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Das Finale: Licht der Wahrheit

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Mord im Spiegelkabinett Teil 2

 

                                                                         Mord im Spiegelkabinett Teil 2

 

Die Mittagssonne kümmerte sich nicht um die Geschehnisse des Tages, tauchte die Szenerie in ein leuchtendes Gold, als sich Kommissar Megure mit seinen Leuten beriet.

Takagi räusperte sich, blätterte mit geübten Fingern in seinem Notizbuch. „Bei dem Toten handelt es sich um den 26-jährigen Juri Tanagiba. Er starb gegen 4 und 6 Uhr durch Verblutung.“

Megure musterte seinen Untergebenen. „Sie meinen, er ist an den Verletzungen durch die Glasscherben gestorben?“

Takagi nickte. „Herr Tanagiba litt an einer erblichen Herzerkrankung. Er nahm nun schon seit zwei Jahren Blut verdünnende Medikamente. Dies war auch der Grund, warum der Vorfall mit den Glassplittern so tödlich für ihn endete.“

„Können wir also von einem Unfall ausgehen?“

„Das ist schwer zu sagen. Es fand sich auch eine Pistole am Tatort. Es befinden sich nur die Fingerabdrücke des Opfers auf ihr, zudem gibt es keine Anzeichen, dass Tanagiba durch eine der Kugeln verletzt wurde.“

„Wurden die Besucher des Kabinetts auf Schmauchspuren untersucht?“, fragte Megure.

„Nun, ja“, erwiderte Sato ernst. „Zum Todeszeitpunkt war das Kabinett geschlossen. Es scheint, als hätte sich das Opfer gewaltsam Zutritt verschafft. Außer Tanagiba selbst war niemand vor Ort. Auf seiner Kleidung sind jedoch eindeutig Schmauchspuren festzustellen.“

„Verdammt!“ Wütend ballte Megure die Hand zur Faust. „Das macht es kompliziert.“

„Am nächsten Morgen wurde das Opfer von drei Freunden Tanagibas gefunden“, fuhr Takagi fort. „Sie alle warten auf ihre Befragung.“

Megure nickte. „Gut. Kommen Sie, Sato. Dann werden wir uns die drei einmal vornehmen. Und Takagi? Ich möchte, dass Sie sämtliches Personal befragen, das gestern Nacht hier Dienst tat. Vielleicht hat jemand etwas Ungewöhnliches bemerkt.“

„Jawohl!“ Mit entschlossenem Blick wandte sich der Inspektor zum Gehen. Nicht aber, ohne Sato zuvor noch einen langen Blick zuzuwerfen.

 

Niemand von ihnen bemerkte den kleinen Schatten, der ihnen folgte. Nur in der umstehenden Menschenmenge hob eine junge Frau den Kopf, folgte ihm mit liebevollen Blick. Es hatte Zeiten gegeben, wo Ran ihn davon abgehalten hatte, der Polizei auf Schritt und Tritt zu folgen. Doch die glühende Leidenschaft in seinen Augen, wenn die Lösung langsam näher rückte, sein ausgeprägtes Gespür für Details, die selbst die Polizei nicht bemerkte, all das hatte sie dazu bewegt, ihn gewähren zu lassen. Es hatte ohnehin keinen Sinn, den Kleinen von all dem fern zu halten. Es schien, die Suche nach der Wahrheit war eine Sucht für ihn, eine Droge, der er sich nicht entziehen konnte. So wie es einst bei Shinichi gewesen war. "Shinichi…ich vermisse dich so…" Heftig schüttelte sie den Kopf, rang um ein Lächeln. Was tat sie hier? Sie hatte vier kleine Kinder zu suchen. Und diese Kinder hatten eine besondere Begabung dafür, sich in Gefahr zu bringen. Sie tat besser daran sie zu finden.

