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Doors of my Mind

Der Freund meiner Schwester
von

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Sharis Saris

Kapitel 21 Sharis Saris
 

Ermattet und von den Gefühlen übermannt, die meinen Körper durchströmten, lehne ich mich gegen den Schreibtisch. Das Handtuch habe ich mir wieder um die Hüfte gebunden. Meine klebrige Hand streiche ich daran ab. Dann verschränke ich unsicher die Arme vor der Brust. Ich höre das Rascheln seiner Kleidung und beobachte, wie sich Raphael schweigend die Shorts und das Shirt überzieht. Er streicht sich durch die Haare und bringt sie dadurch nur noch mehr durcheinander. Meinem Blick weicht er aus.

„Wir sollten endlich etwas schlafen“, sagt Raphael leise und ruhig. Als er an mir vorbeigeht, halte ich ihn zurück. Seine erhitzte Haut unter meinen Fingern, lässt sie kribbeln.

„Wir sollten endlich reden“, gebe ich retour und sehe, wie er schluckt. Er weiß ganz genau, dass wir das tun müssen und mir ist schleierhaft, wieso er es immer weiter hinauszögert. In seinen Augen erkenne ich Überforderung, Scham, aber vor allem Unsicherheit. Er zögert, aber seine Körperhaltung sagt mir deutlich, dass er jetzt lieber das Zimmer verlassen würde.

„Bitte, geh jetzt nicht einfach weg“, flüstere ich leise, streichele ihm eine verirrte Strähne hinters Ohr und er schließt die Augen. Raphael lässt die Beruhigung zu, zieht sie in sich ein und atmet schwer aus. Ich sehe, wie sich seine Bedenken und die Verwirrung in seinem Inneren festigen. Ich lasse meine Hand sinken.

„Rede mit mir“, bitte ich und klinge eigenartig bestimmend. Ich möchte nicht, dass wir schon wieder schweigend auseinandergehen. Raphaels Schultern straffen sich. Er fühlt sich nicht wohl. Ich kann es deutlich sehen.

„Verdammt, wir hätten das nicht tun dürfen, okay? Das ist nicht richtig“, sagt er nun. Ich zucke zurück. Nicht richtig, wiederholt sich in meinem Kopf. Ich verstehe es nicht.

„Warum?“

„Du weißt ganz genau, warum.“ Erneut fährt er sich durch die Haaren, rauft sie sich regelrecht und seufzt schwerfällig. Auch ich denke in diesem kurzen Augenblick an meine Schwester.

„Aber du magst mich“, stelle ich leise fest und beobachte seine Reaktion. Ein Schimmer in seinen traumhaften, grünen Augen.

„Du bist ein netter Kerl. Manchmal jedenfalls“, antwortet er ausweichend. Ich komme nicht umher darüber zu schmunzeln.

„Du weißt, wie ich es eigentlich meine.“

„Was willst du von mir hören?“

„Ein Ja wäre schön“, gestehe ich. Mein ganzer Körper kribbelt. Ich sehe dabei zu, wie sich seine Augen schließen. Das Ja bekomme ich nicht.

„Mark.“ Ich mag es, wenn er meinen Namen sagt, aber nicht so. „Wir hätte das nicht tun sollen. Ich sollte das nicht tun“, fährt er fort und macht einen Schritt auf die Tür zu.

„Ich finde, dass man Dinge, die einen gefallen, tun sollte“, kommentiere ich lapidar.

„Es dürfe mir, aber nicht gefallen“, gibt er bestimmt und deutlich von sich und ich weiche unwillkürlich zurück. Die Schärfe dieser Worte lässt mich erschaudern. Raphael öffnet die Tür. Ich greife erneut verzweifelt nach seiner Hand, doch er zieht sie weg.

„Was ist so schlimm daran, wenn es dir gefällt?“, gebe ich ihm zu verstehen, denn ich gehe mit seiner Reaktion nicht konform. Raphael antwortet nicht. Ich wiederhole meine Bitte, doch er bleibt nur kurz an der Tür stehen.

