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„Ähm Naruto?“, fragte Hinata sanft. „Langsam müsstest du mir mal sagen, wo ich dich hinbringen kann.“

 

 

Sie warf einen kurzen prüfenden Blick nach hinten durch den Rückspiegel und ein besorgtes Flackern trat in ihre Augen. Ich wollte nicht, dass sie meinetwegen besorgt war und schenkte ihr deswegen mein breitestes Grinsen.

 

 

„Idiot, sie hat dich gefragt wo du wohnst?“

 

 

Sasukes Stimme war schon deutlich weniger sanft und er stieß mir grob den Ellenbogen in die Seite, was ich mit einem leisen Jammern quittierte. Wehleidig rieb ich mir über die schmerzende Stelle an meiner Rippe und durchbohrte Sasuke mit wütenden Blicken. Bis eben war alles so schön ruhig und harmonisch gewesen und jetzt auf einmal zerstörten die beiden meine trügerische Idylle. Demonstrativ steckte ich mir die Finger in die Ohren und kniff so fest ich konnte beide Augen zu. Wenn ich sie nicht wahrnehmen konnte, konnten sie mich auch nicht weiter mit komischen Fragen nerven.

 

 

Grob packte Sasuke meine Unterarme und riss sie nach unten, sodass mir gar nichts anderes übrig blieb, als wieder die Finger aus den Ohren zu nehmen. Auf seinem Gesicht war ein eindeutig gereizter Gesichtsausdruck und seine linke Schläfe pochte gefährlich. Anscheinend war er einer der Menschen, die von Alkohol zunehmen aggressiv wurden oder aber es lag daran, dass er sich noch immer mit aller Macht gegen die Wirkung wehren wollte, während ich mich längst ergeben hatte. Es war aber auch viel bequemer so. Ich musste mir keine Gedanken mehr über die verlorene Challenge machen und konnte mich einfach dem betäubenden Schwindel hingeben.

 

 

„Naruto, deine Adresse!“, fuhr er mich ungehalten an.

 

 

Dabei verstärkte er nochmal den Druck, den er auf meinen Arm ausübte und ich entriss mich ihm kurzerhand. Protestierend verschränkte ich die Arme vor der Brust.

 

 

„Geht dich nichts an“, brachte ich lallend heraus.

 

 

Das wäre ja noch schöner, wenn ich dem Bastard auch noch verriet, wo ich wohnte. Wahrscheinlich würde er die Info sowieso nur dazu nutzen, mich zu stalken, wenn ich der neue Moderator bei Akatsuki wurde und reich und berühmt war. Als ob ich dann noch weiterhin in meiner winzigen Einzimmerbude hausen würde. Momentan war sie leider das einzige, was ich mir leisten konnte, doch das würde sicherlich auf Dauer nicht so bleiben. Wenn ich erst mal den Vertrag unterzeichnet hatte, musste ich mich sowieso nach etwas Neuem umsehen, etwas was sich näher beim Sender befand.

 

 

„Naruto, verrätst du vielleicht mir wo du wohnst?“, bat Hinata vorsichtig.

 

 

Ich grinste.

 

 

„Oh Hinata, willst du mich etwa besuchen kommen?“

 

 

Sie warf Sasuke einen hilfesuchenden Blick durch den Rückspiegel zu, doch der schnaubte nur verärgert. Ihm ging die Situation gehörig auf die Nerven und seine Geduld mit mir war schon seit längerem aufgebraucht. Genau genommen war Sasuke sowieso nicht gerade der Typ, der besonders viel Geduld aufbrachte.

 

 

„Ich würde dich gerne nach Hause fahren“, erklärte Hinata sanft.

 

 

„Hinata, das ist doch nicht nötig“, wehrte ich noch immer grinsend ab.

