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Versprochen ist versprochen

von

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Shikamarus letzte Hoffnung

»Hat er sich immer noch nicht bei dir gemeldet?« Matsuri musterte Temari eingehend.

»Er hat gesagt, dass er rechtzeitig bis Weihnachten zurück ist und ich glaube ihm«, erwiderte diese, klang allerdings nicht hundertprozentig überzeugt.

Ihre beste Freundin runzelte die Stirn. »Weißt du wenigstens, ob er schon abgereist ist?«

»Nein«, gab sie zu. »Ich hab nur gehört, dass ein Schneesturm über Konoha gewütet hat. Der wird seine Abreise sicher verzögert haben.«

»Das ist doch schon fünf Tage her«, bemerkte Matsuri und schürzte die Lippen. »Und hierher braucht man drei Tage, wenn man sich nicht allzu beeilt.« Sie zuckte die Achseln. »Wenn du mich fragst, sitzt er wahrscheinlich mit seinen Freunden irgendwo im Warmen und schlürft ein Tässchen Tee. Würde ich auch machen, wenn die Außentemperaturen bei Minus Zehn Grad liegen würden.«

Wütend blickte Temari sie an.

»Du bist aber nicht Shikamaru«, legte sie fest. »Und sein Versprechen, dass er Weihnachten hier mit seiner Familie verbringt, wird er halten, komme was wolle.«

Ihre Freundin legte schuldbewusst den Kopf schief, sparte sich allerdings eine Entschuldigung. »Das hoffe ich für dich«, meinte sie und warf einen Blick über ihre Schulter ins Wohnzimmer. Shikadai saß unter dem geschmückten Weihnachtsbaum und streckte die Arme nach einer Baumkugel aus, konnte sie jedoch nicht erreichen, da er noch nicht stehen konnte. Kairi beobachtete ihn dabei und demonstrierte ihm ihre Überlegenheit, indem sie die Kugel anstupste und zum Schwingen brachte. Ihr kleiner Bruder schaute noch einen Moment verdutzt drein, dann kicherte er vergnügt vor sich hin.

»Das hoffe ich für die beiden«, verbesserte sie sich.
 

Da die Eieruhr ertönte, schenkte Temari sich eine Erwiderung – sie hatte keine Lust, länger als nötig über das Thema zu sprechen –, stellte sie sie aus und streifte die Ofenhandschuhe über. Im Anschluss zog sie ein Blech frisch gebackene Mürbeteig-Plätzchen aus dem Backofen. Der Duft, der ihr dabei in die Nase stieg, hob ihre Laune spürbar. Sie stellte es auf dem heruntergeklappten Herd ab und drehte sich mit einem Lächeln zu ihrer besten Freundin um.

Diese schien von dem Geruch alles andere als begeistert zu sein, denn sie kniff mit ihrer rechten Hand vehement ihre Nasenflügel zusammen.
 

»Das stinkt«, bemerkte sie überflüssigerweise.

»Das sind dieselben Kekse, die ich jedes Jahr backe«, entgegnete sie. »Dieselben Kekse, die du letztes Jahr fast bist zum Erbrechen gegessen hast.«

Sie drückte ihre Finger fester zusammen und verzog eine angewiderte Miene. »Sprich bloß nicht von Erbrechen …«

Temari hob die Brauen und ein verschwörerisches Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. »Hast du mir was zu erzählen?«, forschte sie nach und schaute ihre Freundin verheißungsvoll an.

Matsuri zuckte zusammen und blieb still.

