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Warum erwachsen werden

von

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Kapitel 25

London, viele Jahre zuvor
 

James Anthony Malloray lief mit einem unglaublich geerdeten Gefühl durch die Flintstreet. Seit sehr langer Zeit fühlte er sich gänzlich mit sich und seiner Umwelt im Reinen. Lady Samantha Hiddelston hatte vor einer Woche seinem Werben nachgegeben und seinen Heiratsantrag angekommen. James konnte sein Glück kaum fassen. Lady Samantha war die begehrteste Junggesellin dieser Saison. Obwohl schon 20 Jahre alt, hatte sie jetzt erst ihr Debüt gefeiert und wenngleich sie nach eigener Aussage gefürchtet hatte, als alte Jungfer da zu stehen, so hatte doch ihre Schönheit und ihre charmante Art jegliches Küken in die zweite Reihe verbannt. Schon allein, wenn James an ihre strahlend blauen Augen, die von dichten schwarzen Wimpern umrandet wurden, an das dichte braun gelockte Haar und die vollen, geschwungenen Lippen dachte, wurde ihm ganz warm. Ihr Gesicht war fein und edel geschnitten wie das einer Puppe. Ihr Körper hingegen war mit verlockenden, weiblichen Rundungen gesegnet. Ja, James Anthony Malloray konnte sich wirklich glücklich schätzen, dass dieses Prachtweib eingewilligt hatte, die seine zu werden.
 

Gerade hatte er beim Gouverneur eine Sondergenehmigung beantragt. Sollte seinem Gesuch nachgegeben werden, dann konnte er Lady Samantha bereits in 3 Tagen ehelichen. Sein Vater würde dies mitnichten gut heißen, denn schon aufgrund der Eile würde in den besseren Kreisen das Gerücht herumgehen, dass die junge Dame defloriert, wenn nicht gar geschwängert worden war. Nun, dies war nicht der Fall. Bisher war es James lediglich gelungen, der jungen Dame ein paar Küsse zu rauben, die kaum mehr als unkeusch betitelt werden konnten. Wann immer sein sinnliches Temperament mit ihm durchzugehen drohte, brachte ihn Lady Samantha wieder zur Vernunft. Die wenigen Tage bis zu ihrer Hochzeit würde er noch überstehen können, aber die Vorfreude auf die Hochzeitsnacht brachten ihn, der schon diverse Erfahrungen in den Bordellen der Stadt gemacht hatte, dennoch zum erröten. Nie zuvor hatte er mit einer Frau geschlafen, die er liebte. Die Befriedung seiner sexuellen Triebe kannte er, doch war er sich sicher, dass es etwas Besonderes sein musste, mit der Frau zu schlafen, die er mehr als sein eigenes Leben liebte. So sehr, dass er mit seiner Enterbung rechnen musste.
 

Sein Vater, der derzeitige Duke of Hemforth Shire, war alles andere als angetan von seiner Wahl. Lady Samantha mochte die Eleganz und Schönheit einer Dame der Oberschicht haben, sogar der Titel im Hintergrund stimmte, doch trog dies seinen Vater nicht darüber hinweg, dass Lady Samantha‘s Familie verarmt war. Gerüchte machten die Runde, dass Samantha nur aufgrund eines Kredites ihr Debüt hatte erhalten können. Während seinem Vater Geld wichtig war, war es das für James nicht. Schon sehr früh hatte er gelernt, dass man Glück nicht mit Geld kaufen konnte. Nach dem jungen Tod seiner Mutter, die James über alles geliebt hatte, war er mit seinem Vater und seinen zwei älteren Brüdern alleine gewesen. Die Liebe, die der damals 6.-Jährige gebraucht hatte, hatte er weder von seinen etliche Jahre älteren Brüdern Geoffrey und Arthur, noch von seinem Vater erhalten. Alles was James bekommen hatte, war die Lektion, dass jeder Diener im Haus sich besser um sein eigenes Kind kümmerte, als sein Vater dies tat. Es grenzte an ein Wunder, dass James sein offenes, fröhliches Herz, welches er von seiner Mutter geerbt hatte, bis jetzt zu seinem 23. Lebensjahr beibehalten hatte.
 

