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Das Schicksal der Äußeren Kriegerinnen

von

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Kapitel 3
 

Wachsam, lauschend, schleichend näherte sich Uranus dem Felsvorsprung, auf dem die Kette mit dem saphirbesetzten Anhänger wie auf dem Präsentierteller hergerichtet in der Sonne funkelte. Ihr Ziel fest im Blick duckte sie sich noch tiefer im dichten Gebüsch.

Sie war ganz nah. Das konnte sie spüren.

Ein leichter Windzug wehte beständig vom Tal her über den Vorsprung. Er erweckte den Mischwald hinter Uranus zum Leben, rauschte im tiefgrünen Laub, trug die Düfte von Wiesen, anderen Wäldern und dem Meer mit sich. Das Meer…

Geräuschlos ließ Uranus ihren Talisman erscheinen. Lautlos vibrierte das Kosmische Schwert in ihrer Hand. Die Klinge nahm jeden noch so kleinen Bruch im wehenden Luftzug wahr und zeigte ihrem Besitzer, was er zu erwarten hatte. Plötzlich hielt die zauberhafte Waffe inne. >Sie ist abgelenkt… Genau jetzt!<Blitzartig schoss Uranus aus ihrem Versteck, steuerte direkt auf den Felsvorsprung zu.

Meter um Meter…

Ein starker Windstoß.

Uranus wurde noch schneller.

Der Griff des Schwertes in ihrer Hand erzitterte. Ihr Talisman verriet, dass sie trotz alledem zu langsam war.

Ein Zischen.

Uranus machte eine Hechtrolle nach rechts, um dem machtvollen Angriff des Spiegels des Meeres auszuweichen. Das Manöver bremste sie kaum ab. Sie streckte ihre freie Hand aus, war fast an ihrem Ziel angekommen. Erneut bebte ihr Talisman. Nur knapp verfehlte sie das Amulett, bevor sie von der Klippe sprang, um einem mächtigen Wasserball zu entgehen. „Verdammt!“, fluchte sie zähneknirschend.

Ein kraftvoller Hieb mit ihrem Schwert talwärts und die rettende Böe war heraufbeschworen. Uranus durchschnitt die Luft unter sich und ließ sich vom Rückstoß bis zur Klippe zurücktragen. Noch im Flug drehte sie sich, um mit ihrer Linken den rettenden Felsen zu ergreifen.

Die Windkriegerin nahm sich keine Zeit durchzuatmen. Sie schwang sich nach oben, rammte ihr Schwert in den fast undurchdringbaren Untergrund und richtete sich schließlich wenige Meter von der Kette entfernt wieder auf. Kaum hatte sie ihre ungeschützte Position erfasst, rauschte ein neuer Angriff heran. Uranus hob ihr Schwert und zerschlug die blaue, brodelnde Kugel mit aller Kraft. Die glänzende Klinge zerschnitt das Wasser, doch unvorhergesehen zerstäubte dies noch weiter, bis sich Uranus im dichten Nebel wiederfand. Orientierungslos blickte sie sich um.

Abermals summte ihr Talisman. Bevor sie vom nächsten Zug ihrer Gefährtin überrascht werden konnte, schwang sie ihr Schwert. Eine weitere mächtige Böe kam auf und vertrieb den dichten Nebel. Grinsend stellte Uranus fest, dass die Kette direkt neben ihr lag. Also kniete sie nieder und griff siegessicher nach dem kristallenen Anhänger.

