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Crack!Pairing Bingo

von

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Kaiser und Kanzler [Morvran Voorhis & Sigismund Dijkstra]

Dijkstra stöhnte. Sein linkes Bein begann wieder zu Stechen. Überhaupt war es die vergangenen Monate schlimmer geworden. Seit er Kanzler Redaniens war. Seine Sorgen hatten mit einem Schlag zugenommen, aber er hatte sich die Position schließlich selbst erarbeitet. Also half es nichts. Dijkstra musste auf die Bäder für sein lädiertes Bein häufiger verzichten, als gesund für ihn war. Vielleicht würde er abends Zeit für ein heißes Fußbad haben.

„Vorausgesetzt, der Termin zieht sich nicht zu lange ...“, brummte er.

Er wartete seit einer gefühlten Ewigkeit in dieser Kirchenruine des ewigen Feuers. Sie lag in Wyzima, der ehemaligen Hauptstadt Temeriens und zeitweisen Sitz des Kaisers von Nilfgaard. Seit sich das Kaiserreich nach Süden zurückzog, dorthin gedrängt von den nördlichen Königreichen unter Führung des Kanzlers, war die Stadt zu einem Niemandsland ohne festen Herrscher verkommen. Die Ärmsten der Armen und Banditen waren die Einzigen, die sich hier noch aufhielten.

Fast hätte Dijkstra die Sentimentalität überkommen, wenn er auf das Emblem der flammenden Rose sah, das an der Mauer verblasste. Er dachte daran, wie er vor bald zehn Jahren die Gründung des Ordens unterstützt hatte. Heute war von den Rittern und ihrer Vereinigung nichts mehr übrig.

Dijkstra hörte, wie jemand geräuschvoll die Ruine betrat.

„Ich hoffe, Ihr habt nicht zu lange warten müssen“, meinte jemand höflich und trat in sein Sichtfeld.

Der Kanzler musterte den Neuankömmling interessiert. Er sah aus, als wäre er schon zweimal gestorben und wieder zum Leben erwacht. Die Haare, die ihm bis auf die Schultern reichten und gepflegt nach hinten gekämmt waren, hatten die Farbe von Erbrochenem. In die dicke, schwarze Lederkluft, die er trug, war auf Brusthöhe die Sonne Nilfgaards eingraviert. Das Abzeichen prangte zudem als dicke goldene Amtskette um seinen Hals. Warum der Mann dazu einen Mühlsteinkragen trug, war Dijkstra ein Rätsel. Nilfgaards letzter Modeschrei, schätzte er, der sich bisher glücklicherweise nicht nach Norden ausgebreitet hatte.

Alles in allem war Morvran Voorhis eine eindrucksvolle Erscheinung. Aber das galt wohl für alle Kaiser Nilfgaards.

„Ich bin selbst erst seit einigen Augenblicken hier“, log Dijkstra.

Ein Höfling schleppte einen klapprigen Stuhl herbei und verließ die Ruine wieder. Voorhis setzte sich seinem Gesprächspartner gegenüber. Selbst einige Tauben suchten eilig die Freiheit durch das zerstörte Dachgebälk. Die Spannung zwischen den beiden Männern knisterte. Niemand wollte zuerst das Wort an den anderen richten. Den jeweiligen Ämtern nach, die sie bekleideten, wäre es eigentlich am Kaiser gewesen, als erstes zu sprechen. Voorhis war auch derjenige, der das Treffen vorgeschlagen hatte. Ginge es nach dem Alter, hätte Dijkstra die Verhandlungen beginnen müssen.

Der Kanzler dachte jedoch nicht daran, den ersten Schritt zu tun. Er wusste in etwa, was der Kaiser wollte. Die Redanier hatten vor einiger Zeit mehrere Schatzkisten ausgegraben, randvoll gefüllt mit Nilfgaarder Florin. Selbst im Kaiserreich dürfte der Gesamtwert ein mittelschweres Vermögen darstellen, mit dem man viele öffentliche Projekte bewerkstelligen könnte. 

„Vielen Dank, dass Ihr dem Treffen zugestimmt habt“, begann der Kaiser, nachdem weitere Minuten verstrichen waren.

Dijkstra nickte huldvoll, erwiderte aber nichts.

„Sicher könnt Ihr Euch denken, warum ich darum gebeten habe“, fuhr Voorhis fort. „Meine Informanten konnten in Erfahrung bringen, dass Redanien vor einiger Zeit in den Besitz Nilfgaardischen Eigentums gelangt ist.“

‚Nette Umschreibung‘, dachte Dijkstra.

„Möglich. Nilfgaard hat beim Abzug aus dem nördlichen Temerien Vieles zurückgelassen. Jedoch trägt dafür Euer Vorgänger die Verantwortung, Emhyr var Emreis.“

Der Kaiser nickte bedächtig.

„Ihr würdet an meiner Stelle auch nicht anders handeln“, meinte Voorhis dann direkt. „Es gibt sicher etwas, was ich Euch als Kaiser von Nilfgaard im Austausch für die Goldtruhen bieten kann.“

Dijkstra fiel fast von seinem Stuhl, auf dem er schon die ganze Zeit saß. Er sah seinen Verhandlungspartner an. Dass dieser so unumwunden zur Sache kam, ohne die üblichen Höflichkeitsfloskeln, gefiel ihm. Doch gerade deshalb war es ihm wichtig, auf der Hut zu sein.

„Was wäre das?“, fragte der Kanzler vorsichtig.

Voorhis schien irritiert über seine Frage. Natürlich hatte Dijkstra einige Ideen, was er als Gegenleistung für die Herausgabe der Schatzkisten fordern könne. Das Geld hatte er noch nicht verplant, würde ihm aber bei vielen Projekten sehr nützlich sein. Schulen, Krankenhäuser, die Landwirtschaft musste nach dem Krieg wieder auf die Beine kommen. Dijkstras Liste war lang. Und mit den untereinander gut vernetzten Zwergenbanken ließe sich bestimmt ein anständiger Umrechnungskurs aushandeln. Wenn der Kaiser nicht um ein Treffen gebeten hätte, hätte Dijkstra die Goldtruhen schon längst zur sicheren Verwahrung an die Vivaldi Bank in Novigrad überstellt.

„Wir haben noch einige Gefangene, die sicher froh wären, in ihre Heimat zurückkehren zu können, und ...“

„Belanglos!“, wiegelte Dijkstra ab. „Ihr müsst mir schon mehr bieten als irgendwelche Temerischen Bauern, die für unbedeutende Delikte von Euch festgehalten werden. Vergesst nicht, dass ich Redanien vertrete.“

„Seid Ihr nicht angetreten, den ganzen Norden zu vereinen und gegen das Kaiserreich zu verteidigen?“, konterte Voorhis.

Dijkstra schwieg. Es schien fast so, als wüsste der Kaiser genau, mit welchem Hintergrund er ihm gegenüberstand. Das Spionagenetzwerk Nilfgaards blühte offensichtlich wie eh und je. Wie hatte er anderes erwarten können?

