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Die Schwachen und die Skrupellosen

von

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Zwei Arten von Monstern

Als Emanuel an diesem Morgen die Augen öffnete, war Peter bereits wach und blickte auf ihn hinab:

„Das ist gruselig!“ murmelte der Jüngere mit einem kleinen Lächeln: „Warum belauerst du mich?“
 

„Ich mag, wie du aussiehst, wenn du schläfst!“ gab Peter zurück.
 

Emanuel runzelte die Stirn:

„Wieso? Wie sehe ich denn dann aus?“

Peters Worte verunsicherten ihn.
 

Der Werwolf lächelte:

„Jung!“ erwiderte er: „Lieb und...schön!“
 

„Ach, hör schon auf!“ murmelte Emanuel verlegen.
 

Peter lachte. Dann fragte er:

„Ich würde gern wissen, was MEIN PARTNER davon hält, mit mir Pfannkuchen frühstücken zu gehen?“
 

Emanuels Augen weiteten sich überrascht. Dann lächelte er, drehte Peter sanft auf den Rücken, hockte sich auf ihn, während sich seine Hände ihren Weg unter dessen T-Shirt suchten und er damit begann, ihn leidenschaftlich zu küssen.
 

In einer kleinen Atempause neckte ihn Peter mit der Frage:

„Macht das Versprechen auf ein bisschen Zucker dich tatsächlich so sehr an?“
 

„Idiot!“ erwiderte Emanuel sanft: „Du weißt genau, dass es nicht DARUM geht!“
 

Peter grinste:

„Lust auf ein kleines Workout vor dem Carboloading im `Haus der tausend Pancakes´?“ wollte er wissen.
 

Emanuel grinste auch. So ein böses und hinterlistiges Lächeln hatte Peter an ihm noch niemals gesehen gesehen. In diesem Moment sah er wirklich wie Stiles aus:

„Also gut!“ stimmte der Junge zu: „Aber zu meinen Bedingungen, denn Strafe muss sein!“
 

Der Ältere riss überrascht die Augen auf und fragte nervös:

„Du willst doch wohl hoffentlich keinen Rollentausch?“
 

Emanuels Grinsen wurde breiter:

„Die Vorstellung macht dir Angst, wie? Aber ich ahne, dass du noch nicht soweit bist, kleiner Wolf! Nein, wir machen etwas anderes, auch wenn es in diese Richtung geht: DU wirst nämlich einfach mal ganz still halten und mich machen lassen. Sobald du dagegen verstößt, ist sofort Schluss und du bist auf dich allein gestellt. Hast du mich verstanden?“
 

Peter schenkte ihm einen ungläubigen Blick und murmelte schließlich ein leises: „Ja!“ denn ihm war klar, wenn er wollte, dass hier heute morgen noch etwas lief, spielte er wohl besser mit.
 

„Wie bitte? Wie war das? Ich kann dich nicht hören!“ sagte Emanuel nun streng.
 

`So ein kleiner Mistkerl!´ dachte Peter halb amüsiert, halb ärgerlich, doch er stieg darauf ein:

„Ich habe verstanden, Sir! Ich werde brav sein!“
 

Nun wurde Emanuels Lächeln wieder so sanft und liebevoll, wie Peter es von seinem Liebhaber kannte.
 

Der Junge schälte sich aus seinen Kleidern und half anschließend Peter beim ausziehen. Dann hockte er sich auf die Hüften des Älteren und gab zunächst ihm und dann sich selbst ein klein wenig Starthilfe, ehe er sich die Tube und ein Kondom vom Nachttisch schnappte.

Peter meinte beinahe den Verstand zu verlieren, wie er so passiv unter Emanuel lag und sich so ganz und gar dessen Tempo und Rhythmus anpassen musste:

„Du bist grausam!“ beschwerte er sich irgendwann schwer atmend, doch der junge Mann lachte bloß und drosselte die Geschwindigkeit seiner Hüftbewegungen sogar noch ein bisschen, um ihn noch ein klein wenig mehr zu quälen.
 