 

 

Sie sah ein wenig verzweifelt aus und ich fragte mich, woran das nun schon wieder lag, doch ich schob es schließlich darauf, dass Sasuke mit uns im Auto war und mal wieder nur schlechte Laune verbreitete. Nicht jeder konnte das so gut wegstecken wie ich und Hinata war sehr empfindsam, was die Stimmungen von anderen Leuten betraf. Eine Eigenschaft die ich an ihr sehr schätzte.

 

 

„Ach Hinata, ich mag dich“, sprach ich dann auch direkt laut aus, was ich eben gedacht hatte.

 

 

Auf ihre Wangen legte sich ein leichter Rotschimmer und auch Sasuke lief zunehmend rot an, was aber vermutlich andere Gründe hatte.

 

 

„Naruto, es reicht, halt jetzt endlich die Klappe und sag Hinata, wo sie dich hinfahren soll“, schimpfte er.

 

 

Er hatte seine Hand fest um eine Wasserflasche gekrallt, die er bereits zur Hälfte geleert hatte und die jetzt ein verzweifeltes Knacksen von sich gab.

 

 

„Sasuke, vielleicht ist es besser, wenn ich dich erstmal nach Hause bringe“, schlug Hinata versöhnlich vor. „Vielleicht geht’s ihm ja bis dahin besser.“

 

 

Sasuke grummelte daraufhin leicht verstimmt und begann, ihr den Weg zu sich nach Hause zu erklären. Nach den ersten zwei Sätzen hatte ich schon wieder abgeschaltet, weil es viel zu anstrengend war ihm zuzuhören, und außerdem hatte ich keine Lust seiner kalten und distanzierten Stimme zu lauschen. Es war viel angenehmer sich auf die Popmusikklänge aus dem Radio zu konzentrieren und dabei aus dem Fenster zu schauen, wo die Landschaft in tanzenden bunten Flecken vorbeirauschte. Außerdem half es mir, mich davon abzulenken, dass mir ein bisschen schlecht wurde. Autofahren auf der Rückbank war noch nie mein Ding gewesen und im alkoholisierten Zustand wurde das nicht gerade besser.

 

 

Das Auto wurde langsamer und ich spürte ein leichtes Rumpeln, als Hinata in einer Einfahrt wendete. Die tanzende Landschaft vor meinem Fenster hatte sich in eine vorortähnliche Gegend mit verschiedenen Mehrfamilienhäusern verwandelt. Alles in allem sah es hier sehr gepflegt und modern aus, doch ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, warum wir hier angehalten hatten. Wohin waren wir überhaupt unterwegs? Mein Kopf dröhnte, als ich versuchte in meinem Gehirn nach Informationen zu kramen und ich gab es schließlich auf.

 

 

Sasuke schnallte sich ab und öffnete die Autotür. Trotz des Alkohols, den auch er noch immer im Blut haben musste, gelang es ihm in einer halbwegs eleganten Bewegung auszusteigen. Er stützte sich an der noch immer geöffneten Tür ab und sah auf mich herunter.

 

 

„Naruto, jetzt sag Hinata schon wo du wohnst“, forderte er noch einmal.

 

 

Mir entging keinesfalls der nachdrückliche Tonfall in seiner Stimme, doch ich hatte das Bedürfnis, ausnahmsweise mal nicht nach seiner Pfeife zu tanzen und beschloss daher seine Bitte einfach zu ignorieren.

 

 

„Schon gut“, winkte Hinata ab. „Ich versuche einfach jemanden im Sender zu erreichen, damit die die Adresse nachschauen können.“

 

 

Sie stellte den Motor ab und zog die Handbremse an. Dann kramte sie in ihrer Handtasche im Fußraum des Beifahrersitzes nach ihrem Handy und tippte eine Zeit lang auf dem Display herum. Sie hielt es sich ans Ohr und wartete. Da es mir mit der Zeit zu langweilig wurde, ihr dabei zuzusehen, ließ ich meinen Blick wieder zu Sasuke wandern. Er stand noch immer an die Tür gelehnt da, hatte jedoch die Stirn in der Handfläche vergraben und starrte auf den Boden. Offenbar wartete er, ob Hinata mit ihrem Anruf Erfolg haben würde.

