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Forever Dream

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich musste im letzten Kapitel nochmal eine Szene verändern.
Mir ist nämlich aufgefallen, dass ich schon anders weitergeschrieben hatte, als ich dort angefangen hab... das kommt davon, wenn man die Master-Datei zerlegt. Fail. Naja, nichts ist für die Ewigkeit...
Wir tun einfach so, als wären Yoshiki die Skizzen für X noch unbekannt, ja? Danke. xD
Vielleicht kommt da irgendwann auch noch eine Szene dazu, die ich aus diesem Kapitel gestrichen hab, aber das ist noch nicht raus. Jetzt erstmal so. Work in Progress. :'D Komplett anzeigen

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Today Your Love, Tomorrow the World

Am nächsten Morgen wachte Yoshiki von selbst auf. Noch angenehm schläfrig drehte er sich auf den Rücken und streckte sich genüsslich mit einem leisen Quieken. Er hatte durchgeschlafen. Das kam so selten vor. Jetzt gemütlich noch ein bisschen kuscheln und dann Kaffee, dachte er. Und gähnte ausgiebig.

Dann erst wurde ihm bewusst, dass irgendetwas nicht stimmte.

Das Licht kam von der falschen Seite. Die Matratze war zu weich. Der Geruch des Kopfkissens war nicht seiner.

Und er war nicht allein.

„WOW!“

Yoshiki schreckte hoch und fiel in seinem Bemühen, möglichst schnell Abstand zwischen sich und den Atem an seinem Ohr zu bringen, fast aus dem Bett. Er blinzelte gegen das morgendliche Dämmerlicht im Raum an, während sein Gehirn in Windeseile die Puzzlestücke zusammensetzte.

Er.

Taiji.

Gestern.

Oh.

Neben ihm rieb sich Taiji unwillig übers Gesicht und legte schließlich einen Unterarm über seine Augen. Es war zu früh hierfür! „Was is’n nun los…?“, murmelte er undeutlich.

„… nichts“, gab Yoshiki leise zu. Sein rasender Herzschlag hatte sich ein wenig beruhigt. Das Bett war bequem, Taiji war ihm nicht auf die Pelle gerückt und niemand hatte ihn gezwungen, herzukommen oder hierzubleiben. Er musste gestehen, dass es im Grunde tatsächlich nichts gab, über das er sich beschweren konnte. Das Problem war nur, dass ihm das überhaupt nicht gefiel.

Unschlüssig, ob er sich nochmal hinlegen oder unauffällig anziehen und gehen sollte, blieb Yoshiki also erstmal sitzen. Erst nach einer guten Minute ließ er sich schließlich wieder in die Kissen zurückfallen und bemerkte nun auch, dass Taiji den Arm bewegt hatte und ihn anblinzelte.

„Morgen“, sagte Yoshiki also.

„He“, murmelte Taiji.

Stille.

Yoshiki fuhr sich einmal durch die Haare. „Bin’s nur ich oder ist das ein bisschen seltsam?“

„Ich würd eher sagen, das ist, was es ist und du bist ein bisschen seltsam“, murmelte Taiji, gähnte und dehnte seine Schultern.

„Haha“, machte Yoshiki.

Sie sahen einander noch eine halbe Minute an, Yoshiki ausdruckslos und Taiji mit diesem leichten Zug der Erheiterung um seine Mundwinkel, der Yoshiki ein bisschen wahnsinnig machte. Schließlich hielt er es nicht mehr aus und verzog missbilligend das Gesicht. Nur die Tatsache, dass er sich aufsetzte und sich zum Aufstehen abwandte, versteckte Taijis Grinsen. Yoshiki blieb im Bett liegen. Abwesend drehte er den Zipfel der Bettdecke zwischen den Fingern, während er beobachtete, wie Taiji in frische Unterwäsche aus der Kommode und seine Jeans von gestern schlüpfte. Schockierender Weise war es kein unangenehmer Anblick.

„Was?“, fragte Taiji mit einem kurzen Blick in Yoshikis Richtung, bevor er zu seinem Schrank hinüberging. Er hatte sein Top aufgehoben und war daran erinnert worden, dass es nicht mehr tragbar war (und warum).

„Nichts“, antwortete Yoshiki zum zweiten Mal an diesem Morgen, ließ das Laken los und schüttelte den Kopf. Er schlug die Bettdecke zurück, schwang langsam die Beine aus dem Bett und sah sich nach seinem Oberteil um. Noch bevor er es gefunden hatte, verließ ihn allerdings wieder die Motivation. Er seufzte. „Ich überleg nur gerade, ob ich schwul bin.“

Taiji hatte ein frisches Shirt aus dem Schrank gezogen, es auseinandergefaltet und zog es sich gerade über den Kopf. „Und wenn?“, fragte er unbeeindruckt, als sein Kopf wieder auftauchte.

„Naja“, sagte Yoshiki, ein wenig verstimmt wegen des mangelnden Einfühlungsvermögens. „Dann bin ich schwul und das verändert alles.“

„Inwiefern?“ Suchend drehte Taiji sich einmal um sich selbst. Er hatte einen Socken gefunden, doch der zweite war verschollen. Vielleicht war er noch irgendwo im Hosenbein?

Yoshiki dachte über die Frage nach, doch ihm fehlten die Worte, um seine Verwirrung zu beschreiben. Es kam ihm vor, als müsse er einem Blinden die Farbe Grün erklären. Wie konnte man als Mann denn nicht instinktiv begreifen, warum schwul sein eventuell eine große Sache war? „… weil halt!“, griff er schließlich auf das bestmögliche Argument zurück, das ihm einfiel.

Taiji hatte den zweiten Socken gefunden und zog ihn unten aus der Hose. „Ok, Fuckface. Sag mir eine Sache, die sich in deinem Alltag ändern würde, weil du lieber Männern auf den Arsch schaust als Frauen.“

„Das… also…“ Yoshiki verzog das Gesicht. Ihm fiel nichts ein. Diskutieren war scheiße! Kein Wunder, dass er es so gerne vermied! „Ich… es…“ Ha! „Ich kann nie mehr jemandem von meinen Beziehungen erzählen.“ Das war doch was! „Und vor allem nicht von dir“, schob er nach, ein wenig gemeiner als nur stichelnd.

„Kam das bisher wirklich so oft vor?“, fragte Taiji unbeeindruckt weiter. Er war zum Nachttisch zurückgekehrt und streifte seine Armbänder übers Handgelenk. Das machte Yoshiki bewusst, dass Taiji jetzt vollständig bekleidet war, während er selbst immer noch nackt auf der Bettkante saß.

Er überwand sich und angelte seine Unterhose vom Boden. Während er hineinschlüpfte, sagte er: „Nicht direkt. Aber irgendwann werden mich Leute fragen, wo meine Frau und meine Kinder bleiben. Oder wann sie mal meine Freundin kennenlernen. Oder… keine Ahnung. Ob sie mir mal wen vorstellen sollen. Und was, wenn ich Probleme habe? Ich kann nicht einfach zu meiner Mutter oder sonst wem gehen und sagen ‘He, also wenn mein… mein Freund und ich und so, ist das normal, dass – irgendwas. Und stell dir vor, ich – wir – was auch immer – werden berühmt. Und irgendwer fragt mich im Interview, wie es eigentlich privat aussieht. Was sag ich denn dann? Ach, das ist doch Scheiße. Ich will nicht die Schwuchtel sein.“ Gestern war er noch hetero gewesen und die Welt einfach. Er hätte es so lassen sollen. Aber nein, warum einfach, wenn es auch kompliziert ging? Es war offiziell. Er war ein Vollpfosten.

Taiji verdrehte die Augen und warf Yoshiki seine Jeans zu. „Du denkst zu viel nach. Sag einfach gar nichts. Kann dich niemand zwingen. Und wenn du mal dreißig Jahre berühmt warst und immer noch keiner weißt, was du mit wem treibst und wo und wie oft – tja, das ist auch ‘ne Leistung.“ Er grinste. „Sieh’s als Herausforderung. Und ganz ehrlich?“ Er betrachtete Yoshiki einmal übergenau von Kopf bis Fuß und zog die Augenbrauen hoch: „Du kamst noch nie als der maskulinste Typ in Chiba rüber.“

„Das überzeugt mich nicht.“ Irgendwie schaffte es Yoshiki, noch während er sich in seine Jeans füllte, wenig begeisterte Blicke auszuteilen.

Doch der andere Junge zuckte nur gleichgültig mit den Schultern. „Zu schade. Ich geh frühstücken. Du kannst kommen oder nicht.“

„Du bist wirklich unsensibel!“, stellte Yoshiki unzufrieden fest. „Stört dich das denn gar nicht? Ich wollte ohnehin noch fragen, woher du eigent- He! Warte!“
 

-X-
 

Taiji wartete, wenn auch nur, damit Yoshiki seine Socken anziehen konnte und nicht, um seine Fragen zu beantworten. Vielleicht wäre es schlauer gewesen, sich einfach zu verabschieden. Doch war es nicht normaleres Nur-Freunde-Verhalten, wenn er frühstückte, statt sich heimlich aus dem Haus zu schleichen? Yoshiki wusste es nicht mit Sicherheit, doch es kam ihm so vor, als könne er sich dann gleich den One-Night-Stand-Stempel auf die Stirn kleistern.

„Wer hat das Zimmer neben deinem?“, fragte er leise, während er Taiji die Treppe hinunter folgte.

„Mein Bruder“, antwortete dieser.

„Glaubst du, der hat uns gehört?“

„Wenn dann dich. Und unwahrscheinlich“, murmelte Taiji zurück. Dass sein Bruder die unangenehme Eigenschaft hatte, schneller zu kombinieren als seine Eltern, behielt er wohl besser für sich. Er war nicht gänzlich überzeugt, dass Yoshiki ihn nicht die Treppe runter treten und es wie einen Unfall aussehen lassen würde.

Am unteren Ende der Treppe bogen sie in die Küche ab. Anscheinend wurde das Esszimmer nur für besondere Anlässe genutzt und Frühstück gehörte nicht dazu.