 

Mittlerweile spannten sich Absperrungen um das Gelände, sorgten dafür, dass Außenstehenden der Eintritt verwehrt blieb. An den eilends aufgestellten Gittern scharten sich Männer, Frauen und Kinder, sahen mit großen Augen auf das Geschehen. Ran stand zwischen ihnen. Conan hätte sie überall erkannt. Als sich ihre Blicke begegneten, huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. Er erwiderte ihr Lächeln, spürte, wie sich eine wohltuende Wärme in seinem Inneren ausbreitete. "Ran…irgendwann komme ich zu dir zurück. Irgendwann…versprochen."

 

Ein Mann drängte sich vor sie und er verlor sie aus den Augen. Im selben Moment begann Kommissar Megure zu sprechen. „So, Sie sind also die Freunde des Opfers?“

„J-ja.“ Der Sprecher war ein hoch aufgeschossener Mann. Das bleiche, dünne Gesicht wurde von braunem, lockigem Haar umrahmt. „Ich bin Takeshi Hiwato.“ Er warf einen Blick zu seiner Linken. „Ich habe seine…ich meine, ihn, mit Mika zusammen gefunden.“

Die Frau, die ihm bisher beruhigend über die Schulter gestrichen hatte, nickte. Auch sie war mittleren Alters. Das braune Haar fiel ihr glatt bis auf die Schultern, das Gesicht war sorgfältig geschminkt. „Ja, das haben wir. Ich bin Mika Matsuri, Herr Kommissar.“

Megure nickte ihr zu, bevor er sich an den dritten Beteiligten wandte. „Und wer sind Sie?“

„Hayato Nishiiwa.“ Nervös strich sich der Mann das sich lichtende Haar aus dem rundlichen Gesicht. „Ich hörte Mika schreien. Also habe ich nach ihr gesucht. Als ich sie gefunden hatte, stand sie mit Takeshi vor dem armen Juri! Oh, es war schrecklich…“ Tränen bildeten sich in seinen Augen.

Megures Stimme nahm einen väterlichen Klang an. „Na, na. Ist ja schon gut.“

„Ich bin Osamo Kuronida“, stellte sich der Letzte der Personengruppe vor. Er war deutlich kleiner als die anderen. Kurzgeschnittenes, schwarzes Haar klebte ihm in der nassen Stirn, seine Augen verschwanden beinah hinter dem breiten Gestell einer schwarzen Brille. „Ich kenne die anderen vielleicht seit ein paar Stunden.“

„Ja“, kam Mika ihm zu Hilfe. „Auch Herr Kuronida ist meinem Schrei gefolgt. Er hat uns nach draußen geführt und die Dinge in die Hand genommen.“ Sie lächelte ihm zu. „Dafür bin ich ihm sehr dankbar.“

Kommisaar Megure musterte den Mann erfreut. „Alle Achtung. Das war sehr umsichtig von Ihnen.“

Nervös strich sich der Angesprochene den Schweiß aus der Stirn. „Oh, danke. Vielen Dank, Herr Kommissar.“ Sein unruhiger Blick huschte unentwegt von den Versammelten zu den Menschen hinter der Absperrung.

„Suchen Sie wen?“ Betont unschuldig sah Conan zu Kuronida auf.

Er zuckte zusammen. „Was? Oh, nein. Wie kommst du denn darauf?“ Seine Lippen zuckten, die Andeutung eines Lächelns, das seine Augen nicht erreichte.

„Conan, was machst du denn hier?“, fragte Megure. Durch seine Frage waren auch die Polizisten auf ihn aufmerksam geworden.

Verlegen verwuschelte sich Conan das Haar. „Nun ja…äh…das ist alles so spannend hier…und da dachte ich…“

Lächelnd beugte sich Sato zu ihm herab. „Ist es denn so schlimm, Herr Kommissar? Wir wissen doch alle, wie oft uns Conan schon geholfen hat.“

Megure gab ein lautes Seufzen von sich. „Nun gut. Wenn es denn sein muss.“ Erneut richtete sich seine Aufmerksamkeit auf die Verdächtigen. „Darf ich erfahren, in welcher Verbindung Sie zu dem Toten standen?“