„Bitte, nicht. Mark, ich... ich kann einfach nicht…Ich bin nicht…Ich weiß einfach nicht…Ich muss nachdenken...“, stammelt er. Ihm fehlen anscheinend die richtigen Worte um das Chaos in seinem Inneren zu beschreiben. Offenbar fällt es ihm des Öfteren schwer Gefühl in Worte zu verpacken. Ich bin frustriert. Seine Finger greifen in den Türrahmen, verkrampfen sich und er geht. Ich sehe ihm nach und starre eine Weile auf die Dunkelheit im Flur. Ich empfinde pure Ernüchterung und Enttäuschung und möchte sie am liebsten hinausbrüllen. Ich lasse es.
 

Leise schleiche ich ins Badezimmer und steige noch einmal unter den Wasserstrahl um mich zu säubern. Doch diesmal ist das Wasser bewusst kalt. Genauso, wie das schwere Gefühl, welches sich in mir ausbreitet. Nur noch mehr Fragen und wieder keine Antworten.

Er hat es gewollt und doch nagt an mir das Gefühl, dass er mit alledem völlig überfordert ist. Schämt er sich, wegen dem, was wir getan haben und stört es ihn, dass er es mit einem Mann getan hat? Habe ich ihn dazu gedrängt? Vielleicht nicht gedrängt, aber verführt. Ich lehne mich gegen die kühlen Kacheln der Dusche und rutsche daran runter. Habe ich seine Verzweiflung ausgenutzt? Sein angestautes Verlangen? War es wirklich falsch? Ich weiß es nicht. Bei einem ´Nein´ hätte ich sofort aufgehört, doch er hat es genauso gewollt, wie. Ich vielleicht etwas mehr. Es ist nicht falsch, aber war höchstwahrscheinlich, wie er sagt, nicht richtig. Es ist unfair gegenüber meiner Schwester und ich bin nicht Arsch genug, um darüber hinwegzulächeln. Es ist mir nicht egal. Mir entfährt ein unbestimmtes Geräusch. Okay, ja gegenüber Maya war es nicht richtig. Aber das wir es zusammen getan haben, war es. Eine Weile prasselt das Wasser auf mich ein und ich hänge meinen Gedanken nach.

Als ich das Bad verlasse, stehe ich eine Weile vor seiner Schlafzimmertür. Ich traue mich nicht hinein. Statt weiter darüber nachzudenken, gehe ich resigniert zurück ins Wohnzimmer, breite mein provisorisches Bett aus und lasse mich fallen. Doch schlafen kann ich nicht. Ich nehme mein Handy zur Hand und entdecke eine Nachricht von Shari. Sie hofft, dass ich den Abend gut überstanden habe und wünscht mir einen erholsamen Sonntag. Es ist zu spät um ihr zu antworten. Ich lese ein paar ältere SMS und komme irgendwann zu den Nachrichten von Jake.

Ein seltsames Gefühl bildet sich in meiner Brust. Ich denke an seine warmen, fürsorglichen Augen und an das einnehmende Lächeln. Sein Blick, als er neben mir im Bett lag und lächelte. Es war ein gutes Gefühl und nicht so ein Durcheinander, wie mit Raphael. Jake ist sich seiner Gesinnung sicher und Raphael ist alles, nur nicht sicher.

Ich weiß, wie schwierig es ist mit dem Gedanken zu Recht zu kommen. Ich habe mich längst damit abgefunden, dass ich nicht das schön finde, was angeblich „normale“ Jungs schön finden. Dass ich nicht das erregend finde, was ansonsten „normale“ Jungs aufgeilt. Was ist schon normal? Es ist ein hässliches Wort.

Ich möchte wissen, was Raphael wirklich will? Warum kommt er plötzlich auf mich zu, wenn es ihm doch nicht behagt? Vielleicht ist es die reine Neugier, die ihn treibt? Was haben die Fotos zu bedeuten? Seine Eifersucht? Will er wirklich die Beziehung zu meiner Schwester, obwohl sie ihn unglücklich macht? Er ist definitiv nicht glücklich, dass konnte ich aus seiner alkoholisierten Tirade klar heraushören. Also, was will er?

Er mag mich, das habe ich nicht nur für mich ausgesprochen, sondern weil ich es wirklich glaube. Seine Reaktion drauf war nicht die erhoffte, aber er hat es auch nicht verneint. Warum muss es so kompliziert sein?

Die halbe Nacht liege ich wach, bis ich bei Sonnenaufgang einnicke.
 

Ich blinzele der Helligkeit entgegen und spüre die Schwere in meinen Kopf, die sich Dank des Alkohols immer weiter ausbreitet. Ich habe nur wenige Stunden geschlafen und fühle mich dementsprechend matt. Auch die Schmerzen in meinen Rücken melden sich zurück. Ich setze mich auf und spüre, wie einige Wirbel blockieren. Erst nach ein paar Bewegungen und dem Strecken meiner Glieder fühle ich mich besser. Ich ziehe mir eine Hose und mein knittriges T-Shirt über und sehe erst jetzt, dass die Tür des Wohnzimmers zu ist. Ich erinnere mich nicht daran sie selbst geschlossen zu haben.

Beim Öffnen rufe ich Raphaels Namen, doch ich bekomme keine Antwort. Es ist mittlerweile nach 12 Uhr und ich gehe davon aus, dass auch er wach sein müsste. Sein Schlafzimmer ist verwaist. Das Bad ebenso. Viel mehr Zimmer hat seine Wohnung nicht. Erst als ich in der Küche stehe, sehe ich den handgeschrieben Zettel, auf dem er mich bittet, abzuschließen und die Schlüssel im Briefkasten zu deponieren. Ich lese den Zettel mehrmals und mit jedem Mal wächst meine Enttäuschung.

Das blöde Gefühl in meinem Bauch wird zentnerschwer als ich begreife, wie sich Jake gefühlt haben muss als er allein gelassen in seinem Bett erwacht ist. Er hat mir diese Unart als verletzend erklärt und er hat Recht. Es ist ein grausiges Gefühl.
 

Ich greife mir den Schlüssel und verschwinde für eine Katzenwäsche ins Bad, bevor ich die Wohnung verlasse. Der Gedanke, an die ganzen Verwandten zu Hause schreckt mich ab und ich sehe mich hilfesuchend nach einem anderen Ort zum Verweilen um. Ich bin in der Nähe der Uni und laufe einfach drauf los. Hier und da kommen mir jungen, geschäftige Leute entgegen. Sie tragen auch am Sonntag ihr Bücher spazieren oder halten übergroße Kaffeebecher in ihren Händen. Mir fallen die Worte meines Onkels wieder und ich seufze. Seit Maya Raphael mit nach Hause gebracht hat, bin ich gegen eine Immatrikulation an unserer heimeligen Uni. Nicht, weil eine andere Uni mir bessere Qualifikationen bieten würde oder möglicherweise mehr Spaß. Nein, ich rede mir ein es nicht ertragen zu können, wenn ich dem anderen auf dem Campus begegnen würde. Doch das stimmte nicht. Auch ich suche seine Nähe und das hat letztendlich zu dem ganzen Schlamassel geführt, in dem wir jetzt stecken. Was muss ich ihn auch noch reizen? Aber, was soll ich tun? Ich komme kaum gegen meine Gefühl an und jedes Mal, wenn er in meiner Nähe ist, werde ich zum Grün-Augen-Fanatiker ohne Verstand.

Ich lasse mich ermattet auf einer Bank nieder und mein Kopf klappt direkt nach hinten weg. Klarer, blauer Himmel. Nur hin und wieder zieht eine watteartige Wolke vorbei. Vereinzelte kleine Cumuli, oder auch Schönwetterwolken. Die Sonne scheint mir ins Gesicht und ich schließe die Augen. Meine Gedanken drehen sich um Raphael. Wie immer.
 

