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Old Friends

Nur gemeinsam sind wir unbesiegbar
von

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Zwischenstopp mit Streitereien

Gemeinsam steuerten sie eine Pension an, natürlich war Tiedoll, wie damals auch, so geizig, dass er nur ein Zimmer mit zwei Betten buchte.

„Jammert nicht. Wenn ihr ein Bett mit einer Person teilt, die ihr mögt, schläft es sich gleich angenehmer.“, erklärte der General gleich, als er den Zimmerschlüssel entgegen nahm.

„Aber nicht so!“, brüllte Kanda fast.

„Kaede-chan schläft bei mir und du teilst dir das Bett mit Marie.“, beschloss Tiedoll und packte den Rucksack seiner Ziehtochter.

Marie nickte.

„Fall du mir noch in den Rücken.“, zischte der junge Mann wütend und stapfte zuerst in das Zimmer.

Das Mädchen legte sich ins Bett, die Reise und der gestrige Kampf zehrte sehr an ihren Kräften. Sie schlief schnell ein.

„Kaede-chan, wenn du jetzt schläfst, verpasst du das Abendessen.“, murmelte der Grauhaarige und wollte das Mädchen gerade wecken, als Kanda seinen Arm packte.

„Lass sie. Sie hat die letzten Nächte kaum geschlafen und die Sache mit Daisya hat sie auch noch ziemlich mitgenommen.“, erklärte er und zog den General zu sich.

„Hm? Woher weißt du das denn so genau?“, fragte der ältere Herr mit einem verschmitzten Grinsen. Der Dunkelhaarige gab ihm eine Kopfnuss und zischte genervt, als er ihn aus dem Zimmer schob.
 

Er hatte immer gehofft, dass Kaede mit einem seiner Studenten zusammen kommen würde.

Marie war zu alt.

Daisya und sie haben sich ständig wie Geschwister gezankt, auch wenn Marie sie als altes Ehepaar bezeichnete.

Und Kanda war ein unnahbarer Eisklotz.
 

Er seufzte schwer, als er von dem Schwertkämpfer auf einen Stuhl gedrückt wurde.

„Wenn du schon beim Zimmer so geizig warst, kannst du wenigstens beim Abendessen spendabler sein.“, ächzte er, als er sich ihm gegenüber hinsetzte.

Aber da hatte er sich zu früh gefreut. Tiedoll bestellte das günstigste Gericht, dass es auf der Speisekarte gab und das bestand aus einem einfach belegten Brot.

„Könnten Sie bitte noch ein viertes einpacken. Das ist für meine kleine Tochter, die sich vorhin hingelegt hat.“, bat er die Bedienung noch. Kanda verdrehte genervt die Augen, sie waren keine kleinen Kinder mehr.

„Dann lasst es euch schmecken.“, sagte er lächelnd und schob sie die Brotstücke genüsslich in den Mund.
 

„Ach, Papa. Du kannst den Männern, nach einem harten Kampf, doch kein einfaches Stück Brot zum Essen geben.“, hörten sie die mosernde Stimme des Mädchens.

Sie sollte lieber im Bett bleiben, als bei ihnen zu sein, da sie immer noch blass aussah. Aber das konnte Kanda schlecht vor den Anderen sagen.

Kaede setzte sich an den einzig freien Platz, neben Kanda und schnappte sich die Speisekarte.

„Kaede-chan, du solltest dich lieber wieder hinlegen.“, ermahnte Tiedoll die Exorzistin. Sie schüttelte nur den Kopf.

„Schlafen kann ich später, ich will viel lieber die Zeit mit euch verbringen.“, erklärte sie und lächelte.

„Guten Abend, was kann ich Ihnen bringen?“, fragte die Bedienung aufmerksam.

„Der schlecht gelaunte Typ neben mir bekommt das Steak mit Kartoffeln, der Große bekommt einen griechischen Salat und das Hühnergericht mit Reis und mir bringen Sie bitte eine schön große Schüssel mit Obstsalat.“, Kaede zählte alle Bestellungen auf und erhielt genervte Blick von dem Schwertkämpfer, als sie ihn als „schlecht gelaunten Typ“ bezeichnete.

„Stimmt etwas nicht? Möchtest du lieber etwas anderes essen?“, fragte sie, als sie seine genervten Blicke ihr gegenüber bemerkte.

„Nein, schon gut.“, murmelte er nur. Manchmal fragte er sich, wie sie sich all die Speisen merken konnte, die Marie, Tiedoll oder er gerne aßen.

Kaede lächelte der Bedienung zu und reichte ihr die Speisekarte.
 

„Und deinen Papa hast du vergessen?“, fragte Tiedoll erschrocken.

„Wieso? Du hattest doch dein Brot. Yuu und Marie so schlafen zu schicken, kann ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren.“, erwiderte sie frech und lehnte sich in den Stuhl zurück.

Für Daisya hätte sie wohl die Hamburger bestellt, würde er mit ihnen am Tisch sitzen und starrte betrübt vor sich hin.