Flatsch

„Das war wirklich knapp, Haru. Aber diesmal habe wohl ich gewonnen.“ Neptune verschränkte die Arme vor ihrer Brust und blieb direkt neben der klitschnassen Uranus stehen. Die pustete sich die Tropfen von den Lippen und wischte sich mit dem Handrücken den triefenden Pony aus der Stirn. „Ein kleinerer Wasserball hätte es auch getan“, murmelte die Blondine. Dann hob sie das Medaillon auf und reichte es ihrer Mitstreiterin. „Gratuliere. Ein blindes Huhn findet eben auch mal ein Korn.“ Neptune schnaubte, bevor sie das Schmuckstück lächelnd annahm. „Tu nicht so, als wäre es das erste Mal gewesen.“
 

Auf dem Weg zurück zum Palast musste Uranus die üblichen kleinen Sticheleien ihrer Partnerin über sich ergehen lassen, doch immerhin konnte sie in der warmen Sommersonne wieder trocknen.

Die beiden Sechszehnjährigen erreichten gerade den Waldrand, als ihnen die vertraute Gestalt Nephrites entgegenkam. Er erhaschte einen flüchtigen Blick auf Neptunes neuen Schmuck, bevor er Uranus breit zu grinste: „Nass geworden?“ Die Blondine knurrte und schritt unbeirrt an ihrem Freund vorbei. Der Brünette lachte kurz auf. Dann folgte er den Kriegerinnen.

„Kunzite will euch sehen. Sobald ihr die Kette zurückgebracht habt, sollt ihr in den Thronsaal kommen.“ Die Senshi sahen einander skeptisch an, gehorchten jedoch.

Als sie den Saal erreichten, fanden sie nicht nur einen, sondern alle vier Generäle vor. Die Mienen der jungen Männer waren ernst, aber nicht besorgt, Nephrite lächelte sogar ein wenig.

„Es ist soweit“, begann Kunzite. „Wir wurden zu einer neuen Aufgabe berufen. Unser Prinz wird bald alt genug sein, seinen Weg zum Thron zu beschreiten. Wir werden ihn dabei begleiten. Und das bedeutet, dass eure Ausbildung bei uns beendet ist.“

Uranus und Neptune wechselten verunsichert Blicke. „Was genau heißt das?“, meldete sich Uranus. „Das heißt, ihr werdet nachhause gehen. Zurück ins Mondreich. Noch heute Nacht“, antwortete Zoisite.

Ein merkwürdiges Gefühl überkam die Kriegerinnen.

Zurück zum Mond… Nachhause… Weg von der Erde… Für immer?
 

Schweigend liefen die beiden Senshi nebeneinander her. Neptune genoss ein letztes Mal das kalte Wasser und den nassen Sand unter ihren Füßen, Uranus gab sich dem beständigen Wind hin, der heute ganz besonders stark vom weit entfernten Horizont her zu blasen schien. Schließlich blieben sie stehen und richteten den Blick auf den Ozean. Niedergeschlagen lauschten sie der Brandung, den Wellen, dem Produkt aus Wind und Meer.

„Jetzt verstehe ich sie“, flüsterte Neptune, als der Sonnenuntergang einsetzte. „Plutos Sehnsucht. Den Ausdruck in ihrem Blick, jedes Mal wenn sie zur Erde sah. Wie könnten wir hier freiwillig wegwollen?...“

Uranus legte ihr von hinten die Arme um den Oberkörper und zog ihre Gefährtin an sich. „Wir wussten es. Wir wussten, dass unsere Zeit hier begrenzt sein würde. Und dass wir diese Welt irgendwann verlassen und in unsere eigene zurückkehren müssen.“

Neptune seufzte. Sie legte ihre Hände auf Uranus´ Armen ab und wartete gedankenverloren auf das Einsetzen der Nacht.

Der Vollmond stand fast im Zenit über den jungen Frauen, als sie beschlossen, zum Palast zurückzukehren. Die Prinzen warteten längst auf ihre Schülerinnen, die Kunzite zufolge spät dran waren. Er verabschiedete sich als Erster, seriös und distanziert, jedoch lächelnd. Etwas wärmer fiel das Lebewohl der beiden blonden Prinzen aus. Allerdings taten auch sie sich schwer, die richtigen Worte zu finden. Erst Nephrite umarmte die Senshi auch. Stellvertretend ebenso für die anderen Generäle beteuerte er, dass sie die Zeit mit den Kriegerinnen nie vergessen würden und dass Uranus und Neptune stets willkommen wären. Die Senshi dankten ihren Lehrern für die einprägsamen Jahre, die vielen Lektionen, die Geduld und nicht zuletzt für die Fürsorge, die sie ihnen regelrecht selbstlos entgegen gebracht hatten.