Ich spüre eine Bewegung neben mir und sehe mit zusammengekniffenen zur Seite. Es dauert einen Moment bis ich klar sehe. Ein junger Mann mit schwarzgerahmter Brille und wuscheligen blonden Haaren hat sich neben mich niedergelassen. Er packt einen Laptop aus und sieht mich an.

„Hab ich dich geweckt? Tut mir leid.“ Er grinst, schlägt die Beine übereinander und stellt den Laptop darauf ab.

„Da will man einfach nur in Ruhe auf einer öffentlichen Parkbank ausnüchtern und nicht einmal das kann man mehr!“, gebe ich theatralisch und übertrieben von mir. Natürlich auch scherzhaft und ernte ein weiteres verschmitztes Grinsen.

„Ich hätte mich auch lieber neben die zwei scharfen Mädels dort drüber gesetzt, aber man kann nicht alles haben.“ Er deutet während des Sprechens auf die Nachbarparkbank und auf zwei Mädchen, die mich extrem an Maya erinnern. Perfekt gestylt und oberflächlich. Ich ziehe eine Braue nach oben und schüttele den Kopf.

„Glaub mir, im Gegensatz zu den beiden bin ich die angenehmere Gesellschaft. Die fressen dich mit Haut und Haaren, wahrscheinlich mit all deinen Knochen. Ich hingegen quatsche nur dummes Zeug.“ Ich richte mich richtig auf und beuge mich nach vorn. Mein Gesicht bette ich in meine Hände und lausche meinen Kopfschmerzen. Sie übertönen alles. Ich bemerke, wie eine fremde Hand mein Blickfeld kreuzt und schaue hoch.

„Hi, ich bin Paul.“

„Mark. Studierst du hier?“ Ich reiche ihm meine und er schüttelt sie kräftig.

„Ja, Jura im zweitem Semester.“

„Ui“, gebe ich von mir und Paul beginnt zu lachen, „Warum machen alle dieses Geräusch, wenn ich das erzähle?“

„Die drei E´s“, sage ich kryptisch und Paul zieht eine Augenbraue nach oben.

„Energieeffizient, Energieeinsparend und voller Erneuerbaren Energien?“, fragt Paul und nun ist es an mir dämlich zu gucken.

„Ehrfurcht, Erstaunen und Entsetzen. Aber wenn du dich eher als ökologisch wertvolle Solaranlage siehst, bitte!“, antworte ich und Paul lacht weiter.

„Und du?“, fragt er mich und ich frage mich, ob es so klug ist ihm zu erzählen, dass ich nur ein armseliger, verkaterter Schüler bin. Er schiebt seine Brille nach oben und ich bin mir sehr sicher, dass er sie eigentlich gar nicht braucht. Sie ist bestimmt nur ein Accessoire.

„Ich studiere noch nicht. Ich überlege mich hier zu bewerben, aber ich bin noch nicht sicher.“ Ich sehe zu den Mädchen. Die eine blickt zu uns rüber. Ihr stark geschminktes Gesicht wirkt wie eine Maske und macht sie um etliche Jahre älter, als sie wahrscheinlich ist.

„Oh, ich kann sie nur empfehlen. Wirklich gute Dozenten und Professoren. Auch die Bürokratie funktioniert, manchmal jedenfalls. Aber vor allem die Partys. Der Hammer.“ Ich sehe zu ihm und schmunzele.

„Ja, ich weiß. Ich kenne ein paar Leute, die hier studiert.“ Genaugenommen 2. Genaugenommen ist es ein Paar.

„Für was interessierst du dich denn? Vielleicht kenne ich jemanden, den du mal ansprechen kannst.“ Nun setze ich mich interessiert auf.

„Produktdesign und Mediengestaltung“, kommt es sofort über meine Lippen und ich habe sogleich ein komisches Gefühl im Bauch. Eigentlich habe ich mich an den Gedanken gewöhnen wollen, es nicht mehr zu studieren.