Hinterher musste Peter allerdings wenigstens vor sich selbst zugegeben, dass er dennoch voll und ganz auf seine Kosten gekommen war.

Natürlich würde er das niemals laut sagen!
 

Er lächelte auf Emanuel in seinem Arm hinab und küsste ihn auf den Scheitel.
 

Sich zu wehren, war ein Fehler gewesen. Lindsey musste einsehen, dass sie gegen ihren Entführer absolut gar nichts ausrichten konnte. Er war ihr körperlich mehr als überlegen, nicht nur, weil er ein erwachsener Mann, sondern auch, weil er ein... Monster, oder was auch immer war.
 

Es hatte so wahnsinnig weh getan, doch darüber versuchte sie jetzt nicht mehr nachzudenken. Sie versuchte, überhaupt nicht zu denken!

Oder zu fühlen!

Sie tat einfach so, als sei sie tot. Das hatte sie auch früher schon getan, wenn ihr Stiefvater sie geschlagen, oder angebrüllt hatte.

Schließlich konnte nichts wirklich schlimm sein, wenn man in Wirklichkeit gar nicht da war, richtig?
 

Und plötzlich hörte Lindsey etwas.

Eine Stimme.

Eine junge Stimme, welche aus dem Raum gleich neben ihrem Gefängnis drang und die flüsterte:

„Hallo? Ist da jemand?“
 

Lindsey schüttelte ihre Betäubung ab, blickte sich in ihrem spärlich beleuchteten Gefängnis um und dann entdeckte sie es wenig oberhalb des Bodens: Ein Rohr, dass aus einer Wand herausführte; vielleicht von einer Heizung oder Wasserleitung und um dieses Rohr herum waren Putz und Mauerwerk abgebröckelt; so sehr, dass ein winziges Loch entstanden war, welches bis in den Nebenraum reichte, von wo die Stimme gekommen.
 

Nebenan gab es also noch jemanden!
 

Lindsey legte sich vor das Loch auf den Bauch. Dass sie dabei schmutzig wurde, machte ihr nun auch schon nichts mehr aus. Auch nicht, dass hier vielleicht Mäuse oder Spinnen herum huschten, die sie normalerweise furchtbar hasste:

„Hallo?“ fragte sie in das Loch hinein: „Wer bist du?“
 

Einen Moment lang geschah gar nichts. Dann erklang wieder die Stimme des Mädchens:

„Ich bin Lizzy! Und wer bist du?“
 

„Ich bin Lindsey!“ flüsterte sie zurück: „Haben sie dich auch hier eingesperrt?“
 

„Ich bin seit gestern hier. Er hat mir eine Spritze gegeben!“ gab Lizzy leise zurück.
 

„Bei mir war es genauso!“ bestätigte Lindsey.
 

Auch wenn sie das andere Mädchen nicht sehen konnte und auch wenn ihr dies nicht helfen würde, hier herauszukommen, war sie dennoch wahnsinnig froh, dass sie nun nicht mehr ganz allein hier war, sondern jemanden zum Reden hatte.
 

Loba begleitete Malia heute wieder einmal an ihren Arbeitsplatz und irgendwie freute sie sich darauf, Chris wiederzusehen. Immerhin besaß diese eine Playstation 4 und lauter coole Spiele.

UND sie hatte ihr versprochen, ihr Musik zusammenzustellen.

Als Loba also aus Malias Wagen sprang und von Chris, die auf der Mauer vor der Regenbogenvilla saß mit: „Hey Prinzessin!“ begrüßt wurde, machte ihr Herz einen kleinen, aufgeregten Hüpfer.
 

Sie hockte sich neben Chris und schaute dieser zu, wie sie mit einem kleinen Taschenmesser gelangweilt an einen Stock herum schnitzte.
 

„Lauf nicht zu weit weg!“ ordnete Malia an und verschwand dann im Haus, um ihren Arbeitstag zu beginnen.
 

