Einen Tag später...
Am nächsten Morgen wäre es für ihn fast so gewesen, wie jeden anderen
Morgen auch. Läge nicht Tifa neben ihm. Und egal, was er dachte, er kam mit
dieser Situation nicht zurecht. Sie hatte sein Geheimnis gesehen, und dies
musste er noch verkraften. Noch vor ein paar Tagen war er sich noch nicht
einmal sicher gewesen, dass seine Lebenskraft überhaupt etwas besonderes
wahr. Doch als er ihre Augen gesehen hatte, hatte er den Ausdruck gesehen,
die er in jeden Augen las, die ihn ansahen: Angst. Wie sollte er diesen
Blick jeh vergessen können? So viel Leid hatte er schon gesehen, und nun
auch noch das. Aber es half nichts, sich darüber Gedanken zu machen. Er war
sich sicher, dass sie so schnell sie könne, wieder weg von ihm wollte. Nie
blieb jemand lange bei ihm. Alle hatten sie Angst. Angst vor seinen Augen,
angst vor seiner Kralle, angst vor seinen Worten, seinen Berührungen,
seinen Blicken. Er kannte es, wenn Menschen nahezu in Panik gerieten, wenn
sie ihn sahen. All die Schmerzen, die er gespürt hatte, hatten sich in ihm
niedergebrand. Jeden Stich, jeden Kummer, jeden Hass, sah man ihm an.
Manchmal wünschte er, er könnte seine Augen für immer schließen, sodass sie
nie mehr jemand sehen musste. Sein endgültiger Tod, wie er ihn nannte,
stand für ihn nicht weit weg. Tod bedeutete für ihn, wenn er selbst den
Schmerz in ihm nicht mehr spüren konnte. Gott, wie hatte er diese Frau doch
geliebt. Und so tief, wie seine Liebe zu ihr, saß auch sein Schmerz. Er
wurde von Tifa aus seinen Gedanken gerissen. "Gut geschlafen?" fragte sie.
Vincent war sich sicher, dass es eine dieser Fragen war, von der man
dachte, sie gehöre zum Anstand. "Schlecht, wie jede, Tifa." Er stand ohne
ein weiteres Wort auf und ging in die Küche. Heute war Sonntag, und
diesesmal dachte er mit unbehagen an die Zeit, die er mit Tifa allein war.
Diese war ebenfalls aufgestanden, und stellte sich in den Türrahmen. "Schau
mich an...." flüsterte sie, und er drehte sich zu ihr um. "Warum kann ich
mich in deinen Augen nicht spiegeln?" Sie ging langsam auf ihn zu, und sah
in diese. "Ich sehe nichts. Nichts in ihnen." Er blinzelte kurz. "Sieh
genau hin." Sagte er leise, und sie sah ihm weiterhin in die Augen. "Dieses
rot..." Ihr fehlten die Worte. So etwas hatte sie nie vorher gesehen.
"Fühlst du denn nichts als Trauer, Vincent?" Er schüttelte stumm den Kopf.
Du tust mir so leid, Vincent... Kann ich dir gar nicht helfen? Mit nichts?
Ich will doch keine Angst haben, warum bedrängen mich seine Augen dann so?
Sie machen mich wahnsinnig, wenn ich sie länger betrachte. Sie sind Spott.
Ein Zeichen des Spottes von Hojo. In diesem Körper muss doch Leben stecken!
Warum sehe ich nichts davon in seinen Zügen? Hojo ist schon so lange tot,
und er tut ihm immernoch so schrecklich weh. Es ist ungerecht! Es ist so
verdammt ungerecht! Sieht er es auch so? Will er vielleicht anders sein?
Will er reden, lachen, Freunde haben? Oder büßt er immernoch? Gott...ist
dies wirklich seine Stafe? Lässt du ihn deswegen so leiden? Niemand hat das
verdient!