Dort begrüßten sie ein Junge, der vielleicht zwei Jahre jünger sein mochte als Taiji – die Brille machte die Schätzung schwer – der am Tisch saß und gerade ein Spiegelei zerschnitt und eine Frau mittleren Alters, die am Herd stand und mit der Bratpfanne hantierte. Auf den ersten Blick stellte Yoshiki bereits fest, dass sie ohne jeden Tadel war. Ihre Kleidung war farblich abgestimmt, ihr Nagellack saß, keine Strähne löste sich aus ihrer perfekten Frisur. Sie schenkte ihnen ein genau bemessenes, ausgefeiltes Lächeln zu ihrem „Guten Morgen“ und Yoshiki tat sich ungebührlich schwer damit, zurückzulächeln. Sie passte zu diesem Haus – und vielleicht stellten sich ihm deswegen ein wenig die Nackenhaare auf. Wenn das die Alternative war, dachte er (vielleicht ein wenig fies, aber was sollte er machen?), war schwul sein vielleicht doch nicht so schlecht.

Er brachte die peinliche Vorstellungssache hinter sich und setzte sich dann vorsichtig an den Tisch, als habe er Angst, der Stuhl könne unter seinem Hintern wegbrechen. Diese komische Situation, wenn man das erste Mal bei jemandem zu Gast war. Andere Leute machten Dinge einfach komisch – auch, wenn sie sie genauso machten wie man selbst. Zuhause war es eben doch am schönsten...

Taiji schenkte ihm Tee ein und plötzlich durstig nahm er einen Schluck. Noch während er dabei war, tauchte eine Schale Reis vor ihm auf. Er versuchte noch ein dankbares Lächeln in die entsprechende Richtung. Es klappte ein bisschen besser.

„Auch ein Ei?“

Yoshiki hatte den ersten Bissen Reis bereits im Mund, bis ihm auffiel, dass sie mit ihm redete.

„Äh…“, machte er überfordert, kaute kaum und schluckte runter. Er hatte oft Toshi zu Gast. Und da endete seine Erfahrung mit Situationen wie diesen auch schon. Es aus dieser Perspektive zu erleben war er nicht gewohnt und es war etwas unangenehm. „Ja. Bitte. Danke. Wenn es keine Umstände macht.“ Er räusperte sich. Und erkannte seinen Fehler. Wenn er solche Situationen in Zukunft umgehen wollte, musste er seine Dates einfach mit zu sich nehmen. Dann war es sein Haus, seine Entscheidung, wann er jemanden rauswarf, seine Eier. …äh. Also… die mit dem kleinen Huhn drin. Nicht die anderen.

Oh Mann.

Einen kurzen Moment verspürte Yoshiki den Drang, mit dem Gesicht voran in seinen Tee fallen und dort ertrinken zu wollen. Die andere Lösung des Problems war, einfach keine peinlichen Dates mehr zu haben. Vor allem keine mit Taiji. Crap. Was hatte er sich eigentlich dabei gedacht? Das war alles hides Schuld! … irgendwie.

Er nahm noch eine Ladung Reis und hob den Blick um Taiji anzusehen, wie um sich zu versichern, dass er hier alles richtig machte und keine Verhaltensregeln übersah, die es innerhalb des Sawada-Haushalts vielleicht gab. Doch Taiji war damit beschäftigt, seinen Bruder zu taxieren. Dieser wiederum schaute von Taiji zu Yoshiki und wieder zurück. Taiji erwiderte seinen Blick für exakt zehn Sekunden und als Reiji schließlich zurück auf seinen Teller blickte und begann, sein zweites Spiegelei zu zerlegen, wusste Yoshiki, dass eine stille Unterhaltung zwischen den Brüdern stattgefunden hatte – in einem Code, den man als Außenstehender nicht knacken konnte.

In diesem Moment erreichte ihn sein eigenes Ei, zusammen mit dem Wunsch für einen guten Appetit. Das Spiegelei hatte die Form einer Blume, mit dem Dotter als Innenteil.

Wow.

Und er hatte bisher immer gedacht, dass seine Mutter hart übertrieb. Gruselig. Dennoch bedankte Yoshiki sich pflichtbewusst und griff zum Besteck.

Er konnte es kaum erwarten, hier rauszukommen.
 

-X-
 

Eine halbe Stunde und ein – wenn er ehrlich war – ziemlich gutes Frühstück später schlüpfte Yoshiki im Flur in seine Schuhe. Jemand hatte sie ordentlicher hingestellt, als er das gestern Nacht gemacht hatte. Das irritierte ihn, ließ ihn jedoch unweigerlich auch denken, dass er irgendwann wirklich gerne ein Hausmädchen hätte. Wie geil wäre das?

Er richtete sich wieder auf und plötzlich war sein Gastgeber zu nah. Unwillkürlich machte er einen Schritt zurück, doch hatte sofort die Tür im Rücken. „Ä h m“, machte er langsam und sehr deutlich, um seinem Unbehagen eine Stimme zu geben.

Taiji warf einen Blick über die Schulter, lauschte dabei ins Haus hinein und als er sich überzeugt hatte, dass sie ausreichend Privatsphäre hatte, flüsterte er schließlich: „Abschiedskuss?“

„Ähm…“, machte Yoshiki noch einmal, diesmal wirklich unschlüssig, tastete neben sich nach der Türklinke und war sehr erleichtert, als seine Hand das Gesuchte fand. „Lieber nicht…“ Er wandte sich ab, schlüpfte zur Tür hinaus und war schon die paar Stufen hinunter, bevor Taiji zu ihm aufschloss.

„Was ist los?“, fragte der Bassist. Er war nur Sekunden zu langsam um Yoshiki davon abzuhalten, das Gartentürchen zu öffnen. Doch er ließ es sich nicht nehmen, ihm die Straße hinunter zu folgen, bis dorthin, wo Yoshiki am Vorabend geparkt hatte.

„Ich… ich bin nicht sicher, dass das hier… eine gute Idee war. Ich… keine Ahnung“, murmelte Yoshiki. Schlüssel. Wo war der Schlüssel? Nacheinander tastete er alle seine Taschen ab.

„Warum bist du dann mit reingekommen?“, fragte Taiji verständnislos und lehnte sich aufs Autodach.

Yoshiki seufzte. Er hatte den Schlüssel gefunden, doch der Bassist stand ihm im Weg. „Ich weiß auch nicht… Weil ich mich schlecht gefühlt hab und Angst hab, dass hide weggeht und… keine Ahnung. Weil ich’s irgendwie wissen wollte.“ Er spielte am Autoschlüssel herum. Neben dem kleinen Ledertäschchen hing eine Plastikblume, die sich gut eignete für Gelegenheiten wie diese.

„Und wie ist’s jetzt?“, fragte Taiji weiter.

Yoshiki hob die Schultern. „Ich hab immer noch Angst und bin vielleicht schwul.“

Taiji legte den Kopf schief und machte den Abgleich. „Aber du fühlst dich besser?“, wollte er das Ergebnis bestätigt sehen.

Yoshiki hob noch einmal die Schultern, betrachtete durch die Scheibe den Talisman am Rückspiegel und antwortete nicht. Doch Taijis Gesicht schob sich in sein Sichtfeld, ob er wollte oder nicht.

„Würdest du’s wieder tun?“, fragte der andere Junge.

Ein zweifelnder Blick wurde ihm zuteil, als Yoshiki versuchte herauszufinden, ob Taiji gerade vorschlug, was er glaubte, dass er vorschlug. „Was wird das dann?“

„Uhm…“ Taiji sah nachdenklich nach oben und antwortete schließlich: „Ich möchte sagen Freunde mit Vorzügen.“

„Findest du, wir sind Freunde?“

„Weiß nicht. Sind wir?“ Taiji brachte seinen Kopf wieder in die Senkrechte. Wohl um den Ernst der Frage zu unterstreichen.

Yoshiki stemmte den linken Arm in die Taille. „Was ist mein Lieblingssushi?“

„Äh… Thun…fisch? Was hat das überhaupt damit zu tun!?“

„Und falsch.“ Er schob sich vor Taiji, um die Tür aufzuschließen. Dieser machte kaum Platz und seine Nähe war verwirrend. Das brauchte er jetzt echt gar nicht.

„Mann, Ok. Ok. Kollegen mit Vorzügen.“

Yoshiki seufzte und Taiji ging notgedrungen nun doch einen halben Schritt zurück, als er die Autotür öffnete. „Ich muss darüber nachdenken.“

Als er eingestiegen war, trat Taiji allerdings wieder zurück und lehnte sich zum Schlagzeuger hinunter. „Und wie lange wird das dauern?“

Yoshiki seufzte noch einmal, ließ den Motor an und lehnte sich ein Stück nach rechts. „Tschüss, Taiji…“

Er schob den Bassisten zur Seite. Dann zog er die Tür zu.
 


 

-X-
 

„Und, bereit?“, fragte Taiji.

„Nein“, sagte hide.

Sie saßen auf hides Sofa, aßen Curry, das hide aus dem Restaurant mitgebracht hatte und nippten jeder an einem Bier. hide war elend. Morgen Abend würde er in den Zug nach Tokio steigen und am darauffolgenden Tag ging es um alles oder nichts. Allein die Flasche in seiner Hand hielt ihn davon ab, schreiend im Kreis zu rennen. Die Flasche und Taiji. Allerdings tatsächlich in dieser Reihenfolge.

„Was ist dein Plan?“

hide seufzte. „Mich nicht übergeben.“

„Guter Plan. Zieh ihn durch.“

hide seufzte noch einmal. „Keine Ahnung. Ich nehm an, ich bin einfach ich selbst. Ich meine, was bringt es mir, wenn die mich mögen, aber ich mich selbst nicht mag… Oder glaubst du, das ist bescheuert?“ Er warf Taiji einen fragenden, etwas verzweifelten Blick zu. „Ich weiß nicht, wie die dort ticken. Vielleicht sollte ich… keine Ahnung. Mich verstellen, damit ich dazu passe. Was ist schlauer?“

„Mmh. Weiß nicht. Wie würdest du dich denn verstellen?“, fragte Taiji und nahm noch eine Handvoll Snacks.