Das Lächeln ihrer besten Freundin wurde zu einem Grinsen. »Als ich mit Shikadai schwanger war, hab ich es dir als Erstes erzählt«, sagte sie langsam, »also?«

Sie ließ von ihrer Nase ab und ließ die Arme hängen. »Okay, okay«, gab sie nach. Temari entging nicht, dass sie aus den Augenwinkeln zum Türrahmen herüber schielte. »Du hast mich erwischt, aber ich spreche es nicht aus.«

»Keine Bange, ich behalte es für mich«, versprach sie. »Dann wird es hier im Haus bald sehr laut, nehme ich an.«

»Noch lauter als ohnehin schon.« Matsuri runzelte die Stirn und lächelte schief. »Ein besseres Weihnachtsgeschenk gibt’s nicht, was?«

»Nicht, wenn du es ihm direkt ins Gesicht sagst«, pflichtete sie ihr bei und grinste selbstironisch.

»Ich sage es nicht gern« – ihre Freundin legte Temari eine Hand auf die Schulter – »aber so was Blödes wie dir damals passiert mir nicht.«

»Schon gut«, erwiderte sie und winkte ab. »Mit dieser alten Kamelle triffst du mich nicht mehr. Die ist schon lange Schnee von vorgestern.«

Matsuri quittierte ihre Aussage mit einem Lächeln. »Was hältst du von der Idee, wenn ich die Neuigkeit auf einen Zettel schreibe und in einem Umschlag tue?«

»Dieser Einfall ist nur gut, wenn du ihn meinem Bruder persönlich überreichst. Es sei denn, du legst es drauf an, dass eins meiner Kinder auf die Idee kommt, ihn zu essen.«

Ihre Freundin schüttelte vehement den Kopf. »Also überreiche ich ihn persönlich«, schloss sie. »Es sei denn, du lädst mich spontan vom Weihnachtsessen aus. Dann muss ich mir was anderes einfallen lassen.«

Temari angelte sich ein Plätzchen vom Blech und biss ab. Sie horchte dem Lärm im Wohnzimmer, den ihre beiden Kinder veranstalteten und warf den Kopf hin und her.

»Ich mache die Zwei doch nicht freiwillig traurig, indem ich ihre Tante Matsuri auslade«, sagte sie und präsentierte ihr ein Lächeln.

»Das will ich dir auch nicht raten«, flachste sie.

Temari lachte, dann wanderten ihre Gedanken zu Shikamaru – sie hatte keine Ahnung, wo er in diesem Augenblick steckte – und verpasste ihrer guten Laune einen Dämpfer.
 

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Schweiß stand Shikamaru auf der Stirn, als er über die letzten mit Pflanzen bewachsenen Ausläufer der Steppe eilte. Im Laufen öffnete er seine Jacke, zog sie aus und da er keine Zeit hatte, um sie zu verstauen, ließ er sie wie einen klobigen Schleier hinter sich her wehen. Die Sonne schien angenehm warm auf seinen Kopf, doch er wusste, dass sie in wenigen Stunden erbarmungslos sein Gehirn kochen würde, wenn er sich erst mitten in der Wüste befand.

Nach der Kälte im Feuerreich graute es ihm vor der Hitze im Reich des Windes, doch der Gedanke an seine Kinder – besonders Kairi –, die auf ihn warteten, ließen diese Sorge weit in den Hintergrund treten. Es war egal, ob er sich auf dem Weg nach Sunagakure einen irreparablen Sonnenstich holte oder alle Gliedmaßen brach. Wenn es sein musste, würde er auf dem Zahnfleisch weiterkriechen, aber das Versprechen, dass er seiner Tochter gegeben hatte, wollte er um jeden Preis halten.

Er verfluchte sich abermals, dass er auf den letzten Drücker aus Konoha abgereist war und beschleunigte. Ihm war bewusst, dass ihn die Quittung spätestens am Abend einholte, doch bis dahin holte er das letzte aus sich heraus. Und wenn er bei dem Versuch, sein Versprechen zu halten, tot umfiel.

Ein selbstironisches Grinsen huschte über seine Mundwinkel, dann lagen die letzten, vertrockneten Grashalme hinter ihm.

Die helle, sandfarbene und lebensfeindliche Wüste lag vor ihm – und mit ihr Sunagakure, das er seit eineinhalb Jahren sein Zuhause nannte.
 