„Wieso sollte ich Euch die Kisten dann überhaupt zurückgeben? Uns ist schließlich beiden bewusst, dass sich damit auch die Nilfgaarder Streitkräfte hervorragend finanzieren lassen. Wieso also sollte ich das Wohl der nördlichen Reiche auf derart törichte Weise auf’s Spiel setzen?“, platzte es aus Dijkstra heraus.

Sie starrten sich angriffslustig an. Voorhis verschränkte schließlich missmutig die Arme.

„Nennt mir Euren Preis. Bisher habt Ihr mir nur ausgewichen. Aber es scheint ja etwas zu geben, was ich Euch bieten kann. Sonst wärt Ihr nicht gekommen.“

„Nilfgaard zieht sich bis hinter die Jaruga zurück, dann bekommt Ihr Eure Kisten.“, forderte der Kanzler.

Voorhis sprang von seinem Stuhl auf.

„Bis zur Jaruga ...“, schnappte er. „Das sind über hundert Meilen!“

Der Kaiser sah Dijkstra erbost ins Gesicht. Dann stapfte er ohne ein weiteres Wort an ihm vorbei und verließ die Ruine.

Der Kanzler rührte sich nicht. Er hatte gar nicht erwartet, dass sein Gegenspieler sich darauf einlassen würde. Darauf gehofft hatte er trotzdem. Sein Vorschlag war wahrlich vermessen gewesen. Derzeit kontrollierte Nilfgaard noch gut ein Drittel des Gebiets der nördlichen Königreiche. Vom Kaiser zu verlangen, dass er sich nur noch mit einem Fünftel zufriedengab, war schlichtweg übertrieben. Voorhis hatte gar keine andere Möglichkeit, als seinen Vorschlag abzulehnen. Anderenfalls wären ihm sowohl sein Militärstab als auch die Opposition an die Gurgel gesprungen.

„Gut, dann gibt es heute doch noch ein Fußbad.“

Dijkstra kämpfte sich auf die Beine und wankte zum Ausgang.

 

 

~ ENDE ~

Des Kaisers neuer Hexer [Emhyr var Emreis & Lambert]

Warum hatte er Geralt von Riva nur gesagt, ihn nie wieder sehen zu wollen? Jetzt hatte Emhyr das Problem, sich mit diesem Dreikäsehoch von einem Hexer herumschlagen zu müssen. Lambert! Wie sehr er Geralt doch vermisste. Aber seine Späher hatten ihn einfach nicht ausfindig machen können. Und dieser Lambert gab vor, nicht zu wissen, wo Geralt ist. Obwohl er von der selben Hexer-Schule kam.

„Pah!“

Emhyr konnte sich noch sehr gut an sein erstes Treffen mit Lambert erinnern. 

Es war einige Monate, nachdem sie gegen die Elfen der Wilden Jagd gekämpft hatten, die seiner Tochter Cirilla zu Leibe rückten. Nie hätte sich der Kaiser erträumt, einmal Seite an Seite mit Skelligern zu kämpfen. Der Friede hatte nur solange gedauert, als die Wilde Jagd besiegt war. Danach waren die beiden verfeindeten Reiche wieder mit der üblichen Inbrunst aufeinander losgegangen.

Auf dem Festland sah es für Nilfgaard nicht besser aus. Novigrad, die größte Stadt der nördlichen Königreiche, war unter die Fittiche des Redanischen Adlers gekrochen. Und Radovid V., seines Zeichens König von Redanien, wurde nicht müde, der nilfgaarder Armee mit seinen zahlenmäßig eigentlich unterlegenen Truppen so sehr zuzusetzen, dass sich die Nilfgaarder bis nach Wyzima zurückziehen mussten. Derzeit bereiteten Emhyrs Männer den Abzug aus der früheren Hauptstadt Temeriens vor.

In dieses Chaos hinein war Lambert geplatzt, den seine Späher als Hexer der Wolfschule identifiziert hatten und ihn daraufhin nach Wyzima eskortierten.

Emhyr brummte genüsslich. Sein Kammerdiener, Mererid, hätte einiges dazu zu sagen gehabt. Aber der Kaiser war mit seinen Gedanken allein. Er hatte sie alle hinausgescheucht, nachdem ihm ein Bote vom Nahen Lamberts berichtet hatte.

Eigentlich wäre es die Aufgabe von Vattier de Rideaux gewesen, Hexern Aufträge zu erteilen. Aber bei ganz besonderen Aufträgen musste der Kaiser mit den Mutanten selbst reden, um jeden Zweifel an der erteilten Aufgabe von vornherein auszuschließen. Und weil nicht jeder über seine Aufträge Bescheid zu wissen hatte.

Emhyr wetzte auf seinem Stuhl herum. Seit Tagen schlief er schlecht, was er seiner politischen Lage zuschrieb. Die Opposition wollte ihm seit jeher ans Leder. Und jetzt, da seine Truppen nicht mehr jede Schlacht für sich entschieden, sahen sie ihre Chance gekommen. Der erste Attentatsversuch war zum Glück fehlgeschlagen. Doch der Nächste würde nicht lange auf sich warten lassen.

Jemand klopfte an die schwere Eichentür. Sie wurde von außen geöffnet und herein kam Mererid, gefolgt von dem Hexer. Sein Kammerdiener kündigte ihn überflüssigerweise an, und gab ihm unmissverständlich zu verstehen, dass er sich jetzt zu verbeugen habe. Doch Lambert tat nichts dergleichen. Statt wenigstens ehrerbietig den Kopf zu senken, verschränkte er nur die Arme und sah Emhyr unverwandt ins Gesicht. Wie schon bei ihrem ersten Treffen. Geralt hatte seinerzeit wenigstens den Anstand gehabt, den Blick des Kaisers entsprechend ehrfürchtig zu erwidern. Auch wenn er sich ebenfalls nicht verbeugt hatte.

„Du kannst gehen, Mererid.“

Der Kaiser glaubte, so etwas wie ein Fluchen zu hören, ehe sich die Tür hinter dem Kammerdiener schloss. Emhyr musterte den Hexer vor sich. Inzwischen hatte er sich an dessen jugendhaftes Aussehen gewöhnt.

„Was gibt es?“, fragte Emhyr den Hexer.

„Ich hab, was du wolltest.“

Emhyrs Augenbrauen zuckten verräterisch. Der Kaiser verfluchte sich innerlich dafür, dass er sich nicht besser unter Kontrolle hatte. Der Hexer ließ sich nicht anmerken, ob er die Gefühlsregung bemerkt hatte. Langsam erhob sich Emhyr.

„Darf ich sie sehen?“

Es war eine Aufforderung.

„Du kannst mit mir drum spielen!“, entgegnete Lambert.

Der Hexer verschränkte die Arme und sah den Kaiser gelangweilt an.

„Das war so nicht abgemacht“, belehrte Emhyr ihn. „Wir hatten Gold für die Karte vereinbart, und ...“

„Ich hab’s mir anders überlegt.“

Der Kaiser sah sein Gegenüber an. Die Falten auf seiner Stirn vertieften sich merklich.

