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Mörderische Goldgier

"Geliebter Blutsbruder"- Teil II
von

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Ruhe in Frieden, mein Freund!

Wir lösten uns nur widerstrebend voneinander, innerlich zwiegespalten zwischen dem Willen, den Feinden nun endgültig den Garaus zu machen, und dem Wunsch, einander nie wieder loszulassen, doch dann wandten wir uns entschlossen unseren Waffen zu, um sie an uns zu nehmen. Kaum war das geschehen, sahen wir uns wieder an, und beide wussten wir im gleichen Moment: Jetzt würden wir uns trennen müssen.

Das war genau das, was ich als Letztes gewollt hatte – mich von Winnetou zu trennen, wo ich doch eigentlich alles daransetzen wollte, ihn bis zum bitteren Ende vor den Feinden zu schützen, selbst wenn ich mich dann für ihn würde opfern müssen.

Aber es war wichtig, so schnell wie möglich alle Gefährten zu wecken, damit diese überhaupt noch eine Gelegenheit dazu bekamen, sich vor der viel zu großen Übermacht der Feinde zu verteidigen; selbst die Butterfields mussten auf jeden Fall ihre Chance erhalten und sollten den Rothäuten zumindest mit einem Gewehr in der Hand gegenübertreten können.

Natürlich hätte ich zu diesem Zweck einfach nur einen lauten Warnruf ausstoßen brauchen, aber dadurch wären unsere Gegner auch sofort über unseren genauen Standort informiert worden, und unsere einzige Chance, einen überraschenden Gegenangriff durchzuführen, wäre dahin gewesen.
 

Also war es jetzt notwendig, dass wir in entgegengesetzte Richtungen liefen, da die Wohnstuben der Gefährten teils links, teils rechts von uns lagen. Außerdem musste einer von uns zu den Pferden, die in der Nähe der gegenüberliegenden Talwand grasten, um sie aus der Koppel zu lassen, damit sie sich im Notfall schnell selbst in Sicherheit bringen konnten, und von dort aus hofften wir auch, einen genauen Überblick über den Standort der Feinde und ihre Anzahl zu bekommen.
 

Kaum hatten wir sämtliche Waffen angelegt, verständigten wir uns durch einen einzigen Blick, und dann lief ich links herum hinaus, wo die Kammern von all unseren weißen Gefährten einschließlich der Butterfields lagen, während Winnetou rechts herum eilte, um die beiden Apatschen zu wecken, die keinen Wachdienst hatten, und um dann im Anschluss zu den Pferden zu laufen.

Der Doktor war im Nu auf den Beinen, als ich ihn an der Schulter rüttelte und ihm die bittere Nachricht im schnellen Flüsterton mitteilte. Geistesgegenwärtig zog er sich notdürftig an und griff ebenfalls sofort zu seinen Waffen, während ich schon weiter hastete, um Pete Muller, denjenigen Pelzjäger, der in einer der nächsten Kammern schlief, zu wecken. Auch er stellte keine unnötigen Fragen und bereitete sich so schnell als möglich vor, jedoch konnte er nicht vermeiden, dass ihm vor Schreck das Blut aus dem Gesicht wich.

Der andere Pelzjäger, John McBentstone, hatte zur Zeit Wache am Tunnelausgang. Waren die Kiowas auch schon dort? Oder hatten sie nur die Möglichkeit zum Erobern des Tales oben auf dem Felsengrat entdeckt? Lebte der Mann überhaupt noch? Doch darum konnte ich mich jetzt absolut nicht mehr kümmern, denn wir mussten zusehen, dass wir, wenn es irgendwie noch möglich sein sollte, zumindest erst einmal das Innere des Tales unter Kontrolle bekamen!
 

Als ich wieder ins Freie trat, sah ich mich einen kurzen Moment lang um. Es herrschte noch tiefste Nacht, und der Mond stand nur als dünne Sichel am Himmel. Trotzdem konnte ich noch so viel erkennen, als dass ich mindestens dreißig feindliche Rothäute links und rechts von mir zu beiden Seiten an den Talwänden hinunter kraxeln sah, offenbar mit Hilfe zusammengebundener Lassos. Also hatten sie einen Zugang von außen zu den Felsenhöhen gefunden und nutzten ihre Übermacht jetzt in einer Weise aus, die es für uns ganz schlecht aussehen ließ.

Offenbar hatten sie mich noch nicht bemerkt, und so huschte ich schnell in die nächste Höhle hinein, in der die Butterfields schliefen.

Hier dauerte es etwas länger, bis ich die jungen Männer wach bekommen hatte, und dann musste ich anschließend auch noch die größte Mühe aufwenden, ihnen begreiflich zu machen, dass sie Stillschweigen bewahren sollten, damit sie nicht sofort die Aufmerksamkeit der Feinde auf sich zogen. Das war natürlich leichter gesagt als getan, denn der Schreck über meine Ankündigung saß ihnen tief in den Knochen. Sie drängten sich wie eine Hühnerschar dicht zusammen, und dieser Anblick brachte mich auf eine Idee.
 

