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Lost Future - Dark Paradise?

Same as it never was...
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Mikey/Michael 16, Raph 28, Chen 32 Komplett anzeigen

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The secret grot

Einen Monat später – März…
 

Für Ende März ist es definitiv viel zu warm. Als dieser arbeitsreiche Tag in den Nachmittag wechselt, liegt die Temperatur bei knapp dreißig Grad. Eine willkommene Abwechslung, wo der harte, unnachgiebige Winter die beiden Inseln noch vor drei Wochen unter einer dicken Schneedecke begraben hat. Nun blüht das Leben wieder auf. Die letzten Tage waren von Sonnenschein und Regen dominiert und eher kalt, doch jetzt scheint ein gnädiger Herr hoch oben auf seiner Wolke der Ansicht zu sein, den Foot und den Flüchtlingen mal etwas Gutes tun zu wollen, nachdem sie so lange Zeit zusammengerottet unter den Schneemassen ausharren mussten. Höchstwahrscheinlich wird sich die Hitze eh nur ein, zwei Tage halten und dann wieder in Regen und Nebel übergehen und sich somit in das unbeständige Aprilwetter verwandeln, das man hier zu Lande gewohnt ist. Doch solange es so schön ist, nutzt jedes Lebewesen die Chance für einen Neubeginn. Vögel singen lautstark, schicken ihre Melodien über die ganze Insel und jagen dabei in halsbrecherischen Manövern durch die Lüfte, um genug Nahrung für ihre frischgeschlüpften Küken zu finden.
 

Überall in den Wäldern kann man es rascheln hören, während die Tiere auf der Suche nach einem geeigneten Partner sind oder ihren neugeborenen Nachwuchs von einem Versteck ins nächste bringen. Die Bäume knospen zu hunderten, das Gras wird wieder grün und an vielen Stellen kann man die ersten Blumen am Wegesrand bewundern. Die Trümmer der vergessenen Stadt New York werden langsam, aber bestimmend wieder von der Natur eingenommen und unter zarten Geflechten und Ranken verborgen. Und in den vielen Spalten und Hohlräumen sind auch hier Tiere emsig dabei, sich ein Heim zu schaffen. Auf den Brother Islands sind die Flüchtlinge damit beschäftigt, die letzten Reste des Winters zu entfernen und all ihre Arbeiten wieder nach draußen zu verlagern. So hängen die ersten Leinen zwischen den Bäumen und trocken die Wäsche, Feuerstellen sind an einigen Orten zu sehen und Stühle und Tische werden aufgestellt, um das Essen in den warmen Sonnenstrahlen genießen zu können. Kinder laufen laut lachend hintereinander her, während die Erwachsenen sich um die wenigen Nutztiere und die Beete kümmern, die sie den Rest des Jahres mit Nahrung versorgen werden.
 

Alles scheint perfekt und zu neuem Leben erwacht. Doch die plötzliche Hitze macht einigen Leuten auch zu schaffen. Besonders die Älteren ziehen es vor, sich in das kühle Krankenhaus zurückzuziehen, bevor ihr Kreislauf schlappmacht. Die Foot-Ninja fühlen sich in ihren tiefschwarzen Uniformen auch nicht sonderlich wohl, wo sie den ganzen Tag in der prallen Sonne durch Alt New York gezogen sind, um dort weiterhin aufzuräumen. Die Lustlosigkeit, die die Männer dabei ergriff, blieb Chen nicht lange unbemerkt. So ist er auch nicht verwundert, als die Foot nun nach Missionsende an ihn herantreten und ihn darum bitten, den Rest des Tages frei zu bekommen, um in der Bucht zwischen den Inseln schwimmen zu gehen. Eingehend mustert der junge Japaner die völlig vermummten Männer, dennoch kommt es ihm so vor, als könne er das Flehen in ihren Augen selbst durch den Stoff hindurch sehen. Sein Blick schweift durch die Runde und endet bei Michael. Er trägt keine Maske und daher sind seine großen, blauen Hundeaugen nicht zu übersehen. Aber was spricht schon dagegen, ihnen diesen Wunsch zu erfüllen? Schließlich haben sie ihre Arbeit für heute tadellos erledigt.
 

„Ich denke, dass geht in Ordnung. Für heute hatte ich eh nichts mehr für euch zu tun und ich bin sicher, Meister Shredder sieht das genauso. Doch spätestens zum Training heute Abend seid ihr wieder hier, verstanden?“ Sein strenger Blick trifft die Männer, die eifrig nicken und wild durcheinander seinen Worten zustimmen. „Gut, dann verschwindet!“, gibt er mit einem leichten Lächeln von sich. Es dauert nur wenige Sekunden, dann hat sich die Truppe vor ihm zerstreut und eilt mit fröhlichen Jubelrufen Richtung Ausgang. Chen blickt ihnen noch einen Moment nach, wobei ihm die Foot wie ein Haufen fröhlicher Kinder vorkommt, die zum Spielplatz aufbrechen. Gedanklich schüttelt er bei dieser Vorstellung den Kopf und widmet sich dann wieder seinen Aufgaben. Derweil drängen sich die Eliteninja an die Oberfläche und folgen einem ausgetretenen Pfad zum Rand der Insel. Schließlich erreichen sie eine Art kleine Lichtung, wo das Gras und die Sträucher plattgetreten sind und Raph ohne ihr Wissen vor langer Zeit eine Leiche zu Wasser getragen hat. Das Wasser des East River ist heute erstaunlich ruhig und glitzert spektakulär im Schein der tiefstehenden Nachmittagssonne.
 