Nach Worten suchend, zupfte Herr Nishiiwa an dem Hemd, das sich eng um seinen beträchtlichen Bauch spannte. „Wir alle drei besuchen schon seit Jahren den gleichen Schützenverein.“

„Das heißt, sie alle können mit einer Waffe umgehen?“

„Ja, gewiss.“ Er warf einen Seitenblick zu Herrn Hiwato. „Obwohl uns Takeshi immer einen Schritt voraus war, nicht wahr?“

Frau Matsuri nickte. „Oh ja. Was wir auch taten, immer war er es, der alle Preise absahnte.“

Über ihre Worte war Hiwato rot geworden. „Hör auf, Mika. Du machst mich ja ganz verlegen.“

Megure räusperte sich. „Wie auch immer…wie genau hat sich der Fund der Leiche gestaltet?“

„Nun, wir waren für den heutigen morgen verabredet“, begann Herr Hiwato stockend. „Wir wollten uns vor dem Kabinett treffen, sobald der Jahrmarkt öffnet.“

Der Kommissar runzelte die Stirn. „Ist es nicht ein wenig seltsam, sich so früh morgens zu treffen?“

„Nun ja, wir alle mögen keine großen Warteschlangen. Ist das so verwerflich?“

Megure räusperte sich. „Entschuldigen Sie, fahren Sie fort.“

„Gut. Ich war früher als die anderen da und wartete schon auf sie. Als das Kabinett öffnete, waren wir die ersten, die hineingingen. Juri...Her Tanagiba war zwar noch nicht da, aber wir nahmen an, er würde schon kommen, wenn er ausgeschlafen hätte. Wir wussten ja nicht, dass er...“ Hiwatos Stimme versagte. Er räusperte sich vernehmlich, fuhr dann fort. „Im Innern des Kabinetts trennten wir uns dann, aber Mika und ich haben uns getroffen, bevor…wir ihn gesehen haben.“

 

„Herr Kommissar!“ Ein wenig außer Atem kam Takagi vor Megure zum Stehen. „Gestern Nacht hatte nach den Öffnungszeiten niemand mehr im Jahrmarkt Dienst, bisher haben sich auch ansonsten keine Zeugen gemeldet.“

„Konnten Sie denn etwas über den Beamer herausfinden, den wir am Tatort vorfanden?“

„Ja, es handelt sich um ein Leihgerät der Firma Science and Care, das vor zwei Wochen von einer gewissen Mitsura Kenda entliehen wurde. Die Frau sagte aus, ein freundlicher Mann habe sich erboten, das Gerät für sie zurückzubringen, nachdem er ihr beim Tragen ihres Einkaufs geholfen hatte.“

„Konnte sie sich an das Gesicht dieses Mannes erinnern?“

Betreten schüttelte Takagi den Kopf. „Die Dame ist ein wenig in die Jahre gekommen. Der Beamer war für ihren Enkel angedacht, der ihr Fotografien aus dem Ausland zeigen wollte. Verbindungen zwischen ihr und dem Opfer, oder einem der Verdächtigen sind nicht bekannt.“

Der Kommissar nickte. „Ich verstehe.“ Erneut wandte er sich an die Versammelten. „Können Sie mir sagen, wo Sie sich gestern Nacht zwischen vier und sechs Uhr aufgehalten haben?“

Nishiiwa sah gekränkt zu Boden. „Sie verdächtigen uns doch nicht etwa? Ich meine, wir waren doch seine Freunde.“

Gefasst erwiderte der Kommissar seinen Blick. „Reine Routine. Sie verstehen doch sicherlich?“

Nishiiwa wandte den Blick ab. „Natürlich.“

 

„Du, Onkel?“ Conan zupfte an Kuronidas Mantel. „Darf ich auch mal hören, was du so aufgenommen hast? Bitte, ja?“

Unter den Blicken der Beamten schrumpfte der ohnehin schon kleine Mann noch mehr in sich zusammen. „A-aber Junge…wovon redest du denn da?“

Vergnügt verschränkte Conan die Arme hinter dem Rücken. „Nun ja, immer wenn jemand leise sprichst, kommst du ein wenig näher heran. Ich dachte erst, du hörst schlecht, aber dann habe ich gesehen, dass du deine Hand die ganze Zeit über in der Tasche hattest. Darf ich mithören? Bitte!“

Der Blick Megures bohrte sich in den Kuronidas. „Würden Sie uns bitte den Inhalt ihrer Tasche zeigen?“

Langsam zog der Schwarzhaarige ein Aufnahmegerät hervor.