So schnell ich konnte, postierte ich die Jünglinge auf eine besondere Weise in den schmalen Eingang der Kammer: Drei von ihnen saßen auf dem Boden, drei weitere knieten dahinter, und die restlichen vier standen wiederum hinter den anderen sechs Familienmitgliedern; alle zehn hielten ihre geladenen Gewehre im Anschlag und sahen angespannt nach draußen, ausnahmslos alle dabei kreidebleich im Gesicht, aber trotzdem mit einem äußerst entschlossenen Ausdruck in den Augen.

Doch bevor ich wieder zurück zu Winnetou eilen konnte, hielt mich der älteste der jungen Männer, Elias Peterson, zurück. Ich sah in sein ängstliches Gesicht, in dass sich jetzt allerdings auch ein Ausdruck des tiefen Schuldbewusstseins geschlichen hatte.

„Mr. Shatterhand – es tut uns entsetzlich leid.... aber wir wollten Euch doch unbedingt helfen....“
 

Völlig verdutzt sah ich ihn an. Was um alles in der Welt wollte er mir denn jetzt damit sagen? Aber egal, was es war – es musste warten, dieser Augenblick war nun wirklich nicht die Zeit für irgendwelche unwichtigen Geschichten. Ich wollte mich abwenden, doch er hielt mich jetzt mit einem fast schon brutalen Griff am Oberarm abermals zurück.

„Bitte – Mr. Shatterhand... Dieses verflixte Kraut wuchs hier wirklich nirgendwo... wir mussten dann doch woanders suchen, damit Euer Leben gerettet werden konnte....“

Er sah in mein wohl völlig entsetztes Gesicht und verstummte sofort.
 

Dieses Geständnis traf mich wie ein Donnerschlag. Was hatten wir nur alles für diese Familie getan! Vor so vielen Beinahe-Unfällen und Unglücken wurden sie durch uns bewahrt! Wir hatten sie beschützt und unser Leben für sie riskiert, ganz besonders Winnetou! Und nun hatten diese Unglücksraben also am gestrigen Tag tatsächlich das Tal verlassen, um für mich eine Heilpflanze zu suchen, die das Gift der Schlange neutralisieren sollte, obwohl sie genau wussten, dass sie uns damit allesamt in höchste Lebensgefahr brachten!

Ich konnte es einfach nicht fassen. Natürlich, die Familie hatte es gut gemeint, sie wollten alles dafür tun, dass mein Leben gerettet wurde – aber dann schon wieder dieser unsägliche Leichtsinn!

Nun gut, es war jetzt nicht mehr zu ändern. Diese Dummheit würde die jungen Goldsucher nun wahrscheinlich das Leben kosten – uns aber ebenso!

Also schüttelte ich jetzt auch nur den Kopf und kehrte ihnen den Rücken zu, allerdings nicht, ohne den Jünglingen vorher zuzurufen:

„Versucht, Euch so gut wie möglich zu verteidigen! Mehr kann ich nicht mehr für Euch tun!“
 

Als ich jetzt zur Mitte des Talbodens sah, gewahrte ich meinen Blutsbruder, der sich schnellen Schrittes von der Pferdekoppel zurück zu den Höhlen bewegte und dabei immer wieder nach oben zu den Steilhängen sah.

Er sah mich und hastete schnell auf mich zu. Bei mir angelangt, flüsterte er mir eilends zu:

„Winnetou hat zwanzig Krieger auf der anderen Talseite herunterkommen sehen, und auf dieser Seite sind es dreimal zehn und fünf Kiowas – hat mein Bruder seinen Henrystutzen bereit?“

Diese Frage sagte alles über unser jetziges Vorgehen aus. Hier konnten wir den Feind nicht mehr schonen, denn hier ging es nicht nur um unser Leben, sondern vor allem um das der anderen sechzehn verbliebenen Bewohner der Festung. Fünfundzwanzig Schuss konnte ich, ohne nachzuladen, mit meinem Henrystutzen abgeben, dazu die zwei aus dem Bärentöter, zwei weitere aus Winnetous Silberbüchse, und anschließend hatten wir ja noch jeweils zwölf Schuss aus unseren Revolvern.

Mit ganz viel Glück konnten wir auf diese Weise einen Großteil der Eindringlinge ausschalten – zumindest die, die wir jetzt entdecken konnten. Doch das würde in dieser Dunkelheit, in die nur die dünne Sichel des Mondes ein wenig Helligkeit hineinbrachte, sehr, sehr schwer werden.
 

Aber waren das wirklich schon alle Gegner? Über einhundert Feinde hatten unsere Kundschafter im Kiowa-Lager gezählt, ungefähr fünfundfünfzig waren jetzt hier für uns sichtbar – doch wo waren die anderen? Noch oben? Draußen vor dem Tunnel? Schon hier im Tal, noch unsichtbar für uns? Oder doch noch weit weg von der Festung, immer noch verfolgt von Firehand und unseren anderen Gefährten?
 

Es war müßig, darüber jetzt zu spekulieren, auch hatten wir dazu überhaupt keine Zeit mehr, denn die Rothäute an den Felswänden hatten schon fast den Boden erreicht. Wenn wir noch eine Chance haben wollten, dann mussten wir handeln, und zwar genau jetzt.