„Ja keine Ahnung!“ hide gestikulierte mit seiner Flasche und musste dann schnell abtrinken. Es schäumte. „Ich war da doch noch nie“, sagte er, als er wieder absetzen konnte. „Es… weiß nicht. Aber vermutlich ist die Wahrheit nirgendwo auf der Welt angesagt. Ich meine, was soll ich denen erzählen, wirklich über mich? I am just a guy who likes to get drunk, I am just a guy who likes to dress punk?“

„I am just a guy who likes to rock and roll“, vervollständigte Taiji.

hide grinste schief und prostete ihm zu. Er trank einmal und warf dann nochmal einen scheuen Seitenblick nach links, unsicher, ob er noch eine Antwort auf seine ohnehin irgendwie rhetorische Frage bekam. Doch schließlich sprach Taiji weiter.

„Alter. Hör zu. Ich sag dir jetzt was.“ Er legte hide eine Hand auf die Schulter und sah ihm in die Augen. „Du bist ein lustiger, merkwürdiger, richtig kaputter Kerl. Aber das macht dich anders. Anders ist hart, aber anders ist gut.“ Belehrend hob der Bassist einen Zeigefinger – auch der einzige Finger, den er frei hatte, da er ja immer noch sein Bier hielt. „Die Kunst ist, dieses Anderssein zu feiern. Die Menschen sind von Natur aus Herdentiere, Mann. Die glauben, was du ihnen erzählst, wenn du es mit genug Überzeugung tust. Erzähl ihnen, dass du einzigartig bist und sie das, was du ihnen bringst, garantiert noch nicht gesehen haben. Und dann verhalte dich, als würdest du erwarten, dass sich die Welt dir anpasst und niemals umgekehrt.“

hide schaut nicht überzeugt. Nicht überzeugt, aber auch nicht desinteressiert. „Und das funktioniert?“

Taiji zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Funktioniert für mich.“

„Ich weiß nicht, ob ich das kann.“ Zweifelnd schüttelte hide den Kopf und stellte sein Curry auf dem Tisch ab, um unter dem Tisch nach seinen Flauschsocken zu angeln. Kalte Füßchen.

Der Bassist zog eine Augenbraue hoch und die Mundwinkel ein Stück nach oben, zu einem zuversichtlich-neckendem Gesichtsausdruck. „Dann hast du jetzt noch bis übermorgen, um’s zu lernen. Viel Erfolg.“

hide lächelte schief zur Antwort und nahm im Auftauchen noch einen Löffel Curry, bevor er sich wieder aufrecht hinsetzte und sich die Socken anzog. Kurz war nur das Rascheln des Stoffs und das Mahlen seines Kiefers zu hören. „Kann ich dich was fragen?“, begann er dann, als er runtergeschluckt hatte.

„Jo.“ Taiji nahm noch einen Schluck Bier.

„Weißt du, ob Yoshiki irgendwie sauer auf mich ist?“

Ausweichend popelte der Bassist an seiner Flasche herum. „Wieso?“

hide zog die Augenbrauen zusammen. „Weiß nicht. Nur so ein Gefühl. Heute zum Beispiel hab ich ihn gefragt, ob er auch kommen will und er hatte… also er hat was gesagt, warum er nicht kann, aber ich glaub, er hatte einfach keine Lust.“

„Ach, Yoshiki ist komisch“, sagte Taiji gleichgültig und legte seine Füße auf dem Tisch ab. Vielleicht wäre seine Meinung hier eine etwas andere, wenn das Arschloch inzwischen mal eine gescheite Ansage gemacht hätte, wie es zwischen ihnen aussah. Aber das hatte er nicht. Also konnte er wohl auch hinter seinem Rücken ein wenig schlecht über ihn reden.

Ja. Auch als Mann konnte man sowas durchaus mal machen, ohne dass einem gleich Stöcke aus den Eiern wuchsen.

hide fuhr mit dem Daumen über den Flaschenhals und schaute nachdenklich. „Ich weiß nicht… er ist schon die ganze Zeit so komisch. Irgendwie… fühl ich mich, als hätte ich ihm was getan. Aber ich weiß beim besten Willen nicht, was. Toshi auch nicht. Vielleicht ist es, weil ich seinen Rest Nudeln aus dem Kühlschrank gegessen hab. Aber was hätte ich machen sollen?“ Ratlos hob hide die Hände. „Ich war total unterzuckert, es war sonst nichts da und die waren ohnehin kurz vor dem Umkippen. Ich hab quasi schon Flaum abgekratzt. Weißt schon. Diesen bläulichen.“

Er warf Taiji noch einen Seitenblick zu, doch dieser schaute auf sein Bier. hide schloss daraus, dass sein Freund auch keine Ahnung hatte und griff nochmal nach seinem Teller, um die letzten Karottenstücke aus dem Matsch zu picken. Während er noch dabei war, hörte er neben sich allerdings ein tiefes Seufzen. Er sah auf.

Taiji stellte seine Flasche weg und begann vorsichtig: „Uhm… hide…“

Der Angesprochene schluckte runter und blinzelte abwartend.

„Ich… muss dir was sagen.“
 

-X-
 

Vierzig Stunden später saß hide auf einem etwas unbequemen Suhl in einem Vorzimmer, das vom Charme her irgendwo zwischen Nagelstudio und Highschoolflur angesiedelt war und hielt seine Tasche so fest umklammert, als wäre sie ein Neugeborenes. Da war ein seltsam taubes Gefühl in seinem Kopf, seine Füße waren kalt und seine Handflächen schwitzten. Ihm war schlecht, so nervös war er.

Er wünschte sich seine Mappe zurück – dann hätte er zumindest irgendetwas in der Hand, um sich daran zu erinnern, dass er schon auf etwas aufbauen konnte. Oder aber, er könne sein Skizzenbuch herausholen und noch ein paar Kritzeleien anfertigen, während er wartete. Es hatte ihn gestern Abend in der Herberge davor gerettet, eine Tafel Schokolade zu essen und vielleicht könnte es ihn auch hier davon abhalten, auf seiner Unterlippe herumzukauen.

Mit äußerster Mühe zwang er sich, damit aufzuhören. Er wollte nicht mit blutender Lippe ins Gespräch gehen. Einmal bewusst tief durchatmend hob er den Blick zum wiederholten Mal an diesem Vormittag zu den Bildern an der Wand gegenüber, größtenteils Fotoreihen von Mädchen mit grellem Makeup und ausgefallenen Kleidern.

Schritte näherten sich und hide sah auf. Sein Herz machte einen Satz, doch es war nur ein Junge in seinem Alter, der sich suchend umsah und schließlich auf ihn zusteuerte.

„He“, grüßte er. „Dame im Foyer hat mich in den zehnten Stock geschickt. Wartest du auch?“

hide nickte. „Sie überziehen ein wenig.“

„Ah. Kazuo.“

„Hideto.“

Kazuo setzte sich auf den Stuhl neben ihn, schaute einmal nach links, einmal nach rechts und dann zurück zu hide. „Wie lang bist du denn schon hier?“

„Halbe Stunde oder so.“

„Oh. Wow. Ich hätte noch einen Kaffee trinken sollen.“ Der andere Junge lehnte sich zurück, trommelte kurz auf seinen Knien, tappte ein paar Mal mit den Füßen und entließ Luft durch gespitzte Lippen. Es half hides Nervosität überhaupt nicht, also beschloss er, noch ein wenig Konversation zu machen – wenn auch nur, damit der Typ ihn nicht noch zusätzlich in den Wahnsinn trieb.

„Also“, begann er, „du… äh… bist du von hier?“

Kazuo nickte. „Ueno. Du?“

„Tateyama… drüben in Chiba.“

„Ah. Da waren wir mal im Sommer. Ist nett. Bisschen zu ruhig für meinen Geschmack.“

„Das stimmt“, sagte hide.

Sie schwiegen ein paar Sekunden.

Dann fing Kazuo an. „Und, was hast du so eingereicht?“

„Uhm…“ hide betrachtete noch einmal das Bild genau gegenüber, während er überlegte, ob es irgendeinen Nachteil mit sich bringen konnte, wenn er ehrlich war. Immerhin war das hier, wenn man es genau nahm, einer seiner Konkurrenten. Doch ihm fiel kein Grund ein. Also erklärte er schließlich: „Ich hab versucht, traditionelle Mode in neue Trends einzuarbeiten. Innerhalb eines größeren Vergänglichkeits-Themas. Ja. Weiß nicht, ob das geklappt hat. Aber ich bin hier, also…“ Er lächelte und gab sich gleichzeitig im Stillen eine Kopfnuss. Und zu viel gesagt. Crap.

„Klingt tiefgründig“, befand Kazuo. Aus irgendeinem Grund klang es aber nicht wie ein Kompliment.

hide wollte lieber nicht darüber nachdenken. „Und du?“, fragte er also schnell zurück.

„Ja“, sagte der andere Junge, „ich hab versucht, den Style von Jean Paul Gaultier auf die nächste Stufe zu heben.“

„Schounpo- wer?“, fragte hide, bevor er sich davon abbringen konnte.

Diesmal warf Kazuo ihm einen eindeutig mitleidigen Blick zu und setzte gerade zu einer Antwort an, als die Tür am Ende des Gangs aufging und eine Frauenstimme sagte: „Matsumoto Hideto.“

„Hier“, meldete sich hide, sprang auf und beeilte sich die paar Schritte zu ihr zurückzulegen – und dabei keinen Blick zurückzuwerfen. Jetzt war es ohnehin zu spät, um sich noch etwas anzueignen oder auszudenken. An Taijis Rat denkend versuchte er, die Brust ein wenig herauszustrecken und möglichst gelassen auszusehen, doch er fühlte sich, als sprudele ihm der Schweiß aus dem Kopf. Er musste sich auf irgendetwas anderes konzentrieren. Die Frau, der er jetzt folgte, war klein, etwas zu stark geschminkt und sah irgendwie weich aus. Alles an ihr war rund und bewegte sich, wenn sie ging. Sie erinnerte hide an einen Pfirsich.

