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Vis-à-Vis

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hey hey!

Zum Bergfest ein bisschen was neues! :) Komplett anzeigen

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Atemnot

Vincent lehnte mit ausgestrecktem Arm an der Wand. ''Ich sagte, verschwinde.'' Erst als er den Arm sinken lies, bemerkte Cloud, dass er sich mit der Klaue in die Metallwand gegraben hatte. Fünf tiefe Schrammen blieben zurück. ''Was ist los? Du bist einfach gegangen.'' Cloud tat einen weiteren Schritt in seine Richtung. ''Geh.'' Sein Freund fixierte ihn mit einem düsteren Blick, der ein ungutes Gefühl in ihm aufkeimen lies. ''Vincent, bitte. Wenn ich dir-'' ''Geh!'' Die laute Stimme ließ ihn zusammenzucken. Was war nur in ihn gefahren? Doch entschlossen ballte er eine Hand zur Faust und ging noch einen Schritt auf ihn zu. Die roten Augen straften ihn mit Verachtung.

Er wollte Cloud nicht mit in die Situation hineinziehen, doch im Moment fiel es ihm schwer, sich überhaupt unter Kontrolle zu halten. Jeder weitere Schritt auf ihn zu provozierte die dünne Barriere, die seinen klaren Verstand noch von der blinden Zerstörungswut in ihm trennte. ''Ich werde nicht gehen.'' ''Schön.'' Er schnaufte verächtlich, drehte Cloud den Rücken zu und vergrub seine Klaue tief in seiner Brust.

Vincent war ihm schon den ganzen Tag aus dem Weg gegangen. Jetzt, wo er ihm nicht mehr ausweichen konnte, würde er nicht aufgeben, auch wenn ihn das Gefühl beschlich, dass Vincents aufgebrachtes Gemüt nichts mit seinen stillen Ausflüchten des Tages zu tun hatte. Als er ihm vorsichtig die Hand auf die Schulter legte, stieß Vincent sie grob von sich. In seinen Augen lag eine Härte, die Cloud Angst bereitete. Unweigerlich erinnerte er sich an den Vorfall in der leeren Stadt, als Vincent, ohne zu zögern, auf ihn losgegangen war. Um ihn zu töten. ''Fass mich nicht an!'' Seine Stimme war kalt. ''Dann sprich mit mir.'' Wieder ein Schritt auf ihn zu. Er musste verhindern, dass die Situation erneut eskalierte und er spürte, dass der Zeitpunkt nicht mehr weit hin war. ''Ich will wissen, was los ist! Du hast mich den ganzen Tag gemieden und eben verschwindest du einfach.'' Abermals streckte er die Hand nach seinem Freund aus. Ein Rückzieher war jetzt nicht drin. Er wollte unbedingt wissen, was hier vor ging.

Cloud ließ einfach nicht locker. Die Klaue stach durch den Stoff in seine Haut und der konstante Schmerz lenkte seinen Verstand vom vollständigen Schwinden ab. Er durfte dem Chaos in ihm nicht nachgeben. Nicht jetzt. Nicht hier. Er wollte Cloud nicht wieder gefährden. Nicht wieder enttäuschen. Nicht versagen. Dann spürte er, wie sich erneut die Hand auf seine Schulter legte und die Barriere in ihm brach. Hastig drehte er sich um, packte seinen erschrockenen Freund an den Schultern und stieß ihn grob von sich. Mit den Händen neben seinem Kopf, nagelte er den Jüngeren an der Wand fest. ''Geh. Ich will dir nicht weh tun-'' ''Dann hör auf dir selbst weh zu tun!'' Clouds Worte stachen wie ein Messer auf ihn ein. Er wandte den Blick zu Boden, zog kurz die Fingerspitzen der Klaue über die Wand, um dann mit der geballten Faust, direkt neben seinem Kopf auf das Metall einzuschlagen. Cloud zuckte leicht zusammen. ''Was weißt du schon.'' Doch die blauen Augen blickten ihm unentwegt entgegen. ''Nicht genug, um mir ein volles Urteil bilden zu können, aber genug, um zu sehen, dass du dich quälst.'' Vincent schnaubte verächtlich und wandte den Kopf zur Seite. ''Es ist wegen Hojo, richtig?'' Er schwieg. ''Gut. Du bist gerade außer Stande, etwas gegen ihn tun zu können. Also beruhige dich.'' Clouds Stimme war bestimmt, doch ein sanfter Unterton schwang in ihr mit. Dann griffen seine Hände nach Vincents Unterarmen und umklammerten sie fest. ''Bitte.''