Lange lassen die Männer diesen Anblick nicht auf sich wirken. Nur wenige Minuten vergehen, dann haben sich alle ihrer Kleider entledigt und setzten sich auf den Rand der Insel. Von hier aus geht es steil hinab ins metertiefe Wasser. Besagtes Wasser ist zudem fast unerträglich kalt, da es bisher keine Wärmeperiode gab, die es hätte aufheizen können. Daher sitzen die nur mit ihren Unterhosen bekleideten Männer eine ganze Weile auf dem Rand und halten dabei die Füße in die eisigen Fluten. Gänsehaut breitet sich auf ihren Körpern aus, während die Sonne vehement versucht ihnen die Schultern zu verbrennen und das Hirn zu braten. Schließlich geben sie sich einen Ruck, immerhin haben sie sich extra frei geben lassen, um schwimmen gehen zu können, da wäre es doch echt schade, wenn sie es jetzt doch nicht tun würden. Mit lauten Schreien, die sich anhören, als würden sie allesamt abgestochen werden, springen sie ins Wasser. Sekunden später tauchen sie zitternd und fluchend wieder auf, dennoch halten sie es nicht für notwendig, wieder herauszusteigen. Ihre Körper werden sich schon an die Kälte gewöhnen und wenn sie sich erst etwas bewegt haben, dann geht es viel besser.
 

So dauert es nicht lange, bis sie anfangen, sich gegenseitig nass zu spritzen, sich durchs Wasser zu jagen oder kindlich versuchen den anderen unterzutauchen. Alle haben ihren Spaß und so ist die Kälte schnell vergessen. Michael hat zum ersten Mal das Gefühl nicht der Außenseiter in der Truppe zu sein, da sie nun alle unmaskiert sind und wie ganz normale Menschen aussehen. Die dumpfen Stimmen hinter dem schwarzen Stoff haben nun endlich ein Gesicht für ihn. Das wilde Gebaren der Männer hält erstaunlich lange an, ehe es ihnen doch zu kalt wird. Durchgefroren und am ganzen Leib heftig zitternd, steigen sie aus dem Wasser und lassen sich auf der Lichtung von der Sonne wieder aufwärmen. Keiner von ihnen bemerkt, dass Michael verschwunden ist. Nicht einmal als sie sich wieder anziehen und die Sachen des Jungen als einzige zurückbleiben. Die Foot begeben sich wieder in den Bunker, ohne auch nur einen Gedanken an den Blonden zu verschwänden. Dem Nunchakuträger geht es dabei ganz ähnlich. Auch er hat die anderen völlig vergessen, von der Zeit ganz zu schweigen. Es ist einfach alles viel zu aufregend.
 

Schon als die wilden Kabbeleien der Foot-Ninjas ihren Höhepunkt erreicht haben, hat sich der Kleine aus dem Staub gemacht. Er ist abgetaucht in eine unentdeckte Welt, die unter der Oberfläche liegt. Mit großen Augen schwimmt er durch das fast klare Wasser und erblickt überall interessante Dinge. Einige Fische flitzen an ihm vorbei und kämpfen sichtlich mit der tückischen Strömung unter Wasser. Der Weg zum Grund ist weiter, als es sich Michael vorgestellt hat. Der Boden ist übersät von Müll, Geröll, Steinen und gesunkenen Booten. In der Ferne kann er die Röhren ausmachen, die die Inseln und das Festland miteinander verbinden. Doch da ist noch etwas. Die beiden Inseln sind fest mit dem Grund des East River verbunden. Von hier unten wirken sie wie seltsam geformte Bäume, deren Kronen aus den Fluten aufragen. Neugierig schwimmt der Junge näher zu dem ‚Stamm‘, der South Brother Island mit dem Grund verbindet. Je tiefer er taucht, desto ruhiger scheint die See zu werden und so entdeckt er in der Nähe des Bodens noch viel mehr Lebewesen. Fische in allen Größen, bunte Krebse, ja sogar einen Tintenfisch, der in einer schwarzen Wolke vor ihm zu fliehen versucht.
 

Nach einem kurzen Luftholen schwimmt er in einem Bogen um die stammähnliche Verankerung der Insel. Eine dunkle Stelle in dem Felsgestein weckt sein Interesse. Als er sich ihr nähert, wird er von einer heftigen Strömung erfasst und fast gegen den Stein geschleudert. In letzter Minute gelingt es ihm zu entkommen. Nun befindet er sich direkt vor dieser dunklen Stelle, die sich als Loch im Fels entpuppt. Vielleicht sogar der Eingang zu einer Höhle? In diesem Moment vergisst er noch weit mehr. Er macht sich keine Gedanken, ob ihn irgendwer vermissen könnte, nein, er will einfach nur wissen, was das für ein Loch ist. Zielstrebig überwindet er den letzten Meter und schwimmt dann hinein. Die Öffnung im Fels hat einen Durchmesser von gut zwei Metern, sodass sie kein Hindernis für ihn darstellt. Um ihn herum ist es nun stockdunkel und er droht seine Orientierung zu verlieren. Da sieht er auf einmal über sich etwas glitzern. Vielleicht eine Verbindung zur Oberfläche? Das wäre gut, da ihm allmehlig die Luft ausgeht. Eifrig schwimmt er nach oben auf das Funkeln zu und stößt kurz darauf durch die Wasseroberfläche.
 

Bevor er richtig registriert, dass er oben ist, füllen sich seine Lungen schon mit Luft. Michael macht ein paar tiefe Atemzüge und sieht sich dann um. Beim Anblick der Umgebung werden seine Augen ganz groß und der Kiefer klappt ihm herunter. Er ist tatsächlich in einer Art Höhle gelandet, so etwas wie eine Grotte, in deren Mitte sich der Zugang mit dem Wasser befindet. Der Hohlraum scheint die gesamten Ausmaße der Verbindung zwischen Insel und Meeresboden einzunehmen. Es wirkt wie ein großer Raum mit einer hohen Decke. Nun kann der Blonde auch sehen, was das Glitzern verursacht hat, das ihm den Weg wies. An der Decke der Höhle sitzen hunderte Glühwürmchen, die ihr Licht in einer pulsierenden Woge an und ausknipsen. Ihr Licht wiederum bringt kleine Bestandteile des Felsens zum Funkeln, als wären unendlich viele Diamanten darin verarbeitet. Ein atemberaubender Anblick. Es scheint wie in einem Märchen. Ein Gefühl von romantischer Geborgenheit breitet sich in ihm aus und erwärmt sein Herz. Etwas schwerfällig zieht er sich auf einen Vorsprung und legt sich dann auf den nackten Fels.
 

