sich bereits rosa von den milden Strahlen der tiefer sinkenden Wintersonne, als sie Grobian folgend, erneut die Stufen zur großen Halle erklommen. Haudrauf saß auf seinem Thron, als hätte er ihn seit ihrem Gespräch heute Mittag nicht verlassen. Neben ihm standen noch zwei weitere Personen. Ein großer, muskelbepackter Mann mit schwarzen Haaren und einer Narbe, die quer über sein grimmiges Gesicht lief, beäugte die Fremde mit abfälligem Blick. Sein Haupt zierte ein glänzender Helm mit geschwungenen Widderhörnern. Er sah Rotzbakke sehr ähnlich, nur dass dieser wesentlich sympathischer wirkte, als sein erwachsenes Ebenbild. Mit diesem Mann hatte man nichts zu spaßen, das stand fest. Auf der anderen Seite des Thrones stand eine winzige Frau, deren wettergegerbtes Gesicht von unzähligen Falten durchzogen war. Sie hatte graue Haare, die zu Zöpfen geflochten waren. Mit beiden Händen stützte sie sich an einem Stock. Sie hatte etwas Eulenhaftes an sich, wie sie da so regungslos stand und aus schläfrigen Lidern die näherkommenden Gestalten musterte. Sie blinzelte langsam, wobei das rechte Auge sich schneller öffnete als das Linke. Haudrauf erhob sich und trat vor Aska, die das Gefühl hatte, gleich als Haupttäterin eines schlimmen Vergehens angeklagt zu werden, von dem sie noch nichts wusste. Das Stammesoberhaupt beugte sich zu ihr herunter. Das Mädchen konnte deutlich seine Fältchen um die Augen sehen, die gerade ein wenig tiefer wurden. Haudrauf lächelte. Ein Stein fiel Aska vom Herzen. Mit freundlicher Stimme erklärte er ihr, wer diese Menschen waren. „Das ist Kotzbakke. Oberhaupt der Familie Jorgenson und Mitglied des Dorfrats.“ Der schwarzhaarige Mann verzog bei seiner Vorstellung keine Miene. Haudrauf schob Aska sanft vor die Alte. „Das ist Gothi, unsere Stammesälteste. Sie steht mit unseren Ahnen im engen Kontakt und weiß die Zeichen der Götter zu deuten.“ Wieder blinzelte die Alte. Diesmal war jedoch das linke Auge schneller, als das Rechte. „Hicks, ihr wartet draußen. Das hier ist nur für Aska bestimmt.“ Hicks hatte eine grobe Ahnung von dem, was nun folgen würde und nickte verständnisvoll. Die Zwillinge versuchten zu protestieren und bestanden auf ihre Aufgabe als Leibwache. Astrid zog die beiden an ihren Haaren aus der Halle. Beim Hinausgehen drehte sich Rotzbakke noch einmal um und schwang seine goldene Axt, in der Hoffnung, sein Vater würde mit seiner neuen Errungenschaft zufrieden sein. Dieser schien ihn jedoch zu ignorieren und Rotzbakke wandte sich enttäuscht ab. Aska war verunsichert, denn die alte Eule und der finster dreinblickende Jorgenson waren ihr nicht geheuer. Auch wusste sie noch nicht, was gleich mit ihr geschehen würde. Haudrauf legte Aska seine große schwere Hand auf die Schulter und sprach leise zu ihr: „Vielleicht kann dir Gothi helfen. Lass sie in deinem Namen die Götter befragen.“ Fragend sah das Mädchen mit großen Augen zu der winzigen Frau, die immer noch regungslos da stand und mit spindeldürren Fingern den Stock umklammerte, wie ein Vogel den Ast mit seinen Klauen. Plötzlich klopfte die alte Frau mit ihrem Stock auf den steinernen Boden. Aska zuckte bei dem Knall, der durch die Stille hallte, zusammen, denn damit, dass die Alte sich bewegen würde, hatte sie nicht mehr gerechnet. Noch einmal knallte der Stock auf den Boden und eine kleine Staubwolke wirbelte auf. „Achso, klar. Da war ja noch was.