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Isolation

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Wie immer gilt: Wem Rechtschreib-, Zeichensetzungs- oder Grammatikfehler auffallen, darf mir das gerne mitteilen :) Komplett anzeigen

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Isolation

Molly sieht ihn alleine auf der Tanzfläche stehen. Wobei “alleine“ ein relativer Begriff ist. Immerhin steht er inmitten einer tanzenden, fröhlichen Menge. Dennoch wirkt Sherlock unter all den Menschen deplatziert und völlig isoliert. Und auch wenn es außer ihr niemandem aufzufallen scheint oder es schlicht niemanden interessiert, so weiß sie doch ganz genau, wie Sherlock sich im Moment fühlen muss.

Ausgeschlossen. Ausgestoßen. Verstoßen. Fehl am Platz.
 

Diese Wortwahl scheint höchst unpassend in Bezug auf Sherlock Holmes zu sein, schließlich kümmert es ihn kaum, was andere von ihm denken, aber es ist nun einmal eine Tatsache, dass seine zweijährige Abwesenheit einiges an ihm verändert hat. Was aber dazu geführt hat, dass es ausgerechnet Auswirkungen auf sein Sozialverhalten hatte, nun, darüber kann Molly nur spekulieren. Fakt ist aber, dass er nun offener wirkt. Verletzlicher.
 

Molly könnte ihm helfen.

Was wäre einfacher, als zu ihm herüberzugehen und sich mit ihm zu unterhalten? Sie würde ihn zum Rand der Tanzfläche lotsen, sich ein Getränk schnappen und ihn auf seine wundervolle Komposition ansprechen, was sicher ein angemesseneres Gesprächsthema auf einer Hochzeit wäre, als wenn sie über ihre Arbeit oder seine Fälle sprechen würden. Natürlich würde Sherlock ihr vollkommen wissenschaftlich erläutern, wie er die Komposition zu Stande gebracht hat. Dennoch wäre es ein Thema für das er sich erwärmen könnte. Molly würde ihm zuhören, zustimmend nicken, obwohl sie keine Ahnung hätte, über was genau er eigentlich spricht. Moll, Dur, Akkorde, Rhythmusveränderungen, wiederkehrende Sequenzen. Für sie nur Fachausdrücke, für ihn eine ganze, sich selbsterklärende Welt. Das Einzige, was sie wüsste, wäre, dass sich das Ergebnis absolut traumhaft anhört und sie es wundervoll und erstaunlich zugleich findet, dass ein einzelner Mensch etwas so schönes kreieren kann.

Das wäre ein mögliches Gesprächsszenario. Das Beste, auf dass sie hoffen könnte.
 

Genauso gut wäre es aber auch möglich, dass Sherlock seine Unsicherheit über diese ungewöhnliche Situation ganz anders zum Ausdruck bringen würde. Er könnte sich über ihre Kleiderwahl lustig machen, könnte sie mit seinen üblichen Deduktionen förmlich überfallen, könnte Molly mit Dingen konfrontieren, die sie sich momentan selbst noch nicht eingestehen will oder weiß Gott noch viel schlimmeres tun, wenn er das Gefühl hätte, dass sie nur aus Mitleid mit ihm spricht. Sie ist sich zwar ziemlich sicher, dass er nicht vorhat für einen Eklat auf Johns Hochzeit zu sorgen, - nun nicht noch einen - aber das Problem bei Sherlock ist, dass man sich nie wirklich hundertprozentig sicher sein kann, wie er reagieren wird.
 

Die schlichte Wahrheit ist zudem, dass Molly im Moment einfach keine Energie dafür hat. Weder für eine normale, gut verlaufende Unterhaltung und schon gar nicht für einen schlecht gelaunten Sherlock, der nur darauf aus ist, sie mit seinen Worten zu verletzen. Sie ist gerade dabei den chaotischen Nachmittag erfolgreich zu verdrängen.

Wie Sherlock während seiner konfusen Rede zwischenzeitlich völlig den Faden verloren hat und sie ihn am liebsten geschüttelt und angeschrien hätte, was zum Teufel denn nur mit ihm los sei.

Wie sie die SMS, die Greg erhalten hat, mitgelesen und plötzlich mit dem Schlimmsten gerechnet hat.

Wie sie Tom mit voller Wucht eine Kuchengabel in die Hand gerammt hat.
 

Letzteres schockiert sie immer noch. In diesem Moment hat sie einfach nicht nachgedacht, sondern automatisch gehandelt. Sie wusste ja, dass irgendetwas im Gange war und das der Grund für Sherlocks ungewöhnliches Verhalten sein musste. Tom nicht. Was natürlich keine Entschuldigung ist, dass sie ihn auf diese Weise dazu bringen wollte, still zu sein.
 

