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Tokyo Bay

Neustart
von

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Ohne Stau hatten Haruka und Michiru schon kurz vor fünf die letzte Abfahrt Nagoyas passiert. Mit großen Augen untersuchte Michiru die vorbeigleitende Umgebung. Die Gegend wurde immer ländlicher und schließlich bog Haruka auf den Hof, der zum Haus ihrer Großmutter gehörte.

Zögerlich nahm Michiru die ihr angebotene Hand und ließ sich von der Blondine aus dem Auto ziehen. Ihr Blick wanderte zu dem großen Landhaus. „Kommst du?“ Haruka hatte ihre Taschen aus dem Kofferraum genommen und stand nun wieder neben ihr.

Sie hatten die Veranda noch nicht ganz erreicht, als plötzlich die Haustür aufgerissen wurde. „Was hast du dir dabei gedacht?!“ Aya stürmte aufgebracht auf Haruka zu. Erhobenen Fingers blieb sie direkt vor ihr stehen und fauchte ihre großgewachsene Enkelin an: „Aus den Zeitungen muss ich erfahren, dass dich dieser Abschaum wieder angerührt hat und du gehst nicht mal an dein Telefon?! Wozu hast du dieses Ding überhaupt?! Kannst du dir auch nur vorstellen, was ich mir für Sorgen gemacht habe?! Ich dachte schon, du würdest im Krankenhaus liegen, schwerverletzt! Und deine Schwester ist keinen Deut besser! Nicht mal sie konnte ich erreichen! Ihr bringt mich noch ins Grab, das machen meine Nerven nicht mit!“

Haruka hatte mit den Augen gerollt und abgewartet, bis ihre Großmutter die Rede offenbar beendet hatte. Lächelnd linste sie nun zu Michiru, doch auch die Geigerin funkelte sie mit verschränkten Armen an, was den Rennprofi aus dem Takt brachte. „Was denn?“ „Haruka, das ist nicht dein Ernst! Du hast nicht mal deine Obaa-san angerufen? Denkst du denn überhaupt nicht an die, die dich lieben? Na wie gut, dass ich bei dir war, sonst hätte ich wohl auch erst aus der Zeitung von deiner Schlägerei erfahren, oder was?! Und wieso gehst du nicht ans Telefon, wenn sie dich anruft? Mein Gott, du machst dir auch gar keine Gedanken, was?“

Haruka machte überrascht einen Schritt zurück. Was war denn jetzt los? Dass Aya gerne mal emotionsgeladen reagierte, war ja nichts Neues, doch Michirus Ausbruch kam unerwartet. „Was hab ich denn getan? Ich hab mein Handy eben nicht permanent in Reichweite und meine Mailbox höre ich eh nie ab, weil da andauernd irgendwelche Medienschnösel drauf quatschen.“

Jetzt hob auch Michiru drohend ihren Zeigefinger. „Deswegen hättest du dich trotzdem mal bei ihr melden können! Du konntest dir doch wohl denken, dass es auch durch Nagoyas Presse geht, wenn sich Tenoh Haruka mit ihrem Onkel, einem kaum weniger hohen Tier, prügelt!“

Haruka war sprachlos und schluckte schwer. Für einen Moment herrschte Stille und die Sportlerin wusste nicht, vor welchem der Augenpaare, die sie festnagelten, sie mehr Angst haben sollte. Eines von ihnen wendete sich jedoch bald von ihr ab.

Aya hatte zunächst neben Michiru gestanden, die Fäuste in die Taille gestemmt, den wütenden Blick auf Haruka gerichtet. Doch nachdem sie ihren Ärger ausgelassen hatte, bemerkte sie, dass eine Fremde neben ihr stand. Fragend sah sie zu der Schönheit auf. Jetzt fand auch Haruka endlich die Sprache wieder: „Obaa-san, das ist Michiru.“

Michirus Brauen zuckten ein letztes Mal wütend zusammen. Dann weichten ihre Gesichtszüge auf und sie lächelte der älteren Dame entgegen. „Kaioh Michiru. Freut mich, Sie endlich kennenzulernen, Tenoh-sama.“ Ayas Blick untersuchte das hübsche Gesicht. Sie schien lesen zu wollen, was dran war, an der jungen Frau, die ihren Bengel hatte zähmen können. Schließlich lächelte auch sie und nahm den Handschlag an. Auf dem Weg ins Haus entschuldigte sich Michiru umfangreich für das schlechte Benehmen ihrer Freundin, die den Frauen ihrerseits in nicht allzu kleinem Abstand nachtrottete.