“ Grobian humpelte in den hinteren Teil der Halle und kehrte kurz darauf wieder mit einem kleinen Lederbeutel zurück. Diesen überreichte er Gothi, die nun mit ausgestreckter Hand da stand und immer noch mit schläfriger Miene geradeaus schaute. Es dauerte einen Moment, bis die alte Frau sich wieder regte. Dann trippelte sie mit winzigen Schrittchen auf Aska zu, drückte ihr den Lederbeutel in die Hände und fing an mit einer Hand Askas Mundwinkel auseinander zu ziehen, ihre Zähne zu begutachten, ihr die Augenlider aufzureißen und sogar mit einem Finger in der Nase zu bohren. Aska versuchte sich nach hinten weg zu lehnen, denn von dem muffigen Gestank, der von der alten Frau ausging, wurde ihr übel. Sie roch wie ein alter Putzlappen, der mit Zwiebelsuppe getränkt war. Dann rasselte sie mit dem Stock, an dem sie sich die ganze Zeit mit der anderen Hand stützte, über Askas Kopf und deutete ihr, sie solle den Beutel auf den Boden werfen. Etwas verwirrt und immer noch überrumpelt von der Fummelei der Frau, betrachtete sie den Lederbeutel. Er war leicht und etwas klimperte leise in seinem Inneren, wenn man ihn mit den Fingern bewegte. Das Mädchen zuckte kurz ratlos mit den Schultern und ließ dann den Beutel direkt vor die Füße der Stammesältesten fallen. Gothi sah den Beutel nur mit dem gleichen müden Ausdruck an, den sie zuvor auch schon aufgesetzt hatte. Als eine Weile weiterhin nichts geschah und alle nur gebannt auf den Beutel blickten, knallte wieder der Stock der Alten. „Oh, tschuldigung.“, murmelte Grobian, bückte sich und zog vorsichtig an der Schlaufe, die den Beutel verschlossen hielt. Das Leder stülpte sich nach außen und gab den Blick auf Hölzchen mit geschnitzten Runen und kleinen Knochen frei. Für den ungeübten Betrachter lagen sie einfach wild durcheinander gewürfelt in der Mitte des, zum Kreis ausgebreiteten Beutels. Doch Gothi sah zum ersten Mal hell wach aus und fixierte das Gebilde mit weit geöffneten Augen. Aska folgte ihrem Blick und noch ehe jemand etwas sagen konnte, wusste sie bereits die Zeichen der Götter zu deuten. Ragnarök! Die Götterdämmerung! Das Ende der Welt! Aska wurde noch blasser als sie eh schon war und hielt den Atem an. Gothi sah nur abwechselnd zu ihr und dann wieder auf die Zeichen. „Was? Was siehst du?“, fragte Haudrauf aufgeregt. Auch Kotzbakke war nähergetreten und wartete auf eine Übersetzung. Gothi begann flink mit dem Ende ihres Stocks wilde Linien und Kreise in den Staub zu zeichnen. Grobian übersetzte für die anderen. „Das Ende naht. Wenn der Wolf den Mond verschlingt … und die Schlange erwacht … wird das Schicksal der Götter … besiegelt sein …“ Und Midgard fallen! Aska musste nicht auf die holprige Übersetzung des Buckeligen warten. Sie hatte Gothis Krakelei bereits entziffert. „Ou ha!“, sagte Grobian nur und kratzte sich unruhig am Schädel. Die Alte setzte noch einmal mit ihrem Stock an und zeichnete eine verwackelte, senkrechte Linie, die mit einer liegenden Mondsichel am oberen, und einem größeren Gegenstück mit geraden Kanten am unteren Ende versehen war. In der Mitte zeichnete sie eine Art Auge. Aska stockte der Atem. Ihre Hände zitterten und an ihrem Haaransatz bildeten sich feine Schweißperlen. „Ist das… ist das eine Mondrune?“, fragte Grobian unsicher. Gothi schlug ihm mit ihrem Stock auf das Schienbein, natürlich nicht dem aus Holz. Sie verdrehte die Augen, als wäre er begriffsstutzig. „Okay, okay. Schon gut. Das ist natürlich eine Mondrune. Ganz klar!“ Mit schmerzverzerrtem Gesicht hüpfte der Wikinger auf seinem Holzstumpf herum und hielt sich das Schienbein. „Aber was hat sie zu bedeuten?“, fragte Haudrauf ungeduldig. Ein letztes Mal schrieb Gothi etwas auf den Boden. „Schicksal!“ Aska war schwindelig. Ihre Wunde brannte wieder und sie rang nach Luft. Die Alte sah Aska traurig an, tätschelte ihre Wange und verschwand dann aus der großen Tür. Die drei Männer starrten das zitternde Mädchen an, das nun noch viel dünner wirkte als zuvor. Aska schwirrte der Kopf. Ragnarök. Mondrune. Schicksal. Die Götter hatten ihnen ein Zeichen geschickt, eine Warnung, aber sie konnte sich keinen Reim darauf bilden, was das alles zu bedeuten hatte und vor allem … was das mit ihr zu tun hatte. „Was denkst du, Grobian? Könnte das diesmal wirklich zutreffen?“, flüsterte Haudrauf. „Naja, die gute Gothi hat einen Hang zum Dramatischen und es wäre nicht das erste Mal, dass sie mir mein Ende voraussagt. Allerdings hatte ich den Eindruck, dass sie heute mit dem richtigen Fuß aufgestanden war und ausnahmsweise nicht jedem die Pest an den Hals wünscht.“ Ein unsicheres Grinsen huschte dem Buckeligen über das Gesicht. „Hm, da hast du allerdings recht. Leider kann man sich nicht immer auf ihre Deutungen verlassen. Aber ihr Auftritt war heute ziemlich stark. Sehr theatralisch.“ Auch Haudrauf musste Grinsen. Nur Kotzbakke schwieg und sah Aska durchdringend in die Augen. Der Häuptling klopfte Aska auf die Schulter und sie hatte das Gefühl, die schwere Hand würde sie in den Boden stampfen. „Mach dir nichts draus. Gothi ist bestimmt nur etwas verwirrt. Wahrscheinlich haben die abgenagten Knochen sie nur an ihre letzte Mahlzeit erinnert, die ihr nicht so richtig bekommen ist.“ Er lachte laut. Aska rang sich mühevoll ein zaghaftes Lächeln ab. Gothi war nicht verwirrt. Sie hatte schließlich das Selbe in dem Gebilde aus Holz und Knochen gelesen. Und sie hatte die Rune gezeichnet, ohne wissen zu können, dass Aska genau dieses Symbol als entzündete Wunde auf ihrem Rücken trug. Draußen vor der Tür atmete das Mädchen tief durch und versuchte einen klaren Gedanken zu fassen. Es war bereits stockdunkel geworden und es begann zu schneien. Heute würden sie wohl nicht mehr zur Drachenklippe aufbrechen. Sie sehnte sich nach ihrer kleinen Hütte und dem weichen Bett, welche ihr in der letzten Zeit so vertraut geworden waren. „Hey! Wir sind hier drüben.“ Raffnuss winkte ihr aus der Tür einer kleinen Taverne entgegen. Aska freute sich nach dem Erlebnis, wieder ein vertrautes Gesicht zu sehen und eilte zu ihr. „Wie war es? Hat Gothi dir auch ihre alten Krähenfinger in die Ohren gestopft?“, fragte das Zwillingsmädchen. Aska schüttelte den Kopf. Das hatte Gothi tatsächlich nicht bei ihr getan. „Hey! Da bist du ja wieder.“ Hicks rutschte auf einer Bank zur Seite, um ihr Platz zu machen. „Konnte sie dir helfen?“, fragte er leise. „Nein, nicht wirklich.“, antwortete

Aska und nahm dankbar den dampfenden Krug mit heißem Met entgegen.