Jedenfalls ist es gerade so, dass sie sich langsam wieder entspannt, viel redet, tanzt, lacht und davon überzeugt ist, dass der Abend doch noch irgendwie versöhnlich enden wird. Kein guter Zeitpunkt also, um sich mit Sherlock Holmes zu befassen.

Molly hat sich in den letzten Jahren wirklich oft genug ausgeklinkt, um etwas für andere Menschen zu tun. Hat sich selbst isoliert und damit ins Abseits gestellt. Aber das wird sie jetzt nicht noch einmal tun. Sie ist nicht für Sherlocks Wohlergehen verantwortlich. Sie kann nichts für seine selbst gewählte Isolation. Er hat schließlich auch all die Jahre vorher überstanden, ohne dass er permanent von einer fürsorglichen Glucke überwacht worden ist.

Also wendet Molly sich entschlossen von ihm ab. Dreht ihm bewusst ihren Rücken zu und beginnt noch ausgelassener zu tanzen.
 

Er könnte ja auch einmal einen Schritt auf sie zumachen, wenn er nur wollen würde.

Er könnte das Gespräch mit ihr oder mit irgendjemand anderen suchen, wenn er nur wollen würde.

Aber sie weiß, dass er das nicht tun wird. Es ist nicht seine Art.

 Molly riskiert einen letzten Blick über ihre Schulter. Das einzige, was sie von ihm sieht, ist seine hochgewachsene Gestalt, die sich alleine Richtung Ausgang bewegt. Sie könnte ihn immer noch problemlos einholen. Wenn sie nur wollen würde.

Aber sie will nicht.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Prinzessin-Zelda
2019-07-21T05:04:09+00:00 21.07.2019 07:04
Hey Kerstin-san, auch diese Szene hast du wunderbar geschrieben! Die gute Molly ist einfach zu lieb und Sherlock merkt es einfach nicht. Ich liebe deinen Schreibtstil bei deinen Fanfics zu Sherlock.

lg Zelda
Antwort von:  Kerstin-san
21.07.2019 10:59
Hallo Prinzessin-Zelda,

ich fürchte Mollys Gutmütigkeit ist mit einer der Gründe, warum Sherlock sie immer so leicht beeinflussen kann, deswegen hat mir die Szene in der Serie sehr gut gefallen, weil Molly sich einfach mal für sich selbst entschieden hat. Das kommt nicht allzu oft vor, deswegen musste ich das mal aus Mollys Sicht schreiben.
Von: abgemeldet
2016-05-13T20:44:05+00:00 13.05.2016 22:44
Hallo!
 
Ich muss gesehen, dass ich die Sherlockreihe nicht kenne, aber dennoch habe ich die Unterhaltung zu schätzen gewusst. Du hast nur mit Gesten, Blicken und Gedanken gearbeitet, dir äußere Erscheinungsbilder der beiden fast komplett gespart - und gerade das war eine angenehme Freiheit, weil sie erlaubte, sich auf die Emotionen und Beziehungen zu konzentrieren.
Einerseits gefiel mir die Wortwahl, die eloquenter wurde, sobald man auf Sherlocks Perspektive wechselte (z.B. Deduktion), andererseits hatte Molly neben ihrem Altruismus auch etwas Störrisches und Widerspenstiges an sich. Nicht nur sie könnte handeln, sondern auch er. Er ist erwachsen und niemand kann sie zwingen, seinen Spott aus Gutmütigkeit heraus zu ertragen. Das war ein tolles Kontrastprogramm, denn am Anfang erscheint sie noch schüchtern und fast schwärmerisch.
Soo gut, wie das dann kippt.
Auch der Blick über die Schulter, ein fantastisches Stilmittel. Sie musste sich selbst vergewissern, noch einmal prüfen und abwägen. Am Ende dachte ich, es bleibt für Sherlock bei Alten: Abgeschoben und allein, aber nur im Sinne des Titels. Er isoliert sich selbst, ohne sofort darunter zu darben.
 
Viele Grüße, Morgi
P.s. die Gabelszene hat mich nachhaltig fasziniert. War die fiktiv oder Canon? 
Antwort von:  Kerstin-san
14.05.2016 11:44
Hallo Morgi,

Sherlock ist in meinen Augen einfach die beste Serie, die ich je gesehen habe, deswegen kann ich dir nur ans Herz legen, die Serie unbedingt mal anzuschauen :)

Ahhh ja, ich hab so eine Tendenz mich nur auf innere Monologe zu konzentrieren und dabei alles andere (insbesondere irgendwelche Beschreibungen) völlig auszublenden. Umso schöner, dass dich das hier nicht stört. Molly hat einfach eine unübersehbare Schwäche für Sherlock, aber gerade wenn man sich ihr Verhalten nach Sherlocks Rückkehr in Staffel drei ansieht und mit ihrem früheren Auftreten vergleicht, ist da doch schon ein großer Unterschied zu sehen. Sie wirkt deutlich selbtsicherer und was einerseits für sie einen enormen Fortschritt darstellt, dürfte für Sherlock wesntlich schwieriger nachzuvollziehen sein. Auch wenn es bei ihm generell schwierig ist, hinter seine Fassade zu schauen.