Kurz überlegten wir noch, ob wir uns den Gegnern vor unserem Überraschungsangriff zu erkennen und ihnen die Möglichkeit geben sollten, sich uns zu ergeben, aber wir verwarfen den Gedanken sofort wieder. Wir konnten nicht wissen, wo sich die restlichen Kiowas befanden – sollten diese sich ebenfalls schon hier im Tal befinden, dann würde unser Großmut einem Selbstmord gleichkommen.

In diesem Augenblick entdeckte ich Pete Muller, der bis an die Zähne bewaffnet zum Tunneleingang lief, und kurz darauf auch die beiden Apatschen, die sich links und rechts von den steinernen Kammern eine Deckung suchten und sich dann dort postierten, um die an den Felswänden heruntersteigenden Kiowas von dort aus unter Beschuss zu nehmen.
 

Ich sah meinen geliebten Blutsbruder an und sagte zu ihm, zu allem fest entschlossen:

„Ich bin bereit, mein Freund!“ Er nickte nur, drückte mich kurz an sich, und dann sprinteten wir auseinander, suchten uns in zwanzig oder mehr Schritten Entfernung voneinander eine gute Deckung; gleichzeitig drehte ich mich zu der Seite, an der die fünfunddreißig Krieger herunterstiegen und auf der auch unsere Behausungen lagen, Winnetou hingegen wandte sich der gegenüberliegenden Talseite zu, an der er die anderen zwanzig Rothäute entdeckt hatte. Er legte seine beiden Revolver schussbereit vor sich auf den Boden, hob seine Silberbüchse an – und dann brach die Hölle los.
 

Winnetou und ich feuerten gleichzeitig, wobei mein Freund erst seine Silberbüchse und dann sofort hinterher beide Revolver leer schoss, während ich meinen Stutzen in einem durchrattern ließ. Sekundenbruchteile später hallten auch schon die Gewehrschüsse der beiden Apatschen durch das Tal, und sogar die Büchse des Doktors konnte ich in all dem Lärm noch heraushören.

Noch während die Luft erfüllt war von dem Donnern der Gewehre und der Revolver, ertönten schon die ersten Schmerzensschreie durch die Nacht. Zuerst nur wenige, dann immer mehr – offenbar hatten wir schon in diesen ersten Sekunden den Feinden ungeheure Verluste beigebracht.
 

Aus der Richtung, in der die Kammern der Butterfields lag, war jetzt lautes Geschrei zu hören, welches ich eindeutig den Jünglingen zuordnen konnte. Mir wurde angst und bange um die Familie, denn ich glaubte in diesem Augenblick natürlich, dass nun ihr letztes Stündlein geschlagen hatte. Allerdings unterschied sich dieses Schreien dann doch eindeutig von Schmerzensgeheul, es klang im Gegenteil eher so, als würden sich die jungen Männer gegenseitig anbrüllen, um sich Mut zu machen oder um die Feinde einzuschüchtern.

Sekunden später gingen dann mit einem Mal alle zehn Gewehre der Familie los, und fast im gleichen Moment konnte man auch von dort oben jetzt lautes Schmerzgebrüll vernehmen, gepaart mit vereinzelten Todesschreien – und ganz kurz machte sich in mir eine leise Verwunderung breit, nämlich darüber, dass die Butterfields dann wohl tatsächlich einen oder mehrere Feinde getroffen hatten!
 

Aus Winnetous Richtung hörte ich in diesen Sekunden verständlicherweise nichts mehr, denn er musste natürlich erst einmal seine Waffen nachladen. Meinen Henrystutzen hatte ich ebenfalls leer geschossen, stattdessen beharkte ich nun mit meinen Revolvern die Steilwände des Tales. Als ich dann oben auf der Kante zwei weitere Rothäute gewahr wurde, deren Silhouetten sich deutlich gegen den etwas helleren Nachthimmel abhoben, ergriff ich rasch meinen Bärentöter, zielte kurz, aber sorgfältig, und sorgte mit zwei Schüssen dafür, dass auch diese Indsmen leblos ins Tal hinunterstürzten.
 

Nachdem wir so plötzlich und für die Feinde offenbar völlig unvorbereitet das Feuer eröffnet hatten, waren diese für eine kurze Zeit vor Schreck wie erstarrt gewesen. Dann aber, nachdem die ersten von ihnen getroffen zu Boden gestürzt waren, hatten sie sich schnell wieder gefasst - und jetzt nahmen sie uns von allen Seiten unter Beschuss. Unsere Mündungsfeuer waren natürlich weithin zu sehen gewesen, auch wenn wir uns hinter einigen größeren Felsen eine möglichst gute Deckung gesucht hatten, und somit schlugen nun sämtliche Kugeln in unserer unmittelbaren Nähe ein oder prallten von den uns umgebenden Steinen ab.

Einer der Schüsse traf dann auch so gut, dass er mir meinen zweiten, noch vollständig geladenen Revolver aus der Hand schleuderte. Dieser verschwand daraufhin auf Nimmerwiedersehen im dichten Gebüsch mehrere Schritte hinter mir, so dass ich keinerlei Möglichkeiten mehr hatte, ihn während dieser heftigen Kampfhandlungen wieder an mich zu nehmen.
 