„Ich zerreiß‘ die Karte schneller, als deine Wachen hier aufkreuzen ...“

Der Hexer war nicht dumm, wie Emhyr feststellen musste.

„Also gut“, meinte er genervt. „Ich lass mir nur schnell von Mererid meine Karten bringen, dann können wir loslegen. Aber erwarte nicht, dass du dann noch Gold als Belohnung bekommst.“

„Gut!“

Lambert schien aus irgendeinem unerfindlichen Grund trotzdem erfreut zu sein. Emhyr ging an ihm vorbei zur Tür, um nach seinem Kammerdiener rufen zu lassen.
 

~
 

Eine halbe Stunde später saßen Kaiser und Hexer an dem wuchtigen Eichentisch, zwischen sich verschiedene Spielkarten ausgelegt.

„Du Lump!“, kommentierte Emhyr verärgert.

Nachdem er die erste Runde klar für sich entschieden hatte, war es Lambert gelungen, die zweite Runde zu gewinnen. Die Dritte würde nun alles entscheiden. Emhyr verfluchte sich innerlich, seine Karten kaum zu bespielen. Er sammelte sie mehrheitlich nur. Als er erfahren hatte, dass es eine Karte seiner Tochter Cirilla gab, nur eine einzige, musste er sie unbedingt haben. Doch dieser Hexer hat ihn zum Spielen gedrängt und er, der sonst immer als weiße Flamme über die Grabhügel seiner Feinde tanzte, war in die Falle getappt.

Lambert spielte sein Scoia’tael-Deck mit den Elfen und Zwergen und sonstigen Anderlingen gerissen gut. Nachdem Emhyr in der vorherigen Runde gepasst hatte, in dem Glauben, genügend Punkte zu haben und mit Nebel die Fernkampfkarten seines Gegners ausgeschaltet zu haben, hatte dieser die Fähigkeit seiner Anführerin eingesetzt. Womit die Fernkampfeinheiten zu Nahkampfeinheiten wurden und Lambert mehr Punkte und damit den Sieg der Runde einbrachten.

Jeder von ihnen hatte nur noch drei Karten in der Hand. Emhyr beglückwünschte sich innerlich dafür, alle seine Spione rein gepackt zu haben. Vattier de Rideaux würde ihm zwei neue Handkarten von seinem Nachziehstapel bescheren. Dummerweise würde sie Lambert auch vier Punkte einbringen und Emhyr hatte nur noch eine Regen-Karte, um Artillerie zu schwächen und die Letho von Guleta Karte, die ihm selbst zehn Punkte bringen würde. Jetzt konnte er nur noch hoffen, keine Schrottkarten auf die Hand zu bekommen.

„Also, Hosen runter, Kaiser!“, forderte Lambert.

Der Kaiser sah ihn empört an. Am liebsten hätte er ihn erwürgt. Mit bloßen Händen. Emhyr bezweifelte aber, dass er weit kommen würde, weshalb er es bei einer mündlichen Ermahnung beließ. Vorerst.

„Ich muss doch sehr bitten! Mäßige dich in deiner Ausdrucksweise, Hexer!“

„Du bist dran!“

Emhyr spielte den Spion und verkniff sich ein Grinsen. Neben einem jungen Gesandten mit fünf Punkten bekam er Morvran Voorhis. Letztere brachte ihm wie die Letho Karte zehn Punkte. Außerdem waren beide nicht von schlechtem Wetter betroffen. Lambert konnte also Eiseskälte oder Regen ausspielen, so viel er wollte. Lediglich der junge Gesandte würde bei Eiseskälte von fünf auf einen Punkt heruntergestuft werden.

„Nett ...“, kommentierte der Hexer.

Täuschte sich der Kaiser oder hörte er da so etwas wie Unsicherheit bei seinem Gegner? Er ließ sich nichts anmerken und wartete Lamberts nächsten Zug ab. Dieser entschied sich etwas theatralisch für eine Karte und legte sie auf den Tisch.

„15 Punkte!!“, rief Emhyr und sprang von seinem Platz auf.

Ungläubig starrte er auf die Karte. Lamberts süffisantes Grinsen entging ihm. Emhyr sah noch mal genauer hin.

„Geralt von Riva?! 15 Punkte? Soll das ein Witz sein?“, entrüstete er sich weiter.

„Nein“, erwiderte der Hexer gelassen. „Die Karte von Ciri bringt genauso viele Punkte, wenn du es genau wissen willst.“

„Und warum hast du die nicht gespielt?“

Emhyr setzte sich wieder.

„Hättest du dann anders reagiert?“

Der Kaiser antwortete nicht darauf. Stattdessen sah er sich seine Karten an und war sich nun gar nicht mehr so sicher, ob er die letzte Runde gewinnen würde. Insgesamt hatte Lambert jetzt 19 Punkte. Emhyr würde mit all seinen Karten nur auf 25 kommen und Lambert hatte noch zwei in petto. Wie viele davon Einheiten-Karten waren, konnte er nicht wissen. Alles hing davon ab, wie viele Sonderkarten Lambert in sein Deck gemischt hatte, die ihm keine Punkte einbrachten und ob er davon welche auf der Hand hatte. 

Der Hexer lehnte sich entspannt zurück. Emhyr spielte Morvran Voorhis aus. Der Hexer lehnte sich wieder nach vorne und pfiff anerkennend.

„Nicht schlecht, das ist deine erste Helden-Karte, die du spielst.“

Lambert zog eine Karte und legte Gaunter O’Dimm auf die Reihe für die Artillerie-Karten. Emhyr beugte sich interessiert nach vorne. 

„Eine Musterungskarte?“

„Natürlich!“

Der Kaiser sah seinem Gegner dabei zu, wie er seinen Nachziehstapel-Stapel durchsuchte und eine weitere Karte zu Tage förderte. ‚Gaunter O’Dimm: Finsternis‘ stand auf ihr und Lambert legte sie zu den Fernkampfeinheiten. Sechs weitere Punkte für den Hexer, womit er jetzt bei 25 war.

Emhyr überlegte nicht lange und spielte Letho von Guleta.

„Oh, du holst noch auf!“

„Spar dir dein Grinsen und zieh die nächste Karte!“

Lambert hatte noch zwei und legte eine Schön-Wetter-Karte auf den Tisch. Anscheinend hatte er nur noch Schrott-Karten. Siegessicher zog der Kaiser seinen jungen Gesandten und legte ihn auf den Tisch. 

„Ich passe!“, meinte er dann.

Damit hatte er alles gegeben, was er hatte und war nun gleichauf mit dem Hexer. Beide hatten sie 25 Punkte. Emhyr würde die Runde also gewinnen, denn bei Gleichstand gewann ein Nilfgaard-Deck, wenn der Gegner mit einer anderen Fraktion spielte. Er hätte zwar die Regen-Karte spielen können, die jede Artillerie-Karte auf einen Punkt herunter stufte, doch ob Lambert nun mit 24 Punkten verlor oder mit 25 war ihm im Grunde egal.