Haruka hatte das Gepäck schnell nach oben gebracht und fand Aya und Michiru in der Küche wieder. Die beiden schienen sich auf Anhieb zu verstehen. Michiru setzte Teewasser auf und Aya bereitete drei Tassen vor. Nebenbei beschwerte sich die alte Dame über den Dickschädel ihrer Enkelin, wobei ihr Michiru immer wieder zustimmte. Haruka lehnte sich gegen den Türrahmen und ertrug die Kritik schweigend. Solange sich Michiru und Aya so näher kommen konnten, würde sie dieses kleine Opfer bringen.

Erst als der Tee gebrüht war, trat sie weiter in den Raum hinein und weckte so die Aufmerksamkeit der anderen. Michiru reichte ihr eine der Tassen. Ihr Blick verriet, dass sie immer noch sauer war. Deshalb wandte sich Haruka an ihre Großmutter und beteuerte mit reumütiger Stimme: „Es tut mir leid, Obaa-san. Ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst. Ich hatte nur andere Dinge im Kopf. Und wir sind doch jetzt hier und es geht mir gut. Mir ist ja nichts weiter passiert. Und Mina hat eine neue Nummer. Die schreibe ich dir heute noch auf. Dann kannst du sie auch wieder erreichen.“

Aya brauchte noch einen Moment, dann nickte sie endlich lächelnd: „Schon gut, Bengel. Es stand ja auch erst gestern in der Zeitung. Und wie könnte ich lange sauer sein, wenn du doch endlich so eine wundervolle junge Frau mitbringst?“

Michiru errötete. Daher hatte Haruka also ihre charmante Ader. Die beugte sich jetzt ihrer Freundin entgegen. „Siehst du? Alles wieder gut. Jetzt darfst du auch nicht mehr wütend sein.“ Sie stahl der Künstlerin einen etwas zu langen Kuss, griff dann nach einer zweiten Tasse, reichte sie Aya und schritt in Richtung Terrasse davon.

Ayas Blick folgte ihr. Sie musterte das ungewohnte Outfit ihres Schützlings und sah dann zu Michiru, die noch immer mit dem Rotschimmer auf ihren Wangen kämpfte. „Sag bloß, diesen neuen Stil hat sie auch durch dich?“

Michiru schüttelte den Kopf. „Keine Ahnung, wie sie dazu kam. Ich bin überrascht, dass sie mit dem Absatz überhaupt laufen kann.“
 

Wieder hatte sich Aya beschwert, dass Haruka ihren Besuch nicht angekündigt hatte, doch mit Michirus Hilfe gelang es ihr trotzdem ein besonderes Abendessen zu zaubern. Mehrmals musste sie der Violinistin beteuern, dass sie sie einfach Aya nennen solle. Von ihrer ‚Schwiegerenkelin‘ wolle sie nicht so förmlich angesprochen werden. Erst recht nicht, wenn die so eine bezaubernde und wohlerzogene junge Erwachsene war. „Mit ‚Engel‘ hat Ruka einen passenden Spitznamen für dich gefunden.“

Michiru hätte bei der Bemerkung fast die Pfanne mit dem Gemüse fallengelassen.

Nach dem Essen saßen die drei Frauen noch stundenlang weintrinkend und plaudernd vor dem Kamin. Haruka knurrte hin und wieder bei einigen Geschichten, die ihre Großmutter über sie preisgab, doch bei Michirus Lachen konnte einfach kein Unwohlsein in ihr aufkommen. Erst recht nicht, da sich die Streicherin immer mehr an sie kuschelte.

Irgendwann nach Mitternacht forderte der Wein dann endgültig seinen Tribut. Michiru hatte die Augen geschlossen. Sie lauschte Ayas sanfter Stimme und hin und wieder zuckten ihre Mundwinkel bei den Pointen, doch ihr Kopf auf Harukas Brust wurde immer schwerer. Also strich ihr die Blondine bald zur Probe ein paar Strähnen aus dem Gesicht. Die Schwimmerin lächelte und seufzte leise, aufsehen konnte sie nicht mehr. Vorsichtig hob Haruka die Schönheit auf ihre Arme. Aya wünschte ihnen leise Gute Nacht und auch Michiru murmelte etwas Unverständliches.