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Kairi gähnte und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Verschlafen blickte sie sich um und entdeckte ihre Mutter, die, unter ihrer Decke verborgen, noch tief schlief. Hoffnungsvoll huschte ihr Blick zur anderen Seite des Bettes, in das sie in letzter Zeit nachts öfters schlich, doch sie war leer.

Das Mädchen schlug die Decke zurück, schwang die Beine aus dem Bett und entfernte die lästige Windel, die ihre Mama ihr vorsichtshalber zum Schlafen immer noch um machte. Sie ließ sie – nicht ein Tropfen war darin – achtlos auf dem Boden liegen und verließ das Schlafzimmer ihrer Eltern, um auf Toilette zu gehen.

Kairi schlurfte den Flur entlang, ihre Augen unentwegt auf die Haustür gerichtet. Nicht einmal ein Schatten huschte darüber. Enttäuscht wandte sie sich ab, betrat sie das Badezimmer und zog die Tür hinter sich zu.
 

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Shikamaru fühlte sich grauenvoll, als er in der Morgendämmerung nach einer kurzen Nacht erwachte. Seine Beine, die nach unzähligen Sprints schwer wie Blei waren, hatten sich ein wenig erholt – nicht annähernd genug, um sich fit zu fühlen, aber immerhin –, aber dafür hatte er sich verlegen. Er verspürte ein unangenehmes Ziehen im Nacken, das einen Impuls seinen halben Rücken hinab auslöste. Er streckte sich und obwohl es nicht besser wurde, suchte er rasch seine Sachen zusammen und setzte seine hektische Reise fort. Wenn er sich beeilte, was ihm in seiner körperlichen Verfassung zusehends schwerer fiel, und sich maximal zwei kurze Pausen gönnte, schaffte er es bis zum Nachmittag nach Sunagakure.

Ein fast aussichtsloses Unterfangen, doch er gab nicht auf. Er wollte nicht daran denken, was war, wenn er es nicht rechtzeitig schaffte. Nicht zu diesem Zeitpunkt und mit einem klitzekleinem Rest Energie im Leib.
 

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Temari drehte sich auf die Seite, hielt die Augen geschlossen und genoss die Wärme der Bettdecke, unter der sie verborgen war. Sie machte einen Katzenbuckel, um ihre Wirbel zu strecken und lauschte einen Moment lang den Geräuschen, die aus dem Babyfon klangen. Ein gelegentliches Rascheln war zu hören. Es sagte ihr, dass ihr kleiner Sohn langsam wach wurde. Sie sprang allerdings nicht auf, um nach ihm zu sehen, sondern wartete ab, bis er sich mit Gebrabbel oder einem Weinen meldete. In den letzten Wochen war es häufiger vorgekommen, dass er noch eine halbe Stunde weitergeschlafen hatte und in dem Weihnachtsstress wollte sie die möglichen dreißig Minuten der Ruhe nicht verschenken.

Shikadais Bewegungen verstummten und es wurde wieder still. Zu still, wie sie schnell feststellte. Wenn sie sich darauf konzentrierte, vernahm sie ihren eigenen Atem, doch sie vermisste den ihrer Tochter.

Abrupt gingen ihre Lider auf und sie stellte fest, dass Kairi nicht neben ihr im Bett lang. Shikamarus Decke lag nur zerwühlt am Bettende und von ihrem Kind fehlte jede Spur.

Temari stieß ein Seufzen aus und schälte sich schwerfällig aus dem Bett. Sie entdeckte eine leere Windel auf dem Teppich und ein Schmunzeln schlich sich auf ihre Lippen. Sie hob sie auf, rollte sie zusammen, verließ ihr Schlafzimmer und schlug den Weg zum Bad ein. Als sie am Wohnzimmer vorbeikam, schaute sie automatisch hinein. Wie erwartet saß Kairi auf dem Fußboden vor dem Weihnachtsbaum.