Fieberhaft begann ich, meinen Henry-Stutzen erneut zu laden, musste aber zu meinem Schrecken feststellen, dass die feindlichen Kugeln in immer enger werdenden Abständen dicht neben mir einschlugen. Immer wieder musste ich den Kopf einziehen, und es gelang mir nur mit größter Mühe, mein Vorhaben zum Ende zu bringen.

Doch wieder hinter der Deckung hochkommen und gleichzeitig zielen war jetzt fast ein Ding der Unmöglichkeit, denn mein Versteck wurde nun von vorne so heftig unter Beschuss genommen, dass jede Aufwärtsbewegung meinerseits einem Selbstmordversuch gleichgekommen wäre.

Auch von hinten begann man jetzt den Bereich, wo ich saß, mit Kugeln nur so zu beharken, und dadurch wurde die Situation für mich allmählich wirklich eng.

Allerdings stand für mich jetzt zweifelsfrei fest, dass sich hier im Tal deutlich mehr als fünfundfünfzig feindliche Krieger befinden mussten, denn allein der ersten großen Salve, die Winnetou und ich abgegeben hatten, mochten bestimmt mehr als dreißig Angreifer zum Opfer gefallen sein; diejenigen noch gar nicht mitgezählt, die von den beiden am Hang versteckten Apatschen sowie von den Butterfields getroffen worden waren.
 

Auch die Büchse des Doktors hatte ich mehrfach vernommen, und deshalb war klar, dass wir einen großen Teil der Kiowas zumindest ausgeschaltet hatten. Trotzdem flogen mir die feindlichen Kugeln im Augenblick nur so um die Ohren, und auch die Stelle, an der Winnetou sich befand, sowie nahe der Verstecke der restlichen Festungsbewohner waren Unmengen fremder Gewehrschüsse zu hören, was nichts anderes bedeuten konnte, als dass mehr und mehr Rothäute in das Tal eindrangen.
 

Unsere Lage war also eine denkbar schlechte und wurde von Minute zu Minute brenzliger. Aber weder mein Freund noch ich verloren dadurch unseren Mut und unsere Zuversicht, im Gegenteil, wir luden in rasender Eile unsere Waffen erneut durch und beschossen nun, teils im Blindflug, weil wir uns ja nicht richtig aufrichten und zielen konnten, die Stellen, an denen wir die feindlichen Mündungsfeuer zuvor ausgemacht hatten.

Das hatte zur Folge, dass kurz darauf erneut die Luft erfüllt war von Schmerzensschreien der Getroffenen und gleichzeitig das feindliche Bombardement kurzfristig nicht nur viel weniger wurde, sondern fast verstummte.

Auch von der gegenüberliegenden Hangseite, an der wir unsere Freunde vermuteten, hatten diese mit dem Mut der Verzweiflung aus allen Rohren gefeuert und dabei wohl abermals nicht wenige Gegner getroffen.
 

Wieder luden wir in Windeseile unsere Waffen durch, doch schon hatte die kurze Feuerpause ein jähes Ende gefunden. Eine weitere, dieses Mal aber äußerst wütende Angriffswelle prasselte auf uns hernieder, und zwar so heftig, dass wir, zumindest Winnetou und ich, keinerlei Möglichkeiten mehr hatten, uns ihrer mit unseren Gewehren oder Revolvern auch nur irgendwie zu erwehren oder die Angriffe gar zu erwidern.
 

Himmel - wieso waren es mit einem Male so viele Gegner? Hatten wir hier die komplette Hundertschaft der Kiowas vor uns? Und wenn ja, wo blieben dann unsere Gefährten, die ihnen doch gefolgt waren?

Befanden sie sich auch schon in der Nähe – oder waren sie vielleicht ebenfalls überrascht und danach überwältigt worden? Bei dem Gedanken wurde mir mehr als mulmig zumute, aber ich konnte diesem Gefühl keinen weiteren Raum mehr geben, denn jetzt kamen die feindlichen Mündungsfeuer immer näher.

Die Roten hatten also ihre Stellungen aufgegeben und waren während ihres letzten so intensiven Feuerwerks rasch weit in unsere Nähe gehuscht. Allerdings waren jetzt nur noch vereinzelte Schüsse zu hören, denn die meisten Indianer, die überhaupt im Besitz von Feuerwaffen sind, verfügen nur über einschüssige, im höchsten Falle zweischüssige Waffen, so dass sie alle jetzt natürlich gezwungen waren, wieder nachzuladen – zumindest dachte ich das, wurde aber im selben Augenblick gewahr, dass ich dieses Mal völlig falsch gelegen hatte.
 

Offenbar hatte ich mich in der kurzen Feuerpause getäuscht, wohl auch deshalb, weil ich mehrere Male die Geräusche von Gewehren vernommen hatte, die nachgeladen wurden – aber das war tatsächlich nur ein Ablenkungsmanöver gewesen, denn jetzt tauchten in meiner unmittelbaren Nähe gleich mehrere Rothäute aus, die ihre Schusswaffen im nächsten Augenblick beiseite warfen und stattdessen mit Messern und Tomahawks auf mich eindrangen, und zwar mit einer Heftigkeit, dass mir fast die Luft wegblieb!

