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Magnetismus

von

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Bashed

„Wo ist er?“ schrie Derek außer sich.

Scott war bleich wie eine dieser Krankenhauswände, konnte nicht antworten, weil seine Stimme ihm nicht gehorchen wollte, bedeutete dem Älteren lediglich mit der Hand, dass er ihm folgen solle.

Sie gingen nicht, sie rannten die Flure des Krankenhauses entlang, als könnte das etwas an dem ändern, was Stiles zugestoßen war.
 

Als sie sein Zimmer erreichten und hineinstürmten, fuhr ein Arzt sie an:

„Was zum Teufel machen sie hier? Das hier ist eine Intensivstation und keine Sporthalle, meine Herren. Sind sie Familienangehörige? Wenn nicht, dann verschwinden sie gefälligst gleich wieder!“
 

„Es ist in Ordnung!“ wandte Melissa ein, die sich ebenfalls im Zimmer aufhielt. Sie deutete auf Scott und erklärte: „Das ist mein Sohn, der beste Freund des Patienten und bei ihm ist der Lebensgefährte des Verletzten!“

„Sie dürfen einen Moment bleiben!“ sagte der Arzt, der sich als Dr. Marshall vorstellte zu Derek: „Aber sie müssen gehen, Mr. McCall! Sie sind kein Familienmitglied und ein Krankenzimmer ist kein Rummelplatz!“
 

`Nein verflucht!´ wollte Scott ausrufen `Ich bin Familie! Ich bin sein Bruder!´, doch ein Blick in das Gesicht seiner Mutter ließ ihn stumm bleiben. Sie trat hinter ihn und drückte zärtlich seine Schulter:

„Ist O.K. Junge!“ versicherte sie: „Du kannst hier nichts ausrichten und Stiles ist in besten Händen. Du kannst dich in den Wartebereich setzen. Ich komme dann später zu dir und erzähle dir, sobald es etwas Neues gibt.“

Scott nickte, legte noch einmal freundschaftlich eine Hand auf Dereks Rücken und warf einen letzten Blick auf seinen Freund in seinem Krankenbett, ehe er sich zurückzog.
 

„Warum ist er nicht bei Bewusstsein?“ fragte Derek kläglich, mit tonloser Stimme und richtete einen trüben Blick vage in Melissas Richtung: „Was sollen die ganzen Schläuche und Maschinen? Ist das ein Koma?“

„Es ist ein künstliches Koma. Wir konnten nicht einschätzen, wie schwer die Kopfverletzungen deines Freundes sind und wollten nichts riskieren. Später wird ein MRT gemacht und dann wissen wir mehr.“ erwiderte Melissa sanft.
 

Derek nickte abwesend.

Dann traute er sich erstmals, Stiles wirklich anzuschauen, nicht bloß das Drumherum; das Krankenzimmer, die Maschinen, die Aussicht aus dem Fenster, sondern seinen Liebhaber, den irgendwelche Unmenschen brutal überfallen und zusammengeschlagen hatten und dessen schönes Gesicht nun grün-blau verfärbt, geschwollen und teilweise blutig war.
 

Es sei ein `Hassverbrechen´ gewesen, vermute man, hatte der Sheriff zu Scott gesagt.
 

Hassverbrechen!
 

Derek wusste haargenau, was das übersetzt bedeutete. Man hatte Stiles wegen IHM verprügelt; weil sie beide sich liebten.
 

Hier ging es einmal nicht um Werwölfe, Wendigos, Berserker, Kanimas, oder mit was auch immer sie sich über die Jahre herumgeschlagen hatten.
 

Hier ging es zur Abwechslung einmal um menschliche Gewalt.
 

Gegen einen anderen Menschen.
 

Gegen Stiles!
 

Es ging um Engstirnigkeit, Intoleranz und Grausamkeit!
 

Derek schaute nun sehr genau hin, um zu ergründen, ob er etwas wahrnehmen konnte, was den Ärzten entgangen sein mochte. Der linke Arm war in Gips, doch die rechte Hand wirkte relativ unverletzt, also griff er sanft danach und verschränkte ihre Finger. Und weil der Doktor mit Melissa mittlerweile das Zimmer verlassen hatte, konnte Derek es wagen, seinen Wolfsblick anzuwenden. Er konnte die Wärmeunterschiede an Stiles Leib erkennen. Überall dort, wo Hitze war, gab es Prellungen oder Verletzungen und der Körper versuchte, mit Wärmeentwicklung und gesteigerter Blutversorgung, sich selbst zu helfen.
 

Menschen waren einfach so zerbrechlich und überdies so wahnsinnig schlecht darin, wenn es darum ging, hinterher wieder zu genesen, dachte Derek bitter!

Auch wenn ihm Stiles immer so unverwüstlich vorkam, mit seiner burschikosen Art und seiner riesigen, vorlauten Klappe, so war er doch auch bloß einer von ihnen, wurde Derek mit einem Mal mit Entsetzen klar.

Er lauschte in Stiles Körper hinein, horchte auf die Organe und versuchte zu ergründen, ob sie alle noch ihre Funktion erfüllten.

Beim Herzen verweilte er kurz. Es schlug kräftig und relativ regelmäßig, bis auf die charakteristischen Aussetzer und der Klang erschien Derek in diesem Moment wie die wundervollste Musik, weil er bedeutete, dass Stiles lebte.

Zumindest im Augenblick!
 

Am meisten ängstigte Derek der Kopf. Dieser hatte einiges abbekommen, soviel war klar; doch die Sinne des Werwolfes waren nicht fein genug, um ihm zu verraten, was im Inneren des Schädels vorging. Ein menschliches Gehirn war komplex und in seiner Funktion schwer zu ergründen.

Und es war das, was einen Menschen ausmachte.
 

Vielleicht würde Stiles nie wieder derselbe sein, schoss es Derek durch den Kopf.
 

Sein Witz, sein Scharfsinn, sein Licht; sie wären möglicherweise für immer verloren.
 

Derek schluckte, blickte hinab auf seine Hand, welche immer noch die von Stiles hielt und da wusste er es wieder!

Er hatte es zwischenzeitlich verdrängt, weil er losgelassen hatte, glücklich gewesen war und es gar nicht wissen wollte, doch es war genau so, wie immer schon in seinem Leben:
 

Alles, was er berührte, starb!
 

Er war der Tod!
 

Und er würde alles zurücknehmen; jeden Kuss, jede Berührung, jedes Mal, da sie miteinander geschlafen hatten, wenn es das ungeschehen machen könnte, was Stiles zugestoßen war.
 

Er weinte und war sich doch gleichzeitig bewusst, wie sinnlos, erbärmlich und schwach das war.

Doch er und Stiles waren allein im Zimmer und hier war niemand, der ihn dafür verurteilen konnte.
 

Außer ihm selbst!
 

Nach und nach fand sich das gesamte Rudel bei Scott im Wartebereich des Krankenhauses ein.
 

Kira war die Erste. Sie küsste ihren Freund, nahm wortlos neben ihm Platz und griff nach seiner Hand.
 

Liam hatte Mason mitgebracht. Die beiden Jungs wirkten unbeholfen und betroffen. Sie setzten sich Scott gegenüber, ließen die Köpfe hängen und warteten auf die Dinge, die da kommen mochten.
 

Als Malia eintraf hatte sie offensichtlich eine Stinkwut im Bauch. Sie knurrte zur Begrüßung:

„Ich reiße die Kerle in Stücke, die das getan haben. Ich mache Konfetti aus ihnen. Nicht einmal ihre eigene Mutter wird sie noch erkennen, wenn ich mit ihnen fertig bin!“

Sie stapfte zornig auf und ab.
 

Danny kam in Begleitung von Lydia und alle starrten die Banshee ängstlich und erwartungsvoll an, bis sie schließlich sagte:

„Ich weiß auch nicht mehr als ihr, verdammt! Ich hoffe nur, dass das bedeutet, dass Stiles Leben wird.“
 

Peter war der Letzte und er hatte Loba dabei:

„Warum hast du sie mitgebracht? Derek wollte das Mädchen erst einmal aus allem heraushalten, um sie nicht zu ängstigen!“ sagte Scott vorwurfsvoll:

„Das ist Pferdescheiße!“ bellte Peter: „Sie spürt doch, dass etwas los ist, also kann sie auch dabei sein. Hier hat sie wenigstens ihr Rudel um sich, das auf sie acht geben kann. So, und jetzt will ich genau wissen, was passiert ist.“
 

Also berichtete Scott.