Sie freute sich fast, dass das Mädchen es geschafft hatte, den Schalter der Lichterkette umzulegen, den sie in der hintersten Ecke außerhalb von Shikadais Reichweite platziert hatte, da gefror ihr anbahnendes Lächeln. Das aktuelle und halbvolle Fotoalbum lag offen vor den Knien ihrer Tochter, die unentwegt ein Bild auf der rechten Seite anstarrte. Es war ein Foto von ihrem zweiten Geburtstag. Es zeigte sie lachend zusammen mit ihrem Vater.

Temari beobachtete sie einen Moment, dann blies Kairi verdrossen ihre Wangen auf und schlug das Album zu.

Ihre Mutter wich ein Stück zurück aus ihrer Sichtweite und wartete einige Sekunden, bis sie mit einem unguten Gefühl im Magen den Raum betrat.

Das Mädchen, das nun ihr Lieblingsbilderbuch ansah, blickte nicht einmal zu ihr auf.

Sie entsorgte die leere Windel im Küchenmüll und rief: »Was möchtest du zum Frühstück?«

Da ihre Tochter nicht reagierte, streckte sie ihren Kopf durch den Türrahmen und wiederholte ihre Frage: »Liebes, was möchtest du essen?«

Kairi musterte sie abweisend, murrte ein »Nichts« und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihr Buch.

Ernüchtert fuhr Temaris Blick zur Küchenuhr. Es war kurz nach acht, also blieben bis zur Bescherung neun Stunden. Neun Stunden, die sich mit ihrer enttäuschten Tochter endlos hinziehen würden. Aber das nahm sie in Kauf, denn wovor ihr wirklich graute, war die Zeit danach, falls Shikamaru es bis dahin nicht nach Hause schaffte.
 

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Shikamaru sank auf die Knie und ließ sich in den Sand fallen. Er hatte fünf Minuten, bis er zurück in die sengende Wüstensonne musste. Mehr Zeit konnte und wollte er sich nicht geben.

Er tastete nach der Uhr in seiner Hosentasche und hielt sie sich vor die Augen. Es war fast Mittag und Sunagakure war nicht einmal in Sicht. Diese Tatsache entmutigte ihn, doch sie hielt ihn nicht davon ab, an seinem Versprechen festzuhalten.

Er rollte sich auf den Rücken und wischte sich den Sand aus dem Gesicht, der an seiner schweißnassen Stirn klebte. Eine letzte Hoffnung blieb ihm noch. Er öffnete seine linke Westentasche und holte einen kleinen Beutel heraus. Er schnürte ihn auf und eine unscheinbare, schwarze Pille fiel heraus. Shikamaru nahm sie zwischen Daumen und Zeigefinger, warf sie sich in den Mund und schluckte sie herunter.

Die Nahrungspille wirkte sofort und vertrieb seinen Hunger; er spürte das Chakra in seinen Bahnen zirkulieren und ansteigen, was seine erschöpften Energiereserven auffrischte. Das Hauptproblem seiner verkaterten Muskeln in den Beinen und den eingeklemmten Nerv in seinem Rücken wurde er so nicht los, doch er hoffte, dass es ihm gelang, sich mit ein wenig Energie für die letzten Stunden seiner Reise zusammenzunehmen, ohne zusammenzubrechen. Das durfte er erst, wenn er das Lächeln auf dem Gesicht seiner Tochter gesehen hatte.

Danach konnten sich die Tore zum Jenseits für ihn öffnen.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich wünsche euch ein frohes Weihnachtsfest und bedanke mich herzlich fürs Lesen. :) Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Majaaaa
2015-12-23T15:23:59+00:00 23.12.2015 16:23
Oh man Kairi kann einem ja richtig leid tun. Wie süß, dass Matsuri jetzt auch schwanger ist. Wie Kankuro wohl reagieren wird. Hoffentlich schafft Shikamaru es noch rechtzeitig. Bin schon gespannt aufs nächste Kapitel. Mach weiter so


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