Prolog – Endlich habe ich einen Jäger gefangen.
„Das ist jetzt das vierte Mal“, brummte er.
Die dunkle Gasse, in der er sich gerade befand, war ihm inzwischen vertraut, wenngleich das sicher nie sein Wunsch gewesen war. Aber wenn sein Lehrmeister ihn herschickte, dann hatte er auch zu gehorchen, egal wie sehr es ihm widerstrebte.
Er mochte Cherrygrove an und für sich, aber nicht die Orte, an denen sich dort Dämonen aufhielten. In Lanchest waren sie quasi überall, statt sich einfach in finsteren Gassen zu verstecken, man konnte immer auf sie treffen – hier in Cherrygrove schien es ihm, als hätten sie Angst vor irgendetwas und versuchten deswegen, sich zu verstecken und gleichzeitig dennoch ein Opfer zu finden.
Natürlich wusste er, dass es hier einen Jäger gab, einen sehr guten sogar, angeblich, aber es fiel ihm schwer, sich vorzustellen, dass dieser so viel mehr Eindruck schinden könnte, als er selbst oder seine Partnerin.
Ein sanftes Lächeln erhellte sein Gesicht, als er an sie dachte, dann holte er sein Handy hervor, um ihr zumindest eine kurze Nachricht zu schreiben, wenn er schon gerade nicht bei ihr sein konnte. Vielleicht war ihr Rundgang auch wesentlich aufregender als seiner und sie wäre in der Lage, ihn mit einer Erzählung dazu aufzumuntern. Er kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie ihm selbst mitten während eines Kampfes problemlos antworten könnte.
Als er das Handy aufklappte, begrüßte ihn der vollkommen normale Bildschirm, weswegen er nicht glaubte, in irgendeiner, wie auch immer gearteten, Gefahr zu schweben, und einfach stehenblieb. Er navigierte sich durch das Menü, um eine Nachricht schreiben zu können: So langweilig. Ich wünschte, es könnte endlich was geschehen. =_=;; Was ist bei dir so los?
Doch kaum hatte er das Fragezeichen gesetzt, bereit, die Nachricht abzuschicken, war er überzeugt, dass jemand – oder etwas – hinter ihm stand. Er spürte einen stechenden Blick in seinem Nacken, glaubte gar, das gierige Funkeln in den Augen seines Angreifers vor sich sehen zu können.
Sein Handy reagierte immer noch nicht, weswegen er sich sagte, dass er sich das nur einbildete oder es zumindest lediglich ein Mensch war, aber das Gefühl war derart stark, dass es fast schon körperlich war. Es stand direkt neben ihm, wollte ihn an den Schultern packen, damit er sich umdrehte und er schaffte es einfach nicht, die Nachricht wegzuschicken. Sein Finger schwebte über dem Senden-Knopf, als würde er etwas Unheilvolles auslösen, sobald er auf ihn drückte.
Doch schließlich schalt er sich selbst über sein Verhalten und drehte sich mit spöttisch hochgezogenen Mundwinkeln um, damit er sich selbst bestätigen könnte, dass alles in Ordnung war.
Aber das Lächeln fror ihm direkt auf dem Gesicht ein, als er sich einem Spiegel gegenübersah, der zuvor nicht dort gewesen war. Normal war das jedenfalls nicht, auch nicht für einen Streich, deswegen versuchte er, im Spiegel Anzeichen zu finden, die darauf hinwiesen, dass es sich hierbei um etwas Dämonisches handelte. Seine grünen Augen und seine rechteckige Brille waren jedenfalls normal, sein grünes Haar saß perfekt, die Perlenkette, die darin angebracht war, ebenfalls. Sein Hemd und seine graue Jacke waren auch noch in Ordnung ... an seiner eigenen Gestalt fand er also absolut nichts Schlimmes oder Ungewöhnliches.
Dann erst kam er auf den Gedanken, alles außerhalb von sich selbst im Spiegel zu betrachten und dabei fiel ihm überraschenderweise auf, dass außer ihm überhaupt nichts zu sehen war, keine Mülltonnen, keine Wände, gar nichts – und im selben Moment, in dem ihm das bewusst wurde, reagierte sein Handy endlich.
Das Display leuchtete stärker als gewöhnlich und versprühte sogar magische, grüne Funken. Alarmiert fuhr er herum – und spürte einen heftigen Schlag gegen seine Seite, der ihn direkt gegen die Wand schleuderte. Seine Schulter knackte schmerzhaft, aber er konnte keine Rücksicht darauf nehmen. Stattdessen versuchte er, mit seinem Handy eine Verbindung zu errichten, um seine Waffe zu beschwören, doch ein weiterer Schlag folgte aus der Dunkelheit, worauf ihm das Telefon aus der Hand fiel, auf dem Boden landete und rasch aus seinem Blickfeld verschwand.
Er fluchte leise und wollte sich zumindest von der Wand entfernen, erntete dafür aber einen weiteren Schlag, der ihm die Brille aus dem Gesicht wischte und einen schmerzhaften Kratzer auf seiner Wange hinterließ.
Ein Knirschen verriet ihm, dass sein Gegner auf seine Brille getreten war. Durch seine verschwommene Sicht versuchte er, den anderen zu mustern, erkannte aber nicht viel mehr als ein orange-farbenes Glühen, das den Augen des Wesens entsprechen musste.
Doch bevor er versuchen konnte, mehr zu erkennen, spürte er, wie eine Hand nach seiner Kehle griff. Sie übte keinerlei Druck aus, aber dennoch kam es ihm vor, als würde ihm die Luft wegbleiben, sämtliche Kraft verließ seinen Körper und eine Sekunde später wurde ihm bereits schwarz vor Augen. Ehe er endgültig das Bewusstsein verlor, hörte er noch eine zischende Stimme: „Endlich habe ich einen Jäger gefangen.“
Der Sinn der Worte erschloss sich ihm bereits nicht mehr, als er zu Boden sank und endgültig alles schwarz um ihn herum wurde.