 

 

„Ich kann niemanden erreichen, wahrscheinlich sind sie noch in der Konferenz“, verkündete sie schließlich bekümmert.

Sasuke warf einen Blick auf sein eigenes Handy.

 

 

„Sakura ist noch auf Sendung und ich hab von niemandem sonst die Nummer“, fluchte er dann.

 

 

Wütend ging er einmal um das Auto herum und riss dann die Tür auf meiner Seite ebenfalls auf. Zum Glück standen wir noch immer in der Einfahrt, denn sonst wäre er Gefahr gelaufen, von einem vorbeifahrenden Auto erfasst zu werden. Ich sah ihn erstaunt an.

 

 

„Steig aus“, befahl er herrisch.

 

 

Als ich nicht sofort reagierte, beugte er sich über mich, löste den Gurt und zog mich dann am Arm aus dem Auto. Alles begann sich mit einem Mal zu drehen, so als hätte mich jemand in ein Karussell gesteckt und ich hatte für kurze Zeit Schwierigkeiten meine Augen auf einen festen Punkt zu fixieren. Ich wäre fast über meine eigenen Füße gestolpert, doch sein Griff war so eisern, dass er mein fehlendes Gleichgewicht ausglich.

 

 

„Lass mich“, protestierte ich halbherzig und versuchte mich aus dem Griff zu winden, doch es hatte keinen Zweck.

 

 

Ich fragte mich woher er diese Kraft nahm, aber vielleicht war ich auch einfach zu betrunken, um mich wirklich gegen ihn wehren zu können. Nachdem ich mich aber damit abgefunden hatte, dass ich nun mal das Auto verlassen musste, versuchte ich der Situation etwas Gutes abzugewinnen. Da es noch nicht einmal zehn Uhr war, war es noch angenehm kühl draußen und die frische Luft war Balsam für meinen pulsierenden Kopf. Ich atmete tief ein und genoss das Gefühl des leichten Windzugs über mein Gesicht.

 

 

„Ich nehme ihn mit zu mir“, knurrte Sasuke. „Er kann sich dann später ein Taxi rufen.“

 

 

„Bist du dir sicher?“, erkundigte sich Hinata zögerlich.

 

 

Ihr war scheinbar nicht ganz wohl bei dem Gedanken daran, mich mit Sasuke alleine zu lassen.

 

 

„Nein, aber wenn der Idiot nicht bald seine Adresse rausrückt, werde ich sie aus ihm rausprügeln“, versprach Sasuke gereizt.

 

 

Hinata sah wohl ein, dass es besser war, jetzt nicht mit ihm zu diskutieren und wahrscheinlich war sie auch ganz froh darüber, dass er ihr eine Lösung für ihr Problem anbot. Sie bedankte sich mehrmals bei ihm, bevor sie schließlich den Schlüssel im Zündschloss drehte und den Motor wieder anließ. Sasuke zog mich ein gutes Stück von dem Wagen weg, damit wir ihr nicht im Weg standen und dann sahen wir ihr beide hinterher, wie sie die Straße in Richtung Stadtzentrum verließ.

 

 

„Was machen wir hier?“, fragte ich neugierig.

 

 

Sasuke verdrehte die Augen und schob mich auf das Haus zu, zu dem die Einfahrt gehörte. Es war in einem langweiligen Weiß gestrichen und hatte eine moderne Eingangstür, an der viele verschiedene Klingelschilder befestigt waren. Ich versuchte ein paar von den Namen zu lesen, doch die Schrift verschwamm immer wieder vor meinen Augen und schließlich hatte ich keine Lust mehr.

 

 

„Woah, wo hast du denn den Schlüssel her?“, fragte ich plötzlich erstaunt.