Schließlich stellten sich Uranus und Neptune einander gegenüber und verschränkten ihre Hände. Sie sahen einander tief in die Augen. Die letzten Atemzüge auf dem Planeten, der von ihrer eigenen Welt immer und immer wieder umkreist wurde. Widerwillig senkten sie die Lider. Sofort wurden ihre Körper von warmen Energiewellen durchströmt. Sie verloren den Boden unter den Füßen, spürten, wie ihre Körper leichter wurden, wie sie von der Erdanziehung endlich freigegeben wurden.

Dann wirkte eine andere vertraute Kraft auf ihre Körper und leise klackend fanden sie sicher Stand auf dem weißen Marmorboden im weiten Thronsaal des Mondpalastes. Der altbekannte, schwere Duft umfing sie, süßlich, jedoch unaufdringlich.

Schweren Herzens sahen die Kriegerinnen auf. Die Niedergeschlagenheit lag unverkennbar in ihren Blicken. Uranus suchte nach passenden Worten, wollte etwas sagen, um ihre Gefährtin aufzuheitern, doch stattdessen wurde die Stille von einer anderen Stimme durchbrochen.

„Willkommen zurück“, begrüßte Queen Serenity ihre Senshi. Die zögerten nicht, sich voneinander zu lösen und niederzuknien. „Ihr kommt gerade richtig.“ Uranus und Neptune hoben die Gesichter. Ihre Königin hatte sich deutlich verändert. Ihre Ausstrahlung war noch überwältigender, ihr Lächeln noch gütiger und wärmer. Lag das an dem neuen Leben, dass sie klar erkennbar unter ihrer Brust trug? Sie musste kurz vor der Niederkunft stehen.

„Bis zur Geburt eurer Prinzessin werdet ihr noch etwas Zeit für euch haben. Ich nehme an, ihr wollt sehen, was aus den anderen Senshi geworden ist? Natürlich werdet ihr auch eure Familien wiedersehen können.“

In Uranus´ Herz breitete sich ein merkwürdiges Gefühl aus. Seit dem Abschied von ihrer Mutter hatte sie immer seltener an sie gedacht. Wie es sich anfühlte, Heimweh zu haben, hatte sie mittlerweile fast vergessen. Natürlich würde sie gerne wieder ihr altes Zuhause besuchen, doch die Sehnsucht nach dem blauen Planeten überdeckte diesen Wunsch schon jetzt.

„Vielen Dank, Majestät.“ Neptune erhob sich und streckte ihrer Freundin auffordernd die Hand entgegen. Als auch Uranus wieder aufrecht stand, verabschiedete die Königin ihre Untergebenen und die Mädchen verließen den Saal. Als sie vor dem Palast ins Freie traten, wanderten ihre Blicke nach oben. Nie hatte die Erde so schön ausgesehen, nie so anziehend gewirkt. Uranus seufzte. Auf dem Mond wehte kein Wind. Die Luft stand still, wie eh und je.

„Komm schon. Oder willst du deine Mutter nicht wiedersehen?“ Neptune zog sanft an der Hand der Windkriegerin. Überrascht stellten sie fest, dass sie früher sehr nahe beieinander gelebt hatten, Uranus musste nur wenige Meter allein weitergehen, bevor sie endlich ihr altes Zuhause erreichte.

Als sie die helle Wohnung betrat und die Tür leise klickend ins Schloss gefallen war, waren sofort schnelle Schritte zu hören. Gleich darauf erschien die Blondine mit den tiefblauen Augen und knielangem Haar im Türrahmen, der zur Küche führte. Makani hatte sich in über acht Jahren nicht verändert. Ihre Tochter hingegen war kaum wiederzuerkennen und überragte sie mittlerweile um fast einen ganzen Kopf.
 