 

In dieser Nacht träumte Aska von einem brennenden Mond und den riesigen gelben Augen eines blutverschmierten Wolfes. Sie sah tapfere Krieger in eine Schlacht ziehen, die bereits verloren war, noch bevor sie begonnen hatte. Die Erde barst in zwei Teile und verschlang jeden Einzelnen von ihnen mit ihrem glühenden Schlund. Es roch nach Pech und Schwefel … und nach Zwiebelsuppe. „Aufstehen du Schlafmütze. Es ist schon Mittag.“ Die Zwillinge hockten vor ihr auf dem Boden und löffelten schmatzend Suppe aus einem kleinen Kessel. Aska sah sich verschlafen um. Die anderen Schlafplätze waren bereits geräumt und nur noch sie lag auf dem, mit Stroh bedeckten Boden des kleinen Stalls, in dem sie gemeinsam geschlafen hatten. „Willst du auch was?“, fragte Raffnuss sie und hielt ihr die Kelle mit der würzigen Brühe direkt unter die Nase. Leicht angewidert schob Aska die Kelle, deren Geruch sie stark an Gothi erinnerte, mit einem Finger aus ihrem Gesicht. „Ich habe keinen Appetit.“, antwortete sie. Das war noch nicht einmal gelogen. Sie hatte tatsächlich keinen Hunger, zumindest nicht auf Zwiebelsuppe. „Hey, ihr Drei! Beeilt euch mal! Wir wollen los!“ Astrid stand in der niedrigen Tür. Die Drachen waren bereits gesattelt und die Pakete wieder festgeschnallt. Heute war der Himmel grau, denn die Wolken hatten die Sonne vollständig verdeckt. Sie nahmen die gleiche Route zurück, die sie auch bei ihrem Hinflug nach Berk genommen hatten. Trotz der Leichtigkeit, mit der Sturmpfeil durch die Wolken flog, war es Aska schwer ums Herz. Sie versuchte sich auf das Gefühl von Freiheit zu konzentrieren, das sie bei ihrem ersten Flug verspürt hatte, jedoch wurde sie jedes mal wieder von den Bildern ihres düsteren Traums abgelenkt. Auch plagte sie der brennende Schmerz nun dauerhaft zwischen ihren Schulterblättern, seit dem Erlebnis in der großen Halle. Sie landeten genau rechtzeitig, denn kaum hatten sie wieder festen Boden unter den Füßen, begann es in dicken Flocken zu schneien und der Wind wurde spürbar stärker. Aska wollte alleine sein und entschuldigte sich bei den anderen unter dem Vorwand, von der langen Reise sehr müde zu sein. Etwas verwundert ließen die Drachenreiter sie ziehen. Vor dem Kamin saß sie nun grübelnd und sah schweigend in die Flammen. In welchem Zusammenhang stand die Mondrune mit der prophezeiten Götterdämmerung? Welche Rolle sollte sie dabei spielen? Und woher konnte sie überhaupt die Zeichensprache von Gothi und seit wann hatte sie die Fähigkeit, in Knochen lesen zu können? Anstatt ihrem Rätsel ein Stück näher zu kommen, wurde alles nur noch undurchsichtiger. WER BIN ICH? Verzweifelt sah sie nach oben, als würde die Antwort auf einem der Dachbalken stehen. Funken tanzten an ihrem Gesicht vorbei. Plötzlich hörte sie ein leises „Psst!“ und Taff streckte seinen Kopf durch die Tür. An seinen Dreads hingen kleine Eiszapfen. Er schloss hinter sich die Tür und setzte sich zu Aska ans Feuer und reckte seine Hände den wärmenden Flammen entgegen. Das Mädchen sah ihn erwartungsvoll an. Der Glanz des Feuers lies sein Gesicht rötlich schimmern. Im Gegensatz zu Fischbein, Rotzbakke und Hicks, denen bereits leichter Flaum im Gesicht spross, hatte Taff noch eine sehr glatte Haut. Er war kaum jünger als die anderen Jungs und dennoch musste er sich des Öfteren kleine Scherze darüber gefallen lassen, die wohlgemerkt, hauptsächlich von seiner Schwester kamen. Wie jeder Wikinger träumte er von einem dicken, vollen Bart, den er bei jeder Gelegenheit stolz streicheln würde. Mit seiner etwas plattgedrückten Nase, mit der er im Augenblick pfeifend schniefte, und den Sommersprossen im Gesicht, hatte er etwas spitzbübisches an sich. „Ähm, ja?