 

 

Sasuke hatte wortlos einen Schlüssel aus seiner Hosentasche gezogen und versuchte damit nun die Tür aufzuschließen. Die Betonung lag auf versuchte, denn er brauchte tatsächlich mehrere Anläufe, um das Loch auch zu treffen. Er bemühte sich zwar, sich nichts anmerken zu lassen, doch sogar ich bemerkte, dass er nicht gerade nüchtern war.

 

 

„Ich wohne hier“, kommentierte er trocken, ohne sich dabei umzudrehen.

 

 

Er stieß die große Eingangstür auf und betrat dann das Treppenhaus. Es war schön hell hier, da ein Großteil der Wand von einem riesigen Fenster eingenommen wurde, durch das man in einen kleinen Innenhof schauen konnte. Als ich mich nicht bewegte und stattdessen einfach weiter auf die einzelnen Stufen starrte, griff er wieder nach meinem Arm und zog mich hinter sich her. Relativ widerstandslos ließ ich mich von ihm die Treppe nach oben schleifen, bis er schließlich vor einer der Wohnungstüren stehen blieb. Auch hier benötigte er wieder mehrere Versuche, bis es ihm gelang, die Tür aufzuschließen.

 

 

„Schuhe aus“, knurrte er.

 

 

Brav strampelte ich mir die Schuhe von den Füßen und betrat dann hinter ihm die Wohnung. Wir standen in einem kleinen gefliesten Flur mit Garderobe, deren Rückwand von einem großen Spiegel dominiert wurde. Ordentlich auf Kleiderbügeln aufgehängt hingen verschiedene Jacken daran und am Boden auf einer kleinen Matte nebeneinander aufgereiht standen mehrere Paar Schuhe. Ich stellte meines dazu und schwindelte leicht als ich mich wieder aufrichtete.

 

 

Sasuke schenkte mir keinerlei Beachtung mehr und steuerte zielstrebig auf das Zimmer zu, das sich rechts von uns befand. Ein etwas breiterer Durchgang, dessen obere Kante aus einer leichten Rundung bestand führte in den nächsten Raum. Da ich nicht wusste, was ich sonst machen sollte, folgte ich ihm kurzerhand und fand mich dann im Wohnzimmer wieder. Auch hier war der Boden gefliest. Es gab nur sehr wenige Möbel, was den Raum deutlich größer wirken ließ, gleichzeitig aber auch ein wenig karg. In der rechten hinteren Ecke stand ein großes graues Ecksofa und davor ein gläserner Kaffeetisch. An der Wand gegenüber befand sich eine in strahlendem Weiß gehaltene Wohnwand, die von einem großen Flatscreen-Fernseher dominiert wurde. Abgesehen von einer Lampe und einem weiteren Regal war das Zimmer sonst leer. Sasuke hatte nicht einmal einen Teppich.

 

 

„Und hier wohnst du also?“, stellte ich fest.

 

 

Beim Sprechen merkte ich, dass mir meine Zunge noch immer nicht so ganz gehorchen wollte und dass die Worte langsamer als beabsichtigt meinen Mund verließen. Sasuke zog eine Augenbraue nach oben und musterte mich.

 

 

„Ja, hier wohne ich im Moment.“

 

 

„Im Moment?“, fragte ich neugierig.

 

 

Er ignorierte meine Frage und ging stattdessen auf das große Fenster zu und die Glastür, die offenbar zum Balkon führte. Ein Rumpeln ertönte, während das Band der Jalousie Stück für Stück durch seine schmalen Finger glitt. Mit jedem Rumpeln wurde es ein bisschen dunkler im Zimmer und am Ende drangen nur noch ein paar vereinzelte Lichtstrahlen durch die kleinen Schlitze. Erschöpft ließ sich Sasuke auf das Sofa fallen und schraubte dann den Deckel seiner Flasche ab. Sein Kehlkopf hüpfte freudig auf und ab, während er gierig ein paar Schlucke trank.

