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Far Across the Distance

Shiro x Keith
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Wer schon mal Star Trek gesehen hat, der kennt vielleicht den Klang einer Bootsmannspfeife. :)
Ansonsten könnt ihr sie euch auch hier noch mal anhören. (Achtung, laut!) Komplett anzeigen

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Part IV

Jetzt

 

In der Ferne tanzten Lichter über den Wellen.

Keith brauchte eine Weile, um zu erkennen, dass es die Lampen der überlebenden Passagiere waren, die einen Platz auf einem der Boote gefunden hatten, und nicht die Lichter entfernter Schiffe, die zur Rettung herbeieilten.

„Hey!“, rief er mit rauer Stimme. „Hey, ich bin hier...!“

Doch er bekam keine Antwort; seine Stimme trug nicht weit genug über das Wasser.

Keith schloss die Augen und presste die Wange gegen das Holz.

„Ich bin hier...“, wisperte er. „Kommt zurück, ihr Bastarde...!“

Stattdessen entfernten sich die Lichter allmählich und eine allumfassende Stille trat ein.

Keith war kurz davor, endgültig aufzugeben und sich seinem Schicksal hinzugeben, doch ein entferntes Pfeifen ließ ihn wieder den Kopf heben. Es war der hohe, durchdringende Klang einer Bootsmannspfeife.

Keiths Augen weiteten sich. Kaum jemand, der noch lebte, konnte eine solche Pfeife besitzen. Kaum jemand außer...

Es war ein Abschiedsgeschenk meiner Eltern. Sie wollten damit vermutlich ihre Hoffnung ausdrücken, dass ich eines Tages Kapitän meines eigenen Schiffes werden würde.

Keith stieß einen Laut der Freude aus und setzte sein kleines Floß in Bewegung.

Das Pfeifen wiederholte sich nicht und über die weite Wasserfläche hinweg war es schwer zu ermitteln, woher es genau gekommen war.

Doch Keith gab seine Suche nicht auf, sondern ließ sich von seinen Instinkten leiten und hoffte, dass er die richtige Richtung eingeschlagen hatte. Schließlich fand er die Überreste eines der Rettungsboote im Wasser treiben. Es musste bei der Evakuierung des Schiffes hinabgestürzt sein, wodurch es längs des Kiels in zwei Teile gebrochen war. Auf der schmalen Hälfte, die geblieben war, sah er lang ausgestreckt jemanden liegen.

„Keith...?“, hörte er eine nur allzu vertraute Stimme und sein Herz machte einen kleinen Sprung.

Vorsichtig, um nicht zu große Wellen zu verursachen und ihn zum Kentern zu bringen, navigierte er sein Floß an seine Seite.

„Ich bin hier“, murmelte er und griff nach Shiros eiskalter Hand. Er spürte etwas Kühles, Metallisches in seinen Fingern. „Und dieses Mal bleibe ich auch.“

„Solltest... dich retten“, stieß Shiro hervor.

„Nein.“ Keith schüttelte vehement den Kopf. „Ich gehe nicht ohne dich.“

Er sah auf, um sich umzublicken. Die Lichter waren mittlerweile in weite Ferne gerückt.

„Außerdem ist niemand mehr da, der uns retten könnte“, sagte er leise. „Wir sind die letzten, die übriggeblieben sind.“

Shiro holte rasselnd Luft. Das Geräusch erfüllte Keith mit Sorge.

„Shiro, was... was ist passiert?“, fragte er.

„Rippe... gebrochen“, keuchte der andere Mann, und Keith wurde auf einmal bewusst, dass er vor Schmerz schon halb im Delirium sein musste. Dass Shiro es überhaupt noch geschafft hatte, auf sich aufmerksam zu machen, grenzte an ein Wunder.

Das Leid des anderen mobilisierte jedoch plötzlich Kraftreserven in Keith, die er schon längst erschöpft geglaubt hatte. Er war ganz sicher nicht so weit gekommen, um jetzt zu erfrieren – oder um Shiro beim Sterben zuzusehen!