James wand sich durch die dicht besuchte Conradstreet, als er den Zweispanner seiner Liebsten entdeckte. Die prachtvolle Kutsche mit dem Familienwappen der Hiddelstons war unverkennbar. Ein freudiges Lächeln huschte über seine Lippen. So wie es für ihn ein positives Ereignis war, wollte er auch sie überraschen. Mit der Vorfreude auf ein baldiges Widersehen ging er zum Kutscher hinüber. Ein paar Kupfermünzen wechselten den Besitzer und schon wusste er, das sich Lady Samantha bei Cutter & Scissors aufhielt. Verwunderung huschte über sein Gesicht, da es sich bei dieser Adresse um einen renommierten Herrenschneider handelte. Kein Ort für eine junge, ledige Dame der Oberschicht. Doch von unerschütterlichem Optimismus geprägt, glaubte er, dass es hierfür sicherlich eine gute Erklärung gab.
 

Die wenigen Meter zu Cutter & Scissors legte James mit schnell klopfendem Herzen zurück. Glück drängte aus jeder seiner Poren. Der pure Gedanke an Lady Samantha beflügelte ihn. Als er die Tür des Ladens öffnete läutete das Glöckchen an der Tür. Irritiert blieb James stehen. Der Verkaufsraum war leer. Zum ersten Mal an diesem Tag beschlich ihn das Gefühl, etwas Unschönes braue sich zusammen, doch die Vorahnung drängte er rasch zurück. Lady Samantha hatte sicherlich ihre Anstandsdame bei sich, weshalb alles in bester Ordnung sein würde. Dennoch blieb der Gedanke, dass dies Verhalten recht unziemlich war in seinem Hinterkopf verankert. Vielleicht jedoch war Lady Samantha schon längst weitergegangen. Da Mister Blunt der Geschäftsführer nicht auftauchte, glaubte James schon fast, dass der Laden geschlossen wäre und man schlicht vergessen hatte, die Tür abzuschließen, als er ein klares, helles Lachen aus den hinteren Räumen hörte. Nur zu gut kannte er es, um es als das seiner Verlobten zu erkennen. Mit einem tiefen Runzeln auf der Stirn, da es höchst unangebracht war, als verlobte Frau den hinteren Teil eines männerbetriebenen Geschäftes aufzusuchen, ging James nach hinten.
 

Mit dem unguten Gefühl, das nun in seinem Magen wühlte, lüftete er den Vorhang, der den Hauptraum vom Geschäftsraum trennte. Sein Herz weigerte sich einen endlosen Moment anzuerkennen, was seine Augen sahen. Übelkeit kroch so plötzlich in ihm empor, dass er sich beinahe übergeben hätte. Scham und Schmerz über den Verrat, welcher ihm angetan worden war, brachten ihn dazu den Vorhang herunterzureißen. Erst jetzt wurde er von dem in flagranti erwischten Liebespaar entdeckt.
 

„James!“, stieß Lady Samantha aus und schob Mister Blunt von sich, um ihre gelüfteten Röcke hinunter zu ziehen und ihre Blöße zu bedecken. Doch es brachte nichts. Längst hatte er gesehen, dass der Akt zwischen den beiden bereits vollzogen worden war. Seine Lippen verzogen sich abschätzig darüber, welch ein Narr er doch gewesen war und drehte ich um und ging.

„James, so warte doch!“, rief ihm Samantha hinterher. „Ich kann dir alles erklären.“
 

Er hatte keine Erklärung mehr nötig. Sein Vater hatte Recht behalten. Lady Samantha, falls sie man sie noch so betitel konnte, hatte es nur auf sein Vermögen abgesehen. Mochte James auch nur der dritte Lord von Hemford Shire sein, so war es dennoch allgemein bekannt, dass sein Vater das angehäufte Vermögen auf alle drei seiner Söhne verteilt hatte. Die einzige großmütige Tat, die sein Vater jemals für James getan hatte. War sein Anteil als dritter Sohn auch geringer sein, als der von Geoffrey und Arthur, so war es dennoch mehr an Vermögen, als so mach ein Erstgeborener sein Eigen betiteln konnte. Neben einem wunderschönen Land- und einem Stadtsitz, konnte James ertragreiche Ländereien und ein nicht zu unterschätzendes Barvermögen sein Hab und Gut nennen. Doch jetzt zu erfahren, dass die Frau, die sein junges Herz gewonnen hatte, nichts weiter war als eine Dirne, die für einen schlichten Verkäufer ihre Beine spreizte, war weit mehr, als er zu ertragen vermochte.
 