Der Kommissar warf Conan einen anerkennenden Blick zu, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder auf sein Gegenüber lenkte. „Warum bitte nehmen Sie dieses Gespräch auf?“

„Oh, nun, ich…ich…wollte…wissen Sie, ich bin zum ersten Mal in so einen Vorfall verwickelt. Und da wollte ich meinen Freunden zeigen, wie die Polizei so arbeitet, wissen Sie…“

„Wir müssen Sie bitten, uns das Gerät auszuhändigen. Nach unseren Ermittlungen können Sie es sich im örtlichen Polizeirevier abholen.“

„J-ja natürlich.“ Seine Hände zitterten leicht, als er dem Kommissar das Gerät überreichte.

„Vielen Dank.“ Er reichte das Aufnahmegerät weiter an Sato. „Wo waren wir stehen geblieben, ach ja, ich befragte Sie soeben nach ihrem Aufenthaltsort zur Tatzeit.“

„Wir alle haben ein Alibi“, meinte Hiwato ernst. „Denn gestern haben wir noch bis spät in die Nacht gemeinsam gefeiert.“

Megure sah von einem zum anderen. „Stimmt das?“

Matsuri nickte. „Ja. Wir haben uns gegen zweiundzwanzig Uhr bei mir getroffen. Juri war auch eingeladen. Wir haben uns noch gewundert, warum er nicht gekommen ist.“

„Kann das der Rest bestätigen?“

Herr Nishiiwa nickte.

Resigniert wandte sich Megure zu seinen Kollegen. „Dann können Sie es nicht gewesen sein.“

Sato warf einen Blick in Conans Richtung. „Wahrscheinlich…“

 

Tief in Gedanken versunken, hatte Conan begonnen, auf und ab zu gehen. Langsam fügten sich alle Teile zusammen. Er wusste, einer der drei war der Mörder. Nur wer? Und wie hatte sich er oder sie ein Alibi verschafft? Die Erkenntnis durchzuckte ihn wie ein Blitz. Das ist es! Siegessicher schweifte sein Blick zwischen den Verdächtigen. Nun weiß ich wer der Mörder ist! Und ich weiß, wie er den Mord vollbringen konnte, ohne vor Ort zu sein!

„Ist das nicht ein bisschen langweilig?“, fragte Conan laut. „Also ich meine, wenn man so ganz allein in ein Kabinett einbricht?“

Lächelnd beugte sich Sato zu ihm herab. „Aber er war doch nicht allein, Conan. Er muss sich im Kabinett mit Jemandem getroffen haben. Zumindest wäre das die logischste Erklärung. Nur wenn es einen zweiten Besucher in dieser Nacht gab, so hat er nicht die geringste Spuren hinterlassen.“

„Und wenn sich der andere nun verspätet hat? Also wenn mir im Kabinett langweilig geworden wäre, dann hätte ich mir mit dem Beamer lustige Bilder angeguckt. Wenn die so von den Spiegeln reflektiert werden, sehen die richtig echt aus! Wie lebende Menschen!“

Satos Augen weiteten sich. „Du meinst also…“

Er wandte sich an Takagi. „Stimmt es eigentlich, dass ein Spiegel vor gestern Nacht kaputt war?“

„J-ja, das stimmt. Der Pförtner hat es mir bei der Befragung erzählt.“

„Toll!!!“ Begeistert breitete Conan die Arme aus. „Dann könnte man ja auch so tun, als wenn der Spiegel in der Nacht kaputt gegangen wäre. Man muss nur im Beamer das Geräusch eines Schusses aufnehmen!“

„Dann könnte sich das Opfer wirklich bedroht gefühlt haben, ohne dass der Täter überhaupt vor Ort war“, sagte Megure langsam.

„Ich dachte, Sie sind hier die Fachkräfte!“, rief Hiwato aufgebracht. „Wollen Sie sich jetzt von einem Kind die Arbeit abnehmen lassen?“

Sato warf ihm einen ruhigen Blick zu. „Conan ist kein gewöhnliches Kind.“

Ungeduldig begann Conan auf und ab zu hüpfen. „Können wir vielleicht einmal reingehen und es drinnen ausprobieren? Bitte! Bitte! Bitte!“

Fragend sahen die Inspektoren in Megures Richtung. Dieser nickte. „Wenn Sie uns bitte folgen würden?“

 

Die Leiche Tanagibas war bereits entfernt worden. Nur weiße Kreidestriche kündeten noch von der Stelle, wo er am Boden gelegen hatte. Sie stellten den Beamer auf, ein eilends organisierter Film wurde den Inspektoren gereicht. „Dann wollen wir doch einmal sehen…“ Gespannt steckte Sato einen USB-Stick in den Anschluss. Nach einer kurzen Ladezeit wurde das Titelbild an die Wand geworfen. Sie verstellte die Größe des Bildes, bis es genau die Maße eines Spiegels ausfüllte. Dann ließ sie den Film laufen. Hunderte Mal wurde das Bild zurückgeworfen, erschien teilweise verzerrt, teilweise scharf geschnitten auf dem glatten Glas. Auch das Licht des Beamers wurde reflektiert und zurückgeworfen. Conan lächelte triumphierend. In der Tat war nicht zu erkennen, wo nun das echte Bild her stammte.

„Ja! In der Tat! So könnte es gewesen sein!“ Ein begeistertes Grinsen hatte sich auf Megures Gesicht gestohlen. „Aber dennoch muss der Mörder dort gewesen sein um den Beamer einzuschalten.“

„Ich weiß! Ich weiß! Guck mal, das habe ich bei Onkel Mori gelernt.“ Eifrig lief Conan an Satos Seite, betätigte einen Knopf am Rande des Bildes. „Bei neueren Geräten kann man auch einstellen, dass sich ein Film immer und immer wieder wiederholt, wenn er zu Ende ist.“

„Das heißt, der Mörder hätte den Beamer auch lange vor der Tatzeit einstellen können…“

„Warum hören Sie überhaupt auf dieses Balg! Glauben Sie etwa dem Geschwätz eines Kindes?!“

„An ihrer Stelle wäre ich nicht so vorlaut“, entgegnete Megure. „Denn so wie die Dinge liegen, sind sie alle wieder verdächtig.“

„Ach ja?“, durchdrang Matsuris Stimme die plötzliche Stille. „Dann sagen Sie mir mal, wie man mit einem Beamer jemanden ermorden soll!“

„Vielleicht wäre das in Tanagibas Fall gar nicht so schwer…“, sagte Takagi nachdenklich. „Nehmen wir mal an, er hatte hier eine Verabredung mit seinem Mörder. Wahrscheinlich wusste er schon, dass dieses Treffen gefährlich für ihn enden könnte. Also nahm er seine Waffe mit. Er ging in das Spiegelkabinett. Wahrscheinlich war die Tür zu diesem Zeitpunkt schon aufgebrochen, denn zuvor musste der Mörder ja den Beamer installieren. Dies allein musste Tanagiba zeigen, dass der Täter bereits vor Ort war. Als er sich dann seinen Weg durch das Kabinett bahnte, könnte er bereits die Stimme aus dem Film gehört haben. Ich nehme einfach mal, dass der Mörder sich zuvor selbst vor einem passenden Hintergrund gefilmt hatte.“

„Und als er dann den Schuss hörte, vielleicht sogar den zerstörten Spiegel sah“, fuhr Sato fort, griff er selbst zur Waffe. Er zerschoss alle Spiegelbilder seines Mörders, konnte ihn aber nicht finden. Also könnte er in Panik verfallen sein.“