Endlich sah der Hexer einmal angemessen besorgt aus. Wie Emhyr es sich gedacht hatte, seine letzte Karte war nur irgendeine unbedeutende Wetterkarte, die ihm nichts brachte. Lambert spielte sie. Und legte sie auf den Platz des Spions Vattier de Rideaux. Diesen nahm er auf die Hand und spielte ihn umgehend aus.

„Du Arsch!“, entfuhr es dem Kaiser.

Lambert hatte eine Finte gespielt und sich mit ihrer Hilfe des Spions bemächtigt, den Emhyr zuvor gegen ihn verwendet hatte. Der Hexer lag nun um acht Punkte zurück. Lambert ignorierte Emhyrs Gefühlsausbruch und zog zwei Karten vom Nachziehstapel.

„Knappe Sache“, kommentierte er und legte die nächste Karte auf den Tisch.

Ida Emean aep Sivney. Eine Fernkampfkarte, die Lambert sechs Punkte brachte. Damit schmolz Emhyrs Punktvorsprung gefährlich zusammen. Als Nächstes spielte der Hexer den Zwergen-Scharmützler. Emhyr sprang von seinem Sessel auf, als Lambert wieder zum Nachziehstapel griff und die restlichen Karten heraussuchte, die durch die Musterungskarte hinzukamen, die er zuletzt gespielt hatte.

„Ist das denn zu glauben?! Du Betrüger!!“

Der Kaiser war kurz davor, Schaum vor dem Mund zu bekommen. Lambert seinerseits war ebenfalls aufgestanden.

„Ah ah ah ah ah!“, mahnte er mit erhobenem Zeigefinger. „Sei still oder ich zerreiß die Ciri-Karte gleich hier und jetzt!“

Emhyr starrte ihn wutentbrannt an, setzte sich nach einem Augenblick aber wieder. Er hatte verloren, nach allen Regeln der Kunst, die dieses vermaledeite Kartenspiel zuließ.

„Damit wär es wohl entschieden, ich behalte die Ciri-Karte“, meinte Lambert.

Wenigstens hatte der Hexer einen neutralen Gesichtsausdruck angenommen. Hätte er gegrinst, Emhyr hätte die Wachen gerufen, Ciri-Karte hin oder her.

„Und was willst du?“, frage er lapidar.

„Die Karte behalten, natürlich!“

Emhyr sah Lambert verdrießlich an.

„Du gewährst mir keine Revanche?“, fragte er hoffnungsvoll.

Der Hexer sah ihn nachdenklich an.

„Vorerst nicht, nein. Vielleicht, wenn ich das nächste Mal in der Gegend bin.“

„Und wann wird das sein?“

„Weiß noch nicht, vielleicht in einem halben Jahr.“

Emhyr sagte nichts. Der Hexer musste nicht wissen, dass Wyzima in einem halben Jahr zu Redanien gehören würde. Lambert würde es früh genug erfahren.

„Darf ich sie wenigstens einmal sehen?“, fragte er stattdessen.

Der Hexer sammelte seine Spielkarten ein.

„Nein“, antwortete er, ohne Emhyr anzuschauen. „Ich hab noch einen Termin in der Stadt, zu dem ich nicht zu spät kommen will.“

„Verstehe ...“

Der Kaiser sah dem Hexer nach, der mit schnellen Schritten zur Tür eilte und dahinter verschwand.
 

~
 

Lambert lachte sich ins Fäustchen. Er freute sich darauf, Geralt unter die Nase zu reiben, dass er den Kaiser von Nilfgaard genarrt hatte. Dem Hexer war es ein Leichtes gewesen, die Spione, die Emhyr ihm hinterhergeschickt hatte, in Wyzima abzuhängen. Danach hatte er die Stadt verlassen und die Ruine eines Bauernhofs aufgesucht, wo er sein Pferd versteckt hatte.

Jetzt ritt er gemächlich in Richtung Ellander und grinste dümmlich vor sich hin. Natürlich hatte er die Ciri-Karte nie gehabt. Als Lambert herausgefunden hatte, dass Geralt die Karte besaß, hatte er es nicht übers Herz gebracht, mit seinem Freund und Hexer-Kollegen um sie zu spielen. Nur weil der Kaiser von Nilfgaard die Karte haben wollte. Geralt war für Ciri viel mehr wie ein Vater. Die junge Frau würde den Kaiser, ihren Erzeuger, nie als ihren Vater ansehen.

Zumal Emhyr auch überhaupt keine Ahnung hatte, wer seine Tochter überhaupt war. Das hatte ihm dieses lächerliche Gemälde von Ciri als Kind in einem seidenen, rosafarbenen Rüschenkleid, das in Emhyrs Empfangszimmer hing, bewiesen.

Zufrieden mit sich selbst ritt der Hexer dem Sonnenuntergang entgegen.

 

~ ENDE ~

Erinnerungen [Eredin & Vernon Roche]

Roche hatte sich in eine Ecke Kaer Morhens verkrümelt. Nachdem Geralt nachmittags mit Ciri im Schlepptau angekommen war, hatten sie eine Lagebesprechung abgehalten und dann abwechselnd Wache gehalten. Ves und er hatten gleich als Erste ihre Posten bezogen und die Umgebung der Festung im Auge behalten. Jetzt hatten sie sich für einige Stunden zurückgezogen, um sich mental auf die kommende Schlacht vorzubereiten.

Roche hatte Ves davongescheucht und hing jetzt seinen Gedanken nach. Er hatte schon oft gegen Elfen gekämpft. Meistens hatte es sich dabei um Scoia’tael-Rebellen gehandelt, jenen Elfen und Anderlingen, die gegen die stetige Ausbreitung der Menschen aufbegehrten. Die Aen Seidhe, wie sich die Elfen dieser Welt selbst nannten, waren zum Sterben verdammt. Und ginge es nach Roche, würde die Aen Elle das gleiche Schicksal ereilen.

Doch die Aen Elle waren mit den Aen Seidhe nur entfernt verwandt. Nach allem, was Roche wusste, hatten sich die Aen Elle vor langer Zeit von dieser Welt verabschiedet und waren in eine andere gegangen. Mächtige Magie war damals am Werk und nun gab es nur noch wenige Aen Elle, mit Hilfe von Portalen zwischen den Welten zu reisen. Eredin und seine roten Reiter waren einige davon.

Roche seufzte. Niemand wusste, dass er Eredin vor langer Zeit einmal getroffen hatte. Oder zumindest, dass dieser ihm erschienen war. Im Traum, als er noch die Temerische Spezialeinheit der Blauen Streifen geführt hatte. Aber es hatte sich alles so real angefühlt.

Er schauderte, wenn er an den Frost auf seinen Wangen zurückdachte. Und den schlechten Atem des Elfenkönigs. Wenn er die Gelegenheit dazu bekam, würde Roche ihm seine Klinge in den Leib rammen. Doch das war Wunschdenken. Viel wahrscheinlicher war, dass Geralt den Elfen zur Strecke brachte.