Die Dame mit den schwingenden Hüften führte ihn in ein Besprechungszimmer. An der Stirnseite saßen an einem großen Tisch drei Personen, vor sich Papiere, die hide als seine eigenen erkannte. Hinter ihnen, auf der anderen Seite des Panoramafensters, erstreckte sich das graue Meer von Tokio. Gerne wäre hide hinübergegangen, um einfach mal ein wenig begeistert zu gucken, doch dafür war gerade wohl nicht der richtige Moment. Er zwang seine Aufmerksamkeit zurück zu den beiden Männern und der Frau, während die Vorzimmerdame sich dezent wieder zurückzog.

Die Frau zu seiner linken erschien ihm relativ normal, sogar unauffällig, wenn man von ihrem blutroten Lippenstift absah, der sie aussehen ließ, als plane sie einen Opernbesuch. Oder einen Auftritt in derselben, dachte hide, bevor er sich davon abhalten konnte. Der Mann in der Mitte trug eine Brille mit dicken Rändern und erschien ihm wie jemand, der das wohl ironisch meinte. Der Mann auf der rechten Seite hatte einen Pferdeschwanz und hing eine Spur zu lässig in seinem Stuhl. Seine Haare hatten die Farbe von Milchkaffee.

Der Brillenträger in der Mitte fing an. „Guten Morgen, Matsumoto-san. Wir freuen uns, dass Sie heute hier sind und hoffen, Sie verzeihen uns die Verspätung. Ich bin Saito Kiyoshi, hier der Leiter, das ist Shimizu Riko, zuständig für die Belange der Studenten und das hier ist Fujimori Akio, unser Chefausbilder.“

„Matsumoto Hideto“, sagte hide und verbeugte sich. „Freut mich, Sie alle kennen zu lernen.“

„Ebenfalls erfreut. Bitte Setzen Sie sich.“

„Also, Matsumoto-san. Vielen Dank für Ihre Bewerbung. Wir haben Ihre Unterlagen durchgesehen und würden uns gerne ein wenig mit Ihnen darüber unterhalten. Aber erst einmal sollten wir uns ein wenig kennenlernen.“

hide nickte und versuchte, sein freundliches Lächeln zu halten, ohne dass es zu aufgesetzt wirkte. Schwierig. Leute ansehen und dabei gleichzeitig die eigenen Züge unter Kontrolle zu halten, war wirklich nicht sein Ding.

„Also“, sagte Frau Shimizu und er wandte ihr seine Aufmerksamkeit zu. „Warum möchten Sie hier ausgebildet werden?“

„Uhm…“, machte hide. „Ich mochte immer kreatives Arbeiten. Also, kreatives Arbeiten und schöne Dinge. Und Menschen. Als ich jünger war, dachte ich nicht, mal selbst mehr zu werden als Mittelmaß und ich denke, zurecht.“ Das brachte ihm ein Schmunzeln. „Aber ich dachte immer, es wäre schön, anderen Menschen zu helfen, das…“ Beste? „… Einzigartigste aus sich zu machen, das sie aus sich machen können. Als mich dann jemand, der mich sehr gut kannte, auf Ihre Schule brachte, da dachte ich: Das ist es. Das will ich probieren. Ja. So.“ Er räusperte sich und griff nach dem Wasserglas auf dem Tisch. Nach dem Zustand seines Halses zu schließen, war er vollkommen ausgedörrt!

„Wer hat Ihnen denn von uns erzählt?“, fragte Herr Saito.

„Meine Großmutter.“

„Ungewöhnlich“, sagte Herr Saito.

„Ja“, stimmte Herr Fujimori ihm zu, „Omas gehören jetzt eigentlich nicht zu unserer Zielgruppe.“

hide zwang sich zu einem etwas breiteren Lächeln und zuckte mit den Schultern, als wolle er sagen ‘Tja, lustig wie da Leben so spielt, was?‘.

Saito räusperte sich. „Nun denn. Erzählen Sie uns doch ein wenig von sich.“

Einen schrecklichen Moment lang hatte hide das Gefühl, nicht einmal mehr seinen Namen zu wissen. Doch dann klinkte sich sein Hirn glücklicherweise wieder ein. Erleichtert atmete er aus. „Ich… ähm. Puh. Mein bisheriges Leben habe ich in Tateyama verbracht. Ich habe die Highschool besucht mit naturwissenschaftlichem Schwerpunkt, war im Kalligraphie-Club… In der Mittelschule war ich noch bei der Schülerzeitung in der Gestaltung. Genau. Und ja, seit April bin ich fertig. Gerade habe ich zwei kleinere Nebenjobs. In meiner Freizeit spiele ich Gitarre.“ Er hatte es wirklich versucht. Aber mehr war ihm nicht eingefallen. Selten hatte hide sich weniger spektakulär gefühlt. Aber was wollte man auch groß erwarten? Er war nur ein ganz normaler Junge aus einem ganz normalen Ort mit einem ganz normalen… naja, etwas durchwachsenem Leben.

„Was arbeiten Sie?“, fragte Frau Shimizu.

„Gastronomie“, antwortete hide vage. „Meine Eltern führen einen kleinen Betrieb in die Richtung, dadurch hatte ich da Vorwissen.“ Man konnte alles schon verpacken. Gewusst wie.

„Das klang jetzt alles sehr positiv“, schaltete sich Herr Fujimori noch einmal ein, „und trotzdem sind Sie heute hier, weil Sie keinen Abschluss erreicht haben. Das haben Sie jetzt auch sehr geschickt ausgespart. Aber ich muss trotzdem fragen, wie es dazu kam.“

hide blinzelte nicht einmal. Auf die Frage war er vorbereitet, mehr als auf alle anderen. „Mein Vater war krank. Die Situation war für alle Beteiligten sehr anstrengend und belastete auch unsere Beziehung zunehmend. Als ich schließlich damit umgehen lernte, war es zu spät.“ Er ließ die etwas unangenehme Stille sich ein wenig ausbreiten, bevor er fortfuhr. „Wenn Sie meine Unterlagen noch einmal genauer ansehen, dann werden Sie merken, dass meine Leistungen fast ausreichend waren.“

„Ja“, sagte Herr Saito und blätterte noch einmal durch seine Unterlagen. „Die Steigerung ist uns aufgefallen. Gut.“

Wieder meldete sich der Mann mit dem Pferdeschwanz auf der rechten Seite zu Wort, dessen Name hide vor Nervosität bereits wieder vergessen hatte. „Mmh. Aber eben nur fast.“ Er lehnte sich ein Stück nach vorne. „Warum glauben Sie, dass Sie hier erfolgreich sein werden?“

hide nahm noch einen Schluck Wasser um sich Zeit zu kaufen und versuchte, sich nicht verunsichern zu lassen. Die beiden hatten hier eindeutig ein guter Bulle – böser Bulle-Ding am Laufen. Er stellte das Glas wieder ab und richtete den Blick fast unhöflich fest auf den Pferdeschwanz-Mann, während er sagte: „Weil ich mir das hier ausgesucht habe. Ich will es für mich machen. Und wenn ich es nicht schaffe, wäre ich enttäuscht von mir. Enttäuscht von sich selbst zu sein ist schlimmer, als jemand anderen zu enttäuschen.“

„Glauben Sie?“

„Ja.“

Der Pferdeschwanz-Mann sah ihn noch ein paar Sekunden lang an, doch da hide keine Anstalten machte, sich zu erklären, sprach er schließlich weiter. „Na gut. Nehmen wir mal an, Sie schaffen es. Was wollen Sie denn mit ihrem Leben machen?“

Einen Moment lang blickte hide an den drei Menschen vor sich vorbei, hinaus auf die Skyline. So nah. So fern. „Ich… wäre gern Stylist. Und ich würde gerne Mode machen. Vielleicht ein eigenes, kleines Studio. Zuerst würde ich mich gerne noch ein wenig überraschen lassen, was das Leben so bringt. Solange ich jung bin.“ hide versuchte etwas, von dem er hoffte, dass es aussah wie ein verschmitztes Lausbubenlächeln. An den etwas tiefer werdenden Grübchen von Frau Shimizu konnte er sehen, dass er Erfolg hatte. Krass. Warum nur hatten ihn Frauen bisher so nervös gemacht? Frauen waren einfach! Frauen waren klasse!

„Nun gut. Vielen Dank für Ihre Offenheit.“ Der Mann mit der Brille griff nach hides Mappe und reichte sie ihm über den Tisch. „Zeigen Sie uns doch ein paar Dinge, von denen Sie glauben, dass sie Ihren Stil am besten repräsentieren und erzählen Sie uns ein wenig darüber.“

hide tat, wie ihm geheißen. Sie gingen ein paar Blätter durch, hin und wieder stellten sie ihm Fragen und diskutierten über seine Ideen. hide spürte, wie seine Nervosität ein wenig nachließ. Es waren gute Fragen, interessierte Fragen. Er brauchte ein wenig, um sich erklären zu können, warum das einen Unterschied machte. Dann wurde ihm klar: Sie nahmen ihn Ernst. Und das machte einen Unterschied.

„- und deswegen habe ich hier Seigaiha verwendet. Ja.“ hide lehnte sich wieder ein Stück auf seinem Stuhl zurück, als er mit der Erklärung fertig war.

Ein paar Sekunden herrschte Stille.

Dann sagte der Pferdeschwanz-Mann: „In Ordnung soweit. Und was haben Sie uns wirklich mitgebracht?“

„Ähm… was?“, fragte hide irritiert. Sein Herz setzte einen Schlag aus und rutschte ihm dann in die Hose. Was passierte hier?

Frau Shimizu lächelte nachsichtig: „Fujimori…“ Ah, so hieß der!

„Verstehen Sie mich nicht falsch“, sagte also Herr Fujimori mit den aufgehellten Haaren. „Das hier ist nicht schlecht. Aber es ist auch nichts Besonderes. Es ist nicht flippig, es ist nicht hipp! Es flasht mich nicht.“

hide blinzelte. Ihm fiel keine Antwort ein. Die Welt rückte ein ganzes Stück weg, als habe jemand ein Einmachglas über ihn gestülpt. In einem Mini-Tagtraum sah er ich selbst, wie er seine Sachen nahm, aufstand, sich dafür entschuldigte, ihrer aller Lebenszeit verschwendet zu haben und ging.

