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Die Schwachen und die Skrupellosen

von

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Das fängt ja gut an!

Als Peter erwachte, war es ihm nicht möglich, sich zu rühren und das lag an dem Belagerungszustand der gerade hier im Bett in Emanuels Wohnung herrschte.

In seinem linken Arm lag Ebendieser, fest schlafend, den Kopf auf Peters Schulter gebettet und einen Arm um dessen Taille geschlungen. Der Atem des jungen Mannes ging ganz gleichmäßig, er war vollkommen entspannt; sogar so sehr, dass er ein wenig auf Peters T-Shirt sabberte.

Und dabei sah er so jung, unwiderstehlich und lieb aus, dass es kurz das Raubtier in Peter auf den Plan rief.
 

Peters rechter Arm hingegen war vollkommen in Beschlag genommen von einem fünfzehnjährigen Mädchen, welches sich daran festklammerte, als habe sie Angst, ihr Großonkel ehrenhalber könnte ihr möglicherweise weglaufen.
 

Loba war mitten in der Nacht zu den beiden Männern ins Bett gekrochen, auch wenn das kein wirklich altersentsprechendes Verhalten sein mochte. Doch das konnte man von einem Kind in Lobas besonderen Situation wohl auch kaum erwarten, wo sie doch die ersten zwölf Jahre ihres Lebens völlig ohne Zuwendung und Förderung auskommen musste; Jahre, in welchen sie in einer Freakshow als Attraktion ausgestellt und misshandelt worden war.

Wenn man diesen Umstand berücksichtigte, grenzte es an ein Wunder, wie dieses Kind sich in den drei Jahren danach entwickelt hatte. Dank der Unterstützung ihres Rudels und insbesondere der von Stiles, hatte sie binnen weniger Monate zu sprechen gelernt, zu rechnen, zu buchstabieren und zu schreiben. Mittlerweile konnte sie sogar mit Gleichaltrigen zur Schule gehen; etwas, was niemals jemand erwartet hätte. Was machte es da schon, dass ihr Verhalten immer noch das eines Kindes und nicht das einer Heranwachsenden war? Sie hatte so unendlich viel nachzuholen und diese Chance sollte man ihr auch geben; darin war sich das ganze Rudel einig und sie ließen ihr ihr eigenes Tempo für das Erwachsenwerden.
 

Als Peter nun versuchte, seinen Arm auch nur ein kleines bisschen zu bewegen, fuhr die kleine Werwölfin im Schlaf die Krallen aus, also machte er lieber keine weiteren Anstalten, sich zu befreien und erlaubte ihr weiterhin, sich anzukuscheln, auch wenn ihm langsam der Arm einschlief.
 

Gerade fragte Peter sich, was in seinem Leben nur geschehen war? Wie war es bloß möglich, dass der böse Wolf von einst nun hier lag und über den Schlaf des doppelten Rotkäppchens wachte, anstatt fröhlich Intrigen zur Erlangung der Weltherrschaft zu spinnen, oder da draußen einfach nur so zum Spaß und für den Stressabbau ein paar Kehlen aufzureißen?
 

Sein Bett hatte eine Ewigkeit lang immer nur ihm allein gehört, mit Ausnahme von den Nächten in denen er sich jemanden mitgenommen hatte, um sich für ein paar Stunden zu amüsieren. Nur vögeln; bloß nichts, was irgendwie nach Gefühlen roch!

Er blickte noch einmal hinab in das Gesicht von Emanuel, welches dem von Stiles so sehr ähnelte und da hatte er seine Antwort!
 

Seit er Stiles Stilinski als hyperaktivem sechzehnjährigen Spinner zum ersten Mal begegnet war, hatte dieser scheinbar nichts anderes zu tun gehabt, als Peter das Monster auszutreiben.

Und dabei war Stiles noch nicht einmal SEIN!

Nein, unverschämter Weise verweigerte dieser Junge sich ihm bereits von Anfang an und hatte sich stattdessen mit seinem Neffen, diesem öden Lahmarschwolf zusammengetan.
 

Er mochte wetten, dass Stiles und Derek sich abends nur allzu gern händchenhaltend eine RomCom anschauten und dazu ein Tässchen Kamillentee tranken! Höchstwahrscheinlich trugen sie dabei eine Feuchtigkeitsmaske im Gesicht und ließen ihre bemalten Fußnägel trocknen, damit es später besser in den Sandalen aussah.