''Du hast ja keine Ahnung.'' Der Lederhandschuh knirschte, als er seine Faust noch enger zusammenpresste. Cloud konnte spüren, wie sich die Muskeln in den Armen weiter anspannten. ''Dieser Hund verdient den Tod.'' Das Rot seiner Augen hatte sich verdunkelt, als er wieder aufsah. ''Jeder weitere Tag, der vergeht, ist die reinste Hölle.'' Seine Stimme war leise, aber durchdringend und ließ Cloud leicht erschauern. Er wusste nicht, was ihm mehr Angst bereitete. Seinen Freund laut und aufgebracht zu sehen, oder ihn nun dabei zu beobachten, wie er immer ruhiger wurde. ''Vincent, bitte.'' Er löste seine Hände und streckte sie nach dem blassen Gesicht vor sich aus. Das orange-rote Notlicht im Maschinenraum verstärkte den kalten Glanz in Vincents Augen. Langsam und mit Bedacht legte er seine Hände auf seine Wangen. ''Bitte.'' Ein leichtes Zittern durchfuhr den aufgebrachten Körper. Dann lief eine einzelne Träne die heiße Wange hinab und verlor sich zwischen Clouds Fingern, doch das Gesicht blieb stumm. ''Was hat er dir nur angetan?'' Seine Worte kamen fast unhörbar über seine Lippen und richteten sich mehr an sich selbst, als an Vincent. Er spürte, wie die Anspannung allmählich von ihm abfiel. Nur langsam und nur ein bisschen, aber sie schien zu schwinden.

Da waren sie wieder, diese tiefen, blauen Augen, die ihm selbst jetzt noch unentwegt entgegenblickten. Sich nicht abwendeten. So ruhig und so verständnisvoll waren. Und dann die Hände, die ihn so bestimmt und sicher hielten. Es war fast unerträglich. Er atmete tief ein und erlaubte sich, für einen Augenblick in der Berührung zu versinken. Ruhig schloss er die Augen. ''Cloud.'' Er atmete langsam aus. ''Ich bin da.'' Ein leichter Schauer lief ihm den Rücken hinab. Als er die Augen wieder öffnete, blickte Cloud ihm entgegen. Er hatte Recht. Ja. Er war hier. Behutsam löste Vincent seine Fäuste von der Wand, öffnete seine Hände und legte sie vorsichtig auf Clouds Wangen. ''Du hast nicht den Hauch einer Ahnung.'' Das dunkle Grollen in seinem Innern kehrte unverzüglich zurück.

Cloud kniff ein Auge zusammen, als sich Vincents Griff um seinen Kopf immer weiter verstärkte. Er hatte gehofft, ihn zur Ruhe gebracht zu haben, doch er merkte schnell, dass seine Hoffnung zu früh gekommen war. ''Vincent.'' Er löste seine Hände von den Wangen seines Freundes und packte ihn an den Handgelenken. ''Vincent.'' Der Druck in seinem Kopf nahm stetig zu und erreichte einen unangenehmen Bereich. ''Du hättest gehen sollen, als du noch die Gelegenheit dazu hattest.'' Das Gesicht seines Freundes näherte sich seinem eignen. In den roten Augen lag ein undeutbarer Schimmer. Dann befand sich sein Gesicht direkt neben ihm. Seine tiefe Stimme hauchte ihm leise entgegen. ''Hat es dir gefallen, als ich dich letzte Nacht geküsst habe?'' Cloud keuchte auf. Damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet. ''Was?'' Eine Zungenspitze fuhr über den Rand seines Ohrs. ''Hat es?'' Ein Schauer durchfuhr seinen Körper. Wie kam er nun darauf? Doch etwas beunruhigte ihn. Die Härte aus Vincents Stimme war noch nicht gewichen. Die roten Augen kehrten in sein Blickfeld zurück und musterten sein Gesicht von oben bis unten. Dann drängten sich seine Lippen zu einem Kuss auf seine eigenen.