Doch sein Körper bewegte sich nicht. Irgendetwas hielt ihn davon ab, den fixen Gedanken in die Tat umzusetzen.

Etwas Besonderes wollte er also.

Besonders.

Anders.

Merkwürdig.

Ja. Merkwürdig hatte Taiji gesagt.

Merkwürdig konnte er schaffen.

Langsam, wie in Trance, lehnte hide sich zur Seite und bückte sich nach seiner Tasche. „Ja. Sie haben Recht. Ich will ihnen eigentlich was anderes zeigen. Und ich verspreche Ihnen – so was haben Sie noch nie gesehen.“
 

-X-
 

Am gleichen Abend standen Taiji, Pata, Toshi und Yoshiki vor hides Tür. hide befand sich, oder davon gingen sie zumindest aus, auf der anderen Seite und ignorierte ihre Anrufe. Und ihr Klingeln.

„hide“, sagte Yoshiki und schlug ein paar Mal unwirsch an die Tür. „hide!“ Bumm. Bumm. Bumm. „Wir wissen, dass du da bist, mach auf!“

Er hörte auf, um zu lauschen. Nichts regte sich. Bumm. Bumm. Bumm. Bumm. „Ich kann das den ganzen Abend machen!“, rief er über sein Gepolter hinweg.

„Nein, kannst du nicht“, murmelte Toshi ihm ins Ohr. „Die Nachbarn bringen uns um.“

Yoshiki sah ihn gerade lange genug an, um die Augen zu verdrehen – und hätte fast hide ins Gesicht geschlagen, als die Tür plötzlich aufging.

„Verfluchte Scheiße!“, schimpfte hide und schaute böse von einem zum anderen. „Ist es echt zu viel verlangt, wenn man einmal seine Ruhe will? Und hätte einer von euch nicht gereicht? Aber Nein, ihr müsst immer im Viererpack aufkreuzen. Jungs, ihr müsst dringend mehr auslosen!“

„He“, sagte Yoshiki trocken. „Ich freu mich auch, dich zu sehen.“

„Wir dachten, wir fragen mal nach, wie’s gelaufen ist“, hängte Toshi hilfsbereit an. hide warf ihm einen finsteren Blick zu, der die Frage eigentlich schon beantwortete und gleich noch mitteilte, wo er sie sich hinschieben konnte – sich und wahlweise auch allen anderen.

„Ich hab gesagt, wir hätten keine Hosen tragen sollen“, frotzelte Taiji mit Blick auf hides Zustand: er trug nämlich schon wieder nur Unterwäsche. „Jetzt bringen wir ihn in Verlegenheit.“

hide verschränkte die Arme und ein paar Sekunden passierte nichts.

„Dürfen wir reinkommen oder stehen wir hier jetzt?“, fragte Pata schließlich.

Der Blick des Leadgitarristen wanderte zu ihm, er zauderte, dann seufzte er. „Ja, gut, von mir aus…“, sagte er unwillig. Es lag vermutlich eher an seiner eigenen Beziehung zu Pata als am Anliegen der Gruppe.

„Ok“, machte Toshi verunsichert, während Yoshiki bereits wesentlich weniger vorsichtig in die Wohnung trat. „Ich muss jetzt doch fragen: Wir streiten nicht, oder?“

hides Blick wanderte zurück in seine Richtung und es wirkte, als müsse er einen Moment wirklich darüber nachdenken. „Nein“, fauchte er dann. „Ich hatte nur einen schlechten Tag, lass mich.“ Um weitere Nachfragen abzublocken, drehte er sich um und schlurfte wieder nach drinnen. Als Yoshiki seine Schuhe ausgezogen hatte und ihm gefolgt war, stand er gerade am Kühlschrank und nahm eine milchig blaue Flasche heraus.

„Was machst du denn da?“, stöhnte Yoshiki ungläubig.

„Ich hör Musik und rauch die zweite Schachtel. Nach was sieht’s denn aus.“ Unbeeindruckt ging hide an ihm vorbei und kuschelte sich zurück in sein Bett, wo sie ihn anscheinend auch gestört hatten. „Aber jetzt, wo ihr schon da seid, kann ich auch was trinken.“ Er schraubte die Flasche auf.

„… krieg ich eine?“, fragte Taiji, der hinter Toshi im Zimmer aufgetaucht war, und setzte sich neben hide aufs Bett. hide reichte ihm die Zigaretten und nahm einen tiefen Schluck Sake. Taiji streckte die Hand nach der Flasche aus.

„Taiji, wir versuchen, hide hier rauszubringen und nicht dich hier rein!“, zischte Yoshiki, während der Bassist einmal trank. Es war zwar irgendwie auf eine verdrehte Weise gut zu sehen, dass hide scheinbar noch genug Anstand hatte, um sich an das Versprechen zu erinnern, das Yoshiki ihm abgerungen hatte, doch das hier war auch nicht wirklich die Lösung.

„Jemand muss mit ihm mittrinken“, rechtfertigte Taiji. „Sonst ist es traurig. Ich opfere mich für das Kollektiv.“

Yoshiki schüttelte den Kopf, aber gab an dieser Front auf. „hide, komm, hör auf damit.“ Er setzte sich an die Bettkante und legte eine Hand auf hides Knie.

„Wieso?“, fragte hide gleichgültig und wich seinem Blick aus. „Ihr seid hier und wenn du mir eine Viertelstunde gibst, bin ich betrunken. Ist fast eine Party. Macht’s euch bequem.“ Er machte eine ausufernde Handbewegung über sein Reich und winkte mit der anderen auffordernd Taiji, ihm sein Getränk zu geben.

„Ok, das reicht jetzt“, sagte Yoshiki mit Nachdruck und wand hide die Flasche aus der Hand, kaum dass er sie zurückerhalten hatte. „Stopp das Trinken mal für eine Minute und erzähl uns, was passiert ist.“

Mit einem tiefen Durchatmen setzte hide sich ein Stück auf und fuhr sich einmal durch die wuscheligen Haare.

„Ich weiß nicht! Ich bin rein, wir haben geredet, es hat sie nicht umgehauen. Und diese ganzen Leute da, die waren so… schick. Ich hab mich gefühlt, als käme ich aus Hokkaido. Gott!“ hide stöhnte und ließ sich mit dem Gesicht voran seitwärts in die Kissen sinken. Dankenswerter Weise drehte er den Kopf wieder zur Seite, bevor er weitersprach. „Ich war beschissen! Am Ende war ich so verzweifelt, ich hab ihnen die Skizzen gezeigt, die ich für uns gemacht hatte!“

„Die, die du mir jetzt schon seit einem halben Jahr zeigen willst?“, fragte Yoshiki. Taiji griff nach der Flasche und Yoshiki ließ los, ohne noch groß darauf zu achten.

„Ja…“ hide setzte sich auf und schwang die Beine an Taiji vorbei aus dem Bett. „Ich muss duschen…“ Die Schande abwaschen. Und, so wie er roch, auch einiges an morgendlicher Nervosität. Er erhob sich müde.

„Aha.“ Yoshiki warf ihm von unten her einen Blick zu. „Zeig her.“

„Aber… die sind… immer noch unfertig und… gnah.“ Unwillig wandte sich hide ab, ging aber nicht. Sein Blick wanderte kurz über Pata auf der Sofalehne und Toshi, der sich auf die Lehne des Schreibtischstuhls gestützt hatte und die Ereignisse von dort beobachtete. Letzterer nickte aufbauend, doch während hide die Geste noch verarbeitete, drang wieder Yoshikis Stimme an seine Ohren.

„Du hast sie heute wildfremden Leuten gezeigt. Es kann wohl kaum schlimmer werden.“

hide seufzte.

„Zeig sie mir“, wiederholte Yoshiki. Eins musste man ihm lassen, er war beharrlich.

hide seufzte noch einmal und gestikulierte dann lustlos zu seiner Tasche neben dem Schrank hin. „Blaues Buch. Du musst von hinten anfangen. Ist ein Prozess. Und so. Scheiße.“ Er tappte einmal durchs Zimmer, ums Sofa herum, wusste dann nicht, was er weiter mit sich machen sollte und schaute einmal in den Kühlschrank, weil er gerade davorstand.

„Is‘ was zu essen da?“, fragte Taiji. Yoshiki war aufgestanden, um nach dem Skizzenbuch zu suchen.

„Taiji!“, murrte Toshi halblaut. „Wir sind doch nicht zum Essen hier.“

„Du vielleicht nicht.“ Der Bassist schenkte ihm einen zutiefst gleichgültigen Blick.

„Reis…“, sagte hide.

„Mit was?“

„Irgendwas Braunem. Keine Ahnung.“

Yoshiki hatte das Skizzenbuch gefunden und setzte sich neben Pata aufs Sofa.

„Wie kannst du keine Ahnung haben?“, fragte Taiji ungläubig. „Ist das dein Kühlschrank oder nicht?“

„Das is‘ von Pata, Mann. Frag ihn.“

Taiji wandte sich an ihren zweiten Gitarristen. „Was geht? Machst du jetzt Catering? Und wenn ja, wo unterschreib ich?“

Pata, der sich in die Sofaecke gesetzt hatte, warf ihm einen seiner irritierend ruhigen Blicke zu. „Meine Tante schickt mich manchmal nach ihm sehen. Ich hab da wenig mit zu tun.“

„Genau“, bekräftigte hide, obwohl es an dieser Stelle wenig Sinn machte.

„Ja, gut. Kann ich den Reis haben oder versohlt mir dann irgendwer hier den Arsch?“, fragte Taiji.

hide nahm den Reis aus dem Kühlschrank, schlug die Tür wieder zu und kehrte zu Taiji zurück, um ihm das Essen zu reichen und die Flasche abzuluchsen. Er nahm noch einen tiefen Schluck und stellte sie im Vorbeigehen auf dem Schreibtisch ab.

„Ok“, sagte er dann und baute sich mit verschränkten Armen auf der anderen Seite des Couchtischs auf, Yoshiki gegenüber. „Lange genug geguckt, auf geht’s. Her mit der Kritik.“

Yoshiki klappte das Buch zu, legte es vorsichtig auf dem Tisch ab und neigte den Kopf zur Seite. „Gewagt“, sagte er schließlich.