Er schätzte weiterhin, dass die Zwei Sonntagmorgens erst mal hübsch ein bisschen miteinander kuschelten, ehe der Tag so richtig losging; die Hände strikt oberhalb der Gürtellinie!

Vermutlich liebten sie es auch, gemeinsam über Bauernmärkte zu schlendern, um Zucchinis und Auberginen zu erwerben; und zwar bloß, um daraus Moussaka zu kochen und nicht etwa, um sich damit ein bisschen zu amüsieren!

Früher oder später würden sie wohl damit anfangen, Jogginganzüge im Partnerlook zu tragen!
 

Uagh!
 

Peter schüttelte sich angewidert.
 

Aber einmal abgesehen davon, dass Stiles jemand war, der sich offenbar gern langweilte, war er doch derjenige, der Peters raue Schale als erster durchbohrt hatte. Stiles verstand ihn und vielleicht war er sogar das einzige lebende Wesen, welches dies wirklich vermochte.
 

Aber warum ausgerechnet er?
 

Ein nervöser, klugscheißender, zugegeben auch recht cleverer Einundzwanzigjähriger, der ihn partout nicht ranlassen wollte, egal, was er auch schon versucht hatte und ihn damit schon so manches Mal beinahe um den Verstand gebracht hatte!

Und dieser kleine Mistkerl hatte mit sanfter Hand über die Jahre einfach so ungefragt Peters Ecken und Kanten rundgeschliffen, so sehr, dass dieser sich mittlerweile sogar einen kleinen Freund gesucht hatte; etwas, dass er früher niemals auch nur in Betracht gezogen hätte und er stand möglicherweise SELBST schon ganz kurz davor, händchenhaltend über Bauernmärkte zu flanieren!
 

Oh, Mann!
 

Konnte ihm vorher BITTE irgendjemand den Gnadenschuss verpassen?
 

Peter rekapitulierte:

Er hatte gestern tatsächlich freiwillig angeboten, einen Teenager zu beaufsichtigen, damit seine Tochter eine heiße Nacht mit ihrer Amazonenfreundin haben konnte und hatte dafür selbst auf Sex mit dem süßen, gelenkigen Emanuel verzichtet.
 

Vielleicht verlor er ja auch einfach bloß den Verstand?
 

Er blickte ein weiteres Mal nachdenklich hinab auf den jungen Mann in seinem Arm. Er wusste, dass Emanuel immer noch glaubte, er sei bloß der Platzhalter für Stiles, weil er ihm äußerlich so sehr ähnelte, doch so war es gar nicht, auch wenn es sicherlich so angefangen hatte.
 

Emanuel unterschied sich so sehr von seinem Doppelgänger, dass Peter die äußerliche Ähnlichkeit beinahe gar nicht mehr auffiel.

Sein Liebhaber war sanft, ernst, sensibel, ein bisschen schüchtern und besaß ein geringes Selbstbewusstsein. Keine dieser Beschreibungen traf auch nur im Geringsten auf Stiles zu. Eher war er in all diesen Punkten das genaue Gegenteil!
 

Und Emanuel war bestimmt nicht der Gefährte, den man an Peters Seite erwarten würde und hätte er erklären sollen,was ihn zu ihm hinzog, wäre dem Werwolf außer einem ´Öhm`, begleitet von einem ratlosen Kratzen am eigenen Hinterkopf wohl nicht viel eingefallen.
 

Eigentlich sollte Peter sich mit jemandem wie Emanuel zu Tode langweilen, doch das tat er nicht.

Vielmehr weckte der junge Mann seinen Beschützerinstinkt.

Und ja; auch jemand wie Peter Hale verfügte über diesen!

Er war schließlich immer noch ein Wolf!

Emanuel rührte ihn, wie er sich ihm so vorbehaltlos anvertraute und es doch eigentlich besser wissen müsste.

Einmal hatten sie darüber gesprochen, dass er, Peter ein Mörder und ein Werwolf war. Es war ihm nicht so vorgekommen, als hätte Emanuel bei dieser Gelegenheit alles gefragt, was er hätte wissen sollen, aber er war dennoch das Wagnis eingegangen, sich weiter auf Peter einzulassen.