Wie war es plötzlich zu diesem Wandel gekommen? Er konnte den Zorn und den Hass noch deutlich in sich spüren, doch mit dieser unmittelbaren Nähe zwischen ihnen, war auch das Verlangen in ihm aufgestiegen. Aber es war nicht diese vorsichtige, sanfte Neugier nach ihm, sondern wildes, intensives Verlangen. Ob das an seinen überreizten Empfindungen lag? Dass das Chaos dicht unter der Oberfläche die Kontrolle über ihn hatte? Gierig küsste er Cloud wieder und wieder und war überrascht, als dieser die Berührung plötzlich erwiderte. Ob er wohl ahnte, was er da unbewusst heraufbeschwor? Er leckte leicht über die weichen Lippen und küsste ihn erneut. Er schmeckte einfach fantastisch. Clouds Hände lösten sich von seinen Handgelenken und suchten Halt an den Gürtelriemen um seine Hüfte. Mit einem leichten, süffisanten Lächeln lies er seine Wangen los und stütze seine Hände wieder neben dem blonden Schopf gegen die Wand. Langsam aber bestimmt ließ er seinen Körper Stück für Stück gegen den anderen sinken.

Ein Zittern durchfuhr ihn, als Vincent sich an ihn presste. Was geschah hier gerade? Er kam nicht umhin zu bemerken, was für eine starke Anziehungskraft plötzlich von seinem Gegenüber ausging. Eine bedrohliche, aber ausgesprochen erregende Aura. Er krallte sich unweigerlich fester in die Lederriemen, als ihre Hüften aufeinandertrafen. Vincent küsste ihn erneut. Neckisch biss er leicht in seine Unterlippe, dann folgte ein weiterer Kuss. Er war schon in der Nacht zuvor die treibende Kraft gewesen, bis er ihn abgewiesen hatte, doch nun war er zielstrebiger, gieriger, fordernder. Und Cloud konnte nicht bestreiten, dass ihn das ungemein anmachte. Ein leises Keuchen kam über seine Lippen, als Vincent seine Zungenspitze erneut seinen Hals hinabwandern lies. Die Klaue löste sich von der Wand, griff in seinen Kragen und zog den störenden Stoff so weit es ging beiseite. Cloud spürte das kühle Metall auf seiner Haut und die feuchte Zunge, die sein Schlüsselbein entlangglitt. Dabei war er es doch gewesen, der sich zu Vincent hingezogen gefühlt hatte, der den ersten Schritt gewagt und ihn geküsst hatte.

Vincent lehnte sich ein Stück zurück, ergriff Clouds Shirt und zog es mit einem Ruck unter dem breiten Gürtel hervor. Dann richteten sich die roten Augen wieder auf ihn. Ein leichtes Lächeln umspielte die schmalen Lippen, als er seine Rechte an den Mund führte und bedächtig mit den Zähnen, Finger für Finger, den dicken Lederhandschuh auszog. Einen nach dem anderen. Der Körper unter ihm spannte sich an. Langsam schob er seine Hand unter den Stoff. Die Haut darunter war warm und weich. Er fuhr über den Bauch die Brust hinauf, lies seine andere Hand vom Kragen die Seite hinabgleiten und leckte dann leicht und kurz über die entblößte Brust. ''Du wolltest wissen, was er mir angetan hat.''