„Du hast Glück. Ich kenne wirklich jemanden. Lina. Sie ist schon im 4. Semester. Sie kann dir also einiges erzählen.“ Er hebt seinen Zeigefinger in die Höhe und beginnt in seiner Tasche herumzukramen. „Hier, ich schreibe dir mal ihre Mail-Adresse auf. Sag ihr, du kommst von Paul, dann verzichtet sie auf den genervten Shitstorm, weil du sie einfach anschreibst.“ Er kramt jetzt in seiner Tasche nach einem Zettel und nach einem Stift, während ich über den Kommentar nachdenke. Irgendwann findet er einen Stift und reicht mir den beschrieben Zettel. Ich kann seine krakelige Schrift kaum lesen und als ich das Papier umdrehe, sehe ich die Reste einiger Paragraphen darauf. Ich stecke ihn in meine Jackentasche und bedanke mich. Ein Blick auf die Uhr sagt mir, dass es bereits drei Uhr ist und es wird Zeit nach Hause zu gehen.

„Gut, ich mache mich wieder auf den Weg. Hat mich gefreut.“ Ich reiche ihm meine Hand, kriege wieder einen kräftigen Shake und sehe kurz zu der Nachbarbank.

„Ach und die Blonde scheint ein Auge auf dich geworfen zu haben.“

„Verdammt, ich stehe mehr auf die Schwarzhaarige“, entflieht ihm übertrieben und ich schüttele lachend den Kopf.

„Man kann nicht alles haben.“, kommentiere ich und grinse. Ich verabschiede mich ein weiteres Mal und suche an der Bushaltestelle nach einem geeigneten Weg nach Hause. Kein leichtes Unterfangen. Es gibt Busse in alle Richtungen, aber alle Biegen vor meinem Wohnviertel ab und lassen mir einen 30-minütigen Laufweg übrig. Okay, wenn ich hier studiere, brauche ich definitiv eine Wohnung in der Nähe. Die Fahrerei würde mich wahnsinnig machen.
 

Ich brauche fast eine Stunde bis ich endlich vor unserer Haustür stehe. Als ich sie öffne, kann ich noch immer allerhand Schuhe im Flur sehen. Ich höre Stimmen in der Küche und im Wohnzimmer. Meine Mutter und ihre Schwester sitzen am Küchentisch und blätternd schnatternd in Zeitschriften. Die zwei kleinen Kinder meines Onkel Thomas wuseln um ihre Beine herum und quietschen, als sie mich durch die Tür lugen sehen.

„Da bist du, ja endlich. Wir haben dich schon vermisst“, kommentiert meine Mutter und schaut dabei immer wieder auf den Artikel, den sie liest. Vermutlich ist gar nicht aufgefallen, dass ich fehle. Ihre Aussage macht es wenig glaubwürdig und so schaue ich sie auch an. Sie winkt mich heran, als sie meinen Blick bemerkt. Ich gebe ihr einen Kuss auf die Wange und lasse mich von Tante Ellie drücken.

„Wo warst du so lange?“, hakt sie nach. Ich nehme mir eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank und klaube mir ein paar Weintrauben aus der Obstschale.

„Ich habe lange gepennt. Deine Feier war anstrengend und man kommt von Raphaels Wohnung ohne Auto schlecht hier her.“

„Hast du ihn gar nicht mitgebracht?“, fragt meine Mutter verwundert und sieht einige Essensreste durch sein Fehlen verderben.

„Nein. Er war weg als ich wach wurde und ich habe keine Ahnung, wo er hin ist“, sage ich und klinge seltsam beleidigt. Zum Glück kriegt sie es nicht mit.

„Dann ist er sicher bei seinen Eltern“, sagt sie, als wäre es klar, wie Kloßbrühe.

„Bei seinen Eltern?“

„Ja, er meinte, dass er noch einige Unterlagen benötigt, die noch bei ihnen liegen.“ Da sie nicht ausführlicher wird, nicke ich es nur ab. Mein Neffe zieht an meinem Hosenbein und ich sehe ihn an. Er reicht mir einen Bauklotz und deutet auf ein instabiles Gebilde im Essbereich zum Wohnzimmer. Ich lasse meine Hände knacken und sammele mein Wissen über Architektur zusammen. Gemeinsam bauen wir einen Wolkenkratzer, der dann unter viel Gebrüll niedergerissen wird. Oh ja, ich bin ein vortrefflicher King Kong und vor allem einer, der weiß, wie man Bananen-Pistolen benutzt. Abgesehen davon, stabilisiert die Krummfrucht meinen Blutzuckerspiegel.
 