Stiles war mit Derek in der Mall gewesen. Dort mussten die Angreifer die beiden wohl beobachtet haben, hatte der Sheriff vermutet. Nachdem Derek sich von Stiles verabschiedet hatte, hatte dieser auf dem Parkdeck auf Scott gewartet, wo sie verabredet gewesen waren. Dort hatte der Überfall stattgefunden.Und dort hatte der Alpha seinen Freund dann auch gefunden; blutend und bewusstlos. Ein Angriff am helllichten Tag und keine Zeugen, keine Verdächtigen, keine Festnahme!

Sheriff Stilinski hatte am Tatort bleiben müssen, um zu ermitteln, also war Scott es gewesen, der Stiles im Krankenwagen begleitet und danach per SMS alle informiert hatte.

Der junge Alpha ballte die Fäuste, während er berichtete.
 

„Wo ist sein Zimmer?“ verlangte Peter zu wissen:

„Sie lassen dich nicht zu ihm!“ gab Scott zurück: „Nur Familie! Mich haben sie auch schon hinausgeworfen. Derek ist bei ihm.“

„Das werden wir doch mal sehen!“ erwiderte Peter: „Und jetzt sag´ mir die verdammte Zimmernummer!“
 

Scott zuckte mit den Achseln und gab sie ihm, weil ihm die Energie für den Widerstand fehlte. Derek, seine Mum, oder das Krankenhaussicherheitspersonal würden sich schon darum kümmern, wenn Peter sich nicht benahm.
 

„Was willst du hier, Peter?“ fragte Derek, der sich mittlerweile einen Stuhl an Stiles Bett gezogen hatte und hob matt den Kopf, welcher bis gerade eben auf der Bettkante gelegen hatte: „Sie sagen, Stiles bräuchte Ruhe. Er ist nicht in der Verfassung, um hier jede Menge Besucher zu empfangen.“
 

Peter warf einen Blick auf den Verletzten und schüttelte den Kopf:

„So ein Blödsinn! Schau dir unseren Jungen an! Sie Haben ihn so sehr mit Medikamenten vollgepumpt, dass er es nicht einmal mitbekommen würde, wenn wir ihn in seinem Krankenbett zum Mardi Gras oder zum Karneval in Rio mitnehmen würden!“ Dann wollte Peter wissen: „Was haben die Ärzte gesagt? Was ist mit Stiles? Wann wird er wieder gesund?“
 

Derek sah jung und verletzt aus, als er antwortete:

„Sie wissen es noch nicht. Sie...sie können nicht sagen, ob...“ seine Stimme versagte: „Sie holen ihn bald zum MRT. Es ist sein Kopf, weißt du?“

„Hör zu, Derek!“ sagte Peter streng: „Stiles schafft das! Er ist das zähste menschliche Wesen, dass ich kenne!“

Der Ältere streichelte das Gesicht des Bewusstlosen sacht mit Zeige- und Mittelfinger und Derek ließ ihn gewähren:

„Es ist meine Schuld!“ verkündete Derek unvermittelt.

Peter blickte ihn verständnislos an:

„Wie bitte? Wovon sprichst du bitte? Hast DU ihn etwa verprügelt?“

Derek schüttelte, entsetzt von der Vorstellung heftig den Kopf:

„WAS? NEIN! Natürlich nicht. Ich würde nie...!“ Er schluckte: „Nein, es ist meine Schuld, weil diese Kerle gesehen haben müssen, wie Stiles und ich uns geküsst haben. Deswegen haben sie ihm das angetan!“
 

Peter stöhnte genervt:

„Nein, Neffe! Ich weiß, du liebst Schuld und du badest dich nur zu gern darin, aber hierfür kannst du nun wirklich nichts, verflucht! Diese Kerle haben Stiles das angetan, weil manche Menschen einfach so sind: Sie hassen aufgrund von Hautfarbe, Religion, sexueller Orientierung oder aus irgendeinem anderen bescheuerten Grund, weil es nämlich ihre erbärmliche Existenz ein bisschen erträglicher macht, ihren Selbsthass auf Andere zu projizieren. Ich weiß, wovon ich rede, denn mit Hass kenne ich mich aus!“
 

Peter nahm auf Stiles Bettkante Platz und blickte noch eine Weile auf den Verletzten hinab. Schließlich verkündete er:

„Weißt du was? Ich verschwinde wieder! Ich kann Krankenhäuser nicht leiden; schließlich habe ich sechs lange Jahre in einem zugebracht, als ich im Koma lag. Außerdem habe ich Besseres zu tun, als hier herumzuhängen und zu warten, ob unser Schneewittchen noch einmal aufwacht oder nicht! Ruf´ mich an, wenn du weißt, was bei dem MRT herausgekommen ist! Ciao!“
 

Derek blickte ihn ungläubig an. Wie konnte Peter bloß so gleichgültig sein, wo er Stiles doch angeblich so abgöttisch liebte?