Auch ich war dadurch nicht mehr in der Lage, zu schießen, sondern hatte stattdessen nun die allergrößte Mühe, mir die Feinde irgendwie noch vom Leib zu halten, denn natürlich erwies sich jetzt die Enge meines Versteckes als äußerst verhängnisvoll, da sie kaum dazu geeignet war, mir einen großartigen Bewegungsspielraum zu lassen. Schon spürte ich die ersten kleineren Verletzungen, die mir die Kiowas mit ihren Messern beibrachten. Ich musste hier raus, musste mich aus dieser für mich so lebensgefährlichen Situation befreien, und zwar sofort!
 

Ich dachte an meinen geliebten Blutsbruder, für den allein ich am Leben bleiben wollte und auch musste, holte tief Luft, nahm alle Kraft zusammen und begann mich mit einem Mal auf den Knien wie ein Kreisel zu drehen, was für meine Gegner völlig überraschend kam. Dabei fuhr ich meine Fäuste aus und verpasste in den ersten drei, vier Sekunden mindestens fünf Rothäuten so derbe Schläge gegen die Köpfe, dass sie wie vom Blitz getroffen zusammenbrachen.

Das Ganze hatte natürlich ein heilloses Durcheinander zur Folge, da die bewusstlosen Indsmen nun teils auf mir, teils ihren eigenen Kameraden im Weg lagen, so dass diese an weiteren Angriffen gegen mich vorerst gehindert wurden. Ich selbst ließ mich davon natürlich nicht beirren, sondern schleuderte meinen Feinden nun einen bewusstlosen Körper nach dem anderen entgegen, so dass die herbeistürmenden Rothäute bis auf wenige Ausnahmen zumindest das Gleichgewicht verloren und zu Boden fielen, im günstigsten Fall sogar gegen die umher liegenden Felsen prallten und sich dadurch Verletzungen zuzogen; einige verloren durch den Aufprall sogar die Besinnung.
 

Kaum sah ich mich aus der Umklammerung der Feinde befreit – zumindest halbwegs -, sprang ich dann auch sofort aus meiner Deckung hinaus auf freies Gelände, wo mir einiges mehr an Platz für die nun folgenden Nahkämpfe zur Verfügung stand. Rasch zog ich Messer und Tomahawk aus dem Gürtel und machte mich für das Unvermeidliche bereit.

Einen kurzen Moment dauerte es aber noch, bis sich die Rothäute wieder zum Angriff gesammelt und formiert hatten, und diesen Augenblick nutzte ich einerseits zum tiefen Luftholen, andererseits lauschte ich angestrengt in die Richtung, in der ich Winnetou wusste – wie mochte es ihm wohl gerade ergehen? Zu meiner Erleichterung vernahm ich von dort drüben ebenfalls laute Kampfgeräusche; also hatten seine Gegner wohl auch das Schießen eingestellt und den direkten Nahkampf gesucht.
 

Wäre mein Freund bei guter Gesundheit gewesen, hätte ich mir erst einmal kaum Sorgen gemacht, denn Winnetou war dank seiner unglaublichen Gewandtheit und natürlich der enormen Kraft, die in ihm wohnte, die allerdings aufgrund seiner sehr schlanken Statur für niemanden auf den ersten Blick zu erkennen war, ein nahezu unbesiegbarer Krieger. Jetzt aber war er schwer angeschlagen, durfte sich eigentlich kaum bewegen und musste sich trotzdem einer großen Anzahl Gegner stellen, die alles daran setzen würden, ihn zu töten oder zumindest kampfunfähig zu machen!

Ich musste also irgendwie so schnell wie möglich zu ihm gelangen, um ihn mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln zu schützen – oder, im schlimmsten Fall, um zumindest meinen Schwur einzulösen!

Von der anderen Talseite, an der unsere Wohnräume lagen, war jetzt wieder ein äußerst wütender Schusswechsel zu hören; zumindest dort also waren die Kiowas noch nicht so nahe gekommen, dass sie unsere Gefährten auf Augenhöhe angreifen konnten.
 

Weiter aber kam ich nicht mehr mit meinen in aller Kürze durchgeführten Betrachtungen, denn jetzt drangen die Rothäute wieder mit aller Gewalt auf mich ein, und ich musste mein ganzes Können und all meine Kraft einsetzen, um sie zumindest etwas auf Abstand zu halten.

Einen nach den anderen erwischte ich entweder mit meinem Messer oder meiner Faust und setzte diesen Gegner dann somit auch direkt außer Gefecht, aber es war wirklich wie verhext: hatte ich einen Angreifer ausgeschaltet, erschienen, zumindest meinem Empfinden nach, dafür mindestens zehn weitere, und ich fragte mich jedes Mal aufs Neue, wo zur Hölle all diese Roten nur herkamen?

Ich konnte jeden von ihnen eindeutig den Kiowas zuordnen, und aufgrund ihrer Vielzahl musste ich jetzt wirklich davon ausgehen, dass sich nahezu alle Krieger Motawatehs hier versammelt hatten.
 