„Kaede. Daisya ist jetzt bei Gott und dort wird es ihm gut gehen. Bestimmt lacht er über das Gesicht, dass du wegen ihm machst.“, versuchte Marie das Mädchen aufzumuntern.

Das Mädchen blickte beleidigt zu ihm.

„Dann kann er ja froh sein, keine Ohrfeige mehr von mir zu bekommen.“, moserte sie und schmollte.

„Wenn es denn nur eine einfache Ohrfeige wäre.“, fügte Kanda noch leise hinzu. Tiedoll prustete, sah sie aber wieder entschuldigend an, als sie ihm einen giftigen Blick zu warf.

„Du bist aber in einer tollen Verfassung, bist du auf Streit aus?“, erwiderte Kaede gespielt verärgert und wollte ihm gerade in die Wange kneifen, als er ihren Arm packte.

Die Dunkelhaarige wunderte sich über seinen plötzlichen Stimmungswechsel und sah ihn fragend, aber auch etwas besorgt an. Er stand auf und verließ die Pension.

Kaede blickte fragend zu Marie und Tiedoll, als Letzterer aufstehen und ihm nachgehen wollte.

„Warte, Papa. Lass mich das lieber machen, du machst es vielleicht nur schlimmer.“, flüsterte sie dem alten Mann zu, hielt ihn vom gehen ab und verließ die Pension um dem jungen Mann zu folgen.

Er stand nur wenige Meter vom Eingang weg und lehnte gegen die Hauswand.
 

„Yuu, komm wieder hinein. Es ist doch kalt.“, sagte Kaede, als sie zu ihm lief.

„Ich will bei eurer Farce nicht mitmachen.“, murmelte er wütend.

„Wie? Wieso Farce?“, fragte sie und sah ihn verdutzt an.

„Daisya ist tot und ihr habt nichts besseres zu tun, als die Sache herunterzuspielen!“, erklärte er zornig.

Kaede ohrfeigte ihn, es war das erste Mal, dass sie das Kanda gegenüber tat. Er sah sie wütend an, aber diese Wut verflog, als er ihre Tränen sah.

„Ich habe Daisya wie einen Bruder geliebt, ich würde es niemals wagen seinen Tod auch nur im Entferntesten herunterzuspielen. Aber Marie hat auch Recht, wir können ihm nicht ewig hinterher trauern. Wir sind Exorzisten und ich kann mir vorstellen, dass er darüber sogar glücklich ist, diesen schrecklichen Albtraum nicht mehr miterleben zu müssen!“, schrie sie zurück, soweit ihr das mit einer heiseren Stimme möglich war.

Kaedes Beine gaben ihrem Gewicht nach, da sie keine Kraft mehr hatte länger zu stehen und versteckte ihr Gesicht hinter ihren Händen.

Der junge Mann zog seine Jacke aus, legte diese um ihre Schultern und nahm sie in seine Arme. Ohne es bewusst zu wollen lagen seine Arme um sie und drückten das weinende Mädchen an seinen Körper.

Ihm wäre nie in den Sinn gekommen, dass sie unter den Kämpfen so sehr leiden würde. Gerade die Kaede, die ihm damals mehrfach versicherte, die ultimative Waffe für den Orden zu werden.
 

Deswegen ließ er niemanden an sich heran. Familie, Freunde, Liebe. All das machte einen verwundbar und schwach.

Und trotzdem hielt er gerade dieses Mädchen aus seiner Kindheit in seinen Armen und tröstete sie.

Seine erbaute Mauer zeigte zahlreiche tiefe Risse.

„Kaede?“.

Sie sah fragend zu ihm hinauf, Kanda sah sie unentschlossen an.

„Wenn wir uns nie kennengelernt hätten, wenn du Tiedoll niemals getroffen hättest und nie die europäische Abteilung betreten hättest. Was für ein Leben würdest du jetzt führen?“, fragte er schließlich. Obwohl er sich vorstellen könnte, wie sie heute wäre, wollte er es lieber von ihr selbst hören.

Das Mädchen strich sich die Tränen aus dem Gesicht und überlegte kurz.

„Wenn ich den Unfall überlebt hätte, wäre die Welt leer und kalt. Ich weiß worauf du hinaus willst. Glaubst du wirklich, dass mir all das nichts ausmachen würde, wenn ich ein schreckliches Monster geblieben wäre? Wenn ich mein Ziel, des ultimativen Kriegers für den Orden, nicht aus den Augen verloren hätte?“, fragte sie zurück.

„Ich bin erschrocken, wie schlecht du mich nach neun langen Jahren einschätzt.“, schimpfte sie fast.

„Idiot! Ich will mir gar kein anderes Leben vorstellen. Ich bin froh, dass du mich aus dem Labor befreit hast. Ohne dich, hätte ich all die schönen Momente mit Vater, Marie und Daisya verpasst. Ohne dich, hätte Papa mir nicht beibringen können, wie ich mein Innocence kontrolliere. Ohne dich, hätte ich dieses wundervolle Leben nicht.“, erklärte sie, den letzten Satz flüsterte sie so leise, dass er kaum hörbar war und errötete.

