Von hinterhältigen Grumpy-Wölfen und heiklen Zimmeraufteilungen...
Langsam bog der silberne SUV in die gepflasterte Einfahrt ab und hielt schließlich ein kleines Stück von der Eingangstüre entfernt an.
Im Rückspiegel konnte Chris das Taxi erkennen, das ihm vom Pariser Flughafen aus hinterher gefahren war und nun auch in der Einfahrt angehalten hatte.
Ein lautloses Seufzen kam über die Lippen des Mannes, als er seine Hände von dem ledernen Lenkrad nahm und die letzten Sekunden der Ruhe genoss, bevor sein Leben für die nächsten Tage im Chaos versinken würde.
Was hatte er sich nur dabei gedacht?
Die Beifahrertüre sprang mit einem lauten Geräusch auf, als Derek ihm einen letzten Blick zuwarf, bevor der Werwolf schließlich ausstieg. Chris hätte schwören können, dass so etwas wie Mitleid in den graugrünen Augen des jüngeren Mannes gelegen hatte, aber... Mitleid war definitiv das Letzte was Chris gerade gebrauchen konnte!
Ein Blick über die Schulter zeigte dem ehemaligen Werwolfjäger Cora und Isaac, die sich gerade flüsternd unterhielten.
Neben den beiden am Fenster saß Stiles...
Wobei... Um genau zu sein, hing der junge Mann eher in dem Sicherheitsgurt, als dass er aufrecht saß. Sein Kopf war gegen das Fenster gelehnt, sein Mund stand leicht offen und er schien sich dank eines ordentlichen Jetlags ins Land der Träume verabschiedet zu haben.
Chris verzog leicht das Gesicht, als er die feine und äußerst unschöne Sabberspur erkennen konnte, die Stiles an der Fensterscheibe seines Autos hinterlassen hatte.
Na klasse...
Bevor sich der ehemalige Jäger jedoch Gedanken darüber machen konnte, wie er den jungen Mann möglichst unsanft aus seiner Traumwelt heraus reißen konnte, wurde ihm jegliche Form von Rache leider verwehrt.
Mit Schwung wurde die hintere Autotüre aufgerissen, so dass Stiles gefährlich zur Seite kippte.
Augenblicklich riss der junge Mann die Augen auf, die sich auch sofort panisch weitete und er fuchtelte wild mit den Armen herum.
Chris machte sich schon darauf gefasst, dass Stiles einfach aus dem Auto fallen würde und nicht einmal die Reflexe von Cora schienen ihn davor bewahren zu können, da die Dunkelhaarige ein wenig zu spät reagiert hatte.
Sie bekam den Ärmel des roten Kapuzenpullis von Stiles nicht mehr rechtzeitig zu fassen.
Bevor der Sicherheitsgurt den jungen Mann vor einem Sturz bewahren konnte, prallte er schließlich mit einem gedämpften „Uff“ gegen einen breiten Oberkörper.
Derek verdrehte leicht die Augen, als Stiles sich regelrecht an ihn fest klammerte und mittlerweile mit dem Oberkörper halb aus dem Auto heraushing.
Die großen, braunen Augen des Jüngeren starrten ihm geweitete entgegen, wobei immer noch ein leicht verträumter Ausdruck darin zu erkennen war.
So als wäre Stiles noch nicht ganz wach...
Die verwuschelten Haare und die feucht glänzenden Lippen des Jüngeren unterstrichen diesen Eindruck noch und sorgten dafür, dass der Werwolf einmal trocken schlucken musste.
Schließlich verwandelte sich der panische Gesichtsausdruck von Stiles in einen genervten als ihm endlich bewusst zu werden schien, was genau passiert war.
Derek hatte ihm mal wieder die A-Karte zugeschoben und unter Beweis gestellt was für ein hinterhältiger Grumpy-Wolf er doch wirklich war.
„Ich hasse dich!“, murrte Stiles leise, jedoch machte er trotz dieser Aussage keine Anstalten sich von dem größeren Mann zu lösen.
Im Gegenteil...
Er lehnte sich sogar noch ein wenig mehr gegen den Werwolf. Derek konnte das zusätzliche Gewicht definitiv tragen und die Wärme, die von dem Dunkelhaarigen ausging war einfach zu verlockend.
Von dem Werwolf kam als Antwort nur ein leises Schnauben, ehe er sich ein wenig über den jüngeren Mann beugte, um den Sicherheitsgurt für Stiles zu lösen, nachdem dieser ja keine Anstalten machte sich in nächster Zeit zu bewegen.