Im Mitarbeiterbüro saß Rod rittlings auf einem Bürostuhl, klammerte sich Halt suchend an der Rückenlehne fest und stierte in die Gegend. Nicht einmal, als Malia den Raum betrat, blickte er auf:
 

„Miese Nacht gehabt?“ fragte sie daher.
 

Ihr neuer Kollege erhob müde den Kopf:

„Ja, wirklich übel! Ich musste die ganze Zeit an Lindsey denken! Wo immer sie ist, sie muss wahnsinnig große Angst haben!“ Rod wischte sich mit dem Ärmel über die Augen: „Du musst mich für wahnsinnig unprofessionell halten, weil ich die ganze Zeit flenne, oder? Und wahrscheinlich bin ich es auch, aber ich habe diese Kinder nun einmal gern. Und Lindsey insbesondere.“
 

„Ach Quatsch!“ erwiderte Malia: „Wir arbeiten doch mit Menschen und nicht mit irgendwelchen leblosen Gegenständen. Natürlich sind dabei auch Gefühle im Spiel. Und diese Kinder brauchen doch jemanden, den es wirklich kümmert, wie es ihnen geht.“

Malia blickte sich suchend um und wollte dann wissen:

„Wo sind denn die anderen Kollegen?“
 

„Tyrone habe ich nachhause geschickt. Er hat die Nacht hier verbracht, weil er fand, es sollte nun rund um die Uhr jemand hier sein, falls Lindsey wiederkommt, oder die Polizei sich meldet. Und Claire ist gerade mit Bian, Kathy und Ellen beim Zahnarzt. Wenn sie wiederkommt, wird sie erst mal wieder nachhause gehen und ab heute Abend um acht wird sie dann hier die Nachtschicht schieben.“
 

„Ich kann dann morgen Nacht hier bleiben!“ bot Malia an: „Dann müssen sich eben Derek oder mein Vater um Loba kümmern. Immerhin sind sie ja beide in den Stadt. Und warum legst DU dich jetzt nicht eine Weile auf´s Ohr? Ich rufe dich, falls irgendetwas passiert, was ich nicht allein hinbekomme, einverstanden?“
 

Rod nickte dankbar und zog sich in ein kleines, abgelegenes Zimmerchen zurück, welches über ein Schlafsofa verfügte, um ein wenig Nachtschlaf nachzuholen.
 

Malia blieb im Büro, nahm Telefonate an, las in alten Berichten an das Jugendamt über die Entwicklung der Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses, nahm sich danach die alten Übergabebücher vor, in welchen die Mitarbeiter sich gegenseitig wichtige Ereignisse des Tages mitteilten und arbeitete sich darin langsam bis zur Gegenwart vor, studierte dann den Kalender, um zu wissen, welche Termine und Ereignisse in den nächsten Wochen anstanden und checkte zuletzt den E-Mail-Verkehr.
 

Die meisten Arbeitsabläufe ähnelten denen von Malias früherer Arbeitstelle in Los Angeles und aufgrund der jüngsten Ereignisse, welche es ihren Kolleginnen und Kollegen gerade unmöglich machten, sie bei jedem Schritt an die Hand zu nehmen, hatte Malia beschlossen, sich eben selbst so gut wie möglich einzuarbeiten.

Irgendwann kam Clay zu ihr ins Büro gestapft, setzte sich wortlos in einen der Korbsessel und fixierte Malia finster mit seinem Blick.
 

Sie hielt seinem Blick stand und wollte wissen:

„Kann ich irgendetwas für die tun, Kleiner?“
 

„Macht ihr eigentlich auch noch irgendetwas, oder wollt ihr bloß nutzlos auf euren Ärschen herumsitzen, bis sie Lindseys Leiche finden?“ bellte der Junge feindselig.
 

Malia blieb ruhig und wollte wissen:

„Und was schwebt dir vor? Was könnten wir unternehmen?“
 

„Na, da raus gehen und sie suchen zum Beispiel. Ihr seid doch dafür da, euch um uns zu kümmern. Also los! Kümmert euch!“ forderte der Junge barsch:
 

„Du machst dir Sorgen um sie, richtig?“ wollte Malia wissen:
 

„Was ist das denn für eine doofe Frage? Klar!“ schnappte Clay:
 

„Ihr wart doch gestern los und habt nach Lindsey gesucht, aber ihr konntet sie nicht finden. Was sollte heute anders sein?“ wollte Malia wissen.
 

Der Junge warf ihr einen hilflosen Blick zu und sah mit einem Mal sehr jung aus:

„Aber wir können sie doch nicht einfach im Stich lassen!“
 

„Die Polizei sucht nach ihr!“ warf Malia ein:
 

„Die Bullen hassen Leute wie Lindsey und mich; Leute die trans* sind!“ zischte Clay wütend: „Die werden keinen Finger rühren!“
 

„Glaube ich nicht. Lindsey ist ein fünfzehnjähriges Mädchen. Vermisstenanzeigen von Kindern muss die Polizei ernst nehmen, egal wie sie zur Frage ihrer sexuellen Identität steht.“
 

Sie hätte dem Jungen gern gesagt, dass sie bereits ihre eigenen Truppen auf diese Sache angesetzt hatte, doch das konnte sie natürlich nicht machen, denn sie hatte ja noch nicht einmal ihren Kollegen davon erzählt. Dafür war es auch noch zu früh, denn es gab ja noch gar keine wirklichen Ergebnisse vorzuweisen. Und wie sie die ganze Werwolfgeschichte erklären, oder aber geschickt umgehen sollte, war ihr dabei auch noch nicht so ganz klar.
 

Clay hatte sich mittlerweile in seinem Korbstuhl zusammengerollt und die Arme um die Knie geschlungen.
 

Malias Blick fiel dabei auf den Verband an dessen Handgelenk, der zuvor von seinem Ärmel verdeckt gewesen war und da wurde ihr auch klar, wo der latente Geruch des Blutes hergekommen war, den sie schon seit einer Weile wahrnahm:

„Du wirst die Welt nicht verändern, indem du gegen dich selbst kämpfst, Clay!“ kommentierte sie:
 

Der Junge schob schnell seinen Ärmel wieder herunter und bellte:

„Das geht dich gar nichts an!“
 

„Das ist nicht ganz richtig!“ korrigierte Malia: „Als Betreuerin bin ich auch für dein körperliches Wohl verantwortlich. Ich finde es nicht gut, dass du dir selbst so etwas antust. Das bedeutet aber nicht, dass ich es nicht nachvollziehen könnte. Ich kenne das Gefühl, so wütend zu sein, dass man nicht mehr weiß, wohin mit sich. Besonders in deinem Alter habe ich mich andauernd so gefühlt.“
 

„Was hat sich verändert?“ wollte Clay wissen.
 

Darüber musste Malia tatsächlich eine Weile nachdenken. Schließlich sagte sie:

„Ich bin älter geworden, habe Freunde und meinen Platz in der Welt gefunden und das wirst du auch! Du wirst etwas finden, was es wert ist, deine Kraft darin zu investieren. Und du brauchst ein Ventil! Vielleicht solltest du wirklich auf Kendras Angebot eingehen und kämpfen lernen?“
 

„Brauche ich nicht! Ich mache Muskelaufbau, wegen meiner Transition, weißt du? Ich bin richtig stark! Fühl´ mal!“

Er spannte den Bizeps an.
 