Erst am Abend sind alle verschwunden und ich kann in Ruhe in mein Zimmer zurück. Ich lasse mich ohne Umwege aufs Bett fallen, knödle meine Decke zusammen und umklammere sie, wie ein Äffchen. Dann schließe ich die Augen. Ich bin schrecklich müde und ausgepowert. Es klopft an meine Tür. Ich murre kaum hörbar und sehe, wie meine Mutter ihren Kopf hinein steckt.

„Hey, geht es dir gut?“, fragt sie sanft und ich drehe mich wieder etwas auf die Seite, jedoch ohne meine Decke loszulassen. Sie kommt herein und setzt sich auf die Bettkante. Ich blinzele sie an und nicke.

„Wirklich?“, hakt sie nach. Sie kennt mich zu gut.

„Ja, wirklich. Ich habe nur ein wenig Kopfschmerzen. Thomas hat mich gestern abgefüllt.“ Nun, da mein Onkel nicht mehr da ist, kann ich es zugeben.

„Oh, na dem werde ich beim nächsten Treffen die Hölle heiß machen“, sagt sie energisch und ich muss lachen.

„Nein, nein. Er kann nichts dafür. Ich habe nicht ´Nein´ gesagt. Es ist meine eigene Schuld. Ich hab auch zu viel rumgetobt“ Sie lächelt wissend und sanft. Zärtlich streicht sie mir eine verirrte Strähne von der Stirn. Danach greift sie in ihre Hosentasche und zaubert eine Kopfschmerztablette hervor. Ich sehen sie dankend an.

„Vielen Dank, dass du gestern so schön geholfen hast und wir dein Zimmer benutzen konnten. Ich liebe das Bild.“, bedankt sie sich, nimmt mich in den Arm und lächelt.

„Gern, aber einmal groß feiern im Jahr reicht vollkommen!“ Wieder perlt ein Lachen über ihre Lippen. Ich mag es, wenn sie lacht. Sie hat lauter kleine Lachfalten um die Augen und wirkt dabei trotzdem, wie ein Teenager. Sie haucht mir einen Kuss auf die Stirn und lässt mich allein.
 

Ich schlafe früh ein und lange durch. Ich träume von Raphael und erwache am nächsten Morgen mit einem seltsamen Gefühl in der Brust. Wir müssen unbedingt miteinander reden. Wir müssen das klären. Ich muss es klären, sonst lässt es mir keine Ruhe mehr. Meine Eltern sind bereits weg als ich nach unten komme und erst jetzt fällt mir wieder ein, dass Maya die ganze Woche auf Klassenfahrt ist. Ich werde Raphael nur in der Schule beim Training sehen.

Ich treffe Shari direkt am Bus. Sie wartet auf mich und lächelt bezaubernd.

„Olá, welche Zauberfee hat dich denn heute Morgen wach geküsst?“

„Namasté und es war keine Fee, sondern der verzauberte Frosch, der immer vor meinem Bett sitzt.“, kommentiert sie prompt. Ich hebe fragend eine Braue, doch Shari hängt sich nur an meinen Arm und zieht mich summend zur Schule. Wenigstens sie scheint ein erhellendes Wochenende gehabt zu haben, denn sie strahlt mit der Sonne um die Wette. Obwohl ich sie mehrfach von der Seite anstarre, regt sie sich nicht. Jetzt will ich es erst Recht wissen.

„Okay, Grinsekatze, kläre mich auf, sonst kriegst du nachher kein Mittagessen.“ Ich halte sie zurück und statt bei meiner Drohung zu erzittern, wird ihr Grinsen nur noch bereiter.