Das war wieder einmal typisch für seinen Onkel. Jetzt wo die Möglichkeit, Stiles vielleicht doch eines Tages flachlegen zu können in weite Ferne gerückt war; wo von Stiles möglicherweise nicht sehr viel mehr übrig war, als ein körperlich und geistig dauerhaft schwer geschädigtes Wrack, verlor Peter das Interesse. Und es würde nicht lange dauern, bis er sich etwas Neues gesucht hätte; das seine Aufmerksamkeit fesselte; dessen war Derek sich sicher:

„O.K., dann verschwinde doch, aber verrate mit zuerst, wo unsere Tochter ist“ sagte er böse: „Du solltest schließlich auf sie aufpassen. Du hast Loba doch nicht etwa irgendwo allein gelassen, oder?“
 

Peter schüttelte ärgerlich den Kopf:

„Na sicher doch, Neffe! Ich habe sie im Tierheim abgegeben.“ Er knurrte:“Was denkst du denn von mir? Loba ist vorne bei meiner Tochter und deinem Alpha und es geht ihr gut.“

Mit diesen Worten wandte er sich um und verschwand.
 

Endlich hatte John Stilinski sich im Revier loseisen können, um nun nach seinem Jungen im Krankenhaus zu sehen. Ihm war schlecht bei dem Gedanken daran, wie es Stiles mittlerweile gehen mochte.

Im Wartebereich fand er zunächst einmal dessen Freunde inklusive seiner Enkelin, die aufgeregt in seine Arme sprang, als sie ihn kommen sah:

„Grandpa!“ rief das Mädchen: „Daddy? Daddy WO?“
 

Der Sheriff fing das Kind auf und hob es hoch. Sie schlang sogleich Arme und Beine um ihn, schmiegte ihr Köpfchen in seine Halsbeuge und jammerte wieder:

Daddy! Daddy wo?“

John hielt Loba ganz fest und flüsterte:

„Ist gut, Spätzchen! Grandpa ist doch jetzt da!“

Er wiegte sie ein wenig, streichelte ihr Haar und küsste sie auf Wange und Stirn. Dann wollte er von Scott wissen:

„Was macht Loba hier? Ich dachte, Peter würde auf sie aufpassen. Wo steckt dieser Kerl?“

„Er hat sie hier bei uns abgeladen, wollte wissen was passiert ist, hat kurz nach Stiles gesehen und ist dann einfach abgehauen. Er hat nicht gesagt, wohin er wollte.“
 

Der Sheriff nahm es zunächst zur Kenntnis, doch irgendwas an diesen Worten machte ihn stutzig, auch wenn er in diesem Moment nicht den Finger darauf legen konnte, was es war.

Er setzte Loba auf Scotts Schoß und machte sich auf, um seinen Sohn zu sehen.
 

„Oh, Himmel!“ rief Stilinski aus, als er ins Patientenzimmer trat und sah, in welch erschreckendem Zustand Stiles war.

Derek erhob sich, doch anstatt den Sheriff zum Beispiel mit einer Umarmung oder einem Handschlag zu begrüßen, blieb er unbehaglich in seiner Ecke des Raumes stehen:

„Es tut mir leid, John!“ Murmelte Derek.

Der Sheriff schenkte ihm einen fragenden Blick und so erklärte der Werwolf: „Als Stiles und ich ein Paar wurden, habe ich dir versprochen, dass ich auf ihn aufpassen würde. Ich habe versagt! Es tut mir so wahnsinnig leid!“

John Stilinski runzelte die Stirn:

„Was ist denn das für ein Quatsch, Junge? Denkst du, ich hätte erwartet, dass du rund um die Uhr bei ihm bist, um jedes Unheil von Stiles fernzuhalten? Mein Sohn würde so etwas doch auch niemals erlauben. Er braucht seine Unabhängigkeit! Der Überfall geschah mitten am Tag an einem öffentlichen Ort. Niemand hätte mit so etwas rechnen können.“
 

Derek zuckte fahrig mit den Schultern:

„Ich will nur dass du weißt, dass ich meine Beziehung mit Stiles beenden werde, falls...“ er schluckte: „Ich meine, WENN er wieder gesund wird. Ich werde ich mit ihm Schluss machen.“

Der Sheriff starrte den Werwolf fassungslos an:

„WIE BITTE? Was soll das, Derek? Was redest du denn da?“

„Stiles wurde überfallen, weil er mich liebt. So etwas werde ich nicht noch einmal zulassen!“ sagte der Werwolf fest.