Der Untergrund ist schrecklich hart und unbequem. Spitze Steine ragen heraus und stechen ihm schmerzhaft in den blanken Rücken. Dennoch bleibt er einfach liegen und betrachtet die vielen Glühwürmchen bei ihrer Lichtershow. Es dauert nicht lange, da machen ihn die tanzenden Pünktchen schläfrig. Schon kurz darauf döst er ein. So merkt er nicht wie die Zeit vergeht und sich langsam der Abend über diesen Teil der Welt legt. Zur selben Zeit beendet Raphael sein Gespräch mit Chen, der ihm erzählt hat, was bei den heutigen Missionen herausgekommen ist. „Das hört sich alles ziemlich gut an. Vielleicht kriegen wir die Zone 34 ja bis Ende des nächsten Monats durch…“, kommt es nachdenklich vom Führer des Foot-Clans, während er Chens Bericht durchsieht. „Das sollte durchaus mögliche sein, Meister Shredder.“, erwidert der Japaner. Bestätigend nickt Raphael und legt die Papiere zur Seite. „In Ordnung. Sag Michael Bescheid, dass ich ihn sehen möchte, dann kannst du das Training vorbereiten.“, weist er den Älteren an. Höfflich verbeugt sich der Angesprochen vor seinem Herren und macht sich dann auf den Weg.
 

Allerdings weiß Chen nicht, dass Michael noch immer nicht wieder da ist und so sucht er ihn beinahe vergebens. Schließlich fragt er einen der Soldaten, da der Junge schließlich mit ihnen zusammen schwimmen gegangen ist. Dieser weiß jedoch auch nichts und hat bei der ausgelassenen Stimmung auch nicht wirklich darauf geachtet, ob er mit ihnen wieder hierher zurückgekommen ist oder nicht. Chen dankt ihm, doch nun steht der Japaner vor einem kleinen Problem. Etwas unsicher klopft er an die große Tür des Thronsaals und tritt ein. Raphael sitzt mit gesenktem Kopf da, eine qualmende Zigarette klemmt keck in seinem Mundwinkel, während er sich nachdenklich Notizen macht. Ohne aufzusehen, beginnt er zu reden, nicht ahnend, dass Michael gar nicht vor ihm steht. „Da bist du ja endlich. Ich dachte schon, du brauchst eine Extraeinladung, Michael. Folgendes…“, setzt der Foot-Clan-Führer an. Nun hebt er aber den Kopf und ist sichtlich irritiert, Chen vor sich zu sehen und nicht den Nunchakuträger. „Was machst du hier? Ich hab doch gesagt, du sollst mir Michael herschicken! Wo steckt der Bengel schon wieder?“, fährt er den Japaner rau an.
 

Zwar sind seine Worte noch nicht so inbrünstig wie sie sein könnten, dennoch überkommt den Älteren ein ungutes Gefühl. Er weiß nicht, was es ist, aber ihm ist schon öfter aufgefallen, dass Raph ein etwas seltsames Verhalten an den Tag legt, wenn es um den blonden Jungen geht. Irgendetwas ist zwischen den beiden, er weiß jedoch nicht was. Zwar kommt er nicht im Geringsten auf den Gedanken, dass die beiden irgendwelche zärtlichen Gefühle für einander übrig haben könnten, doch ihm kommt immer wieder in den Sinn, dass es wohl etwas mit Raphaels verstorbener Familie zu tun haben muss. Gut möglich, dass der Junge ihn an seinen kleinen Bruder erinnert und er daher eine Art Beschützerwahn entwickelt hat, da er fürchtet, ihn auch verlieren zu können. Doch hier gibt es viele Jugendliche und auch Kinder und zu keinem scheint er so eine Bindung zu haben, obwohl es ganz sicher welche gibt, die seinen Brüdern ähnlich sind. Aber da er mit keinem davon das Umfeld so sehr teilt wie mit Michael, scheint sich dergleichen bei keinen anderen aufbauen zu können. Eine eiskalte Hand gleitet seinen Rücken hinunter, wenn er in Raph´s wartendes Gesicht blickt.
 

„Es tut mir leid, Meister. Ich konnte Michael nirgends finden…“, gibt er schließlich zu. „Was soll denn das heißen?“, fragt der Rothaarige mit strengem Ton. Er sieht seinem Gegenüber an, dass er aus irgendeinem Grund nervös ist und das macht den Saikämpfer stutzig. Etwas verloren verlagert Chen sein Gewicht von einem Bein auf das andere. Raphael wird deutlich, dass der Japaner so eine Art Fluchthaltung einnimmt, da er wohl befürchtet, seine Antwort könnte ihn verärgern. Irgendetwas ist schiefgelaufen und Chen bereut seine Entscheidung, welche auch immer er getroffen hat. Dies alles stimmt den Rothaarigen nur noch argwöhnischer, doch er versucht sich friedlich zu geben, um wenigstens eine Antwort zu bekommen. „Nun ja, also, es war so. Die Foot baten mich darum Schwimmengehen zu dürfen, da es heute ja so unglaublich warm ist. – Ich hab zugesagt. – Michael ist mit ihnen gegangen, doch keiner von ihnen hat ihn seither gesehen. – Sie wissen nicht mal, ob er mit ihnen zurückgekommen ist…“, kommt es abgehackt von dem Älteren, dem durchaus bewusst ist, dass der verschwundene Junge seinem Meister viel bedeutet, auch wenn er nicht wirklich weiß wieso.
 