 

 

„Wenn du auch was zu trinken willst, da hinten ist die Küche“, Sasuke deutete auf eine weitere Tür, die vom Wohnzimmer aus abging. „Im Kühlschrank ist noch Wasser.“

 

 

Angeekelt verzog ich mein Gesicht. Ich mochte kein Wasser. Allerdings wäre es vielleicht gar nicht mal so schlecht, welches zu trinken, um die Wirkung des Alkohols wenigstens ein bisschen zu neutralisieren. Ich hatte keine Ahnung, ob so etwas wirklich klappte, aber bisher hatte ich immer das Gefühl gehabt, dass es half. Schulterzuckend machte ich mich auf den Weg in die Küche und staunte nicht schlecht, als mein Blick über blitzblank geputzte Theken glitt.

 

 

Auch hier setzte sich der eher moderne Stil der Wohnung fort und auch hier wirkte alles seltsam karg und reduziert. Es gab nirgendwo einen Hinweis darauf, dass es Sasuke war, der diese Küche bewohnte, so als wäre es sowieso nur eine Übergangslösung. Vielleicht war es das auch, immerhin hatte er gesagt, er würde im Moment hier wohnen. Vielleicht würde er ja die Stadt verlassen, wenn er die Stelle nicht bekam. Irgendwie würde das zu ihm passen.

 

 

Mit einem Glas Wasser kehrte ich ins Wohnzimmer zurück, wo Sasuke noch immer auf der gleichen Stelle des Sofas saß. Im Dunkeln konnte ich ihn nur schemenhaft erkennen. Er hatte sich einen Arm über das Gesicht gelegt und den Kopf in die Kissen zurückgelehnt. Seine Beine hatte er über die kürzere Seite des Sofas ausgebreitet und eines davon locker angezogen. Da er mir von sich aus nicht anbot Platz zu nehmen, ließ ich mich einfach neben ihn auf das Polster fallen und stellte das Glas auf dem Kaffeetisch ab.

 

 

„Sasuke, warum hast du mich mit zu dir genommen?“, wollte ich neugierig wissen.

 

 

Dass das hier wirklich Sasukes Wohnung war, hatte ich mittlerweile kapiert. Genau wie der Kontrast zwischen uns beiden hätte der Kontrast zwischen unseren Wohnungen nicht größer sein können. Meine war klein, eng und zugestellt mit allem möglichen Krimskrams. Kein Möbelstück passte zum anderen, überall standen kleine Dekorationsgegenstände oder persönliche Erinnerungsstücke. Kein Millimeter der Wohnung ließ auch nur den geringsten Zweifel daran, dass es sich um meine Wohnung handelte.

 

 

Sasukes Wohnung war im Vergleich dazu fast schon leer, mindestens aber spärlich eingerichtet. Er besaß nur das Nötigste, alles hatte seinen festen Platz und er verzichtete auf jeglichen Kitsch oder Dekoration. Es war nahezu überall klinisch sauber, fast so als würde er die Wohnung kaum benutzen und das sterile Weiß strahlte eine zusätzliche Kälte aus. Im Gegensatz dazu wurde mein Wohnzimmer von warmen Holztönen und sanftem orange dominiert. Es war ein Raum zum Wohlfühlen und es war genau genommen auch mein einziger Raum. Wie viele Zimmer Sasukes Wohnung hatte, wusste ich noch nicht.