Sanft löste er den Griff der eisigen Finger und nahm Shiros Bootsmannspfeife an sich. Mit zitternden Händen setzte er sie an die Lippen und versuchte sich zu erinnern, wie man ihr Töne entlockte. Die ersten paar Versuche missglückten, doch schließlich gelang es ihm, mit den Fingern einen Hohlraum zu bilden, der klein genug war, um das hohe, durchdringende Pfeifen zu erzeugen, das er zuvor gehört hatte.

„Wir sind hier!“, rief er mit rauer Stimme zwischen den einzelnen Pfiffen, während er mit der freien Hand die Finger von Shiro umklammert hielt, der mittlerweile das Bewusstsein verloren hatte. „Wir sind hier...!“

 
 

Zuvor

 

„Wo hast du eigentlich Englisch gelernt?“, fragte Keith, als sie am Abend Seite an Seite an der Reling standen und auf das Meer hinausblickten. „Du beherrschst es so gut, und ich, ah... war am Anfang etwas überrascht, muss ich zugeben.“

Er wandte den Blick ab, als er Shiros fragende Miene sah. „Womit ich dir natürlich keinesfalls zu nahe treten möchte! Ich wollte damit nur ausdrücken, dass ich bewundere, wie du sprichst, und... ... nun ja...“

Keith verlor den Faden und zuckte hilflos mit den Schultern. Himmel noch mal, wie schwer konnte es sein, eine Frage zu stellen, ohne sein Gegenüber zu beleidigen...?

Doch Shiro lachte nur auf und klopfte ihm auf die Schulter.

„Es ist in Ordnung, Keith“, entgegnete er. „Ich nehme dir die Frage nicht übel, wirklich.“

Keith atmete leise auf, während Shiro seinen Blick über das Meer schweifen ließ.

„In der Nähe meines Heimatortes gibt es einen Marinestützpunkt“, erzählte er dann. „Er war nach dem bakumatsu – dem Ende der Isolation meines Landes – errichtet worden, und es legten dort täglich neue Schiffe an, oft aus Europa oder den Vereinigten Staaten. Ich besuchte eine Schule in der Nähe des Stützpunktes, in der auch Missionare aus England und Frankreich unterrichteten. Von ihnen lernte ich beide Sprachen... und begann mich bei ihren Erzählungen nach Orten zu sehnen, die ich noch nie zuvor gesehen hatte. Es folgten zehn Jahre intensiven Studiums und harter Arbeit... und wie du siehst, bin ich nun hier.“

Er zwinkerte Keith zu, der ihn voller Erstaunen ansah.

„Französisch sprichst du auch?“, war das erste, was ihm zu Shiros Geschichte einfiel.

Peut-être“, erwiderte der andere Mann und lachte.

Keith stieß ein Schnauben aus.

„Angeber.“

Doch dann fiel er in Shiros Lachen mit ein und es fühlte sich irgendwie gut an. Ungezwungen.

„Erzähl mir von Japan“, sagte er dann, als sie sich beide wieder beruhigt hatten. „Ich weiß fast nichts über dein Land.“

Ein nostalgischer, fast schon distanzierter Ausdruck trat auf Shiros Gesicht, als er für eine Weile nachdachte.

„Meine Heimat ist mit nichts zu vergleichen, was ich auf meiner bisherigen Reise gesehen habe“, begann er schließlich mit leiser Stimme zu sprechen. „Es ist ein Land mit rauen Küsten, nebelbedeckten Bergen und grünen Tälern. Es ist ein Land voller Geschichten und Legenden, mit uralten Wäldern, in denen die Geister der Natur wohnen, und heißen Quellen, in denen man baden kann. Und auch die wachsenden Städte haben die Natur nicht verdrängen können, sie umgibt uns zu jeder Zeit. Ich wünschte, du könntest es sehen, Keith... die Wiesen und Reisfelder, den Fuji-san mit seiner schneeweißen Kuppe oder die zahllosen blühenden Kirschbäume im Frühjahr... das ist etwas, was du nie vergisst und für immer mit dir tragen wirst.“

Keith griff nach seiner Hand.