„Ja“, beendete Megure. „Und dabei hat er sich dann selbst an zahllosen Scherben verletzt und ist letztendlich verblutet.“

„So wie Sie die Tat beschreiben, könnte sie jeder von uns begangen haben!“, entrüstete sich Nishiiwa. „Diese Unterstellung ist ungeheuerlich!“

Verwirrt hielt Megure inne. „Tja…wer war es denn nun?“

Also wenn ich so etwas vorhätte“, meinte Conan vergnügt, „Dann würde ich zusehen, dass ich morgens als erster am Kabinett bin und auch die Leiche zuerst finde. Denn immerhin müsste ich ja noch den USB-Stick entfernen, der das Opfer in der Nacht so zum Narren gehalten hat.“

Megure riss die Augen auf. „Du hast recht! Aber wer…“ Dann trat plötzliches Erkennen in seine Augen. „Takeshi Hiwato! Sie müssen es gewesen sein!“

 

Abwehrend hob der Angesprochene die Hände. „Aber, aber, wie kommen Sie den darauf?“

„Sie waren der Erste, der morgens vor dem Kabinett stand. Zudem entdeckten sie zusammen mit Frau Matsuri die Leiche. Nur so konnten Sie vorsorgen, dass der USB-Stick unbemerkt bleiben würde. Jemand, der erst später am Treffpunkt erschienen wäre, oder gar nicht erst die Leiche gefunden hat, kommt nicht für die Tat in Frage.“

Hiwato trat einen Schritt zurück. „N-nichts für ungut, Herr Kommissar, aber, wie wollen Sie das bitteschön beweisen?“

Sato lächelte. „Das ist leicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie die Zeit hatten, den Stick zu entsorgen. Sie müssen ihn immer noch bei sich tragen. Ich denke eine Leibesvisitation wird den Beweis ans Licht bringen.“

Erschreckt atmete Frau Matsuri aus. „Stimmt das? Hast du wirklich…“

„Nein!“, keuchte Nishiiwa. „Das glaube ich nicht! Takeshi! Das glaube ich einfach nicht!“

„Gebt endlich Ruhe, verdammt noch mal!!!“ Auf Hiwatos Schrei verstummten die entsetzten Ausrufe seiner Freunde. „Ich war es“, sagte er leise. „Ja, ich habe Juri ermordet.“

Tränen hatten sich in Matsuris Augen gebildet. „Aber…warum?“

„Er hat mich schon immer beneidet. Ständig hat er versucht, besser zu sein als ich, aber er ist immer gescheitert. Ich wusste, dass er mich deswegen hasste. Das er jeder noch so unfaire Chance für den Sieg nutzen würde. Aber ich hätte nicht gedacht…“

„Was?“, hakte Megure nach. „Was hätten Sie nicht gedacht?“

„Das er vor hatte, mich zu töten!!!“

Ein entsetztes Schweigen folgte.

„Wie kommen Sie darauf?“, fragte Takagi leise.

„Ich habe es im Internet gelesen…auf dem Forum unserer Vereinsseite. Es war nachdem ich wieder einen Wettbewerb für mich entschieden hatte. Irgendwann werde ich ihn dafür erschießen, stand dort. Das war auch der Tag, an dem mir auffiel, dass er immer seine Pistole mit sich nahm, wenn wir etwas zusammen unternahmen. Und da habe ich beschlossen, ihm zuvor zu kommen und…“

„Aber Takeshi“, Nishiiwas Stimme zitterte. „Die Pistole war ein Erbstück seines Vaters. Deswegen trug er sie immer bei sich. Nicht wegen dir…“

Teilnahmslos blickte der Angesprochene auf. „Ist das so? Dennoch wollte er mich…“

„Sie sind ein verdammter Dummkopf!“ Sato war aufgesprungen. „Glauben Sie wirklich, dass Jemand, der sie ernsthaft ermorden wollte, dass zuvor auf einer öffentlichen Internetseite schreiben würde?!“

Hiwato erwiderte nichts. Er sah zu Boden, schien seine Umgebung nicht mehr wahrzunehmen.