“ Aska räusperte sich. Ihr war immer noch nicht klar, was Taffnuss jetzt um diese Zeit vor ihrem Feuer machte. „Oh, äh, ja. Fast vergessen.“, brach es aus ihm heraus. Er kramte in der Innentasche seiner Weste und holte ein kleines Fläschchen mit einer klaren Substanz heraus. „Was ist das?“, fragte Aska neugierig. „Ich habe dir doch gesagt, ich besorge etwas gegen deine Schmerzen.“ Er schüttelte grinsend das kleine Fläschchen und die Substanz verflüssigte sich. „Von Händler Johann? Hat das jemand mitbekommen?“ Aska hoffte, dass Hicks nichts von den ungeplanten Ausgaben mitbekommen hatte. „Nö! Noch nicht mal Johann!“, zwinkerte er. „Du hast es geklaut!“, stellte Aska nüchtern fest. Die Zwillinge waren Meister auf diesem Gebiet. „Hat deine Schwester etwas davon mitbekommen?“ Taff schüttelte grinsend den Kopf und wirkte sehr zufrieden mit seiner Leistung. „Nö! Auch die nicht. Sie war selbst beschäftigt, sich etwas … ich sage mal … auf unbestimmte Zeit auszuborgen.“ Das leuchtete Aska ein. „Ja, aber was ist das denn nun für ein Zeug?“, wollte sie wissen, mit der Befürchtung, der junge Wikinger könnte in Sachen Heilkunde im Unterricht gepennt haben. „Spucke vom Büffelstachel!“, sagte er begeistert. Aska legte eine entgeisterte und zeitgleich angewiderte Mine auf. „Jetzt guck nicht so! Das Zeug hilft wirklich. Außerdem ist es furchtbar schwierig, das zu beschaffen. Nicht weil der Drache besonders aggressiv ist, sondern weil seine Spucke einfach unheimlich schnell vertrocknet.“ Mit entrüstetem Blick sah er das Mädchen an, dass immer noch eine Augenbraue skeptisch hochgezogen hatte. „Sei lieber froh, dass sich irgendjemand …“, er deutete auf sich, „die Mühe gemacht hat, dieses wertvolle Elixier für dich zu besorgen.“ Ob es wirklich „mühsam“ war, für einen Meisterdieb etwas so Kleines zu stehlen, war fraglich, aber er hatte recht. Sie sollte ihm wirklich dankbar sein und nicht so viel an ihm zweifeln. „Tut mir leid!“, sagte sie leise und schenkte ihm ein dankbares Lächeln. „Das ist echt lieb von dir. Danke.“ Etwas überrascht war sie jedoch, als Taff ihr nun einfach den Pullover über den Rücken schob, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. Sie wollte noch protestieren, da hatte er ihr jedoch bereits etwas von der Flüssigkeit auf die Wunde geträufelt. Ein wohliges Gefühl breitete sich auf ihrem Rücken aus und das Brennen wurde augenblicklich schwächer. Sehr behutsam fuhr er die geröteten Linien nach und Aska spürte, wie sich das zuvor flammende Symbol in ein Rinnsal aus angenehmer Wärme verwandelte. Sie entspannte sich und lies das gute Gefühl auf sich wirken. „Danke!“, flüsterte sie noch einmal und lies den Pullover wieder nach unten fallen. „Hast du schon einmal etwas von Mondrunen gehört?“, fragte sie ihn zögerlich. „Nein! Wieso?“, antwortete er beiläufig, als er das Fläschchen wieder verschloss. „Ach, ich … Ich weiß jetzt, dass die Verletzung … Also das … stellt eine Mondrune dar.“, brachte sie leise heraus. „Oh!“, machte Taff bedeutungsschwer, plapperte dann aber drauf los, als hätte sie ihm eben nicht einen wichtigen Fakt genannt. „Ich habe da noch etwas für dich!