„Andrew hat sich meine Nummer besorgt und wir haben uns das ganze Wochenende geschrieben“, platzt es aus ihr heraus und würde ich sie nicht am Arm festhalten, würde sie vermutlich abheben. Ich bin davon ausgegangen, dass Andrew ihre Nummer schon wegen des Bioprojekts hatte. Anscheinend war dem nicht so. Ihre strahlenden Augen sind ein Hingucker und ihre Freude und Zuversicht wegen ein paar geschriebener Worte kitzelt meinen Beschützerinstinkt. Ich versuche ihn zu verdrängen und mehr Informationen aus ihr herauszubekommen.

„Schreibt er dir versaute Sachen?“, frage ich frech und kriege eine geboxt. Direkt gegen die lädierte Stelle an meiner Brust. Ich zucke leicht zusammen und ächze.

„Natürlich nicht. Er hat mir geschrieben, wie schön er mich im Sari findet und er findet es gut, dass ich meine Traditionen ehre“, klärt sie mich auf.

„Ich freue mich schon darauf, wenn du ihn deinen Vater vorstellst. Mal sehen, wie toll er die Traditionen dann findet.“ Sie boxt mich erneut. Diesmal tut es richtig weh.

„Aua“, keuche ich theatralisch, bekomme aber kein Mitleid.

„Du! Doof!“

„Entschuldige. Ich freue mich, dass er dir so nette Sachen schreibt. Ich bin nur beleidigt, weil du dich nie so freust, wenn ich dir sage, wie hübsch du in deinen Saris aussiehst.“ Und ich sage ihr das oft. Sie blickt zu mir auf und nimmt mich in den Arm. Sie schlingt ihre Arme um meinen Bauch und drückt sich an meine lädierte Brust. Ich kneife die Augen zusammen,

„Natürlich freue ich mich, wenn du das sagst.“ Sie lächelt, drückt mich noch fester und ich gebe ihr gespielt beleidigt zu erkennen, dass ich noch immer eingeschnappt bin. Shari lässt es kichern.

„Ich trage sie eigentlich auch nur, weil ich dann von euch immer so schöne Komplimente bekomme.“

„Perfide.“ Ich setze meinen überraschten Blick auf.

„Ich manipuliere mit meinen Saris eure Stimmung. Noch nicht gemerkt?“ Ich sehe sie verwundert an.

„Rot soll eure Leidenschaft wecken, Violett euer Unterbewusstsein kitzeln, das Rosa eure romantische Seite hervorholen und weiß meine Unschuld hervorheben. Nur ein paar Beispiele meiner ausgebufften Manipulation!“, fährt sie fort. In ihrer Stimme schwingt etwas mit, das ich noch nie gehört habe. Das feine Lächeln auf ihren Lippen ist fast mystisch und erst ihr herzhaftes Lachen transportiert mir die Scherzhaftigkeit, die sie ausdrucken will. Ich bin perplex.

„So, so die Saris sind nicht nur hübsch, sondern dein Mittel zur Manipulation. Ich wiederhole mich, aber: Perfide.“

„Sozusagen. Sie sind, aber nicht mal unbedingt bequem, Mark. Ich muss ständig schauen, dass nicht irgendwo etwas rausguckt oder verrutscht.“ Sie setzt ihr heiteres Glucksen fort und ich genieße die gelockerte Stimmung. Shari zaubert stets ein Lächeln auf meine Lippen.

„Wie war die Geburtstagsfeier? Hast du einen Schlafplatz gefunden oder hast du dich wirklich im Heizungskeller versteckt?“, fragt sie mich und wir setzen unseren Weg fort.

„Gut. Viele Menschen. Viel getrunken und ich habe mit den Nichten und Neffen rumgealbert. Endlich wieder Unsinn machen und Kind sein“, schwärme ich.

„Als ob, du dafür deine Nichten und Neffen brauchst“, kontert sie und zieht eine ihrer fein gezupften Augenbrauen nach oben, während ich ihr die Zunge herausstrecke.

„Ich bin erwachsener als du glaubst.“

„Natürlich!“, erwidert sie überzeugend und lächelt. Ich glaube ihr kein Wort.