Roche versuchte, sich an den Traum vor so vielen Jahren zu erinnern.

 

~

 

Seine Haut fühlte sich an, als würde sie gefrieren. Tausende Nadelstiche, die sich in ihr versenkten und ihn schmerzten. War Roche tot und er wusste es nur nicht? Der Hauptmann der Blauen Streifen sah sich um, durchdringendes Weiß umgab ihn. Kaltes Weiß. War dies Tedd Deireadh, die ewige Kälte, von der in den Legenden die Rede war? Es musste so sein.

„Wer bist du?“, raunte eine geisterhafte Stimme hinter ihm.

Roche zuckte zusammen und fuhr herum. Er konnte nichts sehen. Egal, wohin er blickte, sah er nur Weiß. Woher war die Stimme gekommen? Aus seinem Kopf?

„Wer bist du?!“, fragte sie noch einmal, vehementer.

„Was geht dich das an?“, konterte Roche.

„Alles!“

Ein Geist kam aus dem nichts auf ihn zu. Er wich zurück, die Erscheinung blieb etwa zwei Meter entfernt stehen. Sie trug eine Rüstung, die wie ein massives Skelett aussah. Den Totenkopfhelm zierten metallene Zacken, die wohl eine Krone darstellen sollten. In den Augenhöhlen glühte ein rötliches Licht.

„Ich frage noch einmal, wer bist du?!“

Der Hauptmann wurde von einer unbekannten Macht gepackt. Es fühlte sich an, als wollte sie ihn in die Knie zwingen.

„Vernon Roche“, presste er hervor. „Hauptmann der Blauen Streifen von Temerien.“

Die Erscheinung musterte ihn interessiert.

Zu gerne hätte Roche erfahren, mit wem er es zu tun hatte. Doch die Macht hielt ihn davon ab, seinerseits etwas zu fragen.

„Fürchtest du dich vor dem Tod?“, fragte sein gegenüber.

Der Hauptmann schwieg, doch die Erscheinung schien seine Antwort auf diese Frage zu kennen. Roche konnte regelrecht fühlen, wie sie hinter ihrem Helm grinste. Die roten Lichter flackerten verräterisch.

„Zieh dein Schwert, Soldat!“

Roche tat, wie ihm geheißen. Er hatte bis eben nicht realisiert, dass er bewaffnet war. Er griff nach der Waffe an seiner Seite und zog sie. Das Schwert war schwerer als seine eigene Klinge, mit fremdartigen Runen verziert, die fahl leuchteten. Zweifellos eine elfische Klinge.

‚Wenn die sich mal nicht verselbständigt‘, dachte er.

Sein Gegner hielt nun ebenfalls ein Schwert in der Hand. Roche zögerte nicht lange und griff an. Er führte seinen ersten Streich diagonal von rechts unten kommend. Der andere, der ihn um einen halben Meter überragte, parierte mühelos. Er ließ sich ein zweites Mal von Roche attackieren, ehe er selbst zum Angriff überging.

Der Hauptmann hatte gerade so Zeit, sich unter einem Hieb wegzuducken, ehe er zurückweichen musste. Sein Gegner setzte ihm nach und ließ dann einen Hiebregen auf ihn niederprasseln. Mehr schlecht als Recht wehrte Roche ab, stolperte zurück und blieb an etwas hängen. Er landete mit dem Hintern auf dem Boden. Er wollte sich wieder aufrichten, als der andere ihm die Schwertspitze an die Kehle hielt. Er nahm das Visier vom Gesicht. Blassgraue Augen funkelten ihn an.

„Damit wirst du in Kaer Morhen nicht überleben!“

Roche sagte nichts. Er hatte den Namen schon mal gehört, konnte ihn aber nicht einordnen.

„Wer bist du?“, fragte er stattdessen.

Sein Gegenüber grinste ihn süffisant an und setzte das Visier wieder auf. Roche verfolgte die Handbewegung. Plötzlich verschwand der andere im Nichts und Roche fiel in die Tiefe. Es war wieder komplett weiß um ihn herum und er fiel und fiel und schien nicht am Ende anzukommen.

 

~

 

Nur durch Geralts Einlassungen hatte der Hauptmann eins und eins zusammenzählen und schlussfolgern können, dass er damals von Eredin geträumt hatte. Plötzlich ergab alles einen Sinn, was der Elf ihm damals gesagt hatte.

Roche war sich nicht sicher, ob sich seine Kampfkünste seitdem verbessert hatten. Das würde nur Eredin beurteilen können. Sollte er damals tatsächlich gegen ihn gekämpft haben, anstatt alles nur zu träumen.

 

~ ENDE ~

Schatten der Vergangenheit [Zoltan & Ves]

Ves läuft bibbernd die wenigen Stufen nahe der Eiche hinauf, die hier trutzig ihrem eigenen Untergang entgegenfiebert. Der Baum ist mächtig genug, um in den warmen Monaten fast dem gesamten unteren Innenhof Schatten zu spenden. Doch hier oben, in den nördlichsten Ausläufern der Blauen Berge, verlieren die Bäume schon im Spätsommer ihr Blätterkleid. Laubhaufen liegen am Eichenstamm, einige Blätter wirbelt der Wind wieder in den Hof zurück. Ein einzelner Rabe sitzt auf dem unteren Ast und beobachtet Ves. Sie sieht zu dem Vogel hoch.

Täuscht sich die adrette Blondine, oder hat er tatsächlich einen weißen Fleck auf dem Bauch? Nach einigen Augenblicken zuckt sie mit den Schultern und geht weiter. Die Sonne schaut zwischen Wolken und Bergspitzen hindurch, schnell wird sie hinter dem Gebirge verschwunden sein. Wird Zeit, dass Ves einen wärmeren Ort aufsucht. Sie geht durch das mächtige Holztor und betritt den zentralen Innenhof. Hier war niemand zu sehen.

Vor einigen Tagen war sie mit dem Befehlshaber der Temerischen Freischärler, Vernon Roche, hier angekommen. Die schiere Größe der Anlage hatte ihr Respekt eingeflößt. Vesemir, der hier der Hausherr war, hatte sie herumgeführt.

Inzwischen kennt Ves die wichtigsten Wege. Sie überquert den Innenhof und setzt gerade den rechten Fuß auf die erste Stufe zum Eingang der Zitadelle, als ihr jemand zu pfeift. Sie hält inne und schaut sich um. Der kleine Zwerg, der einen Tag nach ihnen mit einem großen Wagen hier angekommen war, kommt auf sie zu. Ves sieht ihn abschätzig an. Der Zwerg hingegen strahlt über sein ganzes, faltiges Gesicht. Die für Zwerge typische Knollennase ist bei ihm besonders auffällig.

„Wohin des Weges?“, fragt er.

„Dahin, wo es nicht so kalt ist“, sagt sie und wendet sich von ihm ab.

„Gut, da komm ich doch gleich mit“, sagt er und folgt ihr.

Ves seufzte.