"Ich möchte dir zeigen, wie schön das Leben sein kann. Wie soll ich das
tun? Was ist für dich schön im Leben? Was ist es für mich? Ist es überhaupt
etwas, was man beschreiben kann?" fragte sie leise, an sich selbst
gestellt. "Tif...ich..." Vincent sah zu Boden. "Ich habe einen Grund zum
Leben." Noch. "Du hast es doch gesehen. Es ist das, woraus ich meine
Energie schöpfe um zu Leben. Das Leben ist zweckmäßig. Ich bin zwar nicht
überzeugt davon, dass es später noch etwas gibt, aber...es ist für mich
rein Zweckmäßig. Wir sind hier, um den Kreislauf des Lebens zu sichern, und
nicht, um unseren Spaß daran zu haben. Keine Plichten machen Spaß. Würde
das so sein, wären es Freuden." Die Aussage von ihm verwirrte sie, und ihr
fehlten die Worte. "Was spricht dagegen, aus dem Leben....der Pflicht...das
beste zu schöpfen?" wendete sie ein, in der verzweifelten Hoffnung, ihm
irgendwie Mut zu geben. Doch sie wusste, dass das ziemlich schwierig werden
würde. Ein Mensch, der das Leben erst einmal angezweifelt hatte, ist schwer
wieder vom Gegenteil zu überzeugen. Wer weiß, vielleicht war sie deswegen
an ihn geraten. Als kleiner Hilfeengel sozusagen. Das würde sich noch
herausstellen. Zuerst einmal musste sie ihm etwas geben, worauf er sich
stützen konnte. Ein Fundament. "Sag jetzt nichts, Vincent. Ich kenne deine
Geschichte, auch wenn ich sie mir in den schrecklichsten Albträumen nicht
schlimm genug vorstellen kann, so verstehe ich dich doch. Das hoffe ich
zumindest. Ausserdem will ich noch bei dir bleiben. Ich will endlich mehr
von dir wissen!" Ihre Hand griff nach seiner, wärend sie dies sagte, doch
er zog seine erschrocken zurück. "Du weißt schon viel zu viel!" Er wich von
ihr zurück und hastete dann ins Bad. Selbst seine Hände sind kalt. Was
hindert ihn daran, sich mir anzuvertrauen? Mit Schritten, die sie
unendliche Überwindung kosteten, ging sie ihm nach und öffnete die Tür erst
einen Spalt, um hineinzusehen. Vincent saß, den Kopf in die Hände gestützt,
auf dem Badewannenrand und starrte Gedankenverloren auf die Wand. Er zählte
mit seinen Augen immerwieder die Kacheln, und er nahm Tifa erst wahr, als
er ihren Arm spürte, der sich auf seine Schulter legte. "Warum fliehst du
immer vor einer Antwort?" fragte sie ihn leise und folge seinem Blick, auch
wenn sie seine Interesse an die Kacheln nicht teilen konnte. Der
angesprochene seufzte leise und legte nach kurzem Zögern den Kopf auf ihre
Schulter. "Vielleicht habe ich das sprechen verlernt, über die Einsamkeit.
Ich denke einen Gedanken so lange, bis er mir leid wird, und ich ihn
letztendlich nicht ausspreche, weil er mich aufregt." Tifa nickt leicht und
verständnisvoll. Sie strich zaghaft über seinen Kopf und durch seine Haare.