In ihrem alten Zimmer angekommen legte Haruka ihren Engel ins Bett. Dann suchte sie sich Boxershorts und ein weites Shirt aus ihrer Tasche und zog sich um. Als sie sich umdrehte, fiel ihr auf, dass sie beobachtet wurde. Michiru hatte nur kurz geblinzelt, doch als Haruka ihre Bluse abstreifte, war sie plötzlich wieder hellwach. Ihre türkisblauen Augen funkelten im Mondlicht und fixierten den durchtrainierten Körper.

Haruka begann zu grinsen. „Ich kann das T-Shirt auch gleich auslassen, wenn dir das lieber ist.“ Fragend wiegte sie den weißen Stoff in ihrer Hand. Michirus Mimik zuckte. „Ich weiß nicht, ob ich mich dann noch beherrschen könnte. Andererseits wäre es nur fair. Ich bin viel zu müde, mich noch umzuziehen. Aber in meinem Kleid will ich auch nicht schlafen.“

Haruka knurrte leise. Ihr Shirt fiel fast geräuschlos zu Boden. Langsam näherte sie sich dem Bett. Michiru lag bäuchlings auf ihm und hatte die Decke umklammert. Ihre Augen wanderten sorgfältig über den vom Vollmond beschienenen Körper. Der stand endlich direkt vor ihr. Haruka reichte ihr die Hand und Michiru nahm sie an, um sich aufzurichten und auf ihre Knie zu kommen. Es kostete einiges an Konzentration, ihren Blick von dem fast nackten Körper abzuwenden und stattdessen in die tiefgrünen Augen zu sehen. Haruka umfasste sanft das hübsche Gesicht, bevor sie die geliebten, warmen Lippen fand.

Michiru legte ihre Hände auf Harukas. Dieser Kuss war anders, als die unzähligen zuvor. Eine Gänsehaut zog über ihren Körper. Harukas Lippen pulsierten im gleichen Takt wie Michirus Herz. Jeder Atemzug, jede Bewegung, alles war aufeinander abgestimmt. Sie waren nicht länger zwei sich Liebende. Sie waren eins.

Noch bevor sich Haruka bewegte, wusste Michiru, was sie tun würde. Die Gedanken der Blondine schienen auf sie überzugehen. Ihre Sinne waren geschärft und doch irgendwie taub. In Zeitlupe strichen die Finger der Pianistin über Michirus Kleid. Noch langsamer wanderten sie wieder an dem makellosen Körper hinauf und nahmen dabei den leichten Stoff mit. Der kurze Moment, in dem sich Harukas Lippen von ihren lösten, um das Kleidungsstück über ihren Kopf zu streifen, kam Michiru wie eine Ewigkeit vor.

Haruka nahm den Kuss sofort wieder auf und wurde augenblicklich in eine innige Umarmung gezogen. Michiru erforschte die Rückenmuskulatur der Läuferin. Dabei presste sie den begehrten Körper noch mehr an sich. Harukas Brüste drückten gegen ihr Schlüsselbein und sorgten dafür, dass eine unbändige Hitze in ihr aufstieg. Sie griff in den Nacken der Pianistin und zog sie mit sich aufs Bett.

Haruka achtete genau auf Michirus Körpersprache. Sie strich über den letzten Stoff, der Michirus Oberkörper umhüllte. Die Antwort kam sofort. Michiru seufzte und atmete tief ein, also lösten ihre geübten Finger den Verschluss des schwarzen BHs. Jetzt musste die Geigerin ihre Erkundungstour doch kurz unterbrechen, um sich die lästigen Träger abstreifen zu lassen.

Türkisblaue Augen trafen leuchtendgrüne. Haruka legte einen Arm um ihren Engel und führte ihn behutsam in die weichen Kissen. Dabei löste keine den Blickkontakt. Die Zeit stand still. Sie atmeten im gleichen Takt, ihre Herzen schlugen im Gleichklang. Eine brennende Spur zog sich über Michirus Gesicht, als Harukas Mittelfinger über ihre Schläfe, ihren Wangenknochen und über ihren Kiefer strich. Doch sie rührte sich nicht. Sie fühlte sich wie gelähmt, doch machte ihr diese Gefangenschaft durch Haruka nichts aus. „Ich liebe dich!“, hörte sie die vertraute Stimme flüstern. Michiru konnte nicht antworten. Sie war gefesselt. Durch Harukas Atem, der über ihr Dekolleté streichelte. Ihr blieb nichts anderes übrig, als die Augen zu schließen und die brennenden Küsse auf ihrer Haut zu genießen.