John Stilinski schüttelte den Kopf:

„Bisher habe ich dich immer verteidigt, wenn mein Sohn zu mir gekommen ist und gesagt hat, du seist ein sturer Esel mit eigenartigen Vorstellungen von Anstand und Moral, doch wie ich sehe hatte er recht! Du redest kompletten Blödsinn, Derek. Du beherrschst das Schicksal doch nicht. Niemand von uns tut das! Wenn du eure Beziehung beendest, dann erreichst du damit nur das Eine, nämlich dass ihr beide unglücklich werdet. Und Stiles sucht sich dann vielleicht irgendwann den nächsten Kerl.“ Der Sheriff legte Derek väterlich die Hand auf die Schulter: „Das was heute geschehen ist, war einfach Pech. Stiles ist zur falschen Zeit den falschen Leuten begegnet. Man kann diese Dinge manchmal nicht verhindern. Du tust meinem Jungen gut, Derek. Noch nie zuvor habe ich ihn so ausgeglichen und zufrieden erlebt, wie jetzt, wo er mit dir zusammen ist. Also sei kein Idiot!“
 

Derek schluckte und murmelte mit brüchiger Stimme:

„In Ordnung. Danke John!“
 

Loba war blass und nervös.

Sicherlich verstand sie nicht, was passiert war, doch dass ihr bewusst war, dass etwas nicht stimmte war mehr als deutlich und darum wollte Scott versuchen, sie ein wenig aufzumuntern, denn schließlich gehörte auch das zu seinen Aufgaben als Alpha; dafür Sorge zu tragen, dass es dem Nachwuchs gut ging.

Er nahm sie also bei der Hand und führte sie zum Snackautomaten:

„Schau´ mal Engelchen. Magst du etwas etwas Süßes?“ Wollte er wissen.
 

Das Mädchen blickte in die kleinen Fensterchen des Automaten, dann griff sie mit den Fingern danach, suchte den Zugang und weil ihr Geduldsfaden im Augenblick sehr kurz war, war sie schnell dabei zu versuchen, die gesamte Maschine umzustürzen, während Scott noch nach seiner Geldbörse in der Tasche seiner Jeansjacke kramte:

„Hey, hey Mäuschen!“ sagte er schnell: „Du bist wirklich die Tochter deines Vaters, wie? Der hat das auch schon einmal gemacht. Aber es gibt einen besseren Weg, an die leckeren Sachen heranzukommen.“ Er nahm das Mädchen auf den Arm, damit sie auch sehen konnte, was weiter oben angeboten wurde und fragte dann: „Und was willst du jetzt haben? Zeig´ mit dem Finger drauf´!“ Scott machte es ihr vor.
 

Schließlich hatte Loba ihre Auswahl getroffen. Scott holte zwei Dollarnoten hervor und drückte die entsprechenden Zahlenkombinationen.

Sie kehrten zum übrigen Rudel zurück und Loba wurde mit ihren Schokodragees und den Lakritzschnüren, die sie erhalten hatte in die Kinderecke zu den Spielsachen und Bilderbüchern gesetzt.
 

Sie kaute eher halbherzig auf ihren Süßigkeiten herum und hatte in diesem Moment kein Interesse an den Bilderbüchern. Stattdessen schloss sie die Augen und konzentrierte sich.

Das Krankenhaus war voll von Geräuschen, voll von Menschen, doch sie suchte nur nach einem ganz bestimmten Klang, nämlich nach einem ganz charakteristischen Herzschlag, der von ADHS-Medikamenten gelegentlich aus dem Gleichgewicht gebracht wurde. Selbst für eine junge Werwölfin mit ausgezeichneten Ohren wie den ihren, war es schwer, in diesem Durcheinander das Gewünschte auszumachen, doch dann hatte sie schließlich geortet, wonach sie suchte.
 

Loba vergewissert sich, dass im Augenblick niemand auf sie achtete und dann schlich sie sich davon.

Keiner achtete auf die Zwölfjährige, die allein durch die Krankenhausflure lief und sich dann sogar auf die Intensivstation stahl.