Dieser Junge besaß die wohl miesesten Instinkte, die man sich überhaupt nur vorstellen konnte! Er sollte den Werwolf fürchten und manchmal tat er es sogar ein bisschen; das konnte Peter riechen, dennoch konnte oder wollte Emanuel offenbar nicht von ihm lassen.

Und am Ende war das wohl die Sache, die dem bösen Raubtier in Peter den Rest gab, denn es löste seine Beißhemmung aus.

Zahnlos, dressiert und an der Leine; so fühlte Peter sich heute in manchen Augenblicken.

Und doch war er zufriedener dabei, als je zuvor in seiner Erinnerung.

Höchst eigenartig und auch verstörend, aber dennoch kein Anlass, etwas dagegen zu unternehmen!
 

Vorerst zumindest nicht!
 

Peter hatte mit Emanuel die unerwartete Erfahrung gemacht, dass es nett sein konnte, mit jemandem öfter als nur ein- oder zweimal zu schlafen. Es gab einem die Gelegenheit, herauszufinden, was der Andere mochte. Und irgendwie machte das die Sache interessanter; zumal, wenn man so ein aufgeschlossenes Gegenüber hatte. Ganz gleich, was Peter bislang auch ausprobiert hatte, Emanuel hatte ihn nicht aufgehalten.

Seine körperlichen Reaktionen waren dabei für ihn als Wolf leicht zu lesen gewesen: Mimik, Geruch, Herzschlag, Muskeltonus; all das verriet Peter genau, woran er bei seinem Liebhaber war.
 

Mit einem Mal begann Emanuel neben ihm sich zu regen. Er hob den Kopf, entdeckte den feuchten Fleck auf Peters T-Shirt, wischte sich den Rest Spucke aus dem Mundwinkel, schaute betreten drein und murmelte:

„Gott, wie peinlich! Sorry!“

Peter schmunzelte und wollte den Jüngeren zu einem Kuss zu sich heranziehen, als dessen Blick auf das Mädchen in ihrem Bett fiel. Er hielt inne und wollte wissen:

„Sollten wir das wirklich tun, wenn sie bei uns ist?“

Peter lachte:

„Sprichst du vom Küssen, oder hast du etwa noch etwas anderes im Sinn? Sie hat doch zwei Dads. Küssende Kerle sind also nichts, was sie nicht schon einmal gesehen hätte.“

Also ließ Emanuel sich überzeugen, beugte sich zu Peter hinab und ihre Lippen suchten und fanden einander:

„Ich finde es immer wieder toll, aufzuwachen und als erstes dich zu sehen!“ versicherte der Jüngere zärtlich: „Daran könnte ich mich gewöhnen.“
 

Statt einer Antwort küsste Peter Emanuel ein weiteres Mal, denn alles, was er hätte sagen können, hätte für schlechte Stimmung gesorgt, denn es wäre etwas in der Art gewesen wie: Gewöhn´ dich lieber nicht daran, denn wir beide haben ein Mindesthaltbarkeitsdatum, das irgendwann abläuft!

Nein, das wollte Peter dem jungen Mann nicht sagen. Lieber wollte er in Ruhe genießen, was sie hier und heute hatten und das, solange es eben dauerte.
 

Loba wurde nun auch wach und blickte sich erst ein wenig verstört um, was ihr wohl keiner verdenken konnte, denn dieses Mädchen war in den vergangenen Jahren einfach zu viel herumgereicht worden und hatte in zu vielen verschiedenen Betten geschlafen.
 

Erst hatte sie eineinhalb Jahre bei Stiles und Derek gelebt, war jedoch auch einen guten Teil dieser Zeit bei Großvater Stilinski gewesen oder bei Onkel Scott, wenn das junge Glück mal ungestörte Erwachsenenzeit miteinander verbringen wollten. Dann fing das College für Stiles an, anstrengend zu werden und Loba war ein Jahr lang bei Cora und Isaac in Mexiko gewesen, bis Cora schwanger wurde und sich nicht mehr um sie kümmern konnten. Loba kehrte also für ein paar Monate nach Beacon Hills zurück welches, wie Peter wusste, das eigentliche zuhause für das Mädchen war. Doch nun war Stiles schwer im Prüfungsstress und Loba war für die Zeit der Sommerferien ein weiteres mal weggeschickt worden, um bei ihrer lieben Tante Malia zu verweilen:
 