“, sagte Taffnuss, der wieder in seiner Weste herumkramte. Er zog einen schmalen, metallenen Gegenstand hervor. Der etwa handlange Gegenstand entpuppte sich im Schein des Feuers als eine Art Griff, der mit schwarzen Lederschnüren umwickelt war. Verwundert betrachtete Aska den Gegenstand in seinen hageren Händen. Dann klickte es leise und eine ebenfalls handlange Klinge schnellte aus dem Griff hervor. „Ich dachte du brauchst das, falls du mal wieder von deiner Leibgarde getrennt wirst.“, sagte er mit einem selbstgefälligen Grinsen im Gesicht. Aska nahm den schlanken Dolch vorsichtig entgegen. Auf seine glänzende Schneide war in feiner Runenschrift „Ehre dem Furchtlosen“ eingraviert. Die Frage, ob der spitze Gegenstand ebenfalls geklaut war, sparte sie sich. Der rasiermesserscharfe Dolch war sehr leicht und lag Aska perfekt in der kleinen Hand. Trotz des schlanken Designs, wirkte er extrem stabil. „Ich wollte dir erst eine hübsche Keule aus Gronkeleisen besorgen, allerdings habe ich sie lieber selbst behalten.“, sagte Taff. „Außerdem dachte ich, mit dem kommst du besser zurecht. Der lässt sich auch viel besser verstecken.“, fügte er noch hinzu. Aska wollte sich eben für das wahrhaft sinnvolle Geschenk bedanken, da sprang der Wikinger schon auf und sprang zur Tür. „Gern geschehen! Aber ich muss wieder los, bevor Raffnuss noch bemerkt, dass ich weg bin. Wir schnarchen immer im gleichen Rhythmus, weist du?“ Noch ehe Aska wusste, was sie darauf antworten sollte, war er auch schon aus der Tür verschwunden und lies sie sprachlos zurück. Sie sah noch lange auf die Stelle, an der seine filzigen Strähnen verschwunden waren.
 

Taffnuss war beinahe wieder an der Hütte, mit den zwei gemalten, grün gelben Fratzen über dem Eingang, die Kotz und Würg darstellen sollten, angekommen, da hörte er etwas hinter sich rascheln. Erschrocken drehte er sich um, sah nichts und lief rückwärts weiter, den Blick fest auf die Stelle gerichtet, an der es eben noch geraschelt hatte. Plötzlich stieß ein schwerer weicher Gegenstand gegen seinen Rücken. Es war Rotzbakke, der sich mit verschränkten Armen vor ihm aufgebaut hatte. „Äh, guten Abend Rotzbakke. Herrliche Nacht, nicht wahr?“, stammelte der Zwilling mit übertriebener Höflichkeit. „Was machst du nachts alleine draußen?“ Rotzbakke sah ihn argwöhnisch an. Taff hatte sich wieder zusammengerissen und einen misstrauischen Blick aufgesetzt. „Das Selbe könnte ich dich fragen!“, erwiderte er provokant. „Ich suche meine Axt! Du hast sie nicht zufällig gesehen?“, giftete der Jorgenson ihn an. Taffnuss grinste ihn nun mit einem fiesen Lächeln an. „Das weibische goldene Ding? Ich hoffe doch, das ist nur ein Geschenk für deine Mutter?“, spottete er und seine Augen blitzten angriffslustig. Rotzbakke, leicht errötend, sah ihn nur wütend an, denn er wusste, dass die beiden nervigen Zwillinge hinter dem Verschwinden seiner neuen Axt steckten. „Und jetzt sag schon! Was machst du hier draußen?“, forderte der Schwarzhaarige sichtlich genervt. „Nicht dass dich das was angehen würde, aber … ich … habe …“. Gag gag! „Ich habe nach Hühnchen gesucht!“, log er und nahm freudig das dicke Huhn auf den Arm, das so eben aus dem Gebüsch hüpfte. „Ich behalte euch Thorston-Plagen im Auge!“ Wütend, aber entwaffnet, drehte sich Rotzbakke um und dampfte mürrisch grummelnd davon. Taffnuss atmete auf und kraulte erleichtert das braune Gefieder seines Lieblings.



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