Loba fand das Zimmer, öffnete die Tür, doch auf den Anblick, der sie erwartete, war sie nicht gefasst.
 

Derek und John schreckten zusammen, als sie das markerschütternde Heulen, halb verwundeter Werwolf, halb verlassener Säugling hörten, welches Loba ausstieß, als sie ihren Daddy schwer verletzt und ohne Bewusstsein in seinem Bett liegen sah.

Derek griff sich das Mädchen rasch, nahm sie hoch und presste sie fest an sich, um sie zu beruhigen und der Sheriff fluchte:

„Verdammt! Was macht sie hier? Hat dieses Mädchen denn noch nicht genug durchgemacht? Warum haben diese Kinder denn nicht besser auf sie aufgepasst?“
 

Natürlich rief der Lärm, den Loba verursachte das Krankenhauspersonal auf den Plan. Melissa und Dr. Marshall kamen hereingestürmt und der Arzt schimpfte:

„Was ist denn hier los, zum Teufel? Wer ist dieses Kind? Bringen sie es zum Schweigen, Mann! Sagen sie ihr, dass sie ruhig sein muss!“
 

„Sie ist unsere Pflegetochter. Sie hat uns irgendwie hier gefunden. Sie kann nicht sprechen und versteht nicht, was hier vorgeht!“ rechtfertigte sich Derek eilig, doch der Doktor zeigte wenig Verständnis und forderte:

„Schaffen sie den kleinen Schreihals hier raus, aber sofort!“

Dr. Marshall streckte die Hand nach Loba aus, doch Derek schüttelte ihn ab, als sei er nichts weiter als eine lästige Fliege:

„Rühren sie sie nicht an!“ befahl er und klang mehr wie ein Werwolf, als wie ein Mensch.

Der Arzt wich erschrocken zurück doch nun mischte sich der Sheriff ein und versicherte:

„Wir haben alles im Griff, Sir! Ich bin der Vater des Opfers und wie sie sehen, der Sheriff dieser Stadt.“ Er deutete auf seinen Stern: „Wir bringen meine Enkelin gleich zur Ruhe. Geben sie uns einen Moment!“

Melissa nickte zur Bestätigung und zog Dr. Marshall am Ärmel aus dem Zimmer.
 

„Was war das?“ fragte Marshall vor der Zimmertür.

Melissa lächelte beschwichtigend und antwortete:

„Mr. Hale hat ein etwas aufbrausendes Temperament, aber es ist nichts,was ihnen Sorgen machen müsste. Die Familie kriegt die Situation da drinnen in den Griff!“

Der Arzt schenkte der Krankenschwester einen zweifelnden Blick.
 

Lobas Klagen war kaum leiser geworden. Außerdem wollte sie mittlerweile mit Fängen und Klauen auf Derek losgehen, weil der sie daran hinderte, zu Stiles zu gelangen, bis John sagte:

„Lass´ sie, Derek! Sie wird vorsichtig sein. Lass´sie zu ihrem Vater!“

Derek blickte den Sheriff unsicher an, ehe er das Mädchen absetzte, sie jedoch weiterhin fest an der Hand behielt.

Sie schrie nicht mehr, doch versuchte nun, Derek hinter sich her zu ziehen, um endlich zu Stiles zu gelangen. Dieser erlaubt ihr nun ganz langsam, sich zu nähern.
 

Als sie nun endlich nah genug an ihren Vater herankam, um ihn zu berühren, verhielt sie sich tatsächlich ganz sanft und bedächtig, wie es der Sheriff prognostiziert hatte. Loba verwandelte sich und schnupperte. Dann begann sie mit den Fingerspitzen sehr zart die unverletzten Bereiche von Stiles Körper zu streicheln, während riesige Tränen still über ihre Wangen kullerten:
 

„Ich könnte meinen Onkel erwürgen, dafür dass er Loba einfach hier abgeladen hat, um dann zu verschwinden und sich irgendwo anders zu amüsieren. So etwas ist selbst für jemanden wie ihn schwach!“ schimpfte Derek und legte behutsam von hinten die Arme um sein kleines Mädchen.
 

Und in diesem Augenblick fiel beim Sheriff endlich der Groschen:

„Dieser verdammte Mistkerl!“ rief er aus.
 