„Morgen Schätzchen!“ begrüßte Peter das Mädchen freundlich: „Hast du gut geschlafen?“

Die Kleine nickte mit einem verschlafenen Lächeln:

„Ich habe von Daddy geträumt. Er hat mir einen Kuchen gebacken!“

Peter küsste das Mädchen auf die Stirn und schlug vor:

„Warum rufst du Stiles nicht gleich an und erzählst ihm davon?“
 

Gehässig hoffte Peter, Stiles und seinen Neffen bei dieser Gelegenheit von amüsanten, sportlichen Morgenaktivitäten abzuhalten.
 

Stiles betrachte mit gerümpfter Nase das, was sein Liebster ihm als Frühstück vor die Nase gestellt hatte. Es handelte sich um zu Tode gequetschte Getreideflocken, einen geriebenen Apfel und irgendwelche fremdartigen Samen, die sich mit der Sojamilch, in der alles ertränkt war, zu einer gallertigen Masse verbunden hatten. Sehnsüchtig warf er einen Blick auf die Packung schamlos überzuckerter Cornflakes im Regal und quengelte:

„Warum willst du mir wehtun, Derek? Was habe ich dir denn je getan?“

Er piekte mit dem Löffel versuchsweise in den Schleim, der sich daraufhin beinahe wie ein lebendiges Wesen verhielt und bewegte:

„Das ist gut für dich, Süßer!“ behaupte Derek dreist: „Der Müll den du sonst frühstückst, gibt dir nicht die Kraft, die du zum Lernen brauchst.“

„Und du meinst, wenn ich dieses Gewürm in Sojamilch verdrücke, dann bin ich gewappnet für alles was da kommt, weil ich weiß, dass es gar nicht schlimmer werden kann?“

Stiles schüttelte sich theatralisch.

„Probier´s doch einfach mal! Es schmeckt nicht so schlecht. Wenn du willst, kannst du einen Löffel Honig dazu haben.“

Dann hielt Derek ihm einen ellenlangen Vortrag über die gesundheitlichen Vorzüge der süßen Bienenausscheidung. Immunsystem, bla, bla, bla…natürliches Antibiotikum etc...langkettige Kohlenhydrate, sülz…bis Stiles seinen Kopf auf die Tischplatte fallen ließ und ein langgezogenes:

„Dee-reek!“ von sich gab, gefolgt von der Aufforderung: „Bitte verschone mich!“

Der Werwolf grollte, weil all´ seine Liebe und Fürsorge offenbar vergeblich waren und so knurrte er gestrenge:

„Weißt du was Stilinski? Halt einfach die Klappe und iss´ dein Gewürm!“
 

In den vielen Jahren, in denen Stiles Derek nun schon kannte, hatte er diesen sehr gut zu lesen gelernt und wusste, dass er jetzt besser aufhörte zu maulen, wenn er nicht wollte, dass sie Streit bekämen:

„Ich liebe dich?“ sagte Stiles also und es klang wie eine Frage.

Derek schüttelte den Kopf und gab zurück:

„Ich liebe dich auch, auch wenn du mir den letzten Nerv raubst. Iss!“

Artig führte Stiles den Löffel zum Mund und versuchte, nicht allzu viel darüber nachzudenken, als sein Telefon klingelte.
 

Saved by the bell!
 

„Hallo Baby, wie geht es dir?“ fragte Stiles freudig:

„Gut! Ich vermisse dich Daddy!“ gab Loba zurück.

Stiles spürte einen kleinen Stich in seiner Herzregion:

„Ich vermisse dich auch, mein Schatz! So sehr! Verträgst du dich gut mit Malia?“

„Ich bin gerade bei Peter. Sein Freund sieht aus wie du! Das ist komisch, aber er ist nett!“ erklärte das Mädchen:

„Ich weiß, Engelchen. Ich kenne Emanuel!“ erwiderte Stiles und fragte dann misstrauisch: „Ist Peter denn lieb zu dir?“

„Natürlich!“ entgegnete Loba wie selbstverständlich, denn Peter hatte dem Mädchen niemals einen Anlass dafür gegeben, etwas anderes in ihm zu sehen, als den netten Onkel und damit gehörte sie zu einem sehr, sehr ausgesuchten Personenkreis.