Nur wenige Tage verbrachten Uranus und Neptune in ihren Familien. Schnell hatten sie gespürt, dass sich alles verändert hatte. Sie waren nicht länger schlicht die Töchter ihrer Eltern. Vielmehr waren sie die Kriegerinnen des Silver Millenniums. So spürten sie bald den Ruf des Palastes. Zunächst war es nur ein Impuls gewesen, das Verlangen Fenster und Türen aufzureißen, um die neugeborene Energie hereinzulassen. Einer der seltenen Winde, wie sie im Mondreich nur wehten, wenn etwas Magisches geschah, kam auf und Uranus und Neptune reckten ihm genießend die Gesichter entgegen. Unbeschreibliche Hitze und neue Kraft breiteten sich in ihnen aus und es war Zeit, ihrer Pflicht endlich nachzukommen.

Das Bild des Abschieds der Familien hatte sich gewandelt. Waren Haru und Michi es am Tag ihrer Erweckung noch gewesen, die sich weinend gegen ihre Aufgabe gewehrt hatten, fiel es nun ihren Eltern schwer, das Schicksal der Kinder anzunehmen.

Gemeinsam kehrten Uranus und Neptune zurück zum Palast, wo sie diesmal nicht von ihrer Königin selbst empfangen wurden. Stattdessen trafen sie im Thronsaal auf vier Mädchen. Sie trugen Uniformen, die ihren eigenen ähnelten, nur anders gefärbt waren. Vier Jahre lang hatten sie sich nicht gesehen, trotzdem erkannten Uranus und Neptune die zukünftigen Schutzheiligen der Prinzessin nicht nur an den unterschiedlichen Frisuren wieder. Kaum fiel die schwere Tür hinter ihnen ins Schloss, wandte sich ihnen Venus zu. Selbstsicher trat sie vor Uranus, stemmte die Fäuste in die Taille und musterte sie argwöhnisch. Erst die Windkriegerin, dann Neptune, und erneut Uranus. „Ihr seid spät dran“, begann sie plötzlich. „Wir haben schon auf euch gewartet.“

Überrascht hob Uranus die Brauen. Doch bevor sie etwas erwidern konnte, sprintete Neptune an ihr vorbei, geradewegs auf Mars und Jupiter zu. Die lautstarken Proteste der Beiden ignorierend trennte sie die Mädchen, die offensichtlich gerade dabei gewesen waren, sich zu prügeln. Während Mars noch zappelte und sich zu befreien versuchte, hatte Jupiter innegehalten und sah fragend zu Neptune.

„Was soll denn das? Wieso streitet ihr euch?!“, fragte die ältere Kriegerin mit ernstem Gesichtsausdruck.

Immer noch wehrte sich Mars mit aller Kraft. Während sie fauchend erklärte: „Wir streiten uns nicht! Wir trainieren, weil ihr ja ewig nicht gekommen seid!“, grinste Jupiter vorfreudig aus ihrem Schwitzkasten heraus: „Den Griff musst du mir unbedingt beibringen!“ Mit aller Kraft, jedoch chancenlos, stemmte sich die Senshi des Donners gegen ihre neue Gegnerin.

„Aus dem Schwitzkasten“ ertönte es plötzlich aus Richtung des Thrones, „also einem Unterarmwürgegriff, befreit man sich am schnellsten, indem man seine freien Arme um die einem am nahsten stehende Kniekehle des Angreifers legt.“

Uranus´ Blick wanderte zu Mercury, die ein Buch lesend auf den Stufen zum Thron saß. Die Kriegerin des Wissens sah auf. Das Bündel der drei raufenden Mädchen hielt inne.