Weiterhin drehte ich mich wie ein Kreisel um mich selbst, um den Rothäuten möglichst keine Angriffsfläche zu bieten, und ich war mir sicher, dass ich diese Kampftechnik noch eine gewisse Zeit lang durchhalten würde – aber wenn der Strom der Gegner nicht bald abnahm, würde selbst ich nicht in der Lage sein, als Sieger aus dieser Situation hervorzugehen.

Und nun schienen sich meine Befürchtungen auch schneller zu erfüllen, als mir lieb sein konnte. Zwei der Kiowas gelang es fast gleichzeitig, mich rechts und links am Oberarm zu packen, während ein dritter mir den Tomahawk aus den Fingern wand. Dem Vierten konnte ich zwar noch mein Messer in die Brust rammen, dann aber spürte ich einen Unterarm, der unbarmherzig gegen meinen Kehlkopf zu drücken begann, während ich im gleichen Augenblick durch gezielte Tritte in die Kniekehlen zu Fall gebracht wurde.

Mit einem Mal lag ich unter einem Haufen Rothäute begraben; meine Arme und Beine wurde so fest auf den Boden gepresst, dass ich mich keinen Deut mehr rühren konnte, und gleichzeitig drückte der Unterarm an meinem Hals meine Kehle mehr und mehr zu, so dass sich nach kürzester Zeit schon bunte Kreise vor meinen Augen zu drehen begannen.
 

Ich wehrte mich trotzdem, verzweifelt, bäumte meinen Oberkörper auf, versuchte, durch heftige Bewegungen der Beine die Gegner abzuschütteln – aber nichts davon gelang mir, im Gegenteil, ich erreichte damit nur, dass sich jetzt auch noch ein schweres Gewicht auf meine Brust legte und dadurch nun auch noch die letzte mir verbliebene Möglichkeit zur Gegenwehr unterband.

Aufgrund des beginnenden Sauerstoffmangels rauschte mir schon das Blut in den Ohren, trotzdem konnte ich aus der Ferne noch mehrere heftige Schusswechsel vernehmen - besonders das Gewehr unseres Doktors war aus dem Lärm deutlich herauszuhören.

Der gute Doktor Hendrick! Dieser sanfte, friedliebende Mensch, der sich zu einem unserer treuesten Freunde entwickelt hatte, wehrte sich immer noch tapfer seiner Haut – hoffentlich kam er durch! Er musste sich ja schließlich weiterhin um Winnetou kümmern, wenn.... Herrgott! Winnetou! Ich konnte ihn doch nicht einfach so im Stich lassen! Er würde an meinem Tod zugrunde gehen! Oder war er gar selbst schon ein Gefangener? Großer Gott, das durfte auf keinen Fall geschehen – man würde ihn auf schrecklichste Weise foltern, ihm die fürchterlichsten Martern zuteilwerden lassen – niemals durfte ich das zulassen!
 

Ein wütendes, grollendes Knurren entfuhr meiner Brust, als ich noch einmal alle Kraft zusammen nahm und einen letzten Befreiungsversuch unternahm – vergeblich! Zwar lockerten sich für einen Moment die Griffe der Rothäute, und einige Laute der Überraschung entfuhren ihnen, aber sofort hatten sie mich noch fester als zuvor gepackt, und das Würgen an meinem Hals nahm jetzt nur noch mehr zu.

Winnetou! Das konnte ich ihm doch nicht antun! Ich musste für ihn am Leben bleiben! Doch zu einem weiteren Befreiungsversuch war ich nun absolut nicht mehr in der Lage, beim besten Willen nicht. Das Rauschen in meinem Kopf nahm zu, meine Lungen schrien regelrecht nach Sauerstoff, sämtliche Muskeln verkrampften sich, so dass ich in dem Moment mit größter Anstrengung noch einmal alle meine Gedanken zusammennahm, um mich von dieser Welt zu verabschieden, meinen Geist dem Herrn zu empfehlen und vor allem Winnetou in Gedanken inbrünstig um Verzeihung zu bitten, dass ich meine Versprechen an ihn nicht würde halten können.
 

Jedoch – genau in diesem Augenblick geschah es! Mit einem Male spürte ich, wie der Druck auf meinen Kehlkopf urplötzlich nachließ, genauso wie sich die Griffe überall an meinem Körper lockerten, mit denen man mich am Boden fixiert hatte. Um mich herum waren jetzt auch laute Schmerzensschreie zu vernehmen, und gleichzeitig glaubte ich mehrmals das Geräusch auszumachen, welches von einer menschlichen Faust herrührt, die gerade den Schädel eines anderen Menschen bearbeitet.

Es bedurfte einer gewaltigen Anstrengung meinerseits, um meine Augen aufzureißen, doch sehen konnte ich noch nicht viel, da sich ein blutroter Schleier hartnäckig vor meine Augäpfel gelegt hatte.

Sekundenbruchteile später hatten sich diese Schleier aber soweit gelichtet, als dass ich niemand Geringeren als meinen Blutsbruder ausmachen konnte, der wie eine Kanonenkugel mitten in die Gruppe der mich bedrängenden Kiowas gefahren und in diesem Moment schon dabei war, in einem irrsinnigen Kraftakt eine Rothaut nach der anderen auszulöschen; währenddessen hatte sich ein Ausdruck der rasenden Wut auf seinem Gesicht breitgemacht, so furchterregend, wie ich ihn an meinem Freund noch niemals gesehen hatte. Sein Schlachtbeil spaltete die Köpfe der Gegner, sein Messer fuhr in ihre Körper – und nun hielt auch mich nichts mehr am Boden.
 