Jedes seiner Worte nagt unerbittlich an der Selbstbeherrschung des jungen Führers und schließlich kann er nicht mehr an sich halten. Gerade als Chen den letzten Satz beendet, klappt Raph der Kiefer herunter und seine halbgerauchte Zigarette landet schwelend auf dem roten Teppich zu seinen Füßen. Kaum das sie dort gelandet ist, springt der Saikämpfer auch schon von seinem Thron auf und wirft dabei Papier und Stift zu Boden. Sein Gesicht ist eine Mischung aus Entsetzen, nackter Angst und grenzenloser Wut. Bei seinem Anblick zuckt Chen sichtbar zusammen und weicht einen Schritt zurück. „WAS?!“, tönt die Stimme des Führers durch den Saal. Chen zuckt abermals zusammen. Als er sich wieder soweit unter Kontrolle hat, Raph die Situation friedlich zu erläutern, steht der EX-Hamato schon direkt vor ihm. Sie blicken sich mitten in die Augen. Manchmal wirkt Raphael so plump, angestrengt, laut und langsam, doch eigentlich ist er es gar nicht, wie Chen schon des Öfteren feststellen musste. Dennoch überrascht es ihn immer wieder. „Ich…“, setzt er an, wird jedoch augenblicklich von dem Roten unterbrochen.
 

„Die Foot unterstehen deiner Obhut! Du hast dafür zu sorgen, dass sie jederzeit einsatzbereit sind und dazu gehört auch, dass du genau weiß, wo sich jeder einzelne von ihnen rumtreibt! Dass gilt insbesondere für Michael!“ „Ja, Meister – ich werde ihn sofort suchen…“ Ehe er sich umwenden kann, wird er plötzlich grob von Raph zu Boden gestoßen. Unsanft landet er auf seinem Hintern und hat auf einmal die scharfen Krallen an Raphaels rechter Hand vor Augen. „Du wirst gar nichts! Ich werde ihn suchen und wenn ich ihn finde, dann Gnade dir Gott, dass er unverletzt ist, ansonsten werde ich dich hiermit zu Sushi verarbeiten!“ Bedrohlich glänzt der metallene Handschuh im Licht. „Und lass dir gesagt sein, ich war immer ganz miserabel bei Küchenarbeiten!“ Mit jagendem Herzen blickt Chen an dem scharfgeschliffenen Stahl vorbei in das gelbgrüne Auge. Es scheint förmlich Funken zu sprühen und weckt keinen Zweifel, dass sein Besitzer die Wahrheit spricht. „Sehr wohl, Meister…“, kommt es leise von Chen, während er Raphael hinterher blickt, wie dieser den Saal verlässt.
 

Der Saikämpfer ist mehr als nur außer sich. Hätte Chen ihm auch nur ein Wiederwort gegeben, er hätte für nichts mehr garantieren können. Die Worte seines Beraters haben ihn direkt ins Herz gestochen, gleich einem rostigen Nagel. All seine Ängste sind wieder hochgekommen. Was ist, wenn Michael wirklich etwas passiert ist? Er vielleicht verletzt ist oder sogar ertrunken, weil sich scheinbar keiner der Foot um ihn schert? Nicht auszudenken! Schließlich würde er seinen überalles geliebten Bruder so ein zweites Mal verlieren und diesmal gibt es vielleicht keine neue Chance. Es würde seine ganze Welt zusammenbrechen lassen, diesmal endgültig. Schweren Schrittes eilt der Rote zum Ausgang des Bunkers und von da aus zur Badestelle der Foot. Mit jagendem Herzen und keuchendem Atem erreicht er den Rand der Insel. Die Sonne steht mittlerweile so tief, dass ihr aufgeblähter, rotoranger Rand das Wasser berührt. Noch immer ist es ziemlich warm, doch man spürt schon, dass diese Nacht die Hitze mit sich nehmen wird und sie so schnell nicht wieder hergibt. Auch das Wasser ist unruhig geworden, so wie die Bewohner der Insel es eigentlich gewohnt sind.
 

Mit hilflosem Blick schaut sich der Rothaarige um, in der Hoffnung irgendwo einen Hinweis auf den Verbleib des Jungen zu finden. Doch das blutrote Licht der untergehenden Sonne brennt ihm im Auge, sodass es fast unmöglich ist die Wasseroberfläche abzusuchen. Als er sich weiter umsieht, entdeckt er auf einem Busch die Sachen des Blonden. Dort sind die langen Stiefel, seine Hose und sein Hemd, ja sogar seine Waffen, doch keine Spur von ihm. Raphael wendet noch einmal den Blick auf das glühende Wasser, doch es ist zwecklos. Eiskalte Panik ergreift sein Herz und umklammert es wie ein Schraubstock. Sauer kann er Angst hinten in seiner Kehle schmecken. Kurz darauf trüben Tränen seinen Blick. Er ballt die Hände zu Fäusten und versucht einen klaren Gedanken zu fassen. Doch wie der Blick auf das Wasser, gelingt ihm auch das nicht. Schließlich holt er zitternd tief Luft. „MICHAEL!“, brüllt er laut über die aufgewühlte See hinweg, doch es kommt keine Antwort. Nur ein paar Vögel fliegen hektisch auf und äußern sich dabei lautstark über die Störung. Raph beachtet sie nicht. Für ihn gibt es nur noch eines, das er tun kann.
 