„Umklammere mit deinem rechten Arm Neptunes linkes Bein in Höhe des Knies, Jupiter! Dann greifst du mit deiner Linken an deinen rechten Unterarm und richtest dich ruckartig auf. Dadurch verlagerst du ihren Schwerpunkt, bringst sie aus dem Gleichgewicht und kommst automatisch frei“, erklärte Mercury weiter. Dann widmete sie sich wieder ihrem Buch.

Einen momentlang überlegte Jupiter. Dann legte sie ihren Arm in Neptunes Kniekehle. Doch bevor sie auch die restlichen Schritte ausführen konnte, ließ die Meereskriegerin von ihr und Mars ab.

„Na das werden ja spannende zwei Jahre“, lachte Uranus von der anderen Seite des Saals aus.

„Wann fangen wir an?“, fragte Venus neben ihr.

Nachdenklich kratzte sich Uranus am Hinterkopf. „Wenn ich ehrlich bin, hab ich keine Ahnung. Wir sind nur der Aura unserer Prinzessin gefolgt.“

„Habt ihr sie gesehen?!“, fragte Venus weiter und auch die anderen kleinen Kriegerinnen sahen erwartungsvoll auf.

Uranus schüttelte langsam den Kopf. Als sie den Mund zur Antwort öffnete, wurde die Tür zum Thronsaal aufgestoßen. Eine Dienerin der Königin trat ein. Sie verbeugte sich und bat die Kriegerinnen, ihr zu folgen. Sie führte sie in einen Teil des Palastes, der ihnen bislang unzugänglich gewesen war. Der Schlafsaal, das Bad und andere Räumlichkeiten der Majestät selbst befanden sich hier und für Gewöhnlich hatten hierzu nur die höchsten Dienerinnen Zutritt. Die Energie, die seit Stunden das Mondreich überspülte, schien hier noch stärker zu werden.

In einem der hellen Korridore stoppte die Dienerin und wandte sich den Senshi zu. Mit einer erneuten Verbeugung erklärte sie: „Die Majestät ist noch etwas schwach. Sie wünscht euch aber trotzdem jetzt schon zu sehen. Ich bitte euch, hier noch einen Moment zu warten.“ Danach richtete sie sich auf und verschwand in einem der Räume.

Die jüngeren Mitglieder des Sailorteams tauschten aufgeregt Blicke aus. Nur Uranus und Neptune starrten angespannt auf die vor ihnen verschlossene Tür. Es vergingen einige Minuten, bis sich die Meereskriegerin an ihre Freundin und Vertraute wandte. „Glaubst du, wir werden Sie heute endlich wiedersehen?“

Uranus brauchte keine Erklärung, um zu verstehen, dass Neptune nicht von der Königin sprach. Schwach lächelnd sah sie in die hoffnungsvollen türkisblauen Augen. Queen Serenity hatte es versprochen. Ein einziges Wiedersehen…

Statt zu antworten, trat Uranus einen Schritt auf Neptune zu, um ihre Gefährtin in ihre Arme zu nehmen. Hier hatte Neptune gelernt, sich fallen zu lassen. Hier durfte sie Schwäche zeigen, selbst wenn ihre zukünftigen Schülerinnen nur wenige Meter neben ihr standen und sie beobachteten. Sie schloss ihre Augen. Eine Anziehung, noch stärker als die von Mond oder Erde. Egal, welcher Aufgabe sie sich stellte, egal, wo sie trainierte; dieser Fixpunkt blieb ihr. Bei dieser Erkenntnis legte sich ein Lächeln auf ihre Lippen. Es verschwand erst wieder, als ein schwacher Luftzug aufkam. Sie sah auf, an Uranus´ Körper vorbei.