Es fiel mir unendlich schwer, die Nachwirkungen des Würgens irgendwie zu überspielen und wieder am Kampf teilzunehmen, aber es gelang mir, und nun wüteten Winnetou und ich Seite an Seite und äußerst erfolgreich unter den Feinden. Ich bin mir sicher, dass wir auf diese Weise eine große Chance gehabt hätten, als Sieger aus diesem barbarischen Kampf hervorzugehen, wenn – ja, wenn nicht mit einem Male vor uns, im silbernen Mondlicht deutlich zu erkennen, Wayne Thomson aufgetaucht wäre, mit seinem Gewehr im Anschlag und in Begleitung von mindestens fünfzehn Tramps mit äußerst verschlagenen Gesichtern, die allesamt aussahen, als ob ihnen das Leben eines Feindes, vor allem das eines Indianers, nicht einen Pfifferling wert sei!

Auch diese zerlumpt aussehenden Kerle hielten ihre geladenen Gewehre vor sich und auf uns angelegt, was Winnetou und mich aber zuerst nicht im Mindesten kümmerte, so sehr waren wir auf den Kampf mit den uns direkt umgebenden und hemmungslos auf uns eindringenden Kiowas fixiert.
 

In diesem Moment schoss der Erzschurke aber zweimal in die Luft, woraufhin die Roten sofort auseinander sprangen, dabei allerdings nicht versäumten, uns Sekundenbruchteile später von hinten zu packen und zumindest mich mit Gewalt – und schon wieder im Würgegriff – abermals zu Boden zu zerren.

Von Winnetou konnte ich nicht mehr viel erkennen, nur so viel, dass er im Begriff war, den Kampf trotzdem wieder aufzunehmen, bis noch ein Schuss fiel und seine Bewegungen dadurch abrupt gestoppt wurden.

„Bist du wahnsinnig?“, hörte ich Thomson nahezu schockiert aufschreien. „Verdammt, ich brauche diese verfluchte Rothaut lebend – wie oft soll ich das denn noch sagen?“
 

Fürchterliches Entsetzen durchflutete meinen Körper – war Winnetou getroffen worden? Mit einer fast schon unmenschlichen Anstrengung gelang es mir, mich irgendwie aus dem Würgegriff meines Gegners zu befreien und den Kopf hochzureißen, leider nur für einige Sekundenbruchteile, bevor man mich wieder, und dieses Mal mit dreifacher Gewalt, zu Boden presste und mir abermals die Kehle zusammendrückte.

Für diesen einen Moment hatte ich von Winnetou nicht allzu viel erhaschen können, nur soviel, als dass er mit gesenktem Kopf kraftlos in den Armen seiner Bezwinger hing und ich frisches Blut an seinem Haar heruntertropfen sah.
 

In mir tobte jetzt ein solches Gefühlschaos, eine solch furchtbare Angst um meinen Freund, ein solch heilloses Grauen aufgrund der Erkenntnis, dass nun für ihn, sollte er überhaupt noch leben, erneut ein teuflischer Leidensweg beginnen würde, dass ich im ersten Moment zu nichts anderem mehr in der Lage war als in vollkommener Verzweiflung die Augen zu schließen.

Der Lärm um mich herum, das Schreien, das Rufen, die Schüsse, die weiterhin zu hören waren, die Befehle, die Thomson laut und scheinbar ziellos durch die Gegend schrie, vermischte sich nun zu einem steten, alles übertönenden Rauschen, und die Farben meiner Umgebung verschwammen zu wirbelnden, bunten Kreisen.
 

Man war dabei, mich zu töten. In diesem Augenblick aber wurde mir überdeutlich klar, dass ich nicht gehen durfte, ohne meinen Schwur einzuhalten und meine Pflicht Winnetou gegenüber zu erfüllen. Und ich fragte mich gar nicht erst, wie ich das eigentlich anstellen sollte, mit solch einer großen Zahl Angreifer, die sich mir entgegenstellte.

Das Rauschen in meinen Ohren verstummte plötzlich, statt dessen hörte ich jetzt gar nichts mehr, auch die bunten Kreise verloren ihre Farbe, doch als ich nun die Augen wieder aufschlug, nahm ich meine Umgebung messerscharf wahr, ohne störende Schleier, und sämtliche Bewegungen der mich umzingelnden Menschen hatten sich stark verlangsamt, so kam es mir zumindest vor. Einzig ich allein war fähig, aus welchem Grund auch immer, mich mit einer normalen Geschwindigkeit zu bewegen, und ich sah nun glasklar meinen weiteren Weg vor mir.
 

Es bedurfte nur noch einer kleinen List. Mit einem Mal ließ ich alle meine Muskeln erschlaffen und meinen Kopf zur Seite fallen, so dass meinen Widersachern fast gar nichts anderes übrig blieb als zu glauben, dass ich zumindest das Bewusstsein verloren hatte, wenn nicht sogar den Tod gefunden hatte.
 