Eilig entledigt er sich seiner Rüstung und wirft sie achtlos zu Michaels Sachen. Schuhe, Hemd und Hose folgen wenige Sekunden später. Hastig setzt er sich auf den Rand der Insel und steckt die Beine ins Wasser. Erneut wird sein Herz in einem Schaubstock eingezwängt. Diesmal jedoch nicht aus Angst, sondern aus Schock. „Heilige Scheiße…“, flucht er leise vor sich hin, als die Kälte wie tausende Nadeln durch seine Beine jagt. Er kann sich beim besten Willen nicht vorstellen wie die Foot in diesem Eiswasser schwimmen konnten. Raphael ist zwar einiges gewohnt, aber das ist wirklich heftig. Ungelenk lässt er sich ins Wasser gleiten, bis nur noch sein Kopf zu sehen ist. Die Kälte überkommt ihn so heftig, dass ihm fast die Luft wegbleibt und er mehrere Versuche braucht, um seine geschrumpften Lungen davon zu überzeugen, seinen Körper weiterhin mit Sauerstoff zu versorgen. Schon jetzt fühlen sich seine Arme und Beine völlig taub an, dabei braucht er sie doch so dringend. Während er immer wieder tief Luft holt, versucht er sich an vergangene Zeiten zu erinnern. Sie waren sooft zusammen schwimmen gewesen.
 

Mikey kam einem dabei wahrlich wie eine Schildkröte vor. Er konnte länger als alle anderen die Luft anhalten. Er war ein sehr guter Schwimmer, schnell und wendig wie ein Fischotter und mit einer unglaublichen Ausdauer. All diese Fähigkeiten wird er jetzt wohl kaum verloren haben, dennoch kann ihn die leicht zu unterschätzende Strömung mitgerissen haben. Raph macht einen weiteren Atemzug und taucht dann unter. Die Kälte umhüllt nun seinen Kopf und es fühlt sich an, als würde er jeden Moment explodieren. Doch er zwingt sich weiter, er muss seinen Bruder finden! Der Saikämpfer taucht tiefer hinab, versucht irgendetwas in dem dunkler werdenden Wasser auszumachen. Sein ganzer Körper schmerzt, sodass er schon nach kurzer Zeit wieder auftauchen muss. Überanstrengt holt er Luft und taucht erneut ab. Verzweifelt versucht er sich irgendwie zu orientieren. Aber die Kälte dringt immer weiter und immer erbarmungsloser in seinen Körper vor. Er schafft es nicht, ist am Ende, dennoch kann er sich nicht mit dem Gedanken anfreunden, einfach aufzugeben, nur weil sein Körper schlappmacht.
 

Im Gegensatz zu Mikey hatte er nie eine besonders gute Kondition. Seine Kraft reichte immer nur für einen Augenblick und dann musste es erledigt sein, andernfalls hatte er ein Problem. Mikey hingegen hatte immer jede Menge Puste, doch ihm fehlte die Kraft, um sich ausreichend zu verteidigen. So hatte jeder der Brüder seine Vor- und Nachteile, doch noch nie hat sich Raph so sehr selbst verflucht wie jetzt, dass er die geringste Ausdauer von allen hat. Verzweifelt versucht er seine letzten Kräfte zu mobilisieren, um an die Oberfläche zurück zu schwimmen. Zu spät… Sein Körper ist vollkommen der Taubheit erlegen und reagiert auf keinen Befehl mehr. Ihm geht die Luft aus. schließlich wird ihm schwarz vor Augen und er sinkt langsam Richtung Grund. Alles scheint verloren. Die Foot ein zweites Mal ohne Führung, der einst so stolze Hamato-Clan endgültig ausgelöscht. Was dem wahren Shredder nicht gelang, erledigt nun die raue See. Sie vereint die vier Brüder und ihren Sensei nach so langer Zeit endlich wieder miteinander und verschluckt sie für alle Ewigkeit. Oder soll es doch noch nicht soweit sein?
 

Ein dunkler Schatten gleitet elegant durchs Wasser, scheint dabei in grenzenloser Leere zu schweben. Er steuert direkt auf den versinkenden Saikämpfer zu und zieht ihn mit sich, tiefer und tiefer in die Dunkelheit. Raph bekommt von alledem nichts mehr mit. Sein Körper und sein Geist entfernen sich immer weiter von einander und drohen ihre Verbindung völlig zu verlieren. Vor seinem inneren Auge laufen Bilder einer längst vergangenen Zeit ab. Einer Zeit, in der noch alles in Ordnung war und sich keiner von ihnen über Shredder und seine Foot Gedanken machen musste. Eine Zeit unbeschwerter Kindertage. Seine Brüder so vor sich zu sehen, raubt ihm nur noch mehr den Verstand und dennoch kann er sich nicht davon losreißen. Doch etwas daran ist komisch. Normalerweise ist in einem Traum doch alles so wie man es damals erlebt hat oder wünscht es so erlebt zu haben, doch er kann die Stimmen seiner Familie nicht hören, obwohl sie ganz eindeutig mit ihm reden. Nur eine Stimme dringt an sein Ohr, die von Mikey. Doch sie ist zu tief, passt nicht zu dem kindlichen Bild und sie nennt ihn auch nicht beim Namen, sondern ruft immer wieder ‚Meister, Meister…‘
 

Raphael versteht nicht was los ist. Plötzlich entfernt sich sein Traumbild von ihm, alles wird schwach und konturlos. Nur Mikey´s Stimme bleibt ihm erhalten. Zumindest glaubt er, dass es die Stimme seines Bruders ist, auch wenn sie nicht zur Szene passt. Sie lockt ihn immer weiter an die Oberfläche, verbindet seinen Geist wieder mit seinem Körper. Langsam kehrt auch der Schmerz zurück und macht ihm klar, dass er wohl doch nicht ertrunken ist. Heftig hustend kommt Raph wieder zu sich. Wasser spritzt ihm aus dem Mund und warme Luft durchflutet seine Lungen. Schwerfällig dreht er langsam den Kopf von einer Seite auf die andere und stellt dumpf dabei fest, dass er auf etwas äußerst Hartem liegt. Es fühlt sich an wie Stein. Spitze Kanten, die sich in seine Haut bohren und neuerliche Kopfschmerzen in seinem Schädel entfachen. „Oh, gut, Ihr seid wach!“, dringt eine erleichterte Stimme an sein Ohr. Es scheint dieselbe zu sein, die er in seinem Traum gehört hat. Träge öffnet er sein verbliebenes Auge und versucht herauszufinden, wo er sich befindet. Viel sieht er jedoch nicht. Bis auf unzählige Lichtpunkte über ihm, kann er nichts ausmachen.
 