 

 

„Nerv mich jetzt bloß nicht“, drohte er zwischen zusammengebissenen Zähnen. „Sonst fliegst du hier schneller wieder raus, als du bis drei zählen kannst.“

 

 

Tatsächlich glaubte ich ihm das aufs Wort und auch sein Tonfall ließ keine Zweifel daran. Seufzend schloss ich die Augen und ließ mich gegen die Lehne des Sofas sinken. Auf der einen Seite spürte ich, wie sich mehr und mehr eine drückende Müdigkeit in mir breit machte, der ich mich gerne willig ergeben hätte. Auf der anderen Seite spürte ich aber auch eine seltsame Unruhe, die genau das hartnäckig verhinderte. Gedankenfetzen spukten in meinem Kopf herum, die ich jedoch allesamt nicht wirklich zu Greifen bekam. Es war anstrengend und am liebsten hätte ich meine Gedanken einfach Gedanken sein lassen, doch irgendwie wollte das nicht so richtig funktionieren.

 

 

Nachdem ich meine Augen geschlossen hatte, spürte ich nur noch deutlicher den Schwindel, der von mir Besitz ergriffen hatte. Glücklicherweise hatte ich zumindest nicht das Gefühl, mich übergeben zu müssen, denn es wäre mir unglaublich peinlich gewesen, das in Sasukes Gegenwart zu tun. Da ich noch immer beide Füße auf dem Boden hatte, drehte es mich nicht so sehr, wie wenn ich liegen würde, und ich beschloss meine Position unter keinen Umständen zu ändern. Abgesehen davon hatte ich Angst, dass Sasuke mich wieder anfahren würde, wenn ich zu viel herumzappelte. Er hatte offenbar vor, sich auszuruhen und war nicht in der Laune, sich jetzt näher mit mir zu befassen.

 

 

Eine ganze Weile lang saß ich so da und ertrug die Stille, in der das Dröhnen in meinem Kopf und die wirren Gedankenfetzen nur umso intensiver auf mich einprasselten. Ich versuchte nicht zu sprechen, ich versuchte mich möglichst wenig zu bewegen und schließlich gelang es mir irgendwann doch einzuschlafen, nachdem ich mich auf Sasukes regelmäßige Atemzüge direkt neben meinem Kopf konzentriert hatte.

 

 

Ich wurde schließlich wach von einer gedämpften Stimme, die aus dem Flur drang. Es dauerte einen kurzen Moment, bis ich mich wieder orientiert hatte und daran erinnerte, dass ich mich in Sasukes Wohnung befand und auf der Couch eingeschlafen war. Der Platz neben mir war jedoch leer und irgendjemand hatte mein Glas Wasser weggeräumt. Offenbar mochte Sasuke es nicht, wenn in seiner Wohnung irgendetwas herumstand. Verschlafen rieb ich mir über die Augen und rappelte mich dann langsam auf. Unwillkürlich war ich beim Schlafen immer weiter nach unten und somit in eine, insbesondere für meinen Rücken, mehr als unbequeme Position, gerutscht.

 

 

„Sasuke?“, fragte ich vorsichtig.

 

 

Die Stimmen im Flur verstummten kurz, dann hörte ich das Zuschlagen der Wohnungstür. Verwirrt wunderte ich mich, was für einen Besuch Sasuke gehabt hatte, als er schon seinen Kopf durch den kleinen Durchgang steckte.

 

 

„Ah gut, du bist wach“, stellte er fest.

 

 

Seine Stimme klang schon wieder deutlich klarer als heute Vormittag, wenn auch ein raues Kratzen nicht zu überhören war. Vermutlich würde er mich jetzt rausschmeißen. Ehrlich gesagt war es mir unglaublich peinlich, dass er mich überhaupt bei sich aufgenommen hatte. Was war nur in mich gefahren, dass ich Hinata partout meine Adresse nicht hatte nennen wollen? Wäre Sasuke nicht sowieso schon gereizt und noch dazu betrunken gewesen, hätte er sich sicherlich nicht darum geschert, was mit mir passierte.

 

 

Entgegen meiner Erwartungen, schmiss Sasuke mich jedoch nicht auf der Stelle raus, sondern betrat das Wohnzimmer mit einem großen flachen Karton in der Hand. Wie auf Kommando ertönte ein hungriges Knurren aus meinem Magen, als mir der Duft der frischen Pizza in die Nase strömte und ich hätte ihn in diesem Moment knutschen können dafür, dass er den Pizzaboten gerufen hatte. Er stellte den Karton wortlos auf dem Tisch ab und schlug den Deckel zurück. Salami.

 

 

„Oh man, geil“, rief ich verzückt aus. „Nachdem ich getrunken habe, krieg ich immer so einen Fressflash.“

 

 

Sasuke schmunzelte nur und ich wusste nicht, ob er mich auslachte oder ob er Verständnis für meine Situation hatte, weil es ihm genauso ging. Allerdings hätte er wohl kaum eine Pizza bestellt, wenn er nicht genauso Hunger gehabt hätte wie ich. Jedenfalls verschwendete er keine Zeit und griff direkt nach dem ersten Stück, um es sich in den Mund zu schieben. Ich sah, wie sich ein zufriedener Ausdruck auf seinem Gesicht ausbreitete und konnte schließlich auch nicht mehr widerstehen. Salamipizza war mein absoluter Favorit. Vielleicht war es Zufall, dass sich Sasuke ausgerechnet dafür entschieden hatte, vielleicht hatte er sich aber auch daran erinnert, dass er das letzte Mal auch Salami für mich bestellt hatte.

 

 

Hungrig stopfte ich mir das erste Stück in den Mund und murmelte dabei ein schmatzendes Dankeschön. Nachdem ich den heutigen Wettbewerb verloren hatte, war ich auch zuständig für unsere Mittagsverpflegung und übergab ihm ein wenig widerwillig den Betrag, der auf der Rechnung stand. Wir kauten beide schweigend und anders als zuvor genoss ich die Stille und die Dunkelheit, die den Raum beherrschte. Dadurch, dass die Rollläden immer noch heruntergelassen waren, hatte ich nicht den leisesten Schimmer, wie spät es schon war oder wie lange wir geschlafen hatten.

 

 

Gedankenversunken griff ich in den Karton und wollte mir ein neues Stück Pizza nehmen, als ich plötzlich gegen einen Widerstand stieß. Sasuke hatte ebenfalls nach dem Stück greifen wollen, sodass sich unsere Hände nun gegenseitig blockierten. Mein Bauch knurrte protestierend und im selben Moment hörte ich auch, wie Sasukes Bauch leise knurrte. Unsere Blicke trafen sich und fochten ein stummes Duell aus, während keiner von uns seine Hand zurückziehen wollte.

 

 

„Du hattest schon so viele Stücke“, versuchte ich ihn halbherzig zu überzeugen.

 

 

Er schnaubte abfällig.

 

 

„Ich hatte genauso viele wie du, Idiot. Und außerdem hab ich die Pizza bestellt.“

 

 

„Aber ich hab sie bezahlt“, erinnerte ich ihn.

 

 

Meine Augen verengten sich zu Schlitzen, doch Sasuke blieb gänzlich unbeeindruckt.

 

 

„Du bist in meiner Wohnung“, argumentierte er.

 

 

„Ich bin dein Gast“, griff ich sein Argument sofort auf und machte es mir zu Eigen.

 

 

Sasuke grinste herausfordernd.

 

 

„Na wenn das so ist, kannst du auch gerne gehen“, schlug er mir vor.

 

 

Unwillig verzog ich mein Gesicht. Nein, das wollte ich nicht. Im Moment fühlte ich mich noch nicht wirklich wieder fit und der Gedanke daran jetzt quer durch die ganze Stadt zu fahren war nicht wirklich verlockend. Auf der Suche nach einer akzeptablen Lösung für unser Problem oder zumindest einem weiteren schlagkräftigen Argument ließ ich meinen Blick durch das abgedunkelte Wohnzimmer wandern. Er blieb schließlich an dem riesigen Fernseher hängen und der Konsole, die darunter stand. Mir kam eine geniale Idee.