Die Gabelszene kam tatsächlich so in der Serie vor ;) Hab mal gerade geschaut, aber auf YouTube gibts die leider nicht.
Von:  Goetterspeise
2015-09-18T10:58:49+00:00 18.09.2015 12:58
Aloha ~

ich find Molly ja süß. Ich finde auch ihre Gefühle für Sherlock süß - auch, wenn ich es unrealistisch fände, wenn zwischen ihnen etwas passieren würde. Aber gut.
Dein One-Shot ist wirklich toll. Mich hat ja der Titel irgendwie angezogen, und, weil ich kein kleiner Sherlock-Liebhaber bin, war das gleich noch besser. :D Der Begriff passt zu ihm und gleichzeitig irgendwie auch wieder nicht. Es interessiert Sherlock ja eigentlich nicht so sehr, ob er nun alleine ist oder nicht. Allerdings und das hast du in dem OS ja auch geschrieben - und ich hoffe, ich erinnere mich jetzt richtig - merkt man innerhalb der Serie immer wieder, wie schön es dann doch für ihn ist, wenn er mit anderen zusammen sein darf. Ich glaube deshalb mag ich den Titel auch so gern.
Mollys Gedankengänge gefallen mir wirklich gut, du hast sie schön präzise und nachvollziehbar auf den Punkt gebracht und man merkt, dass dir Monologe liegen bzw. gefallen, wie auch immer. Vor allem haben ihre Gedanken sich in einem angenehmen Tempo weiterentwickelt bis es eben dann zum Schluss kam, der mir sehr gut gefällt, auch, wenn er irgendwie traurig ist, obwohl er ja nicht einmal so traurig ist, ich finde es einfach nur schade. Passend schade.
Es war aber auf jeden Fall interessant, was du aus der Szene geschaffen hast und wie passend das alles ist.

Okay, ich hab jetzt Lust mal wieder meine Sherlock-DVDs rauszuholen und die Staffeln durchzuschauen. Danke auch! :D

Liebe Grüße.
Antwort von:  Kerstin-san
17.03.2016 19:26
Hallo goetterspeise_,

auch wenn dein Kommentar schon eine Weile zurück liegt und ich mich damals sicherlich per ENS oder GB-Eintrag gemeldet hatte, möchte ich mich trotzdem noch einmal auf diesem Wege bedanken.

Leider hab ich diese praktische Direkt-Antworten-Funktion erst relativ spät entdeckt.^^
Von: abgemeldet
2015-09-11T08:40:47+00:00 11.09.2015 10:40
Hallo,

ich muss sagen, dass mir diese Story von all den anderen Molly-Geschichten am besten gefallen hat. Der Stil ist wie immer gut gelungen. Ich mag ihre Gedankengänge und wie sie mit sich selber gehadert hat, ob sie zu Holmes gehen soll oder nicht. Ebenso erscheint das Abwägen von Pro und Kontra im Falle einer Unterhaltung recht realistisch. Also realistisch im Sinne von "Sherlock-realistisch". ^_~
Man sieht in der genannten Episode/Szene, wenn ich mich recht erinnere, ja nur kurz wie Molly zu Holmes schaut. Dass sie am Ende resigniert und sich entscheidet nicht zu Holmes zu gehen, wirkt beinahe ein wenig traurig, finde ich.
Du hast auf jeden Fall eine gute Ergänzung zu einer beinahe unscheinbaren Szene geschrieben und sie somit um einiges aufgewertet. Das sehe ich jedenfalls so!

Ich bin zwar weiterhin kein Molly-Fan, aber mir hat diese Geschichte trotzdem gefallen. Ziemlich paradox, nicht wahr? xD Aber das kann durchaus daran liegen, weil man in der Serie eben nicht so viel von ihr mitkriegt und nur das offensichtliche auffällt. In deiner Molly-Fassung erhält man jedoch einen möglichen Gedankengang, der sie sympathischer wirken lässt.

Liebe Grüße,
MachiavellismX

Für mehr Kommentare auf Animexx

Antwort von:  Kerstin-san
17.03.2016 19:26
Hallo MachiavellismX,

auch wenn dein Kommentar schon eine Weile zurück liegt und ich mich damals sicherlich per ENS oder GB-Eintrag gemeldet hatte, möchte ich mich trotzdem noch einmal auf diesem Wege bedanken.

Leider hab ich diese praktische Direkt-Antworten-Funktion erst relativ spät entdeckt.^^


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