Kann man es verlernen, das Sprechen? Das miteinander denken? "Und wie soll
es weitergehen?" fragte sie ihn dann, gespannt auf seine Antwort, sollte
sie eine bekommen. "Ich warte darauf, dass ich sie wiedersehe. Ich vermisse
sie so..." Tifa spürte, wie er leicht zitterte und versuchte, die Tränen
zurückzuhalten. "Weine ruhig. Auch wenn ich nicht die Frau bin, bei der du
dich gerne aussprechen würdest." "Aussprechen...sie verstand mich, weißt
du? Sie kannte jedes meiner Worte im Voraus. Ich dachte...wir wären
füreinander bestimmt. Ich wollte mit ihr glücklich sein." Mit diesen Worten
drückte er sich an sie, und brachte vor Tränen kein Wort mehr heraus. Gibt
es nichts, was ich tun kann, das er sie vergisst? Sie hielt ihn fest, als
wolle sie damit sein zittern stoppen, und seinen Körper und seine Seele
beruhigen. "Vincent?" Er hob seinen Kopf und sah sie an, als er seinen
Namen hörte. "Was war das, was ich in dieser Nacht gesehen habe?" Er
blinzelte kurz, bevor er leise und mit dünner Stimme zu reden begann. "Es
nützt eh nichts mehr, du kannst es wissen. Es gibt nicht mehr viel, an das
ich mich halten kann in diesem Leben. Es ist dieses Gefühl der Kraft, das
mich alles vergessen lässt. Ich hoffe, sie wiederzusehen, wenn ich nur
stark genug bin. Doch dann wiederrum habe ich Angst, dass es nach diesem
Leben wirklich nichts mehr gibt, und das ich sie nie wieder sehen werde.
Davor habe ich so Angst...ich kann sie nicht beschützen, dort wo sie jetzt
ist, wenn sie überhaupt irgendwo ist. So viele Theorien, und so wenig Zeit.
Sie könnte wiedergeboren sein, sich in Luft aufgelöst haben, auf mich
herabsehen, auf mich warten, mich suchen. Und jede dieser Möglichkeiten ist
schlimm für mich. Egal was und wo sie ist...ich werde nie wieder bei ihr
sein." Eine bedrückende Stille breitete sich nach seinen Worten aus, und
Tifa wusste, dass er Recht hatte. "Und wenn...es noch jemanden wie sie
gibt?" Sie hätte sich ohrfeigen können, als sie diese Worte an ihn
gerichtet hatte. Wie konnte sie nur soetwas sagen? Jetzt, in diesem Moment?
Doch Vincent reagierte ruhig darauf. "Vielleicht gibt es so einen Menschen
sogar. Aber wie soll ich ihn finden, wenn ich zu Müde bin, zu suchen?"
"Vielleicht findet sie dich." flüsterte sie ihm ins Ohr und verließ dann
das Bad. Das geht schneller, als du denkst. Dachte sie insgeheim.
Vincent verwirrten ihre letzten Worte, und er ertappte sich zum
wiederholten mal, dass er wieder zu viel nachdachte. Wenn sie nun Recht
hat... Doch wie kann ich nur mit dem Gedanken spielen, sie vergessen zu
wollen?! Er hob den Kopf leicht und sah an die Decke. "Lukretia?" Doch er
hörte nichts. Was hätte er auch hören sollen? Nein...er wartete nicht
wirklich auf eine Antwort. "Ob es sojemand gibt?" fragte er leise, nachdem
er den Kopf wieder gesenkt hatte, und erneut begann die Kacheln zu zählen.
Vincent verharrte mehr als eine viertel Stunde in dieser Haltung, immerfort
auf die Wand starrend. Tifa beendete seine Gedanken indem sie ihm eine
Tasse Tee reichte. "Vincent, Vincent..." leicht tadelnd schüttelte sie den
Kopf und strich durch seine Haare, worauf er den Kopf wegzog und sie ihre
hand zurücknahm. Enttäuscht drehte sie sich um und schlich in die Küche
zurück. Klasse. Entweder ich gehe zu Cloud zurück und er schlägt mich, oder
ich bleibe hier bei diesem Trottel. Ist er denn blind? Verdammt er kann
doch nicht so bleiben! Sie seuftze auf und sah den Regentropfen zu, die
prasselnt an das winzige Küchenfenster schlugen, und eine für sie
einschläfernde Melodie erzeugten, und schon nach kurzer Zeit fielen ihr die
Augen zu.