Augenblicklich wurde Derek dadurch an die peinliche Situation im Flugzeug erinnert, als Stiles alles versucht hatte um ihm dabei behilflich zu sein, seinen Gurt zu schließen. Alleine wenn er daran zurück dachte – an das Gefühl von Stiles Körper, der sich an ihn geschmiegt hatte und die langen Finger, die seiner Lendengegend so gefährlich nahe gekommen waren – überkam Derek ein leichter Schauer und sein Herz setzte für einen Schlag aus.
Oh Gott...
Er sollte wirklich an etwas anderes denken, bevor es hier zu einer noch viel peinlicheren Situation kam.
Mit einer fahrigen Bewegung öffnete Derek den Verschluss für den Gurt und unweigerlich fiel sein Blick dabei auf Cora und Isaac.
Die beiden hatten die Szene anfangs mit einem breiten Grinsen mitverfolgt. Nun allerdings waren Coras Augenbrauen ein Stück nach oben gewandert und seine jüngere Schwester warf ihm einen fragenden Blick zu.
Ohne Zweifel hatte sie dank ihres Werwolfsgehör natürlich seinen unregelmäßigen Herzschlag gehört... genauso wie Isaac, der mindestens genauso irritiert aussah wie seine Verlobte.
Augenblicklich setzte Derek sein übliches Grumpy-Cat Gesicht auf, noch zusätzlich unterstützt von einem missbilligenden Grummeln, was auch sofort Wirkung zeigte.
Isaac fummelte hektisch an dem Türgriff herum und verhedderte sich beinahe in seinem eigenen Sicherheitsgurt, als er versuchte so schnell wie möglich von der Rückbank zu rutschen.
Cora hingegen zögerte noch einen Moment.
Ihre braunen Augen bohrten sich regelrecht in die graugrünen Augen ihres Bruders, ehe sie sich schlussendlich mit einem leisen Seufzen abwandte.
Sie war zwar auch stur, aber sich mit den älteren Mann anzulegen war schon früher eine schlechte Idee gewesen...
Derek atmete erleichtert durch, als die beiden anderen Werwölfe endlich ausgestiegen waren und ihn somit alleine mit Stiles zurück ließen.
Der junge Mann hatte natürlich nichts von alledem mitbekommen. Sein Gesicht presste sich mittlerweile fest gegen Dereks Bauch und wenn der Dunkelhaarige genau darauf achtete, konnte er sogar den heißen Atem des Jüngeren durch sein dünnes T-Shirt hindurch auf seinen Bauchmuskeln spüren.
Okay...
Das trug wirklich nicht zu einer Beruhigung seiner eh schon aufgewühlten Gefühle bei.
Vielleicht war das auch der Grund, weshalb Derek etwas grober als beabsichtigt den jüngeren Mann aus dem Auto zerrte.
„Woah...!“
Stiles hatte Schwierigkeiten den Boden unter seinen Füßen zu finden und es war nur Dereks festem Griff an seinen Schultern zu verdanken, dass er nicht doch noch unsanft aus dem Auto fiel.
„Bist du bescheuert?“
Stiles verzog schmollend seinen Mund zu einer Schnute, während er dem Größeren leicht in den Oberkörper boxte.
Bevor Derek zu einer Antwort ansetzen konnte, tauchte plötzlich Isaac wieder neben ihnen auf und ließ einen großen Koffer direkt vor ihren Füßen auf den Boden fallen.
„Sag mal Stilinski, hast du Steine mitgenommen? Das Ding wiegt ja mindestens eine Tonne!“
Augenblicklich trat Stiles einen Schritt von Derek zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Sein Schmollmund wurde sogar noch eine Spur größer.
„So ein Schwachsinn... Ich habe nur das Wichtigste mitgenommen!“
„Ach ja?“
Cora stellte das Handgepäck von Stiles neben den großen Koffer und sofort verzogen sich Isaacs Lippen zu einem breiten Grinsen.
„Du bist ja fast so schlimm wie Lydia! Also wenn du jetzt in dem Koffer genauso viel Kosmetik eingepackt hast, wie unsere unangefochtene Diva, dann muss ich mir ernsthafte Sorgen machen, oder?“
Mittlerweile hatte sich auf Stiles Wangen eine gesunde Röte ausgebreitet, während er Isaac beleidigt die Zunge heraus streckte.
„Ich sage nur ein Wort: Bücher... aber du weißt ja wahrscheinlich nicht einmal was das ist, Lahey!“
Augenblicklich verblasste das Grinsen auf den Lippen des größeren Werwolfs und wurde stattdessen von einem seiner Hundeblicke abgelöst.