 

 

„Lass uns um das letzte Stück zocken!“

 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Einen wunderschönen guten Tag ihr Lieben,

und vielen Dank für eure Kommentare zum letzten Kapitel. Ich danke euch für euer Feedback und für eure Motivation. :)
Genau aus diesem Grund gibt es auch wieder was Neues von mir. Der Oneshot heißt „Augen, so rot wie Blut“ und ist eine Schneewittchen-Adaption mit Sasuke und Itachi in den Hauptrollen, aber auch der blonde Prinz darf natürlich nicht fehlen. Falls es euch interessiert, könnt ihr ja gerne mal reinschauen. ;)
Ansonsten freue ich mich wie immer über eure Meinung zu diesem Kapitel und hoffe, wir lesen uns beim nächsten Mal wieder.

Herzliche Grüße
-Zerschmetterling-



Nächste Woche:

„Du hast dieses Ninjaspiel“, stellte ich dann fest.

Nachdem ich bereits wusste, dass Sasuke und das Gesprächsthema Itachi keine allzu gute Kombination waren, wunderte es mich doch, dass er ein Spiel hatte, in dem einer der Charaktere von seinem Bruder synchronisiert wurde. Da es sich jedoch um ein Kampfspiel handelte, vermutete ich, dass er es vielleicht nutzte, um sich abzureagieren.

„Können wir das spielen?“, fragte ich und wedelte mit der Hülle in seine Richtung.

Auf der einen Seite hatte er vermutlich einen Vorteil, weil er das Spiel im Gegensatz zu mir schon öfter gespielt hatte. Auf der anderen Seite konnte ich mir vielleicht seine Abneigung gegen seinen großen Bruder zu Nutze machen. Außerdem eignete sich ein Beat’em up-Spiel hervorragend, um unseren kleinen Wettbewerb auszutragen.

„Von mir aus.“
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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2015-10-24T11:51:03+00:00 24.10.2015 13:51
Coole Idee!
Antwort von:  -Zerschmetterling-
24.10.2015 14:06
Dankeschön. :)
Freut mich, dass sie dir gefällt.
Herzliche Grüße
-Zerschmetterling-
Von:  Tenshirei
2015-10-22T19:46:27+00:00 22.10.2015 21:46
Das sasuke ihm mitnimmt war mir irgendwie klar.
Er 'will ihn zwar fertig machen' aber mir kommt es eher so vor als ob er sich einfach nicht eingestehen will das er naruto vielleicht doch mehr mag als er denkt...:DD

Das mit der pizza hat mich überrascht.
eigentlich dacht ich an ganz andere dinge..;)
Den Moment kenn ich, wir streiten dann auch immer um das letze stück egal von was xD meistens mario kart :3

Ich denke im nächsten kappi geht es weiter mit itachi und sasukes Familie.

Also so Drama Momente wo sasuke ausrastet und ihm die pizza ins Gesicht schmeißt xD

Ich bin heut echt doof im kommi schreiben, sorry :)

Schönen Abend,
Tenshi♡


Antwort von:  -Zerschmetterling-
23.10.2015 12:35
Du hast mich grad herzlich zum Lachen gebracht.
Allein die Vorstellung, wie Sasuke Naruto wütend ein Stück Pizza ins Gesicht knallt :'D
Ich bereue es fast, dass ich nicht auf die Idee gekommen bin.

Das mit dem Fertigmachen hat Sasuke wohl in erster Linie auch für sich selbst gesagt,
um sich wieder an seine Ziele zu erinnern.
Dadurch dass der Wettbewerb unentschieden ausgegangen ist,
rückt das schon mal ein wenig in den Hintergrund.
Aber wer weiß, ob er sich da nicht selbst ein bisschen was vormacht? ;)

Vielen Dank für deinen Kommentar und ich wünsche dir ein schönes Wochenende.
Herzliche Grüße
-Zerschmetterling-


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