Im Grunde hatte Stiles auch nicht wirklich erwartet, dass Loba etwas anderes antworten würde, denn obwohl Stiles Peter Hale allerhand Abscheuliches zutraute, hatte er doch niemals Bedenken gehabt, ihm sein kleines Wolfsmädchen anzuvertrauen. Er wusste mit seinem Herzen, Loba wehzutun, auf welche Weise auch immer, war eine der wenigen Grenzen, die Peter niemals überschreiten würde.

In seine Gedanken hinein sagte Loba plötzlich:

„Ich habe von dir geträumt Daddy! Du hast mir einen Kuchen gebacken!“ Nach einem kurzen Zögern, Loba erinnerte sich gerade, an die Gemeinheit, die Malia gestern zu ihr gesagt hatte, wollte sie noch wissen:

„Hast du mich noch lieb, Stiles?“

Dieser schluckte schwer und versuchte, nicht in Tränen auszubrechen

„Natürlich, Kleines! Du, Grandpa, Onkel Scott und Derek; ihr seit die allerwichtigsten Leute auf der ganzen Welt für mich und du musst mich so etwas nie wieder fragen, denn das wird sich niemals ändern! Versprochen!“ versicherte er.
 

Eine Weile später verabschiedete Stiles sich von seiner Herzenstochter, schob die Schale mit dem Frischkornbrei, der seine strukturelle Integrität in der Zwischenzeit noch weiter verloren hatte beiseite und begann in den Küchenschränken zu kramen:

„Was wird das denn jetzt?“ Fragte Derek stirnrunzelnd:

„Ich backe!“ erwiderte Stiles:

„WIE BITTE?“ fragte Derek: „Ist das bloß, weil ich dich Müsli essen lasse?“

Stiles schüttelte den Kopf:

„Der ist nicht für mich. Unsere Tochter hatte einen Traum!“

Dereks markante Augenbrauen schossen verständnislos in die Höhe:

„Den hatte Dr. King auch, aber deswegen hat noch lange keiner damit angefangen, Backwerk zu produzieren!“

„Loba will, dass ich ihr einen Kuchen backe, also bekommt sie einen!“ Gab Stiles schlicht zurück.

Derek legte ihm beruhigend seine großen warmen Hände auf die Schultern und versuchte es mit Vernunft:

„Mein Engel: Erstens hast keine Zeit für so etwas und zweitens; bloß weil du hier in Beacon Hills einen Kuchen bäckst, kann unser Mädchen in San Francisco ihn noch lange nicht essen!“

Stiles war für Vernunft gerade nicht sonderlich empfänglich:

„Mein Häschen!“ erwiderte er ironisch: „Erstens; an dem Tag, an dem ich nicht einmal mehr eine halbe Stunde Zeit habe, um meiner Tochter einen Kuchen zu backen, erschieß´ mich bitte und zweitens; um den Transport nach San Francisco wirst du dich kümmern. Beauftrage einen Kurierdienst, oder Hermes, den Götterboten, oder fahr selbst hin, mir egal, nur sorg´ bitte dafür, dass Loba ihren Kuchen bekommt.“

„Verlierst du gerade den Verstand? Ich fahre doch nicht eineinhalb Stunden für einen Kuchen. Es gibt Kuchen in San Francisco! Wir sagen Malia einfach, sie soll einen kaufen.“ Derek hatte für den Moment, in dem er sprach nicht wirklich auf Stiles geachtet und so bemerkte er erst, dass dieser weinte, als das Schluchzen zu hören war.

„Hey, Baby!“ murmelte er nun erschrocken und zog Stiles an sich: „Was ist denn? Macht dir der Stress so zu schaffen?“

Der Jüngere schüttelte den Kopf und erwiderte mit zittriger Stimme:

„Nein, es ist Loba! Dauernd schicke ich sie weg! Sie weiß gar nicht, wo sie hingehört und wie lieb ich sie habe!Ich bin ein grauenhafter Vater!“

„Shht!“ machte Derek: „Du bist überhaupt kein Vater! Du bist ein einundzwanzigjähriger Collegejunge. Und du hast mehr für dieses Mädchen getan, als jeder andere Mensch und das weiß sie auch, Liebling, okay?“

Stiles zuckte unwillig mit den Schultern:

„Sorgst du nun dafür, das Loba ihren Kuchen bekommt?“ fragte Stiles schniefend.

