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Geliebter Blutsbruder

von

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Tiefschlaf

Nach dieser Antwort musste ich wirklich aufpassen, dass mein Lachen nicht im ganzen Haus zu hören war; dann – ich konnte einfach nicht anders – beugte ich mich wieder zu ihm hinunter und küsste ihn.
 

Er sah nicht nur völlig erschöpft aus, er war es aus gutem Grunde auch. Jetzt musste ich endlich wieder schleunigst meiner Verantwortung für ihn und seine Gesundheit gerecht werden. Ich konnte ihn gerade eben noch zum Trinken eines Glases voll Wasser nötigen und ihm helfen, sich bequem hinzulegen, da war er auch schon eingeschlafen.
 

Ich hingegen hatte noch etwas zu tun. Das Wasser, dass Frau Helmer mir für die Körperpflege Winnetous zur Verfügung gestellt hatte, war zwar mittlerweile fast schon erkaltet, musste aber jetzt trotzdem dazu herhalten, Winnetous und meinen Körper sowie die unmittelbare Umgebung von den Spuren unseres heftigen Zusammenseins zu befreien. Ich benötigte einige Zeit, musste ihn dafür zwischendurch auch drehen und wenden, er aber wurde dadurch trotzdem nicht wach. Dieser Abend hatte ihm offenbar richtig Kraft gekostet, seinem Körper genauso wie seiner Seele.
 

Ich konnte trotzdem während meiner Tätigkeit den Blick kaum von meinem Freund lösen und mein Herz wollte dabei überquellen vor lauter Liebe zu ihm – es war wirklich kaum zu fassen! Ich, gerade ich, der ich immer geglaubt hatte, ich würde auf moralisch einwandfreien Pfaden wandeln, der jegliche Art von Liebesbeziehungen, so gut es irgendwie ging, aus dem Weg gegangen war in dem Glauben, dafür überhaupt nicht geschaffen worden zu sein, der sich mit seiner Heimat untrennbar verwurzelt geglaubt hatte, ausgerechnet ich hatte innerhalb weniger Stunden mein ganzes bisheriges Leben auf den Kopf gestellt und war bereit, für den Rest meines Lebens diesen Weg weiterzugehen!
 

Aber: er war es wert. Wenn es einer in meinen Augen wirklich und wahrhaftig wert war, dann Winnetou, den ich schon immer geliebt hatte, der mir aber nun noch wichtiger geworden war und mir näher stand als meine eigene Familie. Und dass es ihm genauso ging, hatte er mir heute Abend deutlich bewiesen.

Wie die Zukunft aussehen würde, wie sich unser Zusammensein auch in praktischer Hinsicht und mit Blick auf unsere Mitmenschen gestalten würde, wusste ich nicht, war aber bereit, alles einfach auf mich zukommen zu lassen.
 

Ich habe ja schon immer daran geglaubt, dass unser aller Leben kein Zufall ist, sondern dass wir von unserem Herrgott geleitet werden und dass derjenige, der sich in Gottes Hand fallen und sich auch wirklich von ihm leiten lässt, manchmal sogar das Himmelreich auf Erden findet.

Genau so ein Gefühl hatte ich jetzt. Mir fielen meine Träume ein, die mich in Deutschland kurz vor meiner Abreise nach Afrika heimgesucht hatten, und dieser innere Zwang, der mich am Betreten des Schiffes gehindert und mich letztendlich hierher zu Winnetou getrieben hatte. War es nur deswegen, weil er mich brauchte, um ihm zu helfen, dem Tod zu entkommen? Oder war es der Wille des Herrn, mich für immer an Winnetous Seite zu stellen?
 

Mein Gefühl sagte mir deutlich: was bis jetzt geschehen war, fühlte sich absolut richtig an. Da waren auch im Nachhinein kein Schamgefühl, keine Verlegenheit, überhaupt keinerlei schlechtes Gefühl im Spiel. Winnetou zu lieben, auch körperlich zu lieben, fühlte sich einfach richtig an.

Mit diesen guten Gedanken legte ich mich zu meinem Freund und war im Nu eingeschlafen.
 

Ich erwachte am nächsten Morgen mit dem unbestimmten Wissen, dass irgend etwas Wunderbares geschehen war, konnte den genauen Grund aber nicht richtig greifen. Der Schlaf hielt mich noch in seinen Nachwehen gefangen, und eine kleine Weile lag ich einfach nur da und genoss diesen Moment. Dann aber hörte ich Winnetou neben mir tief einatmen und sofort stand der gestrige Abend wieder in seiner ganzen gewaltigen strahlenden Schönheit vor mir und ein unglaublich intensives Glücksgefühl durchströmte mich. Am liebsten hätte ich dieses sofort mit allen Mitmenschen im Umkreis von mindestens einhundert Meilen geteilt, aber mir war natürlich schon bewusst, dass Winnetou und ich die neuesten Entwicklungen geheim halten würden müssen; selbst von unseren engsten Freunden würden wir bestenfalls nur Unverständnis ernten.
 