„Gewagt gut oder gewagt schlecht.“

„Gewagt gut.“ Er lächelte. „hide, ich dachte nicht, dass ich das mal sage, aber ich glaube, wenn du da dran noch ein wenig arbeitest, würde ich vielleicht so rumlaufen.“

„Wirklich? Du sagst das nicht nur, weil ich einen schrecklichen Tag hatte?“ hide lächelte nicht zurück.

„Nein.“

hide sah ihn einige Sekunden lang an und es war unklar, ob er gleich aus der Haut fahren oder anfangen würde, zu heulen. Dann jedoch seufzte er und schien dabei in sich zusammenzufallen wie ein Ballon, der Luft abließ. Müde machte er eine auffordernde Handbewegung in Richtung seines Gegenüber und wandte sich ab. „Ich geh duschen. Komm mit.“

„Was, unter die Dusche?“, fragte Yoshiki perplex, stand aber auf. Auch, wenn hide inzwischen im Flur war, konnte er an seinem Tonfall hören, dass er die Augen verdrehte, als er antwortete: „Nein, Dummbatz. Ich hab noch Blondierung. Blondieren wir mir die Haare.“

Skeptisch zog Yoshiki die Augenbrauen zusammen und folgte ihm ins Bad. hide hatte bereits ein Handtuch aus dem kleinen Schränkchen genommen und kramte ganz hinten nach der Blondierung. „Sicher?“

Der Gitarrist zuckte mit der linken Schulter. „Ist jetzt auch schon egal.“ Die Packung in der Hand erhob er sich wieder.

„Haben Sie gesagt, wann sie Bescheid geben?“, fragte Taiji. Er war ihnen gefolgt, lehnte an der Badezimmertür und sah dabei zu, wie hide Pulver und Entwickler in die kleine Plastikschüssel kippte. Nebenbei nahm er einen weiteren Löffel Reis mit irgendwas Braunem.

„Bis zum Wochenende“, sagte hide und griff nach dem beiliegenden Pinsel, um den Inhalt der Schüssel zu einem gleichmäßigen Brei zu verrühren.

„Is‘ ja gut“, meinte Taiji kauend. „Zumindest spannen sie dich nicht ewig auf die Folter.“

„Ja…“ hide warf die leere Schachtel achtlos zur Seite. „Was auch immer, nicht… Und jetzt Tür zu.“
 

-X-
 

Am darauffolgenden Samstag probten sie. Yoshiki saß hinter dem Schlagzeug und blätterte durch seine Änderungen vom letzten Mal, Taiji schaute in den Kühlschrank. Pata und Toshi hatten sich auf dem Sofa niedergelassen und führten ein Gespräch über Baseball. Aus den Augenwinkeln beobachtete Yoshiki den Zeiger seiner Armbanduhr, der langsam weiter vorrückte. Doch gerade, als der große Zeiger auf ein Uhr sprang, ging die Tür auf. Die Unterhaltung auf dem Sofa erstarb und Taiji schloss den Kühlschrank, ohne etwas herausgenommen zu haben.

„Und?“, fragte Yoshiki.

Es gab gerade nur eine wichtige Frage hier.

„Ich… hab’s geschafft“, sagte hide tonlos.

„Nein!“, rief Taiji, ein breiter werdendes Grinsen auf seinem Gesicht.

„Doch“, sagte hide und schloss die Tür.

Toshi runzelte irritiert die Stirn. Gerade hatte er noch seine Glückwünsche aussprechen wollen, doch hide wirkte ein wenig gedrückt. „Alles in Ordnung? Freut dich das gar nicht?“

„Ich freu mich! Ich kann’s nur… noch nicht fassen.“ hide ging zu seinem Amp hinüber, stellte seine Gitarrentasche ab und suchte nach dem Ende des richtigen Kabels irgendwo auf dem Boden. „Ich warte noch drauf, dass sie mich nochmal anrufen und sagen, dass es ein Missverständnis war.“ Er lachte beschämt und bückte sich nach dem Kabel. „Ich glaub’s erst, wenn ich’s sehe, Leute.“

„Vollpfosten!“ Taiji ging die paar Schritte zu ihm hinüber und packte hide einen Arm um die Schulter. Es erinnerte mehr an einen Schwitzkasten als eine Geste freundschaftlicher Zuneigung. „Jetzt glaub es und freu dich anständig!“

„Ok, ok. Ich versuch’s.“ hide lachte. Es klang nicht ganz so entspannt wie normal gewesen wäre, doch es schien Taiji zu reichen, denn er ließ ihn los.

„Wir sollten das feiern“, stellte Toshi fest. Yoshikis Blick ließ ihn anhängen: „Nach einer produktiven Probe. So produktiv. Ja.“

Und so machten sie es.
 

Sieben Stunden später saßen sie wieder bei hide. Der Proberaum hatte durch diese Option wesentlich an Flair verloren und fast tat es Yoshiki ein wenig leid darum. Andererseits war es vermutlich der Sache gar nicht abträglich, Arbeit und Freizeit zu trennen. Sie hatten auf dem Rückweg Takeout, Snacks und ein paar Flaschen Bier gekauft, hide hatte die Ramones aufgelegt und jetzt machten sie sich einen ziemlich schönen Abend. Das hieß, alle außer Yoshiki. Er war mit dem Auto da und anderen beim Trinken zuzusehen war wesentlich weniger lustig als selbst zu trinken. Vielleicht, weil man dann nicht so merkte, wie bescheuert alle wurden.

Er blieb also auf dem Sofa sitzen und schaute abwesend in sein Glas Wasser, bis schließlich irgendwann eine Hand auf seiner Schulter landete. Es war hides.

Mit einem etwas seltsamen Lächeln beugte der Gitarrist sich zu ihm hinunter und flüsterte: „Wir müssen reden.“
 

-X-
 

Sie zogen Schuhe an, verließen erst die Wohnung und dann das Haus. Yoshiki folgte hide und sie gingen die Straße hinunter, immer auf den Ozean zu.

„Also“, fragte Yoshiki schließlich, als sie an der Küstenstraße angekommen waren, der letzte Asphalt bevor der Sand begann. „Worüber willst du reden?“

hide zog eine Augenbraue hoch und grinste schief, doch seine Augen grinsten nicht mit. „Yoshiki. Ich hab mit Taiji gesprochen, ok?“

Abrupt blieb der Schlagzeuger stehen. „Er hat dir das erzählt?“ Yoshiki konnte spüren, wie ihm das Blut in die Wangen schoss und seine Fingerspitzen kalt wurden. Taiji war so tot!

„Ja, er ist mein Freund, Mann. Natürlich hat er mir das erzählt. Ich hätte es lieber von dir gehört.“

Yoshiki ignorierte die offensichtliche Frage in hides Worten und starrte, hides Blick ausweichend, aufs Meer hinaus, während er sich langsam wieder in Bewegung setzte. Die Herbstsonne wärmte seinen Rücken.

„Also?“, entschloss sich hide, der gezwungenermaßen neben ihm her schlenderte, schließlich doch zum direkten Weg. „Wieso hast du nicht einfach mit mir geredet?“

Ein paar Meter sagte Yoshiki nichts, hob nur die Hand, als überlege er sich, an seinen Nägeln herum zu kauen. Doch er beherrschte sich noch rechtzeitig und ließ die Hand mit einem Seufzen wieder sinken. „Ich dachte, vielleicht kommt es nie dazu. Ich dachte… keine Ahnung.“ Er warf einen flüchtigen Blick zur Seite. hide sah ihn an und Yoshiki konnte spüren, wie sein Blick sich in seine Schläfe und seinen Hinterkopf bohrte, als er wieder in Richtung Meer blickte. Nach einigen langen Sekunden wurde ihm klar, dass hide diese Antwort nicht reichte und er scheinbar beschlossen hatte, die Stille auszuhalten. Wenn nötig, würde er ihn den ganzen Abend lang anstarren. „Ich bin nicht auf alles stolz, was ich an Gedanken habe“, murmelte Yoshiki schließlich. Er hatte in seiner Jackentasche einen losen Faden gefunden und spielte daran herum. „Aber ich bin auch kein guter Lügner. Solche Gespräche… sind nicht…“

Yoshikis Stimme verlor sich, weil er nicht wusste, wie er seine vage Angst beschreiben sollte. Einfach? Gesund? Mein Ding? Der Freundschaft zuträglich? Während er nachdachte, wurde er langsamer und langsamer und blieb schließlich stehen. Ein großer Teil von ihm wünschte sich, der Gitarrist würde es einfach dabei bewenden lassen. Er hatte dieses Gespräch vorher nicht wirklich führen wollen, er wollte es jetzt nicht. Doch hide zog eine Augenbraue hoch und sagte: „Ich hab auch kranke Gedanken manchmal. Also los. Schockier mich.“

Yoshiki seufzte noch einmal und ließ sich schwer auf das Mäuerchen fallen, das den Sand von der Straße trennte. „Ich… Ich… wollte nicht, dass du aufgenommen wirst.“

hide sah auf ihn hinab und nickte ausdruckslos. „Das hab ich so verstanden, ja.“

Yoshiki lächelte schwach. Das war noch der weniger schlimme Teil. „Erst dachte ich, es liegt vielleicht nur daran, dass du dann weggehst und ich dich nie wieder sehe und… keinen Leadgitarristen mehr habe. Aber dann hab ich drüber nachgedacht und… das ist es gar nicht.“

Ein Stirnrunzeln machte sich auf dem oberen Drittel von hides Gesicht breit. „Ok. Was ist es dann?“

Noch einmal tief durchatmen. Dann beschloss Yoshiki, es hinter sich zu bringen. „Es… verunsichert mich, wenn du glücklich bist. Und… wenn ich ehrlich bin, gefällt es mir nicht.“

„Ok“, sagte hide nach einem sehr langsamen Atemzug und einem halben Nicken noch einmal und trat von einem Bein auf das andere. Standbein – Spielbein. „Wow. Ok. Das… sticht jetzt ein bisschen mehr, als ich dachte, dass es würde… Aber warum?“