Sind es die Sterne, ist er wieder an Land? Doch wer hat ihn hierher gebracht? Wer ist der Fremde, dessen Stimme ihn an seinen kleinen Bruder erinnert? „Meister, alles in Ordnung?“, dringt wieder die Stimme an sein Ohr. Schwerfällig dreht er seinen Kopf in die Richtung und versucht mit seinem einen Auge auszumachen, wer dort bei ihm ist. Sein Kopf ist so leer, dass ihm niemand einfällt. Es ist, als wäre er nach ewigen Zeiten aus einem Koma erwacht und könnte sich nur daran erinnern, dass es niemanden mehr gibt, den er kennt. Oder so, als hätte er sein Gedächtnis verloren wie Michael. Moment mal! Michael?! Schlagartig fällt ihm alles wieder ein. Sein eines Auge ist weit aufgerissen und er begibt sich so ruckartig in eine sitzende Position, dass sein Schädel heftig dagegen protestiert. Vor seinem Auge verschwimmt erneut alles und droht ihn wieder in die Finsternis zu ziehen. Er gibt ein schmerzliches Keuchen von sich und drückt sich die Hand gegen die pochende Stirn. Alles dreht sich und er schwankt. Bevor er jedoch ohnmächtig auf den harten Fels aufschlagen kann, ergreifen ihn plötzlich zwei sanfte Hände und halten ihn aufrecht. „Meister?“
 

Die Stimme klingt erschrocken, doch sie ist viel näher. Vorsichtig wendet Raph seinen schmerzenden Kopf zur Seite. Vor seinem eingeschränkten Gesichtsfeld tauchen zwei so leuchtend blaue Augen auf, dass er sie zuerst für eine Sinnestäuschung hält. Dann klärt sich sein Blick und er erkennt einen blonden Jungen, der ihn besorgt ansieht. Doch es ist nicht nur irgendein blonder Junge, es ist Michael! Raph traut seinem Auge kaum. Er war losgezogen, um den verschwundenen Jungen zu finden und nun hat der Nunchakuträger ihn gefunden. Raphael fällt ein Stein vom Herzen, hatte er doch befürchtet, ihn wieder verloren zu haben und selbst beim Versuch ihn zu finden umzukommen. „Geht´s wieder, Meister?“, kommt es immer noch sorgenvoll von dem Kleineren. Doch der Rote antwortet ihm nicht, zu überwältigt ist er von der Tatsache, seinen Bruder lebend wiedergefunden zu haben. In diesem Moment vergisst er wieder einmal, dass er Shredder ist und der Blonde keine Ahnung davon hat, dass sie eigentlich Brüder sind. Haltlos packt er den Jüngeren und zieht ihn fest in seine Arme. Überrascht und sichtlich überfordert lässt der Chaosninja es geschehen, auch wenn er nicht versteht, was plötzlich mit seinem Herrn los ist.
 

Raph vergräbt sein Gesicht in den wirren, blonden Haaren und atmet tief ihren feuchten Duft ein. Tränen rinnen an seinen Wangen hinab. „Oh, Gott, ich dachte, ich hätte dich verloren…“, teilt er dem verwirrten Jungen mit. Seine Stimme bricht augenblicklich und Michael stellt erschrocken fest, dass sein sonst so aufbrausender Meister weint. Deutlich spürt er dessen heiße Tränen an der kühlen Haut seines Halses. „Jag mir nie wieder so einen Schrecken ein, hörst du?“, kommt es erneut mit bebender Stimme von dem Älteren. „Ich verspreche es. Doch bitte nicht mehr weinen, Meister…“, kommt es nun schluchzend von dem Jungen, der sich nun haltsuchend an den anderen klammert. Kaum merklich zuckt Raph zusammen. Ihm war gar nicht bewusst, dass er weint. Er hat sich von seinen Gefühlen einfach übermannen lassen und sich dabei eine Blöße gegeben, die den anderen irritiert. Auch wenn es ihm schwerfällt, so klammert sich Raphael an all den Rest Beherrschung, den er noch finden kann. Missbilligend räuspert er sich und schiebt den Jungen dann von sich weg.
 

Die großen, blauen Augen sehen ihn fragend an. Der Saikämpfer räuspert sich erneut. „Ich weine nicht, niemals! Wie kommst du bloß auf so einen absurden Gedanken? Das sind nur die Wassertropfen, klar?!“, gibt er missmutig von sich und mustert Michael streng. „Tschuldigung…“, murmelt der Junge und wischt sich die feuchten Wangen ab. Grummelnd blickt sich der Foot-Clan-Führer in der seltsamen Höhle um. Sie sind also nicht wieder an Land, sondern wie es scheint, immer noch unter Wasser. „Was zum Teufel machst du hier eigentlich? Chen ist krank vor Sorge, weil er dich nicht finden konnte! Herr Gott noch mal!“ Geschickt verschweigt er dem Jungen, dass er selbst noch weit mehr Sorge um ihn hatte, als Chen es jemals haben könnte. Schuldbewusst senkt der Junge den Kopf. „Es tut mir leid, Meister. – Ich hab die Zeit vergessen und bin hier unten eingeschlafen…“, gesteht Michael, den Tränen nahe. Das Ganze ist so typisch sein kleiner Bruder, dass Raph ihn am liebsten wieder in die Arme schließen würde, doch er reißt sich zusammen. Schließlich soll dem Bengel bewusst werden, dass er einen Riesenfehler gemacht hat.
 