Eine Weile konnte Haruka ihren Engel noch verwöhnen, doch plötzlich wurde sie aus ihrer Welt gerissen. Sie spitzte die Ohren. Leichte Schritte hallten über den Flur. Grinsend sah Haruka auf. Es dauerte einen Moment, bis Michiru endlich die Augen öffnete. Zunächst war sie verwirrt, warum Haruka plötzlich innehielt. Doch dann begann auch sie zu lauschen. „Ist das Aya?“, flüsterte sie ins Mondlicht. Haruka nickte.

„Sie läuft ziemlich laut, oder?“

Haruka schnaubte. „Eigentlich nicht. Das Haus ist nur verdammt hellhörig. Und ihr Schlafzimmer liegt direkt nebenan. Ich sagte ja, ich komme hier nicht auf dumme Gedanken“, hauchte sie so leise, dass sie Michiru kaum verstehen konnte. Tatsächlich war ein leises Seufzen und Knirschen zu hören, als sich die alte Dame scheinbar in ihr Bett legte.

Abermals röteten sich Michirus Wangen. Harukas schmerzende Rippen hatte sie längst vergessen. Michiru hätte nicht mehr bremsen können. Sie hatte sich ihren Instinkten hingegeben und hatte nicht mehr daran gedacht, wo sie war. Sie hätte weiter gemacht. >Das wäre ja ein tolles Frühstück morgen geworden!<

Harukas Mundwinkel zuckten. Sie schien Michirus Gedanken lesen zu können. Vorsichtig drückte sie sich von ihr hoch und legte sich neben die Malerin. Die zögerte. Darum zog Haruka Michiru eng an sich, schob ihr einen Arm unter den Kopf und umschlang mit dem anderen ihren Bauch. „Trotzdem ist das schon jetzt die schönste Nacht, die ich je hatte.“

Michiru begann zu lächeln. Sie schmiegte sich ganz an Haruka, legte eine Hand an den Hals des Rennprofis und hauchte: „Für mich auch, Ruka. Ich liebe dich.“
 

Zum ersten Mal brach Aya mit ihrer Tradition. Sie wollte ihre Gäste weder wecken, noch wobei auch immer möglicherweise stören. Daher wurde Haruka diesmal nicht von dem Duft nach heißem Kakao geweckt. Stattdessen spürte sie ein leichtes Kratzen auf ihrem Rücken.

Michiru war schon vor einigen Minuten aufgewacht. Als sie die Augen aufgeschlagen hatte, erkannte sie Haruka neben sich. Die Blondine lag bäuchlings nur halb unter der Decke, das Gesicht in die andere Richtung gewandt. Michiru drehte sich auf die Seite und legte ihre Wange auf ihren Armen ab. Lächelnd beobachtete sie den ruhig atmenden Körper. Irgendwann hatte sie genug gewartet. Zärtlich strich sie vom Nacken an abwärts über den starken Rücken. Haruka seufzte, bewegte sich aber nicht. Sie wartete ab. Michiru hatte den Rand der Decke, nur eine Handbreit über Harukas Steißbein, erreicht. Einen Augenblick lang verharrte sie dort. Dann rutschte die Violinistin dicht an ihre Freundin heran, zog die Decke ein ganzes Stück höher und legte ihren Kopf zwischen Harukas Schulterblättern ab.

„Guten Morgen, Engel“, murmelte Haruka schließlich. Michiru stützte sich ab. Sie wollte der Blondine einen Kuss geben, aber deren Lippen waren viel zu weit weg. Haruka streckte sich kurz, bevor sie sich unter der Geigerin auf den Rücken drehte. Die begann jetzt zu grinsen und holte sich endlich, was sie wollte. Nach dem Kuss legte sie ihren Kopf wieder auf Harukas Brust ab. Sie lauschte dem beständigen Herzschlag, genoss die gleichmäßige Bewegung des Brustkorbs, gab sich den Fingern hin, die ihr zärtlich durch ihre Mähne kraulten. In einem langgezogenen Seufzer strich ihr Atem über Harukas Haut.

Irgendwann schafften sie es, ihre Nähe zu überwinden. Michiru war es, die meinte, es wäre unhöflich, Aya am Frühstückstisch warten zu lassen. Trotzdem konnte sie nicht widerstehen, besonders grazil aus dem Bett zu steigen und zu ihrer Tasche zu gehen. Harukas Blicke taten einfach viel zu gut. Sie hatte den Raum halb durchquert, da drehte sie sich suchend um. „Hast du zufällig“, begann sie, doch Harukas Grinsen verriet ihr schon die Antwort. Fast übertrieben elegant kehrte Michiru zum Bett zurück. „Wo ist er?“ „Wo ist wer?“ Die Rennsportlerin blinzelte unschuldig. Michiru beugte sich zu ihr herab und drückte dabei die Schultern der Athletin in die Kissen. „Du weißt, wen ich meine.“ Sie schwang ein Bein über Haruka und setzte sich auf ihren Bauch. „Ich hab keine Ahnung, Schatz“, antwortete die scheinheilig. Michiru lehnte sich vor und führte sie ohne zu zögern in einen viel zu leidenschaftlichen Kuss. Doch so plötzlich sie ihn eingeleitet hatte, so plötzlich löste sie ihn auch wieder auf. Unter Harukas Kopfkissen hatte sie gefunden, wonach sie gesucht hatte. In Windeseile hatte sie ihren BH angezogen und schmunzelte nun über Harukas enttäuschen Gesichtsausdruck. Als sie aufstehen wollte, blieb ihr Blick an dem Oberkörper der Pianistin hängen. Ganz vorsichtig strich sie über den breiten blaugrünen Fleck auf den Rippen. Dann beugte sie sich vor, küsste erst den Bluterguss, dann Harukas Wange und stand schließlich auf, um sich weiter anzuziehen.
 

Aya saß längst an dem reichgedeckten Frühstückstisch und blätterte in der Tageszeitung. Haruka erkannte die Bilder von sich und ihrem Onkel auf der Titelseite sofort.

Beim Essen berichtete Aya, ein ehemaliger Teamkollege habe der Presse erzählt, er hätte die Spannungen zwischen Nichte und Onkel schon vor Jahren wahrgenommen und Haruka immer seine Hilfe angeboten. Die Rennsportlerin hatte er im Interview als verschlossene und sture Egoistin beschrieben.

Haruka schnaubte verächtlich. Bis auf Sanji und ihren Trainer hatte sich niemand in ihrem alten Rennstall für sie interessiert.

„Die haben sogar schon bei mir angerufen und ein Kamerateam hatte ich auch auf dem Hof!“, wetterte Aya. „Aber als ich mit der Polizei gedroht habe, sind die wieder abgehauen. Seitdem hab ich Ruhe.“ Haruka knirschte mit den Zähnen. „Na da kann ich schon ahnen, wie die Konferenz am Mittwoch ablaufen wird.“ „Was denn für eine Konferenz?“, fragte Michiru nach.

„Hab ich dir das noch nicht erzählt? Sanji und Yamada-sama ziehen am Dienstag nach Tokio und Mittwoch geben wir die erste Pressekonferenz mit unserem neuen Team. Ich wette, der Sport wird dabei wieder in den Hintergrund rücken.“ Verstimmt stach die Blondine ihre Gabel in eine Gurkenscheibe auf ihrem Teller.

Aya seufzte. „Geh dem Thema, soweit es geht, aus dem Weg. Sprich vorher mit dem Pressesprecher deines Teams und leg die Regeln fest. Das wird schon.“

Haruka zwang sich zu einem Lächeln, das weniger zuversichtlich wirkte, als es sollte.
 

Nach dem Frühstück führte Haruka Michiru in den Raum, in dem ihr Flügel stand. Aya war hellauf begeistert, als die Geigerin daraufhin ihr eigenes Instrument herausholte und versank den restlichen Vormittag über in dem herrlichen Duett.

Ihre talentierten Gäste bekamen es gar nicht mit, wie sich die alte Dame immer wieder aus dem Zimmer stahl, um das Mittagessen vorzubereiten. Jedoch stieg der schwere Duft am frühen Nachmittag Haruka in die Nase, woraufhin sich ihr Magen meldete.