Malia fühlte und drückte ihre ernstgemeinte Anerkennung aus, doch dann erklärte sie:

„Allerdings könntest du so stark wie der unglaubliche Hulk sein, im Kampf nutzt dir das nicht unbedingt etwas. Technik gibt dir den entscheidenden Vorteil. Hast du Kendra gesehen? Sie ist winzig, aber sie kann die stärksten Männer auf´s Kreuz legen, denn sie ist schnell und kennt ihre Karategriffe im Schlaf!“
 

Clay zuckte unschlüssig mit den Schultern und Malia wurde klar dass es im Augenblick etwas Handfesteres und Konkreteres brauchte, um den Jungen aufzubauen; etwas das vielleicht helfen konnte, die vermisste Freundin wieder zu holen und da kam ihr eine Idee:

„Hast du gute Fotos von Lindsey? Du könntest einen Handzettel entwerfen, den wir verteilen und aushängen können. Vielleicht hat irgendwer ja gesehen, mit wem Lindsey zuletzt zusammen war, ob sie zu irgendwem ins Auto gestiegen ist, oder sonst etwas?“
 

Es war eigentlich nichts weiter als Beschäftigungstherapie, denn Malia wusste ja bereits, wer das Mädchen höchstwahrscheinlich verschleppt hatte, was sie dem Jungen jedoch nicht sagen konnte. Aber immerhin hatte die Idee ein Leuchten in Clays Augen gezaubert.

Er verschwand sofort in seinem Zimmer, um sich ans Werk zu machen.
 

Für heute hatte Derek sich vorgenommen, die einschlägigen Treffpunkte der Werwölfen in dieser Stadt aufzusuchen, um Näheres über den Aufenthaltsort dieses Tony und seines Omega-Rudels herauszufinden.
 

Beim Frühstück hatte er Mühe gehabt, Kendra auszureden, unbedingt mitkommen zu wollen. Es war gar nicht so leicht, ihre Unterstützung auszuschlagen, ohne ihr allzu klar zu sagen, dass da draußen Werwölfe herumliefen, die annehmen würden, Derek habe sich selbst, oder aber ihnen einen Snack mitgebracht, sobald sie Kendra erblickten. Das wollte er der stolzen, kleinen Amazone lieber nicht in dieser Deutlichkeit sagen weil er fürchtete, dass sie ihm dann eine verpassen würde!

Und auch deswegen nicht, weil er wusste dass Kendra sich erst noch mit dieser ganzen neuen Welt der übernatürlichen Dinge anfreunden musste. Er wollte verhindern, etwas zu sagen, was dann später zwischen Malia und ihrer neuen Freundin zu Unbehagen führen konnte.

Stattdessen versicherte er lediglich, dass es für heute ausreichend sei, wenn ihn Damien begleite, aber dass sie auf ihr Hilfsangebot zu gegebener Zeit gern zurückkommen würden.
 

Von unterwegs rief Derek Peter an, weil er dachte, es könnte nützlich sein, ein Arschloch im Team zu haben, wenn man sich mit ebensolchen unterhalten wollte:
 

„WAS WILLST DU?“ brummte Peter genervt ins Telefon:
 

„Dir auch einen schönen Tag, Onkel!“ erwiderte Derek betont ruhig: „Ich brauche deine Hilfe. Wo bist du?“
 

„Wobei muss ich dir denn nun schon wieder helfen. Ich habe Urlaub!“ maulte Peter.
 

Derek verdrehte die Augen:

„Wovon musst du dich denn bitte erholen? Du hast doch dein Leben lang Urlaub, du Faulpelz! Außerdem gibt es ein verlorenes Kind; entführt vom bösen Wolf! Schon vergessen?“
 

„Und wieso ist das mein Problem? Is´ doch nicht mein Kind!“ gab Peter unwillig zurück.
 

„Woher willst du das wissen, so großzügig, wie du dein Erbgut in der Welt verkleckerst!“ entgegnete Derek gehässig: „Außerdem hilft es deiner Tochter Malia, wenn wir dieses Kind wiederfinden! Also? Adresse bitte! Wir holen dich ab!“
 

Endlich spuckte Peter die Koordinaten aus und sein Neffe startete den Wagen, um ihn einzusammeln.
 