Cloud keuchte leise auf und blinzelte unverständlich. ''Was?'' Hatte er seine Worte vorhin gehört? Ein unangenehmer Druck baute sich in seiner Kehle auf, als Vincent das geraffte Shirt über seine Schulter hinweg nach oben schob und sich gegen die Wand lehnte. Der gespannte Stoff schnürte ihm die Luft ab. Auf dem blassen Gesicht zeichnete sich ein schmales, aber düsteres, selbstzufriedenes Lächeln ab. Da war sie wieder. Diese unheimliche Ruhe in seinem Ausdruck. Als würde dicht unter der Oberfläche etwas sprungbereit darauf lauern, losgelassen zu werden. Er rang ächzend nach Luft. Dann spürte er, wie sich die Metallklaue auf seinen nackten Oberkörper legte. ''Du wolltest wissen...'', wiederholte Vincent leise und bohrte die Spitzen der Klaue langsam, aber mit Nachdruck in die Haut seines Freundes. ''...was er mir angetan hat.'' Cloud hörte, wie das Blut in seinen Ohren zu rauschen begann. Der Sauerstoffmangel verstärkte das Gefühl unbestimmter Angst, das in ihm aufstieg. Das da vor ihm, das war nicht mehr Vincent. Oder doch...?

Die Gefühle in ihm überschlugen sich. Der Hass auf Hojo, die Ungeduld endlich auf ihn zu treffen, der Wunsch, ihm alles heimzuzahlen und ihn zu töten. Und dann war da dieses unbändige Verlangen, die Erregung und die Lust, die sich mit den anderen Empfindungen mischten und nicht mehr trennen ließen. An der Oberfläche herrschte das Chaos, doch tief ihn ihm schrie eine leise Stimme nach seinem Verstand. Er wusste, dass die Dinge die er tat fatal waren, doch er konnte dem Drang nach Vergeltung kaum entgehen. Seine zwei Seelen führten einen Kampf um die Vorherrschaft und vor seinen Augen litt sein Freund. Er sah an ihm herab. Die Spitzen seiner Metallklaue hatten bereits vier kleine, blutige Löcher in die weiße Haut gedrückt. Die Brust hob und senkte sich in schnellen, flachen Zügen und versuchte der Atemnot entgegenzusteuern. Dann sickerte die Erkenntnis langsam durch seinen berauschten Verstand und traf ihn wie einen Schlag. Er war dabei, Cloud umzubringen. Hastig ließ er von ihm ab und taumelte ein paar Schritte zurück.

Keuchend rang er nach Luft, als sich der Druck von seiner Kehle löste. Was war nur in Vincent gefahren? Vorsichtig stütze er sich an der Wand ab, rieb sich über den Hals und sah zu ihm herüber. Das blasse Gesicht wurde fast komplett von seiner Hand verdeckt, der Blick war starr auf den Boden gerichtet. ''Vincent?'' Seine Stimme war etwas kratzig und er schluckte ein paar Mal, um das unangenehme Gefühl loszuwerden. Irgendetwas ging in seinem Freund vor und er war sich sicher, dass ihn für diesen plötzlichen Angriff keine volle Schuld traf. Die Tatsache, dass sie nicht unmittelbar nach Midgar weiterreisten, schien Vincent sehr getroffen und haben. Und das alles wegen Hojo. Cloud richtete sich auf und ging vorsichtig einen Schritt auf ihn zu. ''Vincent?'' Doch er regte sich nicht. Wie erstarrt stand er da, das Gesicht in seiner Hand vergraben. ''Geh...'' Die Stimme war leise und wurde fast vom Rauschen der großen Motoren verschluckt, doch er hatte ihn gehört. Cloud tat noch einen Schritt auf ihn zu, hob kurz die Hand, doch nur, um sie dann langsam und fest zur Faust zu ballen und wieder sinken zu lassen. Er wollte nicht gehen, er wollte diese Situation nicht so zwischen ihn stehen lassen und er spürte, dass sein Freund scheinbar einem heftigen, inneren Zwist ausgeliefert war, doch er hatte den bittenden, fast flehenden Ton dieses einen Wortes gehört und wusste, dass es an dieser Stelle nichts mehr für ihn zu tun gab. Schweigend wandte er sich um und verließ den Maschinenraum, als er hörte, wie Vincent hinter ihm auf die Knie fiel.



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