Bevor auch sie in die Küche schlendern wollte, stand sie auf und strich zärtlich über den Flügel. Michiru beobachtete sie dabei schweigend und warf ihr einen verliebten Blick zu, als die Pianistin endlich bei ihr war. „Was?“, stutzte diese. Michiru schüttelte den Kopf und gab ihr einen zärtlichen Kuss auf die Wange. „Nichts. Ich verliebe mich nur von Tag zu Tag mehr in dich.“
 

Der Abschied von Aya wenige Stunden später fiel besonders Michiru schwer. Sie konnte verstehen, warum der Wochenendtrip vor einigen Wochen Haruka wieder derart aufgebaut hatte.

Tatsächlich schluckte auch die betagte Frau schwer, als sie von der Violinistin in die Arme geschlossen wurde. „Jetzt müsst ihr aber auch öfter kommen, verstanden?“ Ihr Tonfall verriet, dass es eher eine tiefe Bitte als eine Anweisung war. Darum lächelte Haruka sanft, umarmte ihre Großmutter und drückte ihr mit einem „Versprochen!“ einen Kuss auf die Wange.

Zurück nach Tokio brauchten die Schülerinnen eine volle Stunde länger. Nicht etwa, weil sie sich durch viel Stau kämpfen mussten, Haruka wollte ihren Engel nur nicht wieder nachhause bringen und ohne sie in ihre eigene Wohnung zurückkehren.

So wollte sie sich gar nicht von der Künstlerin lösen, als sie ihr Ziel erreicht hatten. Tatsächlich musste Michiru sie energisch von sich drücken, als die Athletin sie in den zigsten Kuss verwickeln wollte. Noch komplizierter war es, die Blondine an der Wohnungstür abzuschütteln. Mit dem Versprechen, morgen auch ganz pünktlich fertig zu sein, wurde sie die aufdringliche Sportlerin doch noch los.

Ohne Umwege warf sich Haruka in ihr Bett. >Im Schlaf geht die Zeit ja bekanntlich am schnellsten um. Also los!<, befahl sie sich selbst, wälzte sich jedoch noch Stunden von der einen auf die andere Seite.
 

„Tenoh-san, Kaioh-san! Sie möchten sich bitte beim Direktor einfinden. Sofort.“ Haruka hatte nur Augen für Michiru gehabt und klebte wie eine Klette an ihr, sodass sie nicht mitbekommen hatte, dass ihr Klassenlehrer den Raum betreten hatte. Abschätzend sah sie Herrn Hisakawa an. Sein Gesichtsausdruck war anders als sonst. Kaum merklich nickte der Lehrer, was die Schülerinnen dazu veranlasste, den Raum zu verlassen.

Schweigend traten sie vor die Bürotür mit der Scheibe aus verschwommenen Milchglas. Auf Michirus unsicheren Blick antwortete Haruka mit einem zuversichtlichen Zwinkern, bevor sie anklopfte.

Direktor Ikuso las zum zigsten Male den Elternbrief auf dem Bildschirm seines PCs. Immer wieder seufzte er, löschte die ein oder andere Formulierung, schrieb sie um, schüttelte verständnislos den Kopf. In seiner gesamten beruflichen Laufbahn hatte er so einen Brief nie verfassen müssen. Er leitete eine der berühmtesten Eliteschulen Japans. Ein gutes Verhältnis zu seinen Lehrern und Schülern stand für ihn immer an erster Stelle. Und jetzt passierte so etwas… Er fühlte sich mitverantwortlich für das Geschehene.

Das Klopfen an seiner Bürotür riss ihn aus seinen Gedanken. Seine Miene war undurchschaubar, als die zwei Schülerinnen Hand in Hand eintraten und sich zur Begrüßung knapp verbeugten. Wo sollte er nur anfangen? Schweigend musterte er Harukas Gesicht. Im Gegensatz zu ihrer Freundin blickte sie zuversichtlich geradeaus. Michiru sah betreten und verunsichert zu Boden.

„Kaioh-san“, begann Ikuso schließlich und die Künstlerin sah auf. „Ich bin mir nicht sicher, was ich sagen soll…“ Nie hatte sie den sonst so gefestigten und selbstsicheren Mann so konfus erlebt. Ikuso seufzte, schüttelte den Kopf, stand auf. Er nahm ein Dokument aus dem Drucker und legte es auf seinen Schreibtisch. Mit einem Nicken bedeutete er den Schülerinnen, sich zu setzen. Dann ging er um seinen Schreibtisch herum und lehnte sich dagegen.