Derek glaubte, seinen Augen nicht trauen zu können, als er erkannte, dass es sich bei der Adresse um ein Pfannkuchenhaus handelte und Peter sich gerade von seinem blutjungen Gespielen mit den Häppchen eines ahornsirupdurchtränktem Buchweizenfladen füttern ließ:

„Ist ja reizend! Hat dein Altenpfleger dich netterweise zu einem kleinen Ausflug mitgenommen. In deinem Alter ist es ja auch wichtig, dass man hin und wieder noch mal rauskommt, richtig?“ giftete er
 

„Schnauze, Blödmann!“ schimpfte Peter und wie er dabei mit Pfannkuchenkrümeln um sich spuckte, wirkte er tatsächlich wie ein zahnloser Großvater.
 

Derek hatte keinerlei schlechtes Gewissen, Peter ein wenig zu ärgern.

Im Gegenteil!

Er hatte wegen seiner Beziehung zu Stiles über all´ die Jahre so viele Frechheiten von seinem Onkel einstecken müssen, dass es ihm ein beinahe schon unanständiges Vergnügen war nun noch eins drauf zu setzen:

„Mach Schluss, Peter. Hör auf hier die leeren Kohlenhydrate in dich hineinzustopfen. Dein Freund mag ja ein gutherziger Mensch sein, dass er sich mit dir abgibt, aber alt UND fett? Das ist sicherlich selbst für Emanuel zu viel, also komm´ jetzt! Die Pflicht ruft!“
 

„Ich kann essen, so viel ich will. Ich trainiere schließlich auch hart!“ behauptete Peter mit anzüglichem Grinsen und zog Emanuel auf seinen Schoß, um ihn zu küssen.
 

Nun sprang unerwartet Emanuel hilfreich ein:

„Geh´ jetzt und sei mein strahlender Held, in Ordnung Peter! Rette dieses arme Mädchen! Ich muss sowieso gleich zur Arbeit.“
 

„Muss Liebe blind machen, Kleiner!“ kommentierte Derek, doch er sagte es sanft, warf einen Schein auf den Tisch, mit welchem er Peter und Emanuel zu ihrem Frühstück einlud und versuchte dann, seinen Onkel hinter sich herzuziehen, doch der schlug seine Hand weg, weil er seinem Freund zunächst noch ausgiebig zum Abschied die Zunge in den Hals schieben musste.

Erst als dass erledigt war, ließ er sich dazu bewegen, seinem Neffen auf seiner edlen Mission zu folgen.
 

Derek überlegte, ob es wohl daran lag, dass er schon so lange mit einem Menschen lieert war, dass diese Werwolfspelunken für ihn allesamt wie verdammte Pumakäfige stanken.
 

Und warum sahen diese Läden eigentlich alle gleich aus? Irgendwie schummrig, verqualmt, denn um Lungenkrebs musste sich hier ja keiner Sorgen machen und so konnte man auf das öffentliche Rauchverbot im Staat Kalifornien getrost pfeifen, eine lange Theke und immer gab es in der Mitte des Raumes die obligatorischen Billardtische.
 

Wen sie auch fragten, jeder bestätigte ihnen, dass diese Omegas eine Plage seien und man sich von diesem Tony, der so etwas wie ihr Alpha war fernhalten müsse, doch jeder behauptete, keinen Schimmer zu haben, wo man diese Typen finden könnte.
 

„Die totale Zeitverschwendung!“ fluchte Peter vor der Tür, nachdem die dritte und damit letzte Bar auf ihrer Liste auch ein Reinfall gewesen ist: „Ich hab die Schnauze voll von diesem Blödsinn! Können wir jetzt nachhause fahren?“
 

Derek schüttelte den Kopf und deutete mit dem Kinn auf eine kleine, junge Chinesin, welche ihnen heimlich nach draußen gefolgt war und sich nun unauffällig in einer Ecke herumdrückte:

„Nicht, bevor wir mit IHR gesprochen haben!“ erklärte er.
 

Sehr leise, weil er wusste, dass ihre Wolfsohren ihn auch so verstehen konnten und weil er ahnte, dass es klug wäre, niemanden sonst auf das Mädchen aufmerksam zu machen, sagte er in ihre Richtung:

„Folge uns zu unserem Wagen. Wir fahren irgendwo hin, wo wir ungestört sprechen können! Hab´ keine Angst! Du hast nichts von uns zu befürchten.“
 

Die junge Frau nickte leise, folgte ihnen Haken schlagend, wie ein gehetztes Kaninchen, bis sie schließlich zu viert im Wagen saßen.

