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Warum erwachsen werden

von

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Kapitel 38

Peter starrte an die Decke der Höhle. Sie bewegte sich im gleichmäßigen Takt an ihm vorbei. Die beiden Piraten, welche ihn, der auf zusammengeknoteten Hemden lag, trugen, liefen im Gleichschritt mit ihren Kameraden. Gemeinsam sangen sie ein ebenso düsteres, wie beschwingtes Lied.
 

Wir rauben, wir plündern, wir nehmen uns Gold.

Habt acht, habt acht, habt acht.

Wenn die schwarze Flagge weht, dann flieht.

Wie tosend‘ Sturm da kommen wir,

nehmen alles mit, selbst Wein und Weib.

Habt acht, habt acht, habt acht.
 

Der Tenor des Liedes hallte ihn Peter wider, doch solange ihn niemand beachtete, war es ihm gleich. Im Gegenteil, er war heilfroh, dass sie ihn nicht zwangen, selbst zu laufen. Noch immer tat ihm alles weh und zu seinem persönlichen Ärgernis hatte er feststellen müssen, dass er schon wieder seiner Flugfähigkeit beraubt worden war. Er verabscheute Wasser allmählich. Zumindest, wenn er bekleidet war. Außerdem konnte er niemandem für dieses Dilemma die Schuld geben. Er war aus eigenem Willen ins Wasser gestiegen. Nun, wenn er es genau bedachte, dann war James daran schuld. Weshalb hatte er sich auch darauf eingelassen und sich von der Meerjungfrau küssen lassen? Bewusst verdrängte Peter den Umstand, dass er bei James Entscheidung, das Gift zu holen, mitgewirkt hatte.
 

Seine Gedanken schweiften jetzt aber tatsächlich zu dem Mann ab. Wie erleichtert er doch gewesen war, als er nach seiner Ohnmacht festgestellt hatte, dass es James gut ging. Der Pirat mochte zwar ebenso ein paar Schürfwunden davongetragen haben und in sein dichtes, schwarzes Haar hatte sich eine weiße Strähne geschlichen, die ihm als dauerhaftes Mahnmal dienen würde, aber ansonsten ging es ihm gut. Er war es, der den Zug von Piraten anführte. Einmal nur hatte James ihn angesehen, seit er erwacht war. Peter hatte sich von dem Verhalten zurückgewiesen gefühlt, doch was hatte er erwartet? Es war unmöglich, dass James ihn hier vor aller Augen in den Arm nahm, ihn küsste oder ihm für seinen Heldenmut dankte. Doch bedeute dies nicht, dass Peter sich nicht trotzdem danach sehnte.
 

Was würden ihre nächsten Schritte sein? Er war wieder Gefangener der Piraten. Ihr Weg führte durch den Berg. Die Grotte hatten sie hinter sich gelassen und das Gift der Meerjungfrau schien mit ihrem Tod verloren. Was also bewog die Piraten, noch weiter durch den Berg zu laufen? Den wenigen Wortfetzen, die Peter aufgeschnappt hatte, wenn die Piraten gerade nicht sangen, entnahm er, dass sie einen Weg hinaus suchten. Nun, er war gespannt, ob sie den Ausgang finden würden. Denn Peter sah etwas, das ihnen allen entging. Er war derjenige mit dem Blick nach oben und dort unter der Decke schwebten still und stumm die Geister der verstorbenen Piraten.
 

Wie Dunst hingen sie dort. Neblig und doch mit Kontur. Peter mochte ihre Gesichter zwar keineswegs erkennen, aber dafür andere Einzelheiten. Mal hier und dort ein Säbel oder ein Kopftuch, das sich deutlicher hervor bildete. Mal das Muster eines seidenen Hemdes, das zu Lebzeiten von einem Edelmann geklaut worden war. Doch es war keinesfalls die Tatsache, dass sie ihnen folgte, welche Peter ein merkwürdiges Gefühl in den Eingeweiden wachsen ließ, sondern der Fakt, dass es immer mehr wurden. Sie kamen durch die Wände, durch die Decke und auch durch den Boden. Peter fragte sich zu Recht, weshalb er die Geister so deutlich sehen konnte, wenn ihm doch im Gegenzug der Eingang zur Höhle verwehrt gewesen war. Ohne James und seinesgleichen hätte er niemals den Weg hinein gefunden.
 

Ihr Raunen und Gemurmel ging in dem Singsang der Piraten vollständig unter. Wenn man es überhaupt wahrnehmen sollte, dann wäre es mehr wie der Klang des Windes, der sich an den Kanten des Felsens brach und in den Winkeln der Höhle verirrte. Vielleicht hätte Peter die Piraten über die sich zusammenbrauende Gefahr warnen sollen, doch er war zu sehr davon fasziniert, was geschehen würde, wenn die Geister bereit waren. Dass auch er sich in Gefahr befand, wollte er nicht glauben. Längst hätten die Geister ihn angreifen können, denn sie wussten, dass er sie sah. Er bemerkte es in der Art und Weise, wie ihre gesichtslosen Köpfe zu ihm sahen.
 