„Was Kawashima-kun getan hat, tut mir unglaublich leid. Und ich fühle mich schuldig. Nach seinem Auftritt in der Mensa hätte ich sofort Kontakt zu seinen Eltern aufnehmen sollen. Ich wollte nur vorher mit ihm sprechen, aber da er nicht mehr zum Unterricht erschienen war, konnte ich das nicht. Es tut mir leid, Tenoh-san!“

Haruka schluckte. „Ich bekomme keine Verwarnung? Ich dachte schon, sie würden mich von der Schule werfen oder mich zumindest beurlauben…“ „Wie kommen Sie auf solche Gedanken? Was wäre ich für ein Mensch, würde ich das Opfer bestrafen? Erst recht, da ihr Onkel-“ Harukas jetzt entsetzter Blick brachte Ikuso zum Schweigen.

Er schluckte, nahm das Dokument von seinem Tisch und wog es in seinen Händen. „In diesem Brief an Hisakawas Eltern erkläre ich, dass er der Schule verwiesen wird. Die anderen drei Herren, die mit auf dem Parkplatz waren, werden bis zum Schuljahresende beurlaubt. Sie trifft nicht die Hauptschuld. Darum werden sie ihren Abschluss bekommen. Allerdings mit einem Nachtrag in ihrer Schulakte, der sie auch auf ihrem weiteren Werdegang begleiten wird.

Das ist alles, was ich tun kann. Ob Sie Anzeige erstatten wollen, liegt bei Ihnen, Tenoh-san. Zwar ist Takato Ryo der einzig Volljährige, aber die anderen könnten immerhin noch nach Jugendstrafrecht zur Verantwortung gezogen werden.“ Haruka nickte, doch Michiru war verunsichert. „Warum haben Sie uns hergerufen, Sensei?“

Ikuso atmete tief durch. Abwechselnd sah er von einer jungen Frau zur anderen. „Eigentlich wollte ich Ihnen nur meine volle Unterstützung zusprechen. Vor allem Ihren Onkel betreffend.“ Haruka schnaubte, doch der Direktor hielt ihrem Blick diesmal stand. „Und auch im Punkto Medien. Ich habe bereits einige Anfragen von Journalisten abgelehnt. Sie wollten auf dem Schulhof drehen und Sie beide für diverse Interviews anwerben. Ich hoffe, das war in Ihrem Sinne?!“ Michiru lächelte und nickte dankbar.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von: Tidus17
2016-06-25T19:52:51+00:00 25.06.2016 21:52
Bei solch einem Haus würde ich auch nicht zu viel wagen wollen XDDD
einige Flüchtigkeitsfehler aber sonst gut geschrieben, mach weiter so
Von:  Darkdragon83
2016-06-17T22:00:31+00:00 18.06.2016 00:00
Ich würde es auch überaus begrüßen wenn du weiterschreiben würdest. (Falls du noch mehr Motivatoren brauchst) ;)
Von:  Rukasan
2016-05-07T17:07:21+00:00 07.05.2016 19:07
Bitte schreib weiter S-Orion!!!Warte schon,bin mega gespannt wie es weiter geht!BITTE!!

Antwort von:  Ruka_S_Orion
08.05.2016 22:24
:D Gebe mir Mühe! Allerdings nehmen mich meine anderen Geschichten und (vor allem!) mein Studium und mein reales Leben vollkommen ein -.- TB braucht mit seinem großen Umfang jedoch gewissenhafte Planung. In andere Storys lasse ich mich einfach fallen, die schreibe ich in einem Rutsch. Dieses Großprojekt hier verlangt mehr Konzentration ;) Ich versuche trotzdem, hier weiterzukommen, sobald ich mehr Luft habe, Versprochen! :)

Vielleicht kann dich ja meine neue Autorenseite etwas trösten ^^y
https://www.facebook.com/RukaSOrion/

Um meine Leser auch in den zum Teil doch recht langen Trockenzeiten bei Laune zu halten, lade ich hier auch Leseproben und ähnliches hoch ;)

Danke für deine Geduld mit mir O:) Ich weiß, dass so lange Pausen wirklich ... anstrengend sein können ^^y

LG Orion
Von:  Fynniboy25
2016-03-05T19:01:30+00:00 05.03.2016 20:01
Colles kapitel Haruka tut mir irgendwie leid von zwei gleichzeitig zusammengefalltet zu werden ist schlimm
Von:  fahnm
2016-03-04T21:44:16+00:00 04.03.2016 22:44
Hammer Kapitel


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