„Nächstes Mal bleibst du gefälligst bei den anderen, ganz egal, was auch immer du siehst oder findest! Andernfalls werde ich dich hart bestrafen!“ In Raphaels Ton liegt genau die richtige Menge an Strenge, um dem Kleinen deutlich zu machen, dass es sein voller Ernst ist. „Es wird nie wieder vorkommen, Meister! Ich verspreche es…“ Nun schwappen die Tränen wieder über und kullern ungehalten über die roten Wangen des Jungen. Er schluchzt ungehalten und verkrampft seine Hände im Schoß. Dem Älteren fällt es schwer, diesem Anblick standzuhalten. Schon damals konnte er es nicht ertragen seinen Babybruder weinen zu sehen. Er kam sich immer schuldig vor, egal was gewesen war. Und er weiß bis heute nicht, wie er ihn trösten soll, ohne schwach zu wirken. Erst recht nicht, weil sie nun keine Brüder mehr sind und der Junge ja Respekt vor ihm haben soll. Eine Weile lässt er den Blonden mit seinen Tränen allein und betrachtet ihn nur, doch dann hält er es nicht mehr aus. Sanft legt er ihm die Hand unters Kinn und hebt seinen Kopf. „Nun hör schon auf zu weinen…“ Seine Worte haben jegliche Härte verloren, klingen nun wieder betroffen und etwas hilflos.
 

Schniefend sieht der Nunchakuträger ihn an und versucht sich zu beruhigen. Der Rothaarige erinnert sich indes, wie Mikey früher immer weinend vor seinem Futon gehockt hat, wenn er einen Alptraum hatte. Der Junge hat sich bei ihm immer sicher gefühlt. Beim Gedanken wie er damals zusammen mit seinem Bruder im Futon lag, dicht aneinander gekuschelt, wird ihm ganz warm ums Herz. Schnell fällt ihm auch wieder ein, wie seine Gefühle damals verrückt gespielt haben. Kaum, dass ihm das wieder einfällt, schweifen seine Gedanken auch schon in diese Richtung ab. Michael hat sich inzwischen wieder beruhigt, doch Raph berührt immer noch sein Kinn. Tief sehen sich die beiden in die Augen, umgeben von hunderten funkelnder Glühwürmchen. Der Saikämpfer streckt seinen Daumen aus und gleitet damit sanft über die weichen Lippen des Blonden. Michaels Augen beginnen zu leuchten und er blickt unverwandt in das Gesicht vor sich. Raph spürt den warmen Atem des Jungen auf seinem Finger und stellt sich unweigerlich vor, wie es wäre, den Jungen jetzt nieder auf den harten Fels zu drücken und ihn einfach zu nehmen.
 

Sein Körper reagiert augenblicklich auf diesen Gedanken. Sein Herz beginnt zu rasen, er schluckt trocken, sein Atem geht schwerer und es zieht verlangend in seinen Lenden. Ja, es wäre so einfach und niemand würde sie hier sehen können. Er mustert den Jungen vor sich eingehend und stellt dabei fest, dass Michael wohl ganz ähnliche Gedanken hat. Seine Wangen glühen, auch sein Atem geht schwerer und in seinem Blick liegt ein Flehen, das er noch nie zu vor gesehen hat. Raph streicht mit der Hand über die Wange des Jungen, dieser schmiegt sich einer Katze gleich dagegen. Dann schließen sich die blauen Augen und der Kleine beugt sich vor und spitzt die Lippen, als wolle er einen Kuss von seinem Gegenüber. Raph kann sein Glück kaum fassen, der Bengel macht es ihm schon fast zu einfach. Sollte sein sehnlichster Wunsch heute Nacht wirklich in Erfüllung gehen? Begeistert von diesem Gedanken schließt Raph ebenfalls sein Auge und beugt sich vor. Dabei verlagert er sein Gewicht allerdings ziemlich ungünstig. Kurz bevor sich ihre Lippen endlich berühren, schrammt Raph mit seinem Knie an einem spitzen Stück Felsen entlang.
 

Schmerzlich zuckt er zurück und realisiert, dass das hier zwar ein ungestörter Ort ist, aber leider auch ein sehr unbequemer. Würde er den Jungen auf den Felsen drücken, hätte das nichts mit Befriedigung zu tun, sondern würde nur dazu führen, dass sie sich beide ziemlich verletzen. So schön der Gedanke auch war, es geht absolut nicht. Schweren Herzens schiebt der Rote seine Begierde ein weiteres Mal zur Seite. Als nichts passiert, öffnet Michael irritiert die Augen und blickt seinen Meister fragend an. Der Ältere strahlt jedoch alles andere als Begeisterung aus. „Lass den Mist! Ich bin immer noch sauer mit dir. Außerdem müssen wir hier raus, bevor die Nacht das Wasser noch kälter werden lässt.“, blafft der Ältere ihn hart an. Doch innerlich will Raphael gar nicht, dass es aufhört und er will auch nicht so fies zu ihm sein müssen, nur um sein Gesicht vor ihm wahren zu können. Manchmal genießt er seinen Staus als Meister, manchmal verflucht er ihn zu tiefst. Es ist nicht zu übersehen, wie bei seinen Worten etwas in dem Jungen zerbricht. Der freudige Glanz verschwindet und der Blonde senkt erneut den Kopf und kämpft mit den Tränen. „Jawohl, Meister…“
 

Seine Stimme klingt brüchig und er kämpft mit aller Macht dagegen an, nicht wieder zu weinen. Es bricht dem Älteren das Herz ihn so zu sehen. Andererseits freut sich ein Teil von ihm auch, da er sich sicher sein kann, dass Michael ganz ähnliche Gefühle hat wie er selbst. Schweigend erheben sich die beiden Ninjas und tauchen ins eiskalte Wasser ein. Jede Bewegung fällt ihnen schwer und nur gemeinsam gelingt es ihnen wieder heil an die Oberfläche zu gelangen. Steif vor Kälte und völlig außer Atem schleppen sie sich auf den Rand der Insel. Erschöpft fallen sie nebeneinander ins noch warme Gras. Die Sonne ist inzwischen im Meer versunken und die Nacht hereingebrochen. Unzählige Sterne funkeln über ihnen und in einem entfernten Busch zirpen träge ein paar Grillen. Die zwei gönnen sich einen Moment Ruhe, ehe sie zum Eingang des Bunkers zurückkehren. Mit unter die Arme geklemmten Sachen, tapsen sie auf blanken Füßen durch den Korridor. Michaels Zimmertür kommt in Sichtweite, doch Raph packt den Jungen grob am Arm und schiebt ihn weiter. „Du kommst mit, ich hab noch ein Hühnchen mit dir zu rupfen!“
 