Derek startete und steuerte den Castro-Distrikt an. Nebenbei stellte er die Anwesenden mit Namen vor und wollte dann wissen:

„Und wie heißt du?“
 

„Ich bin Chen Lu.“ erwiderte die junge Frau: „Und ich weiß bereits, wer ihr seid! Ihr seid die beiden Hales.“
 

„Ach was? Ich bin berühmt?“ fragte Peter entzückt, doch Chen Lu fügte hinzu:
 

„Ich kenne euch, denn ihr gehört zum Rudel von Scott McCall! Jeder Wolf in Kalifornien weiß, wer das ist.“
 

„War ja klar; alle reden immer bloß über unseren wahren Alpha. Dabei bin ICH bin von den Toten auferstanden. Ungefähr so wie Jesus! Warum spricht darüber eigentlich niemand?“ schmollte Peter.
 

Derek warf seinem Onkel einen strengen Blick zu für diesen Vergleich und Chen Lu tat das einzig Richtige und ignorierte Peter.

Stattdessen wandte sie sich Damien zu und sagte:

„Und dich kenne ich auch! Du bist der Sohn von Abrams. Nimm´s mir nicht übel, aber als ich vom Tod deines Vaters gehört habe, habe ich gefeiert!“
 

„Dann musst du ihn kennengelernt haben!“ gab der Junge nüchtern zurück:
 

„Er war... ein Kunde!“ gab das Mädchen einsilbig zurück.
 

Damien blickte sie fragend an, doch Chen Lu ignorierte es. Stattdessen wollte sie wissen:

„Wie alt ist das Mädchen, nach dem ihr sucht?“
 

„Lindsey ist fünfzehn!“ gab Derek zurück.
 

Chen Lu nickte finster und erwiderte:

„Ich war dreizehn damals!“ Dann wollte sie wissen: „Ist euer Mädchen ein Mensch?“
 

„Ja ist sie!“ bestätigte Derek.
 

Die junge Frau gab ein bitteres, kleines Lachen von sich:

„Dann hat Tony scheinbar dazugelernt, seit der Sache mit mir!“
 

Derek hielt den Wagen vor einem kleinen Café und bedeutete den anderen, ihm nach drinnen zu folgen. Als sie sich an einem abgelegenen Tisch niedergelassen hatten, hakte Derek nach:

„Wovon sprichst du, Chen Lu? Welche `Sache mit dir´?“
 

„Wölfe mögen weniger schnell kaputt gehen als Menschen, aber dafür können sie sich auch wehren! Ich habe diesen Kerl umgebracht. Das, was er von mir wollte war einfach zu widerlich! Und ich war fertig damals... ich konnte einfach nicht mehr. Als er die Leiche gesehen hat, hat Tony mich dann endlich laufen lassen. Schätze, er hatte keine Lust, öfter als einmal hinter mir den Dreck aufzuwischen.“ sagte Chen Lu betont kalt.
 

„Wen hast du umgebracht ?“ wollte Derek wissen, obwohl er es natürlich bereits ahnte: „War Tony dein Zuhälter? Hast du einen Freier getötet!“
 

Chen Lu nickte:

„Er rekrutiert sie jung, bricht ihren Willen. Ich war eine seiner Ersten. Er kennt keine Skrupel und nimmt sich dich Schwachen; die, die keiner vermisst, Kinder ohne Familien. Erst schleicht er sich in ihr Vertrauen. Und was dann folgt, wollt ihr nicht wissen.“

Die junge Frau war mit jedem Wort ein wenig leiser geworden. Am Schluss war ihre Stimme schließlich nur noch ein Flüstern.
 