„Bitte“, sagte sie und hielt ihn am Arm fest, noch ehe die Tür erreicht hatte. Hochmütig drehte er sich zu ihr um. Das Gesicht, welches er so sehr liebte, blickte ihn flehend an, doch er konnte keine Liebe mehr für sie aufbringen.

„Was willst du noch? Unsere Verlobung ist gelöst.“ Seine seelische Verletzung machte ihn hart.

„Kannst du nicht darüber hinwegsehen? Es war nur dies eine Mal?“

„Eine Hure, mehr bist du nicht“, sagte er kalt.

„Wie kannst du es wagen!“, fauchte Lady Samantha ihn wütend an. Ihr Gesicht zu einer Fratze verzogen, befand James, dass dies ihr wahres Gesicht war.

„Wie ich es wagen kann? Für mich hattest du nicht mehr als ein paar Küsse übrig, die kaum mehr als Küsse unter Geschwistern waren und für einen dahergelaufenen Schneider spreizt du die Beine!“ Seine Stimme wurde lauter. „Deshalb nenne ich dich eine Hure! Ich hätte dir alles gegeben. Mein Geld, mein Ansehen, mein Herz, aber du hast es mit Füßen getreten.“

„James, bitte.“

„Nein, spar dir dein Flehen für den Gouverneur auf. Ich werde unverzüglich das Ende unserer Verlobung bekannt geben.“

„Das kannst du nicht tun! Die Leute werden reden. Sie werden glauben, ich wäre befleckt.“

„Sollen sie doch die Wahrheit kennen“, lächelte er grausam.

„Das wäre mein Ruin. Ich könnte niemals mehr standesgemäß heiraten!“

„Wie man sich bettet, so liegt man“, sagte James und in seinen Augen stand nur Kälte geschrieben.

„Das wirst du bereuen!“

„Bereuen? Weil ich die Verlobung mit einer liederlichen Dirne beende? Mitnichten.“

„Sir, tun Sie das nicht“, mischte sich nun auch Mister Blunt ein, der nun ebenfalls im Raum war.

„Was geht Sie das an? Sie können sie haben. Genießen Sie die Früchte, die Sie bereits geerntet haben.“

„Ich kann das nicht zulassen. Das widerspricht unseren Plänen.“

„Welchen Plänen?“

„Reich zu werden und sich nach Spanien abzusetzen.“

„Ihr wolltet mich ausrauben?“ James war wirklich empört. Während er sich auf Mister Blunt konzentrierte, bemerkte er nicht, wie Lady Samantha die Vorhänge des Geschäftes zuzog und die Tür abschloss. Erst als er das Geräusch des sich umdrehenden Schlüssels hörte, drehte er sich ihr zu. „Was soll das? Lasst mich hinaus!“

„Du hättest nicht hierher kommen sollen, James“, sagte Samantha und sah ihn unterkühlt an.
 

Das nächste, was James spürte, war die scharfe Klinge, die sich durch seinen Oberkörper bohrte. Geschockt blickte er auf das Florett, das aus seinem Körper ragte. Ein Keuchen huschte über seine Lippen. Schmerz breite sich in ihm aus. Das Blut, sein Blut, tropfte am Florett hinunter. Die Knie wurden ihm ganz schwach und er sank hinab. Aus seiner knienden Position sah er fassungslos in Samanthas Gesicht, als ein Ruck folgte und das Florett aus ihm herausgezogen wurde. Dieser Schmerz war noch unglaublicher, denn dieses Mal bemerkte er ihn sofort. Seine Lippen öffneten sich zu einem Schrei, doch aus seinem Hals kam lediglich ein Röcheln. Mister Blunt trat vor ihn.
 

„Ich sagte doch, ich kann das nicht zulassen.“
 

Mister Blunt hob seine Hand und James bekam einen harten Schlag gegen seinen Kopf, der ihn für sehr lange Zeit bewusstlos machte.
 