„Ich hab hüben wie drüben einige Mauersegmente ausgebessert. Jetzt friert mir der Arsch ab“, erzählt er ungeniert.

Ves schweigt. Der Zwerg läuft an ihr vorbei, um die Tür zur Zitadelle zu öffnen.

‚Will er Aufmerksamkeit heucheln‘, wundert sie sich.

Er grinst sie an. Ves geht mit ausdrucksloser Mine an ihm vorbei bis zur großen Halle. Dort sieht sie sich um. Der Zwerg tritt hörbar neben sie und mustert ebenfalls die Szenerie.

„Scheint niemand hier zu sein“, stellt er fest. 

Ves nickt.

„Wollen wir uns ein oder zwei Schlückchen Mahakamer Met am Kamin gönnen?“, fragt er.

„Auf keinen Fall!“

Die Blondine braust davon. Sie hört noch ein „He, jetzt warte doch mal!“, und eiliges Fußgetrappel hinter sich. Ignoriert es und geht zur hinteren Seite der Halle. Auch hier hält sich niemand auf. Ves brummt missbilligend.

„Entschuldige, ich wollte dich nicht beleidigen“, sagt der Zwerg, der sie eingeholt hatte.

Ves seufzt.

„Hab ich was falsch gemacht?“

Sie schüttelt den Kopf.

„Was ist dann mit dir los?“

„Ich frag mich, wo alle sind.“

Ausweichen scheint ihr die bessere Lösung zu sein. Vielleicht lässt der Zwerg dann von seinem gehaltvollen Vorschlag ab. Der Anderling muss nicht wissen, dass sie nur sehr wenig Alkohol verträgt. 

Sie stockt. Hat sie ihn gerade tatsächlich mit der abwertenden Bezeichnung der Menschen für Zwerge, Elfen und alle anderen, nichtmenschlichen Spezies bedacht? Das war ihr noch nie passiert. Trotz der Erfahrungen, die sie als junge Frau machte, der Vernichtung ihres Dorfes durch die Scoia’tael und ihre jahrelange Gefangenschaft, war sie üblicherweise bedachter im Umgang mit Zwergen oder Elfen.

Der Zwerg neben ihr sah sie abschätzig an.

„Entschuldige, ich glaub‘, ich hab deinen Namen vergessen“, erklärt sie.

Sein breites Grinsen kehrte zurück.

„Ach, halb so wild! Ich bin Zoltan Chivay, für Freunde einfach nur Zoltan!“, erwidert er.

„Ves.“

„Ves? Und wie weiter?“

„Einfach nur Ves.“

Zoltan grinst. Ein schüchternes Lächeln huscht auf Ves‘ Lippen und sie geben sich die Hände.

„Also, wo wir das nun geklärt hätten, wollen wir’s uns nicht doch vor dem Kamin gemütlich machen?“

Ves verdreht innerlich die Augen. Er lässt sich nicht von seinem Met abbringen. Widerwillig nickt sie. Zoltan strahlt über das ganze Gesicht.

„Schieb schon mal zwei bequeme Stühle vor den Kamin, ich geh mal den Met holen“, wies er sie an und flitzte los. Seine schweren Schritte hallen über den Boden, als er um die Ecke saust. Sie sieht ihn auf der anderen Seite des Kamins durch die Küche huschen, ehe Zoltan durch die Tür verschwindet.

‚Ich sollte ihn vielleicht fragen, wo er sein Zimmer hat‘, überlegt sie. ‚Und ihn vorher bitten, mich ins Bett zu bringen, wenn ich zu betrunken bin ... Hoffentlich kommt nicht der Hauptmann vorbei ...‘

Ves sieht sich um. Die Ecke der Halle, in der sie steht, wird als Essbereich genutzt. Die vergangenen Tage hatten sich hier mal größere, mal kleinere Gruppen zu den Mahlzeiten versammelt. Wobei ihr Vorgesetzter stets darauf geachtet hatte, weder dem Zwerg, noch dem Hexer aus Guleta zu begegnen. Der jungen Frau war es einerlei, wem sie beim Essen begegnete. Nur der eine Hexer mit den kurzen dunklen Haaren hatte sie gestört. Wie er sie ansah.

„Was ist denn das?“, sagt jemand hinter ihr.

Ves zuckt zusammen und dreht sich um. Zoltan steht dort mit zwei Flaschen und sieht sie an, sein Ausdruck besorgt.

„Ist alles gut?“

„Ja ja, natürlich. Ich war nur in Gedanken.“

Ves beeilt sich, einen Stuhl vor den Kamin zu ziehen. Der Zwerg stellt die Flaschen auf den Boden ab und hilft ihr.

„Möchtest du vielleicht über das reden, was dich bedrückt?“

Die Blondine schüttelt den Kopf. Sie hebt die Flaschen vom Boden auf, während Zoltan einen zweiten Stuhl zu dem ersten stellt. Ves liest das Etikett, seufzt dann.

„Zwergisch ist nicht meine Sache ...“, meint sie.

„Ich kann es dir beibringen, wenn du willst.“

Zoltan klingt sofort wieder begeistert. Sie hat Mühe, mit seinen plötzlichen Gefühlsumschwüngen mitzukommen. Er geht zu dem großen Esstisch hinüber. Ves nutzt die Gelegenheit, um eine der Flaschen zu entkorken und an dem Gebräu zu riechen. Sie verzieht das Gesicht. Selbst in den Augen brannte ihr der Met.

„Hast du nicht vielleicht doch etwas mit weniger Prozent?“, fragt sie den Zwerg. „Ich vertrag eigentlich keinen Alkohol.“

Zoltan sieht sie mit seinen dunkelbraunen Augen an. Er stellt zwei geschnitzte Krüge auf einen der Stühle.

„Ich weiß genau, was du brauchst!“, sagt er und verschwindet erneut.

Ves sieht ihm verblüfft hinterher. Sie beschließt, es in der Abwesenheit des Zwergs darauf ankommen zu lassen. Mutig schenkt sie sich einen der Krüge zu einem Viertel mit Mahakamer Met voll. Sie stellt die geöffnete Flasche gerade wieder ab, als Zoltan zurückkehrt. Vorsichtig riecht sie noch einmal an dem Alkohol.

„Also ...!“, echauffiert sich der Zwerg. „Ich hab dir jetzt extra den Kriek geholt!“

„Ich kann ihn ja wenigstens einmal probieren“, sagt Ves. „Der Höflichkeit halber.“

„Aber kipp mir hier nicht um. Dein Hauptmann reist mir sonst den Kopf ab.“

Zoltan grinst, stellt drei Flaschen Kirschbier ab und schnappt sich seinen eigenen Krug. Ves schenkte ihm ein und gemeinsam nehmen sie Platz. Der Zwerg hebt einen Moment später den Krug.

„Auf Ciri!“

Die Blondine zögert kurz, folgt dann seinem Beispiel. Obwohl sie die sagenumwobene Ciri bisher noch nicht kennt.

