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Geliebter Blutsbruder

von

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Unbestimmte Sehnsucht

Ich befand mich seit einigen Monaten wieder in Deutschland, um endlich mal wieder meiner Arbeit als Autor nachzugehen – auch ich muss schließlich von irgendetwas leben...

Vor fünf Monaten hatte ich mich in St. Louis drüben in Amerika von meinem unvergleichlichen Blutsbruder Winnetou für die Dauer von 2 Jahren getrennt, natürlich nicht, ohne vorher den genauen Zeitpunkt und Ort für unser nächstes Treffen festzulegen. Ich wollte einige Zeit in Deutschland verbringen, um zu schreiben, und dann für ein Jahr in den Orient reisen, um alte Bekannte wie meinen Hadschi Halef Omar zu treffen sowie neue Eindrücke für weitere Reiseerzählungen zu sammeln.
 

Sammeln ist ein gutes Stichwort – ich versuchte mich gerade, für mein neues Buch innerlich zu sammeln, also meine Gedanken zusammenzuhalten – aber irgendwie schaffte ich es nicht. Vor meinem geistigen Auge erschien immer wieder eine schlanke, mittelgroße Gestalt mit unglaublich langem, seidigen, wunderschönen, bläulich schwarzen Haaren, ernstem, männlich-schönen Gesicht und samtigen dunklen Augen, in denen man zu versinken drohte. Und es war nicht das erste Mal, dass mir mein Blutsbruder durch meine Gedanken zog; es geschah seit unserer Trennung und vor allem seit meiner Ankunft in meiner Heimat immer öfter! Das war irgendwie seltsam und vorher noch nie geschehen.

Ich versuchte, trotz dieser immer öfter vorkommenden Störungen etwas einigermaßen Gescheites zu Papier zu bringen, was mir auch leidlich gelang. Dann war die Zeit gekommen, mich reisefertig zu machen, um erst den Zug nach Italien und dann das Schiff nach Kairo zu besteigen.

In den letzten Nächten vor meiner Abreise gelang es mir immer seltener, ohne Störung durchzuschlafen. Es waren keine richtigen Alpträume, die mich wieder und wieder aus dem Schlaf rissen, sondern eher unbestimmte Angstgefühle. Ich träumte nicht richtig, aber im Schlaf stiegen immer wieder verworrene Bilder in mir auf sowie regelrechte Verlustängste. Meistens wachte ich dann schweißgebadet, mit einem nicht näher zu bestimmenden nagenden Gram in mir auf. Und ständig sah ich beim Aufwachen das gleiche Bild vor mir: eine blutüberströmte Person, die ich aber nur als Silhouette sah und die ich einfach nicht zuordnen konnte.
 

Diese Störungen eisern zu ignorieren versuchend, trat ich dennoch meine Reise an und gelangte auch glücklich, wenn auch etwas übermüdet im Hafen von Genua an, von dem aus das Schiff ablegen sollte.

Es gelang mir nicht, das Schiff zu besteigen! Meine innere Unruhe, meine Verlustängste sowie ein tiefer drängender Zwang hielten mich davon erfolgreich ab. Obwohl ich mich selber am liebsten für verrückt erklärt hätte, gehorchte ich dieser inneren Stimme, da sie mich schon so manches Mal vor großer Not bewahrt hatte. Nur – was sollte ich statt dessen tun? Wieder in die Heimat zurück? Ich dachte abends im Hotel über mein weiteres Vorgehen nach, und plötzlich stand die Gestalt meines Winnetou so deutlich vor meinem geistigen Auge, dass ich jetzt genau wusste, warum ich nicht an Bord gegangen war: Ich hatte eine unstillbare Sehnsucht nach der Freiheit Amerikas, der unendlichen Weite der Prärie sowie natürlich und vor allem nach meinem besten Freund!

Mich in Gedanken einen sentimentalen Schwachkopf schimpfend, traf ich nicht ohne geringe Vorfreude die Vorbereitungen zu einer weiteren Reise in den Wilden Westen, und je näher die Abreise kam, desto größer stieg in mir die Zuversicht, genau das Richtige getan zu haben.
 

Ja, es war das Richtige, und ich danke heute noch dem Herrgott – denn für mich war niemand anderes als er es gewesen, der meine Schritte in die richtige Richtung lenkte – dafür, dass er mir so deutliche Zeichen gesandt hatte!



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: haki-pata
2015-07-27T15:52:50+00:00 27.07.2015 17:52
Eine interessante Sicht der Dinge gepaart mit einem [wie ich finde] genialen Schreibstil.
Danke für den spannenden Beginn.
Ich bin auf jeden Fall neugierig auf mehr.


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