„Und das Schlafproblem?“ Ich zögere als sie mich danach fragt und weiß nicht wieso. Sie würde sich nichts dabei denken können und doch ist es mir unangenehm darüber zu sprechen. Die Bilder des Abends tauchen vor meinen inneren Augen auf. Sein nackter bebender Körper. Der verklärte Blick und nur der Gedanken an die Geräusche, die er gemacht hat, verursachen mir eine wohltuende Gänsehaut. Sie zieht sich über meinen kompletten Hals bis zu den Zehen. Es kribbelt. Shari beobachtet mich.

„Mark?“

„Hm?“ Ich bin in Gedanken versunken. Sie piekt mir gegen den Hals. Ich werde etwas rot, reibe mir über die Stelle und versuche mich zu sammeln.

„Wo warst du gewesen?“, fragt sie erneut.

„Bei Raphael. Er hat eine eigene Wohnung und Maya blieb bei einer Freundin.“

„Oh, das ist doch gut. Ihr versteht euch doch und er ist wirklich total lieb“ Und wie wir uns verstehen. Shari hat mit allem Recht, doch das macht es wesentlich schlimmer.

„Ja, aber er ist der Freund meiner Schwester“, sage ich fast deprimiert und mit einem bedrückten Unterton. Shari horcht auf.

„Warum sagst du, dass so seltsam?“, fragt sie mich und ich stocke. Bevor ich etwas antworten muss, klingelt es zum Unterricht. Ich halte den Atem an. Für einen kurzen Moment schaut sie forschend. Ihr Blick scheint mich zu durchdringen, doch dann verabschiedet sich Shari zu ihrer Stunde.

„Hasta la vista, baby“, rufe ich ihr nach und mache den Terminator. Ich atme erst richtig aus, als sie weg ist und trotte dann in meinen Unterricht

In den Pausen mache ich mich rar und sitze bis zum Ende in meinem Versteck auf der Tribüne. Ich denke an das Foto zurück und seufze. Ich stehe kurz auf und setze mich dann gleich wieder hin. Drei Anläufe brauche ich um wirklich nach Hause zu gehen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Kari06
2014-08-27T20:23:02+00:00 27.08.2014 22:23
Okay Raphael benimmt sich jetzt schon ein wenig kindisch. Ich an Marks Stelle würde mich jetzt demonstrativ mit Jake treffen und dafür sorgen das Raphael es auch mit bekommt...ich weiß ist auch irgendwie kindisch aber egal ;P
Antwort von:  Karo_del_Green
27.08.2014 22:30
Guter Plan! Irgendwie^^
Ich kann nur sagen, dass Mark das nicht auf sich sitzen lassen wird ;)

Hab vielen lieben Dank für deinen Kommies <3
Antwort von:  Kari06
27.08.2014 22:34
Will hoffen das er das nicht auf sich sitzen lässt...so eine Behandlung hat er nämlich echt nicht verdient.
Antwort von:  Karo_del_Green
27.08.2014 22:50
Irgendwie tut mir das ganze Hickhack schon irgendwie Leid.
Ich befürchte, ich habe damals beim Schreiben zuviele britische Soapoperas gesehen XD
Gut, das entschuldigt es auch nicht.
Antwort von:  Kari06
27.08.2014 23:08
Ist dieses Hin und Her etwa in britischen Soaps genauso schlimm wie in Deutschen?Echt überall das Gleiche :D
Antwort von:  Karo_del_Green
27.08.2014 23:09
Ja, ist schrecklich, aber was tut man nicht alles für die Spannung. Ist zum Haareraufe ;)
Von:  ellenorberlin
2014-08-27T20:11:46+00:00 27.08.2014 22:11
na da hätt er sich ja fast vor Shari verplappert :)
Antwort von:  Karo_del_Green
27.08.2014 22:19
hihi^^
ja, einbisschen! Ich weiß ja auch nicht, was er sich immer dabei denkt XD Kleiner Scherz :D

lieben Dank für deine Kommies <3


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