„Auf Ciri.“

Ves trinkt und verschluckt sich. Sie fängt fürchterlich zu husten an, während Zoltan neben ihr auf seinem Stuhl zusammenzuckt. Er erschrickt sich so sehr, dass er seinen Krug Mahakamer Met fallen lässt. Der Inhalt ergießt sich auf seine Hose und den Boden, der Holzkrug klackert fröhlich auf den Steinplatten. Die Blondine braucht einige Momente, um sich wieder zu beruhigen. Der Zwerg kratzt sich verlegen am Hinterkopf, als es ihr besser geht.

„Entschuldige ...“

„Warum entschuldigst du dich?“, fragt Zoltan. „Mir sollte es leidtun, dass ich dich nicht vorher gewarnt habe, wie stark er ist.“

Ves hustet noch einmal, reicht ihm dann ihren Krug. Der Zwerg grinst und nimmt einen großen Schluck. Ves hat das Gefühl, dass er den verbliebenen Inhalt in einem Zug leert. Als er fertig ist, hält Zoltan den Krug bedächtig an seinen Bauch gedrückt. Seine Mine wirkt zufrieden.

„Das tut gut. Nach einem langen, harten Arbeitstag gönn‘ ich mir gern ein Schlückchen.“

Die Blondine nickt zustimmend.

„Hast du ganz alleine gearbeitet?“, möchte sie wissen.

„Eigentlich sollte Lambert mir helfen. Aber er hat mehr kaputt gemacht, als repariert. Ich hab ihn weggeschickt.“

Ves‘ Gedanken klicken einmal, der Hexer mit den kurzen schwarzen Haaren.

„Oh. Das ist natürlich ärgerlich. Und bist du wenigstens noch fertig geworden?“

„Nah, ich muss morgen noch mal ran. Aber hier oben im Gebirge wird es um diese Jahreszeit schon so früh dunkel, dass man nicht lange am Tag arbeiten kann.“

Ves nickt erneut, räuspert sich. Zoltan schiebt ihr mit seinem Fuß eine Flasche Kirschbier zu. Sie lächelt entschuldigend, steht auf und legt einige Holzscheite ins Kaminfeuer. Das Bier greift sie sich auf dem Rückweg.

„Und kennst du Geralt und Ciri schon lange?“, fragt sie dann.

Ves beobachtet, wie der Zwerg Luft holt.
 

~
 

„Aber genug von mir“, beendet Zoltan seine Geschichte. „Wie steht’s mit dir?“

Ves ignoriert ihn. Ihre glasigen Augen fixieren einen Punkt hinter ihm.

„Du meine Güte, sie verträgt ja wirklich nichts“, brummt Zoltan und schielt zu den drei Flaschen Kriek, die auf dem Boden vor der Blondine verteilt liegen.

Er greift nach einer der Metflaschen, die neben ihm auf den Boden stehen, will sich erneut einschenken. Nichts kommt aus der Flasche. Der Zwerg stellt sie wieder ab und greift nach der anderen.

„Auch leer!“, stellt er enttäuscht fest.

„Häh?“

Zoltan sieht auf.

„Na? Wieder wach?“

„Wo bin isch?“, nuschelt Ves.

„... In Kaer Morhen?“

Sie mustert den Zwerg verwirrt.

„Oh!“, meint sie dann. „Hab isch etwa getrunk‘n?“

Zoltan muss sich zusammenreißen, um nicht zu lachen.

„Nur ein bisschen“, sagt er.

„Oh ...“

Ves‘ Erinnerungsvermögen kommt langsam zurück.

„Wo war‘n wi‘ gerade?“

„Ich habe dir erzählt, wie ich Geralt und Ciri kennen gelernt habe.“

Sie sieht ihn an, kann sich nicht daran erinnern, eine solche Geschichte gehört zu haben.

„En‘schuldige ...“, piepst sie kleinlaut.

„Jetzt bist du mir was schuldig, meine Liebe!“

„Un‘ was?“

Zoltan überlegt, plötzlich hellt sich sein Gesicht auf. Ves ahnt an dieser Stelle bereits Schlimmes.

„Wieso erzählst du mir nicht, wie es dich in Roches Einheit verschlagen hat?“, schlägt er vor. „So’n junges Ding wie du bei so einer Männerbande? Die Geschichte würde mich schon sehr interessieren.“

Die Blondine verzieht das Gesicht. Insgeheim vermutet sie, dass es von Anfang an die Absicht des Zwerges war, sie betrunken zu machen. Um sie jetzt ausfragen zu können. Aber ihr ist klar, dass sie aus der Nummer nicht so schnell heraus kommt. Ves lässt die Schultern hängen und seufzt.

„Keine schöne Geschichte?“, hakt der Zwerg nach.

Sie schüttelt leicht den Kopf.

„Oh, du musst natürlich nicht erzählen, wenn du nicht willst.“

Ves schüttelt erneut den Kopf.

„Ähm ...“

„Is‘ siche‘ besser, wenn ich vielleich‘ ma‘ drüber rede.“

Ves rückt sich auf ihrem Stuhl zurecht, holt für Zoltans Geschmack ein bisschen zu theatralisch Luft und fängt an, völlig nüchtern ihre Geschichte zu erzählen:

„Ich war gerade 16 Lenze alt, wie man damals in meinem Dorf sagte. Die Gerste zeigte schon die ersten Ähren, das Wetter war bisher gut gewesen und meine Eltern zuversichtlich. Dann kamen sie.“

Zoltan erwidert zunächst nichts, wartet, ob sie weiter spricht. Einige Augenblicke später legt er den Kopf schief. Er bemerkt, dass Ves auf den Boden zwischen ihnen schaut.

„Wir hatten uns schon alle hingelegt“, fährt sie unvermittelt fort. „Ich höre noch heute meinen Paps schnarchen ... kurz darauf ...“

Erneut verfällt sie in Schweigen. Zoltan lehnt sich auf seinem Stuhl zurück und faltet die Hände auf seinem Bauch. Er befürchtet, einzuschlafen, wenn die Blondine nicht zusammenhängender weiter erzählt.

„Es müssen mindestens 50 gewesen sein ... vor allem Elfen, aber auch einige ...“

Ves bricht erneut ab. Sie sieht Zoltan nicht an.

„... Zwerge“, beendet er ihren Satz.

Sie nickt schwach, atmet mehrmals bewusst die trockene Luft.

Dem Zwerg realisiert, dass es eine traurige Geschichte wird.

„Hör mal ... wir kennen uns kaum ... du musst mir die Geschichte wirklich nicht erzählen ...“, versucht er.

Sie schüttelt entschieden den Kopf.

„Sie haben sie alle niedergemetzelt, auf dem großen Platz vor der Taverne. Sogar eine Taverne gab es in meinem Dorf ...“, erzählt Ves weiter. „Erst zusammengetrieben, dann ...“

Zoltan beobachtet sie. Obwohl ihr die Erinnerungen noch sehr nahe zu gehen scheinen, hat sich Ves gut unter Kontrolle. Andere wären seiner Ansicht nach vermutlich schon längst in Tränen ausgebrochen. Aber die Blondine ist tapfer.