Ich sah meinen Freund zärtlich ins Gesicht, er schlief noch tief und fest. Langsam drehte ich mich auf die Seite und begann, ganz vorsichtig ein paar Haare aus seiner Stirn zu streichen. Seine langen, dunklen Wimpern blieben weiterhin geschlossen. Mir war, als könnte ich hier noch Jahre so liegenbleiben. Dann aber fiel beim Blick auf das Fenster, und der Stand der Sonne sagte mir, dass es schon nach neun Uhr sein musste; um diese Zeit war Winnetou in den letzten Tagen meistens erwacht und der Doktor hatte seine erste Visite gehalten. Also glitt ich leise aus dem Bett und schloss die Tür auf.
 

Keine zwei Minuten später klopfte es und der Arzt betrat mit einem fröhlichen Morgengruß das Zimmer. Er sah Winnetou noch schlafend und unterhielt sich deshalb erst mal im Flüsterton mit mir.
 

Anschließend begann er die morgendliche Untersuchung, während dieser ich unwillkürlich den Atem anhielt. Hatte der gestrige Abend Folgen für Winnetou gehabt? Spätestens jetzt, als Dr. Hendrick seine Herztöne abhörte und den Blutdruck überprüfte, war der Apatsche eigentlich immer erwacht, diesmal rührte er sich nicht. Dem Doktor schien das noch nicht aufzufallen, er ging weiter seiner Arbeit nach; und erst als er auf unser Vorhaben, Winnetou erstmals das Aufstehen zu ermöglichen, zu sprechen kam, meinte er: „Er schläft immer noch so tief - war er gestern Abend länger wach geblieben als sonst?“ Na, diese Frage konnte ich nun wirklich mit gutem Gewissen bejahen. Ich erklärte ihm, dass wir, in ein intensives Gespräch vertieft, nicht auf die Zeit geachtet hatten, und Winnetou auch keinerlei Anzeichen von Müdigkeit gezeigt hätte. Irgendwie kamen mir meine Worte etwas zweideutig vor und ich musste mich angestrengt bemühen, ein neutrales Verhalten an den Tag zu legen.
 

Dr. Hendrick nickte nur und erläuterte mir dann seine Vorgehensweise, um dem Apatschen das Aufstehen und Herumlaufen zu ermöglichen. Im gleichen Moment klopfte es wieder, Frau Helmer erschien mit dem Frühstück und wunderte sich ebenfalls über den immer noch tief schlafenden Indianer. Beide verließen uns dann; Dr. Hendrick mit der Ankündigung, eine halbe Stunde nach dem Frühstück wiederzukommen, um sein Vorhaben in die Tat umzusetzen.Bevor er ging, fragte ich ihn sicherheitshalber, ob er mit seinem Untersuchungsergebnis zufrieden sei. Das musste ihm ungewöhnlich vorkommen, da er mir jede Veränderung immer sofort mitgeteilt und ich deshalb eigentlich keinen Grund zu dieser Frage hatte. Er beruhigte mich aber mit den Worten, dass es überhaupt keinen Grund zu Sorge gab - wahrscheinlich schob er meine Frage nur auf eine eventuelle Nervosität meinerseits, was die Aufstehversuche angingen, da er mir mehrfach erklärt hatte, wie belastend diese für Winnetous Herz und Kreislauf sein konnten.
 

Als beide das Zimmer verlassen hatten, wandte ich mich wieder meinem Blutsbruder zu. Es gab immer noch keinerlei Anzeichen, dass er bald erwachen würde. Was nun? Sollte ich ihn wecken, damit es niemanden auffiel? Nein, auf keinen Fall! Der gestrige Abend hatte ihn geschwächt, und er sollte sich erst mal wieder erholen. Notfalls würden wie das Experiment halt verschieben; seine Genesung durfte nicht im Mindesten gefährdet werden!



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: haki-pata
2015-08-01T22:00:13+00:00 02.08.2015 00:00
Ich fürchte, mit jedem Kommentar wiederhole ich mich nur.

Bitte, bitte. Dieses wundervolle Werk MÜSSEN einfach noch ganz viele andere lesen!


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