Derek blickte sich überrascht zu ihm um und John fuhr fort:

„Oh, verdammt! Ich muss los und deinen Onkel finden, ehe es zu spät ist!“

Einen Augenblick wirkte der Werwolf verwirrt, doch dann trat ein Ausdruck der Erkenntnis in seinen Blick:

„Du glaubst doch nicht wirklich, dass Peter das tun würde?“

„Doch, genau das glaube ich!“ erwiderte der Sheriff. „Ich muss ihn aufhalten! Ruf´ mich sofort an, wenn es etwas Neues gibt oder das MRT-Ergebnis vorliegt.“
 

Peter hatte den Platz auf dem Parkdeck, wo der Kampf stattgefunden hatte schnell gefunden. Der Geruch des Blutes wies ihm den Weg.

Er kniete sich hin, schloss die Augen und konzentrierte sich.
 

Angst!
 

Bosheit!
 

Verzweiflung!
 

Stiles hatte scheinbar versucht, sich zu wehren, denn sein Blut war nicht das Einzige, welches sich am Tatort befand.
 

Peter war stolz auf ihn!
 

Der Werwolf nahm den Geruch des Blutes, des Adrenalins und des Schweißes von drei weiteren Personen wahr. Er prägte sie sich genau ein. Er spürte dieses altbekannte Beben in seinem Körper. Sein innerer Dämon erwachte und verlangte nach Rache.
 

Er war nun ganz und gar Raubtier und er war auf der Pirsch.
 

Ganz gleich, wie sehr Peter sich bemühte, es zeigte sich schnell, dass es unmöglich war, der Spur in der belebten Mall zu folgen. Zu viele Menschen hatten zuvor und seitdem ihre Duftmarken verteilt. Hinzu kamen die Gerüche, die hier ohnehin in der Luft lagen; von Imbissbuden; Restaurants, Parfümerien und so weiter.

Und so blieb Peter nur Plan B: Er würde so lange suchen, bis er die Schuldigen gefunden hatte.
 

Er hatte Geduld!
 

Früher oder später würde er sie richten für das, was sie getan hatten. Es spielte keine große Rolle, ob sie noch einen Tag mehr oder weniger zu leben hätten.
 

Doch heimlich hoffte er natürlich doch, dass diese Schweine noch irgendwo in der Nähe wären.
 

Peter durchkämmte die Mall systematisch Stockwerk für Stockwerk, Geschäft für Geschäft. Hier und da nahm er den Geruch der Täter deutlich wahr. Scheinbar handelte es sich um Kids, die sich häufig hier aufhielten, wahrscheinlich irgendwelche arbeitslosen, perspektivlosen, von Selbsthass zerfressenen Arschgeigen, die nichts zu tun und daher die Freiheit hatten, in diesem Tempel des Kapitalismus ihre Lebenszeit zu verplempern, sich mit kleinen Ladendiebstählen zu amüsieren und hin und wieder jemanden zusammenzutreten, dessen Nase ihnen nicht passte.

Peter lächelte.
 

Es war nur eine Frage der Zeit!
 

Der Sheriff kehrte an den Tatort zurück und die Blutlache trieb ihm einen kurzen Moment lang die Tränen in die Augen, als er sich bewusst machte, dass es das Blut seines Sohnes war. Hier hatte Stiles um sein Leben gekämpft, war unterlegen und nun hing sein Schicksal in der Schwebe.
 

John holte tief Luft und rang um Fassung.
 

Natürlich war Peter nicht mehr hier, doch er würde ihn finden.

Oder er würde es zumindest versuchen, auch wenn ihm sämtliche werwölfischen Sinne fehlten, die hier ein klarer Vorteil wären.
 

Peter war einer vielversprechenden Duftspur vor die Mall gefolgt. Draußen dämmerte bereits der Abend herauf.

Der Werwolf spitzte die Ohren und schließlich hörte er sie: Drei Stimmen und raues Gelächter ertönten aus einer Gasse zwischen Mall und Parkplatz.
 

Und sie prahlten damit, wie sie die kleine Schwuchtel fertig gemacht hatten.
 

Peter schmunzelte in sich hinein.

Party!
 

Der Sheriff war schon kurz davor gewesen, seine Suche aufgeben zu wollen.

Vielleicht hatte er sich das alles ja auch bloß eingebildet.

Vielleicht war es Peter ja auch wirklich scheißegal, was Stiles zugestoßen war und er saß zuhause, mit einer Hand in der Hose und zog sich Pornos rein?
 

John befand sich bereits auf dem Rückweg zu seinem Dienstwagen, als er die Kampfgeräusche hörte.
 