 

„Sie wollten ihn eigentlich gar nicht umbringen.“ Alle Blicke richteten sich auf Conan. „Für Jemanden, der wirklich einen Mord begehen möchte, ist diese Methode zu unsicher. Auch wenn eine Verletzung unter diesen Umständen wahrscheinlich war, konnten Sie nicht davon ausgehen. Und auch wenn Herr Tanagiba blutverdünnende Medikamente nahm, hätte ein kleiner Schnitt nicht ausgereicht. Das wussten Sie.“

Hiwato sah hoch. Ein trauriges Lächeln bildete sich um seine Mundwinkel. „Ja…ein Teil von mir hatte gehofft, dass er den Trick bemerken würde…dass er vorher fliehen würde. Denn weißt du, Kleiner? Einst waren wir wirklich Freunde gewesen.“

Megure trat einen Schritt vor. „Takeshi Hiwato, hiermit sind Sie wegen Mordes an Juri Tanagiba festgenommen.“

Handschellen schlossen sich um die Hände Tanagibas, er wurde hinaus geführt. Ratlos sahen seine Freunde einander an, dann folgten sie den Polizisten hinaus aus dem Kabinett.

Conan blieb zurück. Er sah ihnen nach, genoss das prickelnde Gefühl des Triumphes das sich in ihm ausbreitete. Er hatte richtig gelegen. Wieder einmal.

 

Ein Handy klingelte, sagte ihm, dass er nicht allein war. Osamo Kuronida, der gerade mit dem Gerät gespielt hatte, ließ es, ob dem plötzlichen Geräusch erschreckt fallen. Klappernd landete das Telefon vor Conans Füßen. Der geschrumpfte Oberschüler hob es auf. Auf dem Display blinkte der Name des Anrufers: Gin. Für eine endlose Sekunde erstarrte er. Sie sind hier! Seine Glieder fühlten sich taub an, so als gehörten sie einem anderen. Das Herz pochte ihm so schnell gegen die Rippen, dass er glaubte, sein Gegenüber müsste es hören. Er benötigte all seine Willenskraft um das Handy seinem Besitzer auszuhändigen. „Ich glaube, dass ist dir runter gefallen.“

„Danke. Bist ein braver Junge.“ Kuronida lächelte. Dann verließ er das Spiegelkabinett.

Conan folgte ihm.

 

Es war zum verrückt werden! Wo sollten die vier denn noch sein? Unruhig bahnte sich Ran einen Weg durch die Menschenmenge. Da erblickte sie ein bekanntes Gesicht inmitten der Passanten. Conan lief einem Mann nach. Er tat es nicht auffällig, schlenderte mehr, als dass er ging. Schien die Sonne zu genießen, die Jahrmarktsbuden zu bewundern. Doch er tat es. Sie sah es, spürte es. Angst kam in ihr auf. Verunsicherte sie. Es war dasselbe Gefühl wie damals, im Tropical Island. Als Shinichi damals fortgegangen war, hatte sie das Gefühl gehabt, ihn niemals wieder zu sehen. Und teilweise hatte es gestimmt. Es hatte sich etwas verändert an diesem Tag, auch wenn sie nicht genau wusste, was es war. Nun sah sie ihn kaum noch. Alle paar Monate für einen kurzen, ersehnten Augenblick. Niemals blieb er lange, höchstens für einen Tag. Wenige Stunden, die ihr Herz schneller schlagen ließen. Ansonsten blieb er verschwunden. Sie konnte nicht sagen, woher sie diese Sicherheit nahm, aber sie wusste es: Wenn sie jetzt nicht ging, würde sie auch Conan nicht mehr sehen. Vielleicht nie wieder. „Nein“, flüsterte sie. „Ich werde nicht noch jemanden verlieren.“ Dann machte sie sich auf, ihm zu folgen.

 



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