Als er wieder zu sich kam, war er verwirrt. Er lag in der Böschung der Themse. Ihm war schlecht, kalt und er konnte kaum sehen. Alles in ihm bestand nur noch aus Schmerz. Alleine das Aufstehen kostete ihn viel Kraft und Energie, doch sein Instinkt sagte, dass er sich bewegen musste, wenn er nicht sterben wollte. Also stand er auf, er wollte leben. Aus irgendeinem Grund wollte er leben. Dumpf erinnerte er sich, dass er Lady Samantha gesehen hatte, dass sie ihn betrogen und mit Mister Blunt hintergangen hatte. Ja, er erinnerte sich sogar an das Florett, das ihn töten sollte. James lachte kurz bitter auf. Das war es! Er wusste, weshalb er hier war. Die Themse. Sie hatten geglaubt, er wäre tot und wollten seinen Leichnam entsorgen. So eine Ironie, dass gerade der Gestank ihn geweckt hatte. Ohne recht zu wissen wohin er lief, ging er Schritt für Schritt weiter.
 

Seine Beine trugen ihn, bis die Kraft seinen Körper endgültig verließ und er zur Boden sank wie ein Stein. Obwohl er sich keinen Millimeter mehr bewegen konnte, war er dennoch bei Bewusstsein. Er roch die Luft, die nun zwar noch immer stank, doch salziger war und den unverkennbaren Geruch von Fisch mit sich brachte. James musste sich in der Nähe des Hafens befinden. In seinem Zustand war er in die falsche Richtung gelaufen. Also würde er hier sterben. Fern von Zuhause, in der Gosse wie ein gewöhnlicher Dieb. Ob man seine Leiche finden und seiner Familie zur Beerdigung übergeben würde? Wahrscheinlich wäre er seine Kleidung bis zum Morgen los und würde als eine der vielen namenlosen Gestalten in einem Armengrab enden. Sein Vater und seine Brüder würden ihn wohl kaum vermissen und an das viele Geld denken, dass sie beim Ausbleiben einer Beerdigung sparen würden. Andererseits konnten sie sein Erbe dann erst nach Ablauf einiger Jahre, wenn man ihn offiziell für tot erklärte, vereinnahmen. Es war bitter, dass James im Angesicht des Todes derlei Dinge durch den Kopf gingen.
 

Dann schwenkten seine Gedanken um und er dachte an das Weib, wegen dem er hier lag. Sie hatte ihn um den Genuss gebracht, auch nur einmal mit einem Menschen zu schlafen, den er liebte. Das war das Einzige, welches er wahrlich bedauerte. Nur einmal in den Armen eines geliebten Menschen zu liegen und die Wärme fühlen, die ihm seine Mutter als Kind entgegen gebracht hatte. Seine Lider flatterten und fielen zu. Ihm war kalt. So also fühlte der Tod sich an. Stimmen tauchten ganz in seiner Nähe auf. Er konnte sie hören, wollte um Hilfe rufen, doch nicht einmal ein heiseres Krächzen brachte er mehr zustande. Dann plötzlich stolperte jemand über ihn.
 

„Was ist das?“

„Eine Leiche?“

„Nein, ich glaube, er lebt noch.“

„Kapitän, da liegt einer.“ Ein Ruf zu einer weiteren Gestalt, in der Nähe.

„Lebt er noch?“

„Bin nicht sicher.“

„Smee, geh nachsehen.“

„Aye, Kapitän Blackbeard.“
 

Wer oder was dieser Smee ist, sollte James Anthony Malloray in dieser Nacht nicht mehr erfahren. Längst hielt ihn eine selige Ohnmacht umfangen.
 

Fortsetzung folgt…


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hey! ^^ Das war es mal wieder von mir. Ich hoffe, dass Kapitel hat euch gefallen. Über Kommentare würde ich mich sehr freuen. Kritik ist ebenso erlaubt wie Lob. ^___~ Liebe Grüße eure Amunet Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Sky-
2015-05-08T18:28:47+00:00 08.05.2015 20:28
Ich muss dir wirklich meinen Respekt aussprechen. Da wechselt nicht nur die Kulisse, sondern auch gleich der Erzählstil mit und man hat so richtig dieses Feeling von England in alter Zeit in den Kreisen des Adels. Die Geschichte, die Hook widerfahren ist, ist wirklich ziemlich traurig. Ausgerechnet von der Frau hintergangen und fast getötet worden, die er so sehr geliebt hat. Und dann noch die eigene Familie so raffgierig und egoistisch. Da ist es ja kein Wunder, dass er keine Lust hatte, zurückzukehren.
Antwort von:  Amunet
09.05.2015 08:32
Dankeschön. ^_______^ Ich persönliche liebe ja den Erzählstil, in dem ich Hooks Vergangenheit näher bringe. Kommt davon, weil ich als Teenie zu viel Liebesromane gelesen habe. ^___~


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