Mitten im Korridor schien er, ein roter Schimmer. Zunächst noch ohne erkennbaren Ursprung. Das Licht wurde kräftiger. Nach und nach wurde seine Quelle sichtbar: eine glimmende Kugel, die gut anderthalb Meter über dem Boden schwebte. Als sie endlich Materie anzunehmen schien, erzitterte die Luft. Eine Energiewelle, rotstrahlend und warm, breitete sich blitzartig aus und blendete die jungen Kriegerinnen. Als sie wieder aufsah, setzte Neptunes Herz einen Schlag aus. Sie löste sich von Uranus, die keinen Moment länger brauchte, um die Situation zu verstehen, und sprang ihrer lange vermissten Freundin in die Arme. Weinend brachte sie kein verständliches Wort hervor.

Pluto schmiegte ihr Gesicht in die türkisfarbene Mähne. Die erste menschliche Berührung seit vier Jahren, zum ersten Mal seit vier Jahren etwas Anderes riechen als den dichten Nebel, die ersten Geräusche seit vier Jahren, die sie nicht selbst verursacht hatte. „Ihr habt mir auch gefehlt“, die ersten Worte, die sie nach Jahren des Schweigens sprach, beinahe flüsterte.

Als sie aufsah, traute sie ihren Augen kaum. Natürlich hatte sich auch Neptune verändert, doch im Gegensatz zu ihr war Uranus ein völlig neuer Mensch. Auf gleicher Augenhöhe trat sie vor Pluto, mit gestrafften Schultern, erwachsenen Gesichtszügen, strotzend vor Selbstbewusstsein. Automatisch begann Pluto zu grinsen, bevor sie auch die Windkriegerin umarmte.

Leise begann Neptune: „Wir haben versucht, durch den Spiegel-“ „Das durftet ihr nicht!“, unterbrach Pluto sofort streng. „Ihr kennt das Verbot! Darum musste ich dich abwehren.“

Neptune schluckte.

„Wer bist du?“ Venus und die anderen Achtjährigen hatten sich hinter den Älteren aufgestellt. Neugierig musterten sie die unbekannte Kriegerin, von der die mystische Aura ausging.

Nur einen Augenblick, nachdem sich diese vorgestellt hatte, wurde die Tür, durch die vorkurzem die Dienerin verschwunden war, abermals geöffnet. Dieselbe Untergebene verbeugte sich. Venus schritt voran, gefolgt von ihren jungen Gefährtinnen. Die Senshi des Äußeren Sonnensystems folgten.

Das Schlafgemach der Königin war hell, wie die meisten Räume des Mondpalastes. Das große Himmelbett, Kommoden, ein Waschtisch mit großem Spiegel, weite Fenster. In einem mit weißem Samt bezogenen Sessel thronte sie, Queen Serenity. Sie schien erschöpft, aber dennoch mächtig. In ihren Armen wiegte sie ihre noch keinen Tag alte Tochter.

Die Königin sah auf, ihr warmes Lächeln lud die Mädchen ein, näher zu kommen. Ehrfürchtig und schweigend knieten die Inneren Kriegerinnen vor ihr nieder. Nach einem Moment forderte Queen Serenity ruhig: „Kommt zu uns und begrüßt eure Prinzessin.“

Venus erhob sich. Langsam beugte sie sich vor, um in das friedlich schlafende Gesicht der neugeborenen Majestät zu blicken. Für einen kurzen Moment verunsichert sah sie zur Königin, die nur zuversichtlich nickte. Dann blickte sie zurück zur Prinzessin und sprach leise: „Willkommen, Prinzessin! Deine Schutzheiligen werden immer bei dir sein. Von heute an werden sich unsere Leben nur noch um dich drehen. Im Namen der Venus werde ich dir mit meiner Liebe immer zur Seite stehen und dir Schönheit schenken!“

Als hätte sie den Schwur verstanden, huschte ein Lächeln über Princess Serenitys Gesicht.

Glücklich wandte sich Venus ab, nahm ihren Platz neben den Anderen wieder ein und kniete abermals nieder.