Und weil Derek, egal wie tough er immer tat, Stiles keinen echten Herzenswunsch abschlagen konnte, versprach er:

„Ich bringe ihn ihr höchstpersönlich!“
 

Und während Stiles nun damit begann, Zutaten zusammenzurühren, löffelte Derek dem Widerspenstigen wahnsinnig gesunden Cerealienkleister in den Rachen.

Der Vorteil, dass Stiles durch seine Konditortätigkeiten abgelenkt war, war jener, dass er sich nicht auf Geschmack und Haptik der Speise konzentrieren musste, sondern es einfach nur des automatisierten Vorgangs von Kauen und Schlucken bedurfte.
 

„Was wollt ihr frühstücken?“ wollte Peter von Loba und Emanuel wissen und beide antworteten im Chor:

„Donuts!“

Und dann lachten sie und gaben sich ein High-Five.

Peter schüttele den Kopf, doch dann steckte er seine Geldbörse und die Autoschlüssel ein und sie machten sich auf den Weg.
 

Sowohl Loba als auch Emanuel waren ausgesprochene Süßmäuler und so schimpfte Peter nach der Bestellung bei der Donutbäckerei:

„Ihr wisst, dass ihr beide Diabetes bekommen werdet und euch irgendwann die Füße abfallen, oder?“

„Mach´ der Kleinen keine Angst!“ Tadelte Emanuel und biss herzhaft in ein knartschbuntes, zuckergussüberzogenes Ungetüm.

Allein bei dessen Anblick hatte Peter das Gefühl, dass ihm die Reißzähne wegfaulen müssten. Er selbst hielt sich an Kaffee. Schwarz!
 

Kendra tauchte nach einem Frühstück der besonderen Art wieder unter Malias Decke hervor.

Wie ein gut erzogenes Mädchen tupfte sie sich das Schnäuzchen mit der Bettdecke ab, ehe sie ihre Liebste küsste:

„Und? Bist du nun ein wenig entspannter?“ wollte sie wissen.

Malia zuckte mit den Schultern:

„Versteh´ mich bitte nicht falsch; es war echt toll, aber heute ist mein erster Arbeitstag und ich habe Angst. Was, wenn die Kids mich nicht leiden können? Oder die Kollegen? Was, wenn sie herausfinden, dass ich ein Newbie in dieser ganzen Lesbensache bin und mich deswegen ablehnen?“

Kendra kicherte:

„Denkst du, irgendwer wird dich danach fragen, was du bisher im Schlafzimmer getrieben hast?“

„Ich dachte, darum geht’s?“ gab Malia ratlos zurück.

Kendra schüttelte den Kopf:

„Nein Baby, darum geht es nicht nur. Es geht um so viel mehr! Es geht darum, was du bist, mit wem du lebst, für wen du einstehst, wer dich dafür anfeindet und wer hinter dir steht und sicher nicht bloß darum, wer mit deinen Genitalien spielen darf. Es geht um Identität! Und es ist O.K., dass du noch auf der Suche bist, denn das ist etwas, was du mit diesen Kids gemeinsam hast. Ihr könnt euch gemeinsam auf den Weg machen!“

Malia blickte sie misstrauisch an, doch Kendra sah so zuversichtlich aus, dass sie sich ein wenig davon anstecken ließ.
 

Gegen Mittag brachte Peter Loba zurück, denn sie würde Malia zur Arbeit begleiten, solange sie in der Stadt war, das war vorab so mit Malias neuen Kollegen besprochen. Es sprach für niemanden etwas dagegen, da das Haus ja ohnehin voll von Teenagern sein würde.
 

Als sie an dem regenbogenfahnengeschmückten Altbau, einer Villa aus der Zeit der Jahrhundertwende ankamen, saß davor ein grimmig dreinblickendes Mädchen in Lobas Alter, kurzgeschorenes Haar, bis auf den schmalen Iro, zerrissene Jeans und Flanellhemd:

„Du bist also die Neue!“ stellte die Kleine fest. Dann kommentierte sie: „Süß!“
 

Hallo?
 