„Wie bist du entkommen?“, fragt der Zwerg.

Zoltan bemerkt ein Blitzen in Ves‘ Augen, bevor sie schnell wieder zu Boden blickt.

„Der Anführer ...“

„Er hat dich verschont?“

Der Zwerg ist überrascht. 

„Warum?“

Sie schüttelt den Kopf, schaut Zoltan wieder ins Gesicht, deutet auf ihren Kopf.

„Huh? Dein Kopf hat ihm gefallen?“

„Ich hatte damals noch lange Haare“, erklärt sie.

„Oh.“

Er versucht, sie sich jünger und mit einer langen blonden Haarmähne vorzustellen. Auch mit ihrer jetzigen Kurzhaarfrisur findet Zoltan sie hübsch für eine Menschenfrau. Damals muss sie eine Augenweide gewesen sein, der alle jungen Burschen nachstiegen.

„Und wie kamen die Temerier ins Spiel?“, erkundigt er sich, um vom Thema abzulenken.

„Roche hat mit seiner Einheit das Kommando ausgelöscht und mich befreit, aber erst einige Jahre später.“

„Einige Jahre später erst?!“, ruft Zoltan. „Himmel!“

Er springt von seinem Stuhl auf die Füße und schaut sie entsetzt an. Dabei kickt er eine seiner Metflaschen weg, sie schlittert unter den großen Esstisch und bleibt dort liegen. Ves sieht ihm erschrocken zu, dann verlegen zur Seite.

„Was ist?“

Er steht immer noch vor ihr.

„Es ist nicht so, dass es mir schlecht gegangen wäre in den Jahren meiner Gefangenschaft“, erklärt sie.

Zoltan schaut Ves überrascht an. Täuscht er sich, oder wird sie leicht rot um die Nase?

„Jedenfalls, so grausam die Scoia’tael zuvor mein Dorf niedermetzelten, so erbarmungslos sind die Blauen Streifen ihnen dann zu Leibe gerückt. Mich hätten sie dabei auch fast erwischt, aber Roche erkannte rechtzeitig, dass ich ein Mensch bin.“

Der Zwerg sieht sie schief an.

„Warst du denn nicht in einen Käfig gesperrt?“

Sie schüttelt kurz den Kopf.

„Warum nicht?“

Ihr steigt die Schamesröte ins Gesicht.

Der Zwerg braucht einige Momente, bis er ein verstehendes „Ah!“ von sich gibt. Ves sieht, wie er sich verlegen am Hinterkopf kratzt, dann die Arme verschränkt.

„Hast du ihn geliebt?“

„Damals ja.“

Zoltan kratzt sich an der rechten Wange und setzt sich wieder auf seinen Stuhl.

„Tut mir leid für dich.“

Sie schüttelt den Kopf.

„Es ist lange her. Ich mach mir da nichts vor. Es war am Ende nur eine Frage der Zeit, bis ich wieder zu den Menschen zurückkehre.“

„Mhm. Jedenfalls verstehe ich jetzt, warum du zurückhaltender bist.“

Ves sieht ihn irritiert an.

„Wie meinst du das? Na ja, dein Hauptmann ist ab und zu ...“

„Er rümpft die Nase, wenn du vorbei gehst?“, hilft sie ihm.

„Ja, höflich ausgedrückt. Ich glaube, ab und zu will er auch Ausspucken, verkneift es sich aber. Du bist irgendwie komplett anders. Ich hatte ja gedacht, dass ihr von den ehemaligen Streifen irgendwie alle wie Roche seid.“

„Na ja, von der ursprünglichen Einheit sind kaum noch welche dabei, die meisten sind gefallen. Roche nimmt inzwischen fast jeden auf, der die nötigen Voraussetzungen mitbringt und sich uns anschließen will. Viele sind es indes nicht.“

Zoltan weiß nicht, was er darauf erwidern soll, also schweigt er.

„Jetzt kennst du meine Geschichte. Wir sind quitt“, sagt Ves.

Er nickt.

„Und gib mir nie wieder Alkohol!“, fügt sie ernst hinzu, ehe sie aufsteht. Zoltan blickt Ves verwundert an. Sie dreht sich um und geht, bleibt dann noch einmal stehen, um dem Zwerg ernst in seine braunen Augen zu blicken.

„Und erzähl Roche nicht, dass ich was mit dem Elfen hatte ... bitte.“
 

~ ENDE ~



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Kommentare zu dieser Fanfic (4)

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Von:  Daelis
2020-05-21T08:56:21+00:00 21.05.2020 10:56
Das sind mal zwei, die ich nie zusammen erwartet hätte! Du hast die beiden wirklich super getroffen und ich kann mir bildlich vorstellen, wie Lambert sich zum kaiserlichen Troll aufschwingt und den armen Emhyr nur aus Jux und Daulerei ein bisschen foppt - und dann damit davonkommt. Er spielt aber auch gerne mit dem Feuer. :'D
Antwort von: Calafinwe
22.05.2020 16:38
^^;

Innerhalb von 48 Stunden zwei Kommentare auf die eine Episode bekommen xD
Aber ja, freut mich, wenn es dir gefallen hat. Kann mir vorstellen, wie Emhyr & Lambert neulich Abend langsam den Weg durch deine Synapsen genommen hat

xD
Von:  Vegetasan
2019-08-05T19:54:46+00:00 05.08.2019 21:54
Kurz und knackig.
So ist Sigi halt, nicht wahr. Aber ob er das Gold wirklich für die Bevölkerung ausgibt,....?
Antwort von: Calafinwe
05.08.2019 22:06
Danke :)
Ich muss gestehen, ich halte Sigi für eine der ehrlichsten Socken in dem ganzen Werk.
Von:  Vegetasan
2019-07-28T22:27:08+00:00 29.07.2019 00:27
Oh, was für eine Ausdrucksweise der Kaiser hat 😅 bei Lambert ist das ja klar, aber Emhyr.
Ich gehe mal davon aus, dass dem Kaiser am Ende vermutlich klar geworden ist, daß Lambert die Karte gar nicht hatte, als er sie ihm noch nicht einmal zeigen wollte.
Aber sehr gut hinbekommen das pairing.
Antwort von: Calafinwe
29.07.2019 11:36
Solange Mererid nicht dabei ist, kann Emhyr privat fluchen, wie's ihm beliebt. Glaube ich xD
Aber ja, der Kaiser ist ja nicht doof, weshalb er Lambert am Ende die Spione nachgeschickt hat.

Danke für deine Kommentare bis hierheir :D
Von:  Vegetasan
2019-06-29T22:33:28+00:00 30.06.2019 00:33
Huhu,
das Pairing hast du doch super hinbekommen.
Eine nette kleine Geschichte für zwischendurch. Und mein Rabe ist scheinbar auch dabei <3
Sie liest sich gut, nur wenn Zoltan die Geschichte anfängt zu erzählen, hättest du vielleicht ein, zwei Sätze erzählen lassen können, ehe der SPrung kommt.

Aber gefällt mir gut!

gruß Chris


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