Dann erhob sich Mercury. Auch sie beugte sich über die Prinzessin und schwor: „Willkommen, Prinzessin! Auch ich trete meine Pflicht an. Im Namen des Merkur werde ich dir mit meiner Weisheit immer zur Seite stehen und dir Besonnenheit schenken!“ Prüfend sah sie zur Königin, die ihr kaum merklich zunickte. Also wandte sie sich ab, nahm ihren Platz ein und kniete abermals nieder.

Als Nächste erhob sich Mars. Sie sah in das Gesicht der Prinzessin und schwor: „Willkommen, Prinzessin! Von heute an wirst du mich nicht mehr los. Im Namen des Mars werde ich dir mit meiner Leidenschaft immer zur Seite stehen und dir Mut schenken!“ Lächelnd legte sie eine Hand auf das Tuch, das den schlafenden Körper umhüllte. Der ruhig atmende Leib pulsierte. Doch war es nicht sein Herzschlag selbst, sondern vielmehr die bebende, neugeborene Energie, die das Bündel ausstrahlte.

Mars wandte sich ab, nahm ihren Platz ein und kniete abermals nieder.

Jetzt war Jupiter an der Reihe. Sie erhob sich und sah in das hübsche Gesicht des Kindes. „Willkommen, Prinzessin! Es ist mir eine Ehre, von heute an nur noch für dich zu leben und für dich zu kämpfen, ganz gleich, wie stark der Gegner auch sein wird. Im Namen des Jupiter werde ich dir mit meiner Stärke immer zur Seite stehen und dir Aufrichtigkeit schenken!“ Zärtlich strich sie über die Wange des Säuglings, der daraufhin lächelnd seufzte. Dann wandte sie sich ab, nahm ihren Platz ein und kniete abermals nieder.

„Ich danke euch. Und bald wird auch Serenity eure Worte verstehen“, erklärte die Königin ruhig. Das war das Stichwort. Venus, Mercury, Mars und Jupiter erhoben sich und traten zurück, um den anderen Senshi Platz zu machen. Nun waren es Uranus, Neptune und Pluto, die vor den Majestäten niederknieten.

Queen Serenity besah sich jede Einzelne von ihnen. Selbstlos würden sich diese drei Kriegerinnen schon bald auf ihren Weg machen und ihre einsamen Posten beziehen. Sie schwieg einige Minuten, bevor die Königin beinahe flüsterte: „Kommt zu uns und begrüßt eure Prinzessin.“

Uranus erhob sich. Sie trat dicht vor die Majestäten. Als sie in das Gesicht der Prinzessin blickte, schien ihr Herz stillzustehen. Einen langen Moment lang wagte sie es nicht, sich zu rühren. Dann beugte sie sich herab und schwor: „Willkommen, Princess! Wahrscheinlich wirst du uns schon bald aus den Augen verlieren, aber wir werden immer für dich da sein. Für dich werden wir unsere Pflicht erfüllen. Auch wenn du uns nicht sehen kannst, wachen wir aus der Ferne über dich. Und dein Licht wird uns immer daran erinnern, warum wir unser Schicksal stolz und stark angenommen haben. Im Namen des Uranus werde ich aus der Ferne immer über dich wachen und dir Beständigkeit und Ehrgeiz schenken!“ Uranus beugte sich weiter herab, um der Prinzessin einen sanften Kuss auf die Stirn zu hauchen. Nur langsam wandte sie sich ab, nahm ihren Platz ein und kniete abermals nieder.

Nach kurzem Zögern erhob sich Neptune. Sie beugte sich über die Prinzessin, sah in das liebliche Gesicht. Sie konnte verstehen, was in Uranus vorging. Dieses Kind war von nun an ihr Licht. Bald würde es alles sein, was vom Mondreich her zu ihnen vordringen würde. Und mehr würden sie nicht brauchen. „Willkommen, Princess! Selbst wenn du uns bald nicht mehr sehen wirst, werden wir bei dir sein. Wenn du traurig bist, richte deinen Blick nur in die Ferne. Meine Melodien werden dich erreichen. Sie sollen dich trösten, wenn Worte nicht mehr reichen. Im Namen des Neptun werde ich aus der Ferne immer über dich wachen und dir Ruhe und inneren Frieden schenken!“ Sie beugte sich weiter herab, um der Prinzessin einen sanften Kuss auf die Stirn zu hauchen. Nur langsam wandte sie sich ab, nahm ihren Platz ein und kniete abermals nieder.