Malia fiel die Kinnlade herunter. Sie hatte ja mit einigem gerechnet, aber nicht damit, dass sie von Einer angemacht werden würde, die noch in die Windeln machte:

„Hi!“ erwiderte die Koyotin kühl: „Ich bin Malia und das ist meine Nichte Loba! Wie heißt du?“

„Wofür is´n das wichtig?“ fragte die Göre zurück.
 

Wow! Sie war scheinbar ein richtiges kleines Arschloch, stellte Malia im Stilles fest.
 

Geduldig erwiderte sie:

„Das macht man so: Ich sage dir meinen Namen, du sagst mir deinen und dann sagen wir `Hallo´ . Warum muss man dir die Grundlagen zwischenmenschlichen Verhaltens beibringen, hmm? Bist du in einer Höhle groß geworden, oder was?“

„Nö, im Wald!“ behauptete die Rotznase in dem lahmen Versuch, witzig zu sein.
 

Tatsächlich lachte Malia ein wenig, wenn auch nicht über die Bemerkung, sondern über den Umstand, dass SIE tatsächlich im Wald groß geworden war, aber sich trotzdem besser zu benehmen wusste:

„Also gut Kleine; du hast noch einen Versuch, mir zu beweisen, dass es sich lohnt, sich mit dir zu unterhalten. Ansonsten wirst du in Zukunft von mir nur mit `Hey du da!´angesprochen. Also? Name?“

„Chris!“ murmelte die Kleine, überrascht über die scharfe Ansprache.

Malia nickte, streckte dem Mädchen die Hand hin und sagte:

„Hi Chris!“ dann wollte sie wissen: „Ist da drinnen jemand?“

Das Mädchen zuckte mit den Schultern:

„Bloß Rod. Er erwartet dich. Alle Anderen suchen nach Lindsey!“
 

Rod, oder auch Rodrigo war einer ihrer neuen Kollegen, den Malia schon damals beim Vorstellungsgespräch kennengelernt hatte. Ihn hatte sie spontan sympathisch gefunden. Doch sie hatte keinen Schimmer, wer dieser oder diese Lindsey sein mochte, also ging sie hinein, Loba an der Hand und machte sich auf die Suche nach ihrem neuen Kollegen.

Sie fand ihn in dem kleinen Mitarbeiterbüro in einem Korbsessel sitzend. Er weinte, doch als er Malia und Loba eintreten sah, wischte er sich mit dem Ärmel über die Augen, erhob sich und rang sich ein kleines Lächeln ab:

„Hallo Malia!“ murmelte er und streckte ihr die Hand hin. Dann wandte er sich an Loba, reichte auch ihr die Hand und stellte fest: „Und du bist Malias Nichte, ja?“

Loba nickte und schaute verunsichert zu Malia hinüber, doch auch die wirkte verstört:

„Darf ich wissen, ob irgendetwas vorgefallen ist?“ erkundigte Malia sich vorsichtig:

„Sicher! Entschuldige!“ gab Rodrigo zurück. Setzt euch doch!“ Er deutete auf weitere Korbstühle im Raum: „Es tut mir wahnsinnig, dass du so einen unangenehmen Einstand hier bei uns haben musst, doch leider ist etwas passiert, dass uns alle sehr beunruhigt. Eines unserer Mädchen, Lindsey ist seit gestern Abend verschwunden. Es hat in den letzten Monaten immer wieder Überfälle auf Trans*Personen in der Stadt gegeben und wir fürchten, sie könnte ein neues Opfer sein!“ Rodrigo schluckte und seine Augen füllten sich erneut mit Tränen: „Sie ist so ein tolles Mädchen. Lieb, fürsorglich, fantasievoll, künstlerisch begabt...!“ Rodrigo klang, als würde er einen Nachruf aussprechen und fügte fast tonlos hinzu: „Ich warte gerade auf die Polizei!“

Malia legte dem Mann, den sie im Grunde noch gar nicht kannte, eine Hand auf die Schulter und murmelte:

„Wir sind jetzt da! Du musst da nicht alleine durch!“
 

In diesem Augenblick klingelte es an der Tür.



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