„Halt!“ James Ruf erscholl und der Trupp Piraten kam zum stehen. Peter drehte sich auf seiner Liege um, damit er nach vorne sehen konnte. Viel erkannte er nicht, da ihm einige Piraten unbeabsichtigt den Blick versperrten. Vorsichtig stand er auf. Kurzer Schmerz wallte auf. Doch sobald er verharrte, blieb auch dieser aus. James starrte auf den Eingang einer weiteren Grotte. Sie schien ebenso groß zu sein wie die erste und ebenso dunkel. Er sah wie James kurz mit Smee tuschelte, ehe eine Vereinbarung mit einem Nicken geschlossen wurde. Smee drängte sich lautstark an den anderen vorbei.

„Ihr zwei“, sagte er befehlend den Piraten neben Peter, „ihr bringt Pan nach vorne.“
 

Erst jetzt bemerkten sie, dass Peter nicht länger auf seiner Trage lag. Vier grobe Hände packten ihn und verfrachteten ihn wieder zurück. Unter deutlichem Gewackel wurde Peter erneut hochgehoben und zu James getragen. Obwohl die Behandlung der Piraten geschmerzt hatte, war Peter recht still, er war zu sehr von der Neugier geplagt, was nun passieren würde. Sollte er als erstes in die Grotte gehen?

„Peter, mein Freund!“, begrüßte James ihn theatralisch. „Wie ich sehe, bist du wohlauf.“ Lächelnd legte der Kapitän ihm einen Arm auf die Schulter und Peter spürte, dass etwas anders war. Dieser Mann war anders. „Ich habe ein Abenteuer für dich parat.“

„Ein Abenteuer?“, fragte Peter, dessen Augen aufleuchteten. Wusste es James nicht? Er befand sich doch schon in seinem größten Abenteuer. Weshalb ein neues? Sicherlich war dies eine Falle, aber Peter wurde gelockt. Seine Natur war einfach stärker.

„Ja“, lächelte James ihn an. Peter wusste nicht, weshalb, doch er erkannte Hook in diesem Lächeln. Seine innerliche Aufregung wurde gedämpft. Konnte es sein? Konnte es sein, dass Kapitän Hook zurück gekehrt war?
 

„Du wirst mit Mr. Smee“, und er deutete unnötigerweise auf seinen Steuermann, „voraus gehen.“

„Weshalb?“, fragte Peter wie aus Reflex. „Hast du Angst vor den Geistern?“

„Nein“, antworte Hook und Peter sah, dass dieser log. Etwas in Peters Innerem drohte zu zerbrechen. James hatte keine Furcht vor den Geistern gehabt.

„In Ordnung“, entgegnete Peter. Vielleicht gelang es ihm, trotz seiner Verletzungen in dem kurzen Augenblick mit Smee alleine zu flüchten. Wenn Hook seine Erinnerungen zurückerhalten hatte, war es besser, wenn er ging. Peter hatte kein Interesse daran, herauszufinden, was Hook mit ihm machen würde, sobald sie alleine waren. Er ahnte schlimmes.

„In Ordnung?“, echote Kapitän Hook. Es war offensichtlich, dass er von Peters fügsamem Verhalten mehr als nur überrascht war. Peter stand unter Schmerzen auf und lief los. Ihm war gleich, was die Piraten dachten. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Smee sich beeilte, mit ihm Schritt zu halten und dann war Peter auch schon in der Grotte. Hook sah ihm hinterher, als würde jeden Moment etwas Ungeheuerliches geschehen. Der Eingang der Grotte war gut einsehbar und Peter stellte zu seiner eigenen Verwunderung fest, dass diese Grotte der ersten sehr ähnlich war. Fast hätte er geglaubt, dass sie in derselben waren, aber hier brach das Licht von oben herein.
 

Peter sah hoch. Über Spiegel, die an verschiedensten Stellen angebracht waren, wurde Sonnenlicht ins Innere transportiert. So etwas hatte er noch nie zuvor gesehen und er wünschte sich, dass er doch nur wieder fliegen konnte, um herauszufinden, woher das Licht kam. Denn wo Licht war, war auch ein Ausgang. Bedauerlicherweise hatte er seine Flugfähigkeit für James geopfert, als er zur Meerjungfrau in den Tank gestiegen war. Leise seufzte er auf.

„Was ist?“, fragte Smee, der am ganzen Körper vor Furcht zitterte.

„Nichts“, entgegnete Peter und ging weiter, bis er sich in der Mitte der Grotte befand. Jetzt erst stellte er fest, dass die Geister ihm gefolgt waren. Sie wandten sich an der Decke entlang, überall dort, wo Schatten waren. Ihre neblige Substanz schien das direkte Sonnenlicht nicht zu vertragen. Peter wartete darauf, dass die Geister etwas unternahmen, doch sie blieben ruhig.
 