Wie es mir dann genau gelang, mich aus dem Würgegriff und den Händen meiner Gegner zu befreien, kann ich heute in keinster Weise mehr sagen, auch nicht, wie ich trotz schon größter Schwäche und einer enormen Überzahl von Feinden vom Boden aufspringen und mich mit einem gewaltigen Satz aus dem Kreis der Roten herausbringen konnte, ist mir heute absolut unbegreiflich.

Ich weiß nur noch, dass ich mein Ziel weiterhin gestochen scharf vor Augen hatte – Winnetou! Und in dem Moment, als ich einen meiner Revolver, in dem sich höchstens noch eine Kugel befinden konnte, gewahr wurde, diesen daraufhin mit einem einzigen großen Sprung erreichte und ihn in die Hand nahm, erwachte mein Freund aus seiner vorübergehenden Bewusstlosigkeit.

Er wurde von vier Tramps auf brutalste Weise festgehalten, alles widerliche, vor Dreck starrende Gestalten, denen ich das höhnische Grinsen am liebsten sofort aus dem Gesicht geschlagen hätte. Doch es genügte, dass ich den Revolver im nächsten Augenblick schon in ihre Richtung hob – das dreckige Grinsen zerfiel ihnen allen in ihren Gesichtern, einem flog vor Schreck sogar der Zigarrenstummel aus dem fast zahnlosen Mund.
 

In diesem Augenblick hob Winnetou seinen schönen Kopf hoch, der an der linken Seite schon wieder stark blutete, und sah mich aus seinen wundervollen Augensternen an. Er versenkte seinen einzigartigen Blick in meine Augen, und dieser war voller Liebe, voller Zuversicht – ja, fast glaubte ich darin sogar eine unverhohlene Vorfreude auf das Kommende auszumachen, und dieser unglaubliche, intensive Blick machte mir den Rest meines Weges leicht und mir die endgültige Entscheidung für mein Tun erst möglich.

Ich konnte und wollte meinen Geliebten nicht den Rachegelüsten der Kiowas überlassen, wollte nicht, dass man ihn über Tage hinweg marterte und seinen geschändeten Körper nachher den Geiern zum Fraß vorwarf, wollte nicht, dass diese verlausten und widerlichen Dreckskerle mit ihren schmutzigen Pranken Hand an meinen Freund legten, und vor allem wollte ich nicht, dass Thomson auch nur ein einziges Mal sein ekelhaftes Grinsen sehen ließ, wenn er ihm wieder einmal mit seinem Messer die schöne bronzene Haut zerschnitt und zerstach.
 

Mein geliebter Blutsbruder sah mich an, und ich sah ihn an, und beide sahen wir von der Welt in diesem furchtbaren und doch so unglaublich besonderen Augenblick nichts anderes als uns beide, während ich meinen Revolver langsam von den Bastarden weg zu ihm hin schwenkte – und als meine Hand, die nun noch nicht einmal mehr zitterte, still stand und die Waffe genau auf Winnetous Herz zielte, nickte mein über alles geliebter Freund mir zu und lächelte mich an.
 

Während sich mein Zeigefinger langsam krümmte, blitzte mit einem Mal um mich herum Feuer auf – regelrechte Feuerbälle, die durch die Luft zu wirbeln schienen..... guter Gott, nimm meinen Bruder auf in dein Reich... die Luft schien jetzt zu vibrieren... schenke ihm den ewigen Frieden.... gleichzeitig flirrte sie vor Hitze... bitte, guter Gott, verzeih mir meine Anmaßung, verzeih mir diese Tat... Schreckensgeheul tönte durch das ganze Tal... oder ist es dein Wille, mein Herrgott, bin ich in diesem Moment in Wirklichkeit dein Werkzeug...? Um mich herum verspürte ich wilde Bewegung, wusste, man würde mich gleich wieder ergreifen... bitte, mein Herr und mein Gott, nimm uns auf in dein Reich... ich sah Winnetou, gehalten im brutalen Griff der Gegner, sah Thomsons Messer, dessen Klinge sich dem Oberbauch des Apatschen näherte... mein Herr, vergib mir meine Schuld, vergib uns unsere Sünden...
 

Damit waren auch die allerletzten Zweifel überwunden – und mit einer entschlossenen Bewegung zog ich den Abzug endgültig durch.
 

Fast im gleichen Moment verspürte ich einen fürchterlichen Schmerz in meinem Kopf, der meinen Schädel zum Bersten zu bringen schien. Und dann wusste ich nichts mehr.



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Von:  Onlyknow3
2015-12-27T09:34:00+00:00 27.12.2015 10:34
Ich habs geahnt, darum habe ich es nicht gleich gelesen. War das nun das Ende der beiden? "NEIN", denn das richtige Ende kommt noch. Trotzdem ist es hart wenn man bedenkt was in Scharli vorgeht in dem Moment als er abdrückt und Winnetou erschießen muss um ihn vor der Marterung zu schützen.
Mach weiter so, freue mich auf das nächste Kapitel. Einen guten Rutsch ins Neue Jahr.

LG
Onlyknow3


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