Pluto erhob sich. Stolz trat sie vor die Majestäten. Ihr Blick traf den der Queen. Irrte sie sich, oder spiegelten sich Wehmut und Trauer in den anmutigen Augen?

Verunsichert beugte sie sich vor, um zum ersten Mal in das Gesicht ihrer Prinzessin zu sehen. Wie konnte von einem so kleinen Wesen nur so viel Energie ausgehen? Dieses Kind verströmte schon jetzt mehr Macht, als Pluto selbst besaß. Es gähnte. Wie fremdgesteuert legte Pluto ihr Zepter ab. Sie beugte sich vor, berührte zittrig die zartrosafarbenen Wangen. Verschlafen öffnete die Prinzessin ihre Augen. Strahlendes Blau, wie das des klaren Himmels der Erde, blinzelten der Wächterin entgegen. Es brauchte keine Worte. Queen Serenity richtete sich auf und übergab der Kriegerin ihr Kind. Sicher hob Pluto es auf ihre Arme. Sie war wie hypnotisiert. Dieses junge Wesen war von nun an ihr Lebensmittelpunkt. Um diesen kleinen Menschen würde sich alles drehen. Doch mehr als das, war die Prinzessin nicht sogar der Grund für Plutos Existenz? Chronos Kind, geboren, um eines Tages über Raum und Zeit zu wachen. Für das Mondreich. Und die Zukunft dieses Reiches lag jetzt in Plutos Armen. „Willkommen, Princess…“, flüsterte sie.

Das Kind lauschte der tiefen Stimme, seine Augen untersuchten wach und neugierig das stolze Gesicht.

Schon jetzt war Pluto einige Jahre lang ihrer Pflicht nachgekommen. Sie hatte Wache gehalten, hatte Einsamkeit und Stille getrotzt. Wie sehr hatte sie selbst in dieser kurzen Zeit das Reich des Mondes vermisst? Es war nun mal ihr Schicksal. Und dieses Schicksal anzutreten, war eine Ehre! Das war alles, was sie Stolz und Kraft behalten ließ. Doch wie lange würde ihr das reichen? Sicher nicht bis in alle Ewigkeit.

Das strahlende Azurblau fixierte Plutos Blick. Es schenkte ihr die Zuversicht und Liebe, die sie fast verloren hatte. Pluto würde ihrer Pflicht nicht länger für das Mondreich nachkommen. Von nun an zählten nur noch diese Augen. Dieses Kind in ihren eigenen Armen würde ihr immer Kraft geben, ganz gleich, wie eng sich die Einsamkeit um die Wächterin legen würde.

„Egal, wie viel Zeit und Raum uns voneinander trennen…“ Pluto brach ab. Sie konnte dem wachen Blick kaum standhalten. „Du wirst mich nie kennenlernen. Noch heute werde ich meinen Posten einnehmen müssen. Nur werde ich dies nicht mehr meines Schicksals wegen tun. Einsamkeit. Stille. Dunkelheit. Ich werde meine Aufgabe erfüllen. Einzig für dich, meine Prinzessin. Bis in alle Ewigkeit. Und selbst wenn mein Name längst in Vergessenheit geraten ist, werden es deine Augen sein, die mir Kraft schenken. Dieser Moment wird mir immer bleiben. Im Namen des Pluto… werde ich aus der Ferne immer über dich wachen… und dir…“ Wieder hielt sie inne. Pluto führte ihr Gesicht dicht vor das der Prinzessin. Sie hauchte ihr einen zärtlichen Kuss auf die Stirn. Dann flüsterte sie weiter: „meine Seele schenken!“



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