Erschrocken fügt sich der Blonde und folgt ihm wortlos. Ihr Weg führt sie hinab auf die unterste Ebene. Unterwegs treffen sie Chen, der kaum ausdrücken kann, wie erleichtert er ist, den Jungen gesund und munter wiederzusehen. Dennoch macht Raph ihm klar, dass das nicht sein Verdienst ist und er ihm diese Unachtsamkeit nicht so schnell vergessen wird. Schließlich stoppen die zwei von Raph´s Zimmer. Mit gesenktem Kopf folgt der Blonde seinem Meister in den Raum. Er will sich gar nicht vorstellen, was für ein Donnerwetter ihn jetzt erwarten wird. Ängstlich bleibt der Kleine neben der Tür stehen und presst seine Sachen an die Brust. Der Saikämpfer bedenkt ihn mit einem undurchdringlichen Blick, während er die Tür ins Schloss gleiten lässt und anschließend verriegelt. Beim Klicken des Riegels zuckt der Nunchakuträger unweigerlich zusammen. Einen Moment später reißt Raph ihm die Klamotten aus der Hand und wirft sie achtlos zu Boden. Kurz darauf stößt der Ältere ihn grob gegen die Stahltür und presst ihn fest gegen das kalte Metall. Ein Zittern geht durch den Blonden, da er fürchtet nun verprügelt zu werden.
 

Umso überraschter ist er daher auch, als Raphael nun stürmisch seine Lippen auf die seinigen drückt und ihn zu einem hemmungslosen Kuss verführt. Überrumpelt reißt der Kleinere die Augen auf und weiß nicht wie ihm gerade geschieht. Er bekommt kaum Luft und sein Hirn ist zu keinem klaren Gedanken mehr fähig. Noch ehe er sich dazu überwinden kann, den langerhofften Kuss zu erwidern, spürt er wie Raph seinen pochenden Unterleib gegen den seinigen presst und sich verlangend an ihm reibt. Das ist zu viel für Michael. Küssen ist ja schön und gut, aber das geht dem Blonden dann doch viel zu schnell. Schließlich kann er sich noch nicht einmal vorstellen, wie und ob das überhaupt bei zwei Männern funktioniert. Ein heftiges Zittern durchzieht seinen Körper und er drückt abwehrend die Hände gegen die Brust seines Meisters. Der Rothaarige spürt den Widerstand, auch wenn er ihn nicht wahrhaben will. Schließlich löst er sich von dem Jungen und blickt ihn enttäuscht an, sieht die Angst in seinen Augen Nun ist es an Michael beschämt zu sein, weil er seinem Gegenüber etwas Langerhofftes verweigern muss. „Es tut mir leid, Meister…“, kommt es leise von ihm.
 

„Schon gut – Ich denke, du sollest jetzt lieber gehen, bevor ich etwas wirklich Unüberlegtes tun werde…“ Raphaels Stimme ist vollkommen neutral, als wäre zwischen ihnen gerade überhaupt nichts gewesen, doch innerlich versucht er verzweifelt seinen Körper davon abzuhalten, den Jungen zu Boden zu werfen und wie ein Tier über ihn herzufallen. Sein Tun ist nicht gerade von Erfolg gekrönt, weshalb er schnell Michaels Sachen aufhebt und sie ihm in die Arme drückt. Stumm bittet der Junge noch einmal um Verzeihung, doch der Meister hat keinen Nerv mehr dafür. Seine Beherrschung ist am Boden und dass schon seit so vielen Jahren, das jedes weitere Wort einfach alles zerstören würde. Also entriegelt er stattdessen die Tür und schiebt den Jungen nach draußen. Nun steht Michael auf dem leeren Flur und fühlt sich unendlich mies. Aber vielleicht kann er sich ja doch dazu überwinden, seinem Meister den Wunsch zu erfüllen? Er müsste ihn nur davon überzeugen, etwas langsamer zu machen und ihm Zeit zu geben, sich an den Gedanken zu gewöhnen. Doch ehe er sich umdrehen kann, fällt hinter ihm die Tür hart und erbarmungslos ins Schloss.
 

Deutlich kann der Blonde hören, wie die Tür wieder verriegelt und er somit ausgesperrt wird. Einen Augenblick später hört er hinter dem dicken Stahl leises Fluchen und ein dumpfes Poltern, so als hätte jemand mit der Faust gegen eine Schranktür geschlagen oder etwas Schweres zu Boden geworfen. Ihm ist sogar so, als könnte er seinen Meister enttäuscht, ja sogar wütend knurren hören. Michael fühlt sich unendlich schlecht. Er hat seinem Herrn solchen Kummer bereitet und dann verweigert er ihm auch noch die Möglichkeit zur Versöhnung. Niedergeschlagen schlurft der Kleine nach oben in sein Zimmer und verkriecht sich in seinem Futon. Derweil reibt sich Raph seine schmerzende Faust und betrachtet knurrend den Sprung in der Holztür des Schrankes. „Verdammter Mist!“, presst er hervor und zieht sich dann in sein einsames, viel zu großes Bett zurück. Er versucht sich wieder einmal mit dem Gedanken anzufreunden, dass er sich heute Nacht nur selbst Gesellschaft leisten kann, ungeachtet wie sehr es ihn auch anwidern mag…



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  lloyd008
2016-04-19T21:49:14+00:00 19.04.2016 23:49
Schreib bitte bald wieder was. Ich kann nicht mehr warten. Muss wissen wie es weiter geht...


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