Schweigend starrte Yoshiki auf den Gehweg neben seinen Füßen. „Weil ich dich sehr gern mag“, sagte er schließlich, ohne hide anzusehen. „Ich hab das Gefühl, als wären wir… unglaublich schnell unglaublich eng geworden. Du und ich. Und das macht mir Angst.“

hide legte den Kopf schief, betrachtete Yoshiki und setzte sich nach einigen Sekunden der Unschlüssigkeit neben ihn auf das Mäuerchen. „Warum?“

„Weil... weil ich…“ Yoshiki brach ab. Er wusste nicht, wie er sich erklären sollte. Bindungsangst traf es nicht. Oder traf es Bindungsangst? Scheiße, Nein. Er war durch, aber er war nicht so durch! „Ich bin sehr leidenschaftlich“, begann er langsam noch einmal, „wenn ich etwas wirklich mag. Und wenn es verschwindet, dann… kann ich nicht damit umgehen. Und es ist ok, wenn es… Sachen sind. Oder Musik oder so. Das kann ich kontrollieren. Oder“, Yoshiki hob abwehrend die Hand, weil hide den Mund aufgeklappt hatte, „ich kann mir zumindest einreden, dass ich es kann. Aber Leute… Leute sind so…“ Seine schlanke Hand beschrieb eine kleine, akzentuierende Bewegung. „Unberechenbar.“ Er hob den Blick zu dem Jungen neben sich. „Ich versuche, bei nicht zu vielen Menschen leidenschaftliche Gefühle zu haben. Das… das führt zu nichts.“

Eine halbe Minute schien hide nicht zu wissen, was er sagen sollte. Zwei Autos fuhren vorbei, dann war es wieder ruhig. „Klappt das?“, fragte er schließlich.

Yoshiki warf ihm einen flüchtigen Seitenblick zu und wandte seine Augen dann mit der Andeutung eines Schulterzuckens wieder ab. „Nicht so gut.“

„Dachte ich mir.“ hide nickte, mehr zu sich selbst. „Du bist da gar nicht der Typ für.“

Einige Sekunden lang starrten sie schweigend vor sich hin, Yoshiki auf seine Knie und hide angestrengt in den Ferne. „Also…“, sagte der Gitarrist dann langsam, „hättest du mich lieber unglücklich? Damit ich… kontrollierbar bin?“

„Nein… Ich weiß nicht!“, gestand Yoshiki etwas überfordert. „Ich… Nein. Ich will natürlich, dass du glücklich bist! Es ist nur… ich… ich bin von Natur aus eher unglücklich, glaub ich. Und als es dir auch so schlecht ging, da wusste ich, dass du mich – uns, was auch immer – brauchst. Und das war schön, weil dann… war ich nicht alleine unglücklich. Aber wenn du jetzt total durchstartest, dann brauchst du mich nicht und dann bist du vielleicht irgendwann weg und dann bin ich wieder allein. Und ich kann nichts dagegen machen. Und das ist… schlimm für mich.“

hide runzelte die Stirn. „Was ist mit Toshi?“ Es war nicht die einzige Frage, die ihm hierzu eingefallen wäre. Aber die, die mit der geringsten Wahrscheinlichkeit in einen Streit von epischer Größe ausarten würde.

Der Schlagzeuger seufzte tief. „Versteh mich nicht falsch. Toshi war immer da. Toshi ist toll. Toshi zieht mich hoch. Aber… er ist immun gegen Scheiße. Er ist nicht mit mir da unten.“ Und das machte einen großen, einen riesengroßen Unterschied.

hide nickte schweigend und brauchte wesentlich länger für eine Antwort als der Junge neben sich. Immer noch starrte er nachdenklich ins Nichts. „Ich mach dir nichts vor“, sagte er schließlich. „Das schockiert mich alles ein bisschen.“

„Das sollte es“, antwortete Yoshiki dumpf. Er lehnte sich noch ein Stück weiter nach vorne und knetete seine Fingerspitzen. Da war eine Kälte in ihnen, die nichts mit dem Herbst zu tun hatte.

Eine kleine Weile sagte keiner von ihnen etwas. Dann wandte hide sich wieder in seine Richtung. „Warum bist du da unten?“

Eine einfache Frage. Mit einer einfachen Antwort. „Mein Vater hat sich umgebracht, als ich zehn war. Es ist jetzt lange her. Aber… man hat Fragen.“ Es war erstaunlich einfach auszusprechen, wenn man sich mal überwunden hatte. Erstaunlich einfach und doch so schrecklich.

„Ah“, sagte hide schlicht. „Verstehe.“ Er sagte nicht ‘Das tut mir leid‘. Und Yoshiki fühlte eine sehr seltsame Form von Dankbarkeit dafür.

Sie lauschten dem Rauschen des Meeres und dem Kreischen der Möwen, während ihre Schatten allmählich länger wurden. Yoshikis Zehen begannen ebenfalls zu frieren. Doch er fand nicht den Willen, aufzustehen und ein paar langsame Schritte auf und ab zu gehen, so wie hide es gerade tat.

„Also“, begann hide, als er das nächste Mal an ihm vorbeikam. „Wie können wir zwei das machen, hu?“

„Was genau jetzt?“, fragte Yoshiki leise zurück. Es stand die große Möglichkeit im Raum, dass er in der letzten halben Stunde die ihm drittwichtigste Person auf Gottes schöner Erde vergrault hatte.

„Naja.“ hide hob eine Schulter und ging mit einem Seufzen vor ihm in die Hocke. Er musste sich an Yoshikis Knie abstützen. „Du magst mich, ich mag dich. Warum also ist das so schwierig?“

Yoshiki schaute an hides Beinen vorbei auf seine Zehen. Das war vermutlich das Gute an hides etwas selbstzerstörerischer Ader: wie viele andere Leute würden ihn nach so einer Enthüllung noch mögen? Ihm war auf einmal nach Lachen. Und auch ein bisschen zum Heulen. „Ich bin nicht gut darin, Dinge einfach zu machen.“

hide lachte auf. „Ich weiß. Aber ohne Mist jetzt.“ Er lehnte sich nach vorne und guckte Yoshiki von unten her an. Zum Heulen, dachte Yoshiki. Ihm war eindeutig zum Heulen. „Ich bin glücklich, du bist… nun, so halbwegs glücklich, wir mögen uns – kann es nicht einfach mal schön sein? Einfach mal… sein? So?“

„Ich weiß nicht. Kann es?“

„Es ist echt hart, mit dir zu diskutieren.“

„Ich weiß.“

hide seufzte, doch da war der Anflug eines Lächelns an seinen Mundwinkeln. „Ok, hör zu. Ihr seid meine Freunde jetzt. Irgendwie. Ich hatte nie wirklich so was. Du musst mir vertrauen, dass das irgendwie… was bedeutet, ok?“ Er fing Yoshikis zögerlich gehobenen Blick auf und lächelte etwas breiter.

Eine leichte Falte bildete sich zwischen Yoshiki Augenbrauen, während er hide ausdrucklos ansah und vielleicht überlegte er ein paar Sekunden zu lang. Aber es war auch schwer. Das Leben hatte ihn gelehrt, dass man vorsichtig sein musste, wem man sein Vertrauen – oder noch mehr an Gefühlen – schenkte. Und von allen Menschen auf dieser Welt sollte es hide sein? Der merkwürdige Junge mit den Stimmungsschwankungen und dem Drang zu lügen, von dem er fürchtete, dass er stellenweise nur einen Schritt vom Alkoholismus entfernt war? Und doch sah hide ihm in die Augen. Nach allem, was Yoshiki über ihn wusste, musste das hart für ihn sein. Und er lächelte immer noch. Wie konnte er? Wie? Vielleicht, dachte Yoshiki und er hätte nicht sagen können, woher dieser Gedanke kam, sollte das hier einfach sein. Deswegen versuchte es, so hartnäckig einen Weg zu finden. Yoshiki blinzelte noch einmal, knetete noch einmal seine Fingerspitzen, atmete noch einmal ein und wieder aus. Und dann traf er eine Entscheidung. „Ok.“ Seine Stimme verließ ihn irgendwo zwischen den beiden Buchstaben.

„Gut.“ hide patschte ihm mit den Handflächen auf die Oberschenkel und stand wieder auf, um neben Yoshiki zu treten, näher an das Mäuerchen. Die Hände steckte er gegen die beginnende Abendkälte in die Hosentaschen. „Schöner Sonnenuntergang“, stellte er murmelnd fest und betrachtete hingebungsvoll etwas weit draußen auf dem Meer. Yoshiki nutzte die Chance, um sich einmal über die Augen zu wischen. Das ermöglichte ihnen beiden, so tun, als wäre es nicht passiert.

Ein kühler Windstoß wehte ihnen die Haare ins Gesicht. Yoshiki leckte sich einmal über die trockenen Lippen. Sie schmeckten nach Salz. Woher auch immer. Er wischte sich die Haare aus der Stirn und klemmte sie so gut es ging hinters Ohr. „Und was passiert jetzt?“, fragte er seitwärts nach oben in Richtung hide.

„Naja“, sagte dieser und wandte sich wieder vom Ausblick ab, um in einem Halbkreis um Yoshiki herum zu tigern. „Ich werd nach Tokio ziehen müssen. Da führt kein Weg dran vorbei.“ Yoshiki merkte, dass hide sein Bestes tat, möglichst zerknirscht ausziehen, doch gleichzeitig versuchte ein kaum zu unterdrückendes Lächeln, sich auf seinem Gesicht breit zu machen. Skeptisch zog er die Mundwinkel hoch und hide gab nach. „Ja! Ja, ich geb’s zu, ich find das spitze! Tokio, Mann! Ich komm endlich hier weg und seh was Neues und… Tokio, einfach! Geile Scheiße! Ouh, komm, Yo-chan!“ Er packte Yoshiki an der Schulter. „Freu dich für mich!“

Und Yoshiki wollte. Wirklich. Doch er schaffte es einfach nicht, sein Gesicht zum Lächeln zu bewegen. Stattdessen fragte er: „Und was wird dann aus uns?“ Eigentlich wollte er die Antwort gar nicht. Doch es musste sein.