„Das klingt wundervoll“, sagte er sanft. „Vielleicht werde ich es eines Tages mit eigenen Augen sehen.“

Shiro erwiderte den Druck seiner Finger.

„Vielleicht“, meinte er mit warmer Stimme. „Ich bin mir sicher, es würde dir gefallen.“

Keith hob den Kopf und sah in Shiros dunkle Augen. Und plötzlich erfüllte ihn eine so überwältigende Zuneigung für diesen warmherzigen, ruhigen, starken und intelligenten Mann, dass er für einen Moment kein Wort herausbekam.

„Ich glaube, ich verstehe nun“, sagte er, nachdem er sich endlich wieder von Shiros Blick hatte losreißen können. „Du liebst deine Heimat. Dein Schicksal mag dich unglücklich machen, aber am Ende würdest du doch immer nach Japan zurückkehren, weil dein Herz dich dorthin zieht. Und...“

Er zögerte. „Und das ist okay. Es ist okay, wenn du all das nicht aufgeben willst. Ich mag es nicht nachempfinden können... aber ich verstehe es.“

„Keith...“ Zahllose Emotionen spiegelten sich auf Shiros Gesicht, als er ihn ansah. „Ich danke dir.“

Es versetzte Keith dennoch einen kleinen Stich und er ärgerte sich für einen Moment über seine eigene Naivität. Es war unsinnig und arrogant gewesen zu hoffen, Shiro würde sich von seinen Verpflichtungen lossagen und sein eigenes Schicksal schmieden, sobald er die neue Welt erreicht hatte. Kein einziges Mal hatte er dabei bedacht, dass seiner Heimat den Rücken zukehren gar nicht das war, was Shiro selbst wollte.

Warum bist du so enttäuscht? Du wirst ihn so oder so nie wiedersehen...

Mit einem Seufzen wandte Keith sich schließlich ab.

„Es wird langsam spät“, meinte er. Noch tauchten die letzten Strahlen der Sonne den Horizont in tiefes Rot, doch dahinter wartete bereits die Dunkelheit der Nacht.

Shiro nickte und trat von der Reling zurück.

„Werde ich dich morgen wiedersehen?“, fragte er. „Ich genieße unsere Gespräche sehr; es würde mir viel bedeuten.“

Keith zögerte. „Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist...“

Wenn er mehr Zeit mit dem anderen Mann verdachte, würde er beginnen, Dinge zu fühlen, vor denen er sein Herz in den letzten Jahren immer verschlossen hatte. Falls er nicht sogar schon damit begonnen hatte.

Shiro schien enttäuscht, doch er nickte kurz. „Ich verstehe. Wenn das dein Wunsch ist, dann werde ich dich nicht weiter behelligen, du hast mein Wort.“

„Doch.“

Das Wort platzte aus Keith heraus, bevor er es verhindern konnte.

„... ich meine: ja, doch, ich will, dass du mich weiter behelligst“, erklärte Keith hastig, als er die Verwirrung auf Shiros Gesicht sah. „Denn ich... ich genieße unsere Gespräche ebenfalls.“

Das Lächeln, das auf Shiros Miene trat, kam einem Sonnenaufgang gleich.

„Das freut mich zu hören“, erwiderte er. „Danke, Keith.“

Und dann tat er etwas, womit Keith definitiv nicht gerechnet hatte, nämlich sich vorzubeugen und ihn auf die Stirn zu küssen.

„Dann morgen beim Frühstück?“, fragte er leise.

Keith blinzelte. „Oh... okay. Beim Frühstück.“

Shiro lächelte.

„Gute Nacht, Keith.“

Keith senkte den Blick.

„Gute Nacht, Shiro...“, murmelte er.

Dann trennten sich ihre Wege.

Und als sich Keith wenig später auf den Weg zu seinem Zimmer begab, fragte er sich, worauf in aller Welt er sich da nur eingelassen hatte.



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