Derek, selbst Vater einer Fünfzehnjährigen schluckte bei dem Gedanken an das, was die arme Lindsey wohl gerade durchmachte.

Wenn es nun sein Mädchen wäre...?
 

Er schüttelte diesen Gedanken energisch ab und wollte wissen:

„Wo finden wir Tony und seine Leute?“
 

Die junge Frau zuckte mit den Schultern:

„Sie wechseln ständig ihre Standorte. Ich habe keine Ahnung, wo sie sich gerade aufhalten könnten. Ich habe einmal gehört, dass ihre Kunden sie heutzutage über das Internet finden. Natürlich können sie ihre Schweinereien nicht offen anbieten. Es ist alles verschlüsselt. Leider weiß ich nichts Genaueres. Aber ich würde mich für euch umhören.“

Zwischen zusammengebissenen Zähnen brachte sie hervor:

„Vielleicht kann ich so andere Kinder davor bewahren, dass sie so enden, wie ich.“
 

„Aber jetzt bist du doch frei, oder nicht?“ warf Damien ein und sogar ihm selbst war klar, wie naiv das klang.
 

Chen Lu reagierte dan auch entsprechend:

„Klar doch, Alter! Mein Leben ist spitze! Ich bin einundzwanzig Jahre alt, ein Mädchen ohne Schulabschluss, oder gar eine Berufsausbildung, ein Wolf ohne Rudel! Aber du hast recht; ich bin jetzt frei und das bedeutet, nun stecke ich das Geld, dass ich verdiene selbst ein.“
 

Damien zog ein wenig den Kopf ein, wie ein ausgeschimpfter, kleiner Junge.
 

Derek betrachtete Chen Lu nachdenklich und nahm sich vor, dass er irgendetwas für sie tun würde. Das, was ihr widerfahren war, war einfach nicht richtig und er würde es irgendwie in Ordnung bringen, wenn sie es zuließe; er wusste nur noch nicht wie, darum war es noch zu früh, um seine Überlegungen laut auszusprechen. Stattdessen fragte er:

„Können wir Telefonnummern austauschen und du rufst uns an, falls dir noch etwas einfällt?“
 

Das Mädchen zögerte kurz, doch dann nickte sie und kritzelte die Nummer auf einen kleinen Zettel.
 

Derek zückte eine seiner Visitenkarten, reichte sie an Chen Lu weiter und wollte wissen:

„Willst du dabei sein, wenn wir einen Plan haben, um diesen Kerlen das Handwerk zu legen?“

Als er die schreckgeweiteten Augen der jungen Frau sah, fügte er schnell hinzu:

„Natürlich würde ich dann für deine Sicherheit bürgen. Wir würden nicht zulassen, dass dieser Tony dich jemals wieder in die Hände bekommt!“
 

Chen Lu nickte leise:

„Ich will dass dieser Bastard zur Hölle fährt!“ flüsterte sie.
 

Sie tranken noch ihren Kaffee aus und dann verabschiedete sich Chen Lu und wünschte ihnen Glück bei der Jagd.
 

Doch Derek fühlte sich gar nicht so, als sei er auf der Jagd. Er konnte nur an die Kinder denken und was ihnen angetan wurde.
 

Und er wusste, was er jetzt brauchte! Er brauchte sein kleines Mädchen; würde sie mitnehmen, um ein paar Burger zu essen und anschließend irgendetwas machen, was Spaß machte.

Paintball vielleicht?

Oder Kino?

Oder an den Strand?
 

Als sie eine halbe Stunde später an Malias neuem Arbeitsplatz ankamen, saß diese allein im Mitarbeiterbüro und wälzte Akten. Loba habe sie den ganzen Tag nicht mehr gesehen, doch sie sei bestimmt bei ihrer neuen Freundin Chris im Zimmer.
 

Als Derek jedoch an deren Tür klopfte, war seine Tochter nicht dort und Chris behauptete, Loba habe sie bereits vor über einer Stunde verlassen und habe keine Ahnung, wo diese nun stecke.
 

Derek gefror das Blut in den Adern!



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