Immer noch Yoshikis Schulter drückend zog hide eine nachdenkliche Schnute. „Naja, ich dachte… vielleicht kommt ihr mit?“

„Was?“, fragte Yoshiki überrumpelt. Er hätte genauso gut auch Hä sagen können.

„Naja. Warum nicht? In Tokio ist die Action. Die Welt kommt nicht nach Tateyama, du musst zu ihr gehen. Außerdem…“ Er fuhr Yoshiki einmal durch die ohnehin bereits aus der Fassung geratene Mähne. „Wie lange willst du noch bei Mama wohnen? – Scheiße Mann, du brauchst dringend irgendwie Spülung oder so, das fühlt sich an wie Heu.“

Yoshiki blinzelte ein paarmal perplex und ließ es über sich ergehen. Nur langsam begann sein Gehirn, sich um die veränderte Situation herum zu winden. Ja. Ja! Warum eigentlich nicht? In Tokio wäre er näher an der Zielgruppe, näher an der Industrie, näher an… an allem. Die Vorstellung der Möglichkeiten ließ ihn gegen seinen Willen lächeln, wenn auch nur schwach. „Ja. Du hast Recht. Tokio wäre schon… ziemlich abgefahren. Solange ich nicht drüber nachdenke, an wie vielen Ecken und Enden das schief gehen kann.“

hide grinste wissend und zog ihm mit den Fingern einen ungefähren Seitenscheitel, bevor er die Hand zurück in die Tasche steckte. „Ich bin sicher, das wirst du noch ausgiebig tun.“

Diesmal grinste Yoshiki zurück. „Und ich werde dir ausführlich davon berichten.“

„Alles andere hätte mich enttäuscht. So, komm. Gehen wir zurück. Es ist kalt und ich hab Hunger.“ Er streckte Yoshiki die Hand hin und dieser ergriff sie und ließ sich auf die Beine ziehen. Obwohl er stand, hielt hide seine Hand aber noch etwa fünf Sekunden länger fest, als nötig gewesen wäre.

„Gut, dass du mitkommst“, sagte er und es klang sehr ernst, nicht auf eine strenge, angespannte Art, sondern auf eine sehr sanfte.

„Gut, dass du gefragt hast.“

hide ließ seine Hand los und machte sich auf den Nachhauseweg. „Yeah.“
 

-X-
 

Als sie zurückkehrten, saß Pata mit hides Gitarre auf dem Schoß genau dort, wo sie ihn zurückgelassen hatten. Taiji hatte die Chips gegessen und Toshi saß auf dem Bett und blätterte durch eines von hides zahlreichen Magazinen.

Alle drei sahen auf, als die Wohnungstür ins Schloss fiel.

„Hallo“, sagte Yoshiki etwas unbehaglich. Auf einmal wusste er etwas mit der Aussage anzufangen, dass man immer am meisten zur Konversation zu einer Party beitrug, wenn man nicht dort war.

„Wir sind wieder da“, steuerte hide unnötigerweise bei und unterbrach damit Yoshikis Gedankengang. „Mann!“

Mit zwei Schritten war er zum Couchtisch hinübergeflitzt und hob die Chipstüte an. Leer. Offensichtlich verstimmt knüllte er sie zusammen. „Schön, dass du mir was aufgehoben hast“, murrte er und warf Taiji den Plastikfolienball an den Kopf. Er prallte ab und rollte einige Meter über den Boden davon, wo er sich knisternd langsam wieder entfaltete.

Taiji rieb sich unbeeindruckt die Stirn und wechselte wenig dezent das Thema, indem er fragte: „Und? Habt ihr geredet?“

Yoshiki versuchte, ihm einen Blick zuzuwerfen, der deutlich sagte, wie sauer er war. Doch abgesehen davon, dass der Bassist es vermied, ihn anzusehen, spürte er auch, dass er nicht in der Lage war, die nötige emotionale Energie aufzubringen. Er fühlte sich ein wenig leer. Es war für heute wohl gut mit großen Gefühlen.

„Ja“, antwortete hide. „Und in der Tat haben wir eine Ankündigung. Ich bitte um Aufmerksamkeit. Mmh. Ich brauch – braucht man ein Glas für so was?“ Er sah sich um, als erwarte er, dass plötzlich ein Sektglas in seiner Wohnung erschien, an das er mit einer ebenfalls auf mysteriöse Weise aufgetauchten Kuchengabel klopfen konnte, um sich so Gehör zu verschaffen.

Yoshiki trat neben ihn und murmelte ihm ins Ohr: „Es ist nicht so offiziell.“

„Ja. Gut. Also.“ hide wandte sich dem Raum zu und breitete die Arme aus. „Gentlemen, ich geh nach Tokio“, verkündete er, mit einem halben Seitenblick zu Yoshiki.

„Und ich komm mit“, ergänzte dieser.

„Ihr macht was?“, fragte Toshi verdattert.

Yoshiki nickte. „Wir gehen nach Tokio. Und wir hoffen, dass ihr mitkommt.“

„Wer war noch nicht, wer will nochmal?“, rief hide in die Runde, „Tokio, eine neue Runde, eine neue Runde!“

„Jo“, sagte Taiji und klopfte sich zweimal aufs Knie. „Tun wir’s.“ Er schien nur darauf gewartet zu haben.

„Ernsthaft?“ hide schaute überrascht. „Das ging ja schnell.“

„Wenn sich nicht bald was an der Gesamtsituation verändert“, sagte Taiji sehr ruhig, „fress ich den Putz von der Wand.“

„Was’s‘ mit dir?“, fragte hide in Richtung Pata, der sich in seiner Sofaecke abgesehen von seinen Fingern auf den Saiten gar nicht bewegt hatte.

„Ich muss nachfragen“, sagte er nach etwas, das wohl wie ein kurzes Nachdenken aussehen sollte, aber niemanden täuschte: Pata wirkte nicht im Geringsten überrascht von dieser Entwicklung.

„Wen?“, fragte Taiji in einer Art abfälliger Belustigung. „Mama?“

„Nein“, erwiderte Pata ruhig. „Und du musst gar nicht so tun. Als müsstest du deine Eltern nicht fragen.“

Taiji schob den Unterkiefer ein Stück vor und sagte nichts.

In den Augenblicken der Stille, die folgte, richteten sich nacheinander alle Augen auf den einzigen im Raum, der noch nichts gesagt hatte.

„Toshi?“ fragte Yoshiki schließlich.

Dieser verzog ein wenig beschämt, aber gleichzeitig unschlüssig das Gesicht und zupfte an einer überlangen Haarsträhne herum. „Tokio, hu?“, murmelte er. „Wow…“ Das hier ging sehr plötzlich sehr schnell. Empfand das denn sonst niemand als bedrohlich?

Die Matratze sank ein Stück ein, als Yoshiki sich neben seine Füße auf die Bettkante fallen ließ. „Hu was?“

„Nichts. Nur Hu.“

„Was, du… willst nicht mit?“, erkundigte Yoshiki sich ungläubig und griff nach Toshis großem Zeh, um ihn ein wenig hin und her zu wackeln. „Komm schon. Du kannst mich nicht allein nach Tokio gehen lassen.“

„Da hat er Recht“, sagte Taiji trocken und stand auf, um die Kekstüte einzusammeln und den Müll zu verfrachten. „Wenn seine Mama nicht mehr auf ihn aufpasst, müssen wir uns das in Schichten aufteilen.“

„Ahahaha. Das sagt genau der richtige“, erwiderte Yoshiki und warf ein Augenrollen über die Schulter. Doch schnell drehte er sich zu Toshi zurück. „Toshi. Das wird voll das Abenteuer. Sag ja zum Abenteuer.“

„Ja…“, begann der Sänger zögerlich und wie zu erwarten folgte ein Aber. „Aber ich kenn doch in Tokio niemanden. Wo und von was sollen wir denn leben? Tokio ist teuer und ich hab kein erfolgreiches Familienunternehmen im Hintergrund.“

Irritiert runzelte sein Freund die Stirn. „Ich dachte, wir ziehen zusammen?“

Jetzt blinzelte Toshi ebenso irritiert zurück. „Was?“

„Du hast doch gesagt, du willst mit mir zusammenwohnen.“

„Wenn wir fünfzig sind!“, entgegnete Toshi.

„Sieh es als Testlauf.“

Toshi seufzte. So was von nicht überzeugt.

„Komm schon“, beharrte Yoshiki. „Das wird spannend! Wir schaffen das schon. Wir schaffen alles. War doch klar, dass das Risiko irgendwann kommt. Man muss manchmal auch einfach… äh…“

„…was Bescheuertes tun“, vervollständigte hide. Er saß jetzt rittlings auf der Sofalehne und baumelte mit dem linken Bein. „Und ganz, ganz fest daran glauben.“

Langsam, ganz langsam hob Toshi den Blick von Yoshiki in seine Richtung. hide zeigte ihm Daumen hoch und grinste. Toshi senkte den Blick wieder. Yoshiki wackelte in freudiger Erwartung mit den Augenbrauen. Das hatte er ihn wirklich noch nie tun sehen. Er seufzte noch einmal, sehr schwer diesmal. „Na gut“, sagte er dann schicksalsergeben. „Von mir aus.“

Yoshiki drehte sich um und grinste in die Runde.

„Ich glaube, das ist Toshis Art zu sagen: Tokio, Baby!“


Nachwort zu diesem Kapitel:
(๑˃̵ᴗ˂̵)و
Yeaaah.

... Ich liebe Yoshiki und hide. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  PantheraSade
2017-11-14T19:40:49+00:00 14.11.2017 20:40
Bitte schreib weiter.
Deine Leser sind da.. auch wenn kaum einer kommentiert.
Die Zeiten sind hart, winter is coming /:
Und deine ff eines der wenigen Dinge die einen aufmuntern.
Von:  SamAngel
2017-10-23T18:05:02+00:00 23.10.2017 20:05
Ich liebe es, wenn die Jungs alle auf einem Haufen sind.

Yoshi und Taiji sind mir noch ein Raetsel, aber da komm ich auch noch hinter.

Hide und Yoshi...uhhhhhhhh das haette schief gehen koennen.

TOKYO BABY TOKYO...mal gucken was sie da so alles anstellen.

Mach weiter so *Daumen hoch*

LG
Sam


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