„Jetzt sag bloß nicht, dass du hier lernen willst... Dafür bist du ja wohl definitiv nicht bis nach Paris geflogen, oder?“
„Das Jurastudium macht sich ja wohl schlecht von alleine!“
Mit hoch erhobenem Haupt griff Stiles nach seinem Handgepäck und dem größeren Koffer, bereit für einen dramatischen Abgang, jedoch schaffte er es auf dem Kopfsteinpflaster nicht, das schwere Gewicht des Gepäckstücks hinter sich herzuziehen.
Nach einem kräftigen Ruck schwankte der Koffer schließlich gefährlich in Stiles Richtung und der junge Mann hatte alle Hände voll zu tun, um nicht unter dem tonnenschweren Gewicht von Gesetzesbüchern begraben zu werden.
Isaac konnte sich ein leises Lachen nicht verkneifen, da der Kleinere einige ziemlich komische Verrenkungen veranstaltete, ehe ausgerechnet Derek mit dem jungen Mann Mitleid zu haben schien.
Seufzend griff der Dunkelhaarige nach dem Gepäckstück und hob es mit Leichtigkeit an, so dass Stiles erleichtert aufatmete.
Mit einem letzten Augenverdrehen trug schließlich Derek den schweren Koffer bis zu der Eingangstüre, dicht gefolgt von einem grummelnden Stiles, der sich an seinem Handgepäck festzuklammern schien und insgeheim alle Werwölfe auf dieser Welt verfluchte...
Na ja... alle... außer Scott vielleicht...
~*~
Dean folgte mit einem unguten Gefühl im Magen seinem Bruder die wenigen Stufen bis zu der großen Eingangstüre hinauf.
Sich hier bei Argent einzunisten war mit Abstand die dümmste Entscheidung, die sie seit langem getroffen hatten. Das würde doch nur in einem riesigen Streit enden!
Noch dazu, wenn es in dem Haus in ein paar Tagen nur so von Werwölfen wimmeln würde. Was zum Henker hatte sich Sam nur dabei gedacht, als er auf die Hochzeitseinladung von Cora mit einem 'Ja' geantwortet hatte.
Manchmal war sein Bruder ein echter Hornochse!
Trotzdem hatte sich Dean bereitwillig in das Taxi gesetzt und sie waren hinter Argents großem SUV durch halb Paris hinterher gefahren, bis sie schließlich in einer netten, idyllischen Gegend angehalten hatten.
Hier sah alles nach einem perfekten Bilderbuchleben aus.
Die großen Häuser, die breite Allee gesäumt von hohen Bäumen und schließlich der gepflegte Vorgarten, an dem sie von dem Taxifahrer abgesetzt worden waren.
Bei dem Anblick stellten sich bei Dean die Nackenhaare auf und er konnte noch nicht einmal genau sagen woran es lag.
Vielleicht erinnerte ihn das hier alles an Lisa und Ben und an das gemeinsame Jahr mit den beiden.
Eine Erinnerung, die er sich nur äußerst selten wieder ins Gedächtnis rief, da es ihm jedes Mal einen Stich ins Herz versetzte...
Entweder spürte Cas etwas von Deans Unwohlsein, oder aber der Engel hatte mal wieder keinen Sinn für persönlichen Freiraum.
Plötzlich streifte die Hand von Castiel beruhigend über seine Schulter, ehe der Engel dicht neben ihm stehen blieb und einen Blick durch den kleinen Eingangsbereich warf.
„Also irgendwie hatte ich mir das hier größer vorgestellt! Sicher, dass wir hier alle Platz haben?“
Dean konnte Stiles innerlich nur zustimmen.
Hier sollten sie ernsthaft alle unterkommen? Wie... sollte das denn funktionieren?
Chris schien von der Aussage des jüngeren Mannes alles andere als begeistert zu sein, da er sich mit einem Schnauben an Derek und Isaac vorbei drängte um schließlich am Fuße einer engen Treppe stehen zu bleiben.
„Ich war nicht derjenige, der einfach fremde Häuser für andere zur Verfügung stellt, Stilinski!“
Sofort hob Stiles beschwichtigend die Hände.
„Schon gut... Ich wollte ja nur nett sein! Elender Spielverderber...“, murmelte er und konnte nur von Glück sagen, dass Chris ihn nicht verstand, da er sich am anderen Ende des Flurs befand.
Sam schien mittlerweile seine Entscheidung genauso zu bereuen, wie Dean...
Zumindest hatte sein jüngerer Bruder einen unsicheren Blick aufgesetzt, ehe er sich zu Wort meldete.
„Wir sind wirklich dankbar für die Einladung, aber... Vielleicht wäre es doch besser, wenn wir uns eine andere Unterkunft suchen würden. Wir wollen ja auch niemandem zur Last...“
„So ein Schwachsinn...“
Noch bevor Sam seinen Satz beenden konnte, wurde er von Cora unterbrochen.