„Was ist, Smee?“, rief Hook zu seinem Bootsmann, welcher sich inzwischen beruhigt hatte.

„Alles in Ordnung, Kapitän“, brüllte der Mann zurück und nun kam Hook mit seinen Piraten nach. Wie ein dichtes Knäul standen sie beisammen und blickten sich um. Peter selbst hatte etwas am Ende der Höhle entdeckt, das seine Aufmerksamkeit fesselte. Unbemerkt von allen anderen ging er darauf zu. Etwas kleines Funkelndes lag dort auf dem Boden und als er angekommen war, kniete er sich hin und hob es auf. Es war eine Glasscherbe, an der ein einzelner Tropfen Blut haftete. Der Tropfen war noch feucht. In seinem Kopf rasten die Gedanken. Seine Augen huschten schnell durch die Halle und dann erkannte er, was den Piraten noch verborgen war. Sie waren wirklich in der gleichen Grotte wie zuvor! Die Geister hatten sie in die Irre geführt. Magie hatte die Höhle gereinigt, bis auf diesen einen Splitter. Was zum Geier ging hier vor?
 

„Was ist das?“, fragte James, der plötzlich bedrohlich wirkend hinter ihm stand.

„Ein Stück Glas“, antworte Peter und erhob sich.

„Zeig her!“, befahl der Piratenkapitän, griff nach Peters Hand und betrachtete den kleinen Splitter genau. Auch Hook schien zu verstehen. Seine Vergissmeinnicht farbenen Augen bohrten sich in Peters. Peter hatte das Gefühl, von dem Mann verschlungen zu werden. Als würde er gewaltsam in sein Innerstes dringen und seine Seele, nackt und zerbrechlich, mit seiner eigenen auffressen. Wie von selbst entrang sich seiner Kehle ein leises Keuchen. Das Geräusch unterbrach den mentalen Angriff und James blinzelte.

„Du weißt, dass du mir gehörst?“, fragte der Kapitän mit leiser, rauer Stimme, von den anderen unbemerkt.

„Ich gehöre niemandem“, konterte Peter, welcher nur zu genau die Spannung zwischen ihnen spürte. Sie war heiß, prickelnd und gänzlich unpassend hier unter all den rauen Matrosen.

„Du leugnest noch immer“, stellte Hook fest. „Nach allem, was wir geteilt haben, leugnest du noch immer.“

Röte kroch Peters Hals hoch und färbte seine Wangen. „Ich…“, setzte er zum reden an, doch dann erschütterte ein lauter Knall die Höhle.
 

Erschrocken wandte Peter sich um. Der Ursprung des Geräusches war dank des Echos nicht auszumachen. Automatisch fiel sein Blick auf die Piraten, welche sich ebenfalls erschrocken umblickten. Etliche Sekunden vergingen, ehe einer von ihnen, von einem tödlichen Schuss getroffen, zu Boden fiel. Sie sahen sich um, wer für den Toten verantwortlich war, doch der Schuss war nicht aus ihren Reihen gekommen. Wenige Schritte entfernt materialisierte sich der Geist eines Piraten vor ihren Augen. Seine Gestalt wurde klar und deutlich. Deutlicher, als selbst Peter sie bisher wahrgenommen hatte und dennoch war der Körper durchscheinend. Ein zweiter Schuss löste sich und ein raues Lachen ertönte. Augenblicklich brach Panik unter den Männern aus. Sie wollten zum Eingang stürmen, doch dieser war mit einem Felsen versperrt. Die Waffen gezogen, stellten sie sich zitternd den Geistern, die sich rasant vermehrten, entgegen. Hook versuchte, mit Peter, den er grob am Handgelenk gepackt hatte, zu seinen Männern zu gelangen, doch die Geister blockierten ihm den Weg. Das Klappern von Säbeln und weitere Schüsse waren zu hören und dann setzte ein einfacher Satz dem Kampf ein abruptes Ende.
 

„Mein lieber James, es ist schön, dich wiederzusehen.“
 


 

Fortsetzung folgt…


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hey! ^.^ Das war es mal wieder von mir. Ich bedauere sehr, dass dieses Update solange auf sich warten lassen hat, aber bei der Hitze sind mir quasi alle Gedanken schon im Kopf verdammt. ^^°°° An dieser Stelle kann ich aber versprechen, dass das Folgekapitel nächste Wochen kommt. ^^ Liebe Grüße eure Amunet Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Sky-
2015-07-26T14:50:07+00:00 26.07.2015 16:50
Super, endlich geht es wieder weiter und ich brenne schon regelrecht darauf zu erfahren, wer dem guten James mal Guten Tag sagen will.


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