Zwei der miesen Punks lagen bereits bewusstlos am Boden. Dafür hatte es wirklich nicht viel gebraucht. Peter hatte sich ihre Köpfe gegriffen und sie gegeneinander geschlagen.

Der Dritte hatte versucht, abzuhauen, schreiend wie ein Baby, als er den Werwolf sah, doch Peter hatte ihn mühelos eingeholt, hob ihn nun über seinen Kopf und warf ihn mit Wucht gegen eine der Hauswände.
 

Keiner der drei rührte sich nun noch. Peter blickte zufrieden auf sein Werk hinab und hatte beschlossen, es seiner Beute nicht zu leicht zu machen. Sie würden langsam sterben. Er musste sich nur überlegen, wie er sie ungesehen in sein Auto und von hier fort bekam.

Der Werwolf hatte sich ewig nicht mehr so lebendig gefühlt und befand sich im absoluten Machtrausch. Nur so war zu erklären, dass er die Schritte nicht wahrgenommen hatte, die sich ihm von hinten genähert hatten.

Aber er spürte sehr wohl den Lauf der Waffe an seinem Hinterkopf:

„Hören sie auf Hale! Sie werden sie nicht töten. Ich übernehme ab hier!“
 

Peter drehte sich sehr langsam zum Sheriff um und dieser erschrak ein wenig beim Anblick des Werwolfs. Dies war nicht die normale Betaform, die er früher schon gesehen hatte. In diesem Moment war Peter weit mehr Wolf, als Mensch. Ihm spross Fell im Gesicht und am Körper, ein Mund war eine Schnauze und seine Augen funkelten leuchtend blau.
 

Der Werwolf grollte bedrohlich und kam beinahe unmerklich immer näher.

Der Sheriff schluckte:

„ES IST MEIN SOHN, DER DA IM KRANKENHAUS LIEGT UND UM SEIN LEBEN KÄMPFT!“ sagte er eindringlich: „Denken sie nicht, das ich diese Kerle auch gern tot sehen wollte?“

Peter verwandelte sich schleichend wieder in einen Menschen und antwortete dann bedrohlich leise:

„Drehen sie sich einfach um und tun sie so, als hätten sie mich nie gefunden Sheriff. Ich erledige das hier. Man wird niemals eine Spur von diesen Clowns finden. Sie werden ihre Strafe erhalten und weder sie, noch die Gerichte müssen sich mit ihnen herumärgern.
 

Da war ein kurzes Zögern; Peter hatte es deutlich wahrgenommen, doch dann schüttelte John Stilinski energisch den Kopf.

Seine Waffe war immer noch auf Peters Schädel gerichtet:

„Nein! Diese Männer werden dem Gesetz übergeben. Ich werde jetzt meine Kollegen anrufen. Sie haben zwei Möglichkeiten, Hale: Entweder sie verschwinden und ich halte ihren Namen aus der Sache heraus, oder ich werde sie auch mit auf´s Revier nehmen.
 

Der Sheriff wusste, dass er gar nichts in der Hand hatte. Peter war ihm in wirklich allen Punkten überlegen, er war schneller, stärker und gewissenloser. Wenn er es gewollt hätte, wäre es ein Leichtes für ihn gewesen, den Gesetzeshüter zu überwältigen.

Seltsamerweise tat er es nicht. Er nickte kaum merklich, sprang dann mit einem gewaltigen Satz über den hohen Zaun und war verschwunden.
 

John wischte sich den Angstschweiß von der Stirn und rief über sein mobiles Funkgerät Verstärkung. Während er auf seine Mitarbeiter wartete, klingelte sein Handy.

Auf dem Display erschien Dereks Name.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Tomi
2016-10-16T05:59:07+00:00 16.10.2016 07:59
Hallöchen,

oh das ist spannend und dann wenn es interessant wird: Ende
Leider wahr, wie Menschen so sein können...

Aber es war doch irgendwie klar, das Peter sich darum kümmert :-)

Lieben Gruß
Tomke
Antwort von:  GingerSnaps
16.10.2016 08:18
Hallo Tomke,

Dir und mir war es klar, dass Peter sich darum kümmert. Derek traut seinem Onkel ja nicht so viel Fürsorge zu.

Sorry für den Cliffhanger. Aber wenn Du meine anderen Geschichten kennst, dann hast Du vielleicht eine Idee, wie es mit Stiles weitergehen könnte, denn "Magnetismus" ist ja praktisch das "Prequel".

Liebe Grüße von
Ginger


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