„Ich habe euch schließlich eingeladen! Und wir haben genug Platz für alle hier, nicht wahr Chris?“
Cora warf dem älteren Mann einen bestimmenden Blick zu unter dem wahrscheinlich sogar Derek zusammengesunken wäre. Für einen kurzen Moment wurde Chris schmerzlich an seine Tochter Allison erinnert, die ihn manchmal auch so feurig angestarrt hatte... vor allem wenn er mal wieder ein schlechtes Wort über Scott oder Werwölfe im Allgemeinen von sich gegeben hatte.
Jedoch war das Bild vor seinen Augen genauso schnell wieder verschwunden, wie es aufgetaucht war.
Cora musterte ihn immer noch abwartend und schließlich seufzte der ältere Mann ergeben.
„Ja... natürlich!“
Obwohl er sich seinem Schicksal ergab, konnte er trotzdem nicht den Sarkasmus aus seiner Stimme verbannen.
Isaac räusperte sich leise und lenkte somit die Aufmerksamkeit auf sich.
„Ich zeig euch einfach mal die Zimmer, okay? Zwar müssen wir ein bisschen umdisponieren, aber ich denke, dass das kein Problem sein dürfte!“
Mit einem Kopfnicken deutete der Werwolf den anderen Männern an ihm zu folgen um Chris wenigstens ein bisschen Ruhe zu gönnen.
Gemeinsam erklommen sie die enge Treppe, die in das obere Stockwerk führte.
Hier oben war der Gang zwar genauso eng, wie im Erdgeschoss, jedoch hatten sie einen freien Blick auf das erste Zimmer, da die Türe offen stand.
Es sah ziemlich geräumig aus... ganz anders als der enge Eingangsbereich.
Ein großes Doppelbett stand unter einem Fenster und ein riesiger Schrank nahm die komplette Wand für sich in Anspruch. Trotzdem hatte noch locker ein kleiner Sessel mit Tisch in der Ecke Platz ohne dass das Zimmer zu voll gestellt wirkte.
„Hier schlafen Cora und ich für die nächsten Tage...“
Isaac marschierte an der offenstehenden Zimmertüre vorbei, wobei ihm die anderen im Entenmarsch folgen mussten, um nicht gegeneinander zu stoßen.
Schließlich öffnete Isaac zwei weitere Türen, hinter denen sich zu Deans Erstaunen mindestens genauso geräumige Zimmer befanden.
Wer hätte das gedacht?
Sam und er hatten definitiv in einigen Hotels und Absteigen schon weitaus schlechter eine Nacht verbracht!
„Eigentlich wären das eure Zimmer gewesen...“
Isaacs Blick wanderte unsicher von Stiles zu Derek.
„Aber... ich fürchte wir müssen diese Aufteilung nochmal überdenken, da wir nicht mit so vielen Übernachtungsgästen gerechnet hatten. Noch dazu, wenn Scott in ein paar Tagen mit seiner Familie ankommt und morgen auch noch Lydia hier eintrudeln wird... Sie kommt viel früher als geplant, aber sie hat Cora so lange bearbeitet, bis sie schließlich eingewilligt hat, Lydia als Hochzeitsplanerin zu engagieren... Ihr kennt sie ja...“
Stiles grinste breit, da er sich ganz genau vorstellen konnte, wie Lydia ihre Hilfe regelrecht aufgedrängt hatte. Wenn es um die Planung von Partys ging, dann kannte die erdbeerblonde Frau kein Halten mehr... Noch dazu wenn es um eine Hochzeitsparty ging...
Isaacs Stimme riss Stiles wieder aus seinen Gedanken, jedoch bekam er nur noch den letzten Rest mit.
„... fürchte ihr müsst euch das Zimmer teilen.“
What the... fuck?!
Teilen?
Oh Gott...
Bitte... alles nur keine heiklen Zimmeraufteilungen!
Noch bevor Stiles nachhaken konnte, gab Derek ein leises Brummen von sich.
„Wenn es nicht anders geht... Von mir aus...“
Isaacs Augen weiteten sich ein wenig, da er mit deutlich mehr Widerstand gerechnet hatte. Noch dazu seitens Derek!
Aber der Werwolf schien sich ziemlich schnell seinem Schicksal zu ergeben, weshalb Isaac auch kurz stockte bevor er sich an Dean, Sam und Cas wandte.
„Ähm... okay... Also... Das rechte Zimmer ist ein wenig größer. Sogar mit einer kleinen Schlafcouch. Ich weiß, es ist ein wenig eng für drei, aber...“
„Schon okay!“
Sam winkte schnell ab.
Für ein paar Tage würde das definitiv seinen Zweck erfüllen... und es war eh fraglich, ob sie wirklich bis zur Hochzeit hier bleiben würden!