„Das wird doch nicht etwa eine Liebeserklärung?“, murmelte Kanda erschrocken, darauf war er nicht gefasst. Die Dunkelhaarige drückte ihn von sich und sah ihn wütend an.

„Tut mir leid, aber ich stehe nicht auf wandelnde Eisklötze!“, keifte sie und lief wieder in die Pension hinein.

Da müsste sich Kanda aber mehr ins Zeug legen, ehe sie ihm jemals ihre Liebe gestehen würde. Was dachte sie da gerade? Sie war doch nicht in diesen unsensiblen Typen verliebt.
 

„Geht es Ihnen gut, Miss? Sie sind so rot im Gesicht.“, fragte die Rezeptionistin besorgt.

Sie wollte gerade antworten, als die Tür sie zur Seite stieß, da sie dort noch stehenblieb. Der Schwertkämpfer betrat den Eingangsbereich und erblickte das Mädchen.

Kaede sah ihn entgeistert an und trat die Flucht ins Restaurant. Das Essen stand bereits auf dem Tisch und war vermutlich schon kalt, zumindest Kandas.

Sie brauchte dringend den Obstzucker, um sich wieder zu beruhigen. Der junge Mann setzte sich ebenfalls auf seinen Platz und schlang das Gericht hinunter, ehe er sich entschuldigte und schon auf das Zimmer ging.
 

„Das war aber eine ganz schön lange Diskussion.“, lachte Tiedoll, wurde aber direkt von genervten Blicken seiner Ziehtochter durchbohrt.

Diese rief direkt nach der Bedienung, um das Essen zu bezahlen. Als sie die Rechnung erhielt, fiel ihr auf, dass sie ihren Geldbeutel gar nicht dabei hatte.

„Entschuldigen Sie mich für einen Moment, ich habe das Geld auf dem Zimmer vergessen. Papa, Marie wartet ihr dann noch kurz.“, erklärte sie und lief in den zweiten Stock, um das Geld aus ihrer Tasche zu holen.

Das Mädchen schlich leise ins Zimmer, da sie den jungen Mann bereits im Bett liegen sah und ihn nicht unnötig aufwecken wollte.

„Mann, wo ist es denn schon wieder?“, fluchte sie leise, als sie den Rucksack zum dritten Mal durchwühlte und nach dem Fund den Geldbeutel triumphierend in die Luft hielt. Ehe sie sich versah, wurde es ihr aus der Hand gerissen.

„H-Hey! Gib es wieder her.“, entgegnete Kaede, als sie sah, dass Kanda es in seiner Hand hielt.

„Ich lasse mich nicht von Frauen einladen.“, erklärte er. Nun wurde ihr klar, dass er, bei ihrem Gespräch draußen, ihr Portemonnaie an sich nahm.

„Aber Papa hat euch nur mit einem einfachen Brot abgespeist, ihr braucht doch etwas Richtiges zu essen.“, erwiderte sie.

„Deswegen werde ich es bezahlen.“, antwortete er.

„Das kommt gar nicht in Frage, gib mir mein Geld zurück.“, moserte sie und versuchte, das kleine Täschchen aus seiner Hand zu reißen, wenn er es nicht in die Höhe hielt. Er nutzte seine Größe aus.

„Das ist unfair, Yuu.“, schimpfte Kaede und sah ihn verärgert an.

Wie ein trotziges Kind kletterte sie auf sein Bett und versuchte das Täschchen so aus seiner Hand zu reißen, aber er war natürlich nicht nur größer, sondern auch kräftiger. Es war ein leichtes für den jungen Mann sie zurückzuhalten.

„Du bist so gemein!“, zeterte sie, als sie sich auf die Zehenspitzen stellte und das Portemonnaie beinahe erreichte.

Die Bettdecke rutschte zu Boden, damit verlor Kaede den Halt und nicht nur sie fiel auf das Bett zurück. Etwas Schweres lag auf ihr, als sie die Augen öffnete, sah sie direkt in die braunen Augen des Schwertkämpfers. Das Schwere war Kanda, der nun auf ihr lag. Nur wenige Zentimeter trennten ihre Gesichter voneinander, beide sahen sich erschrocken an.
 

„K-Kann ich jetzt mein Geld wieder haben?“, fragte sie schüchtern.

„Nein, bleibt Nein.“, erwiderte er genervt und kletterte von dem Mädchen hinunter.

„Sei nicht so ein blöder Dickkopf!“, rief die Dunkelhaarige verärgert.

„Wer ist hier der Dickkopf? Wenn du einfach mein Angebot angenommen hättest, wäre das eben nicht passiert.“, zischte er und steckte das Portemonnaie wieder in ihre Tasche.

„Du bist ein Blödmann!“, schimpfte sie noch, als er gerade das Zimmer verließ. Schmollend legte sie sich in ihr Bett, immer musste er seine Meinung durchsetzen, als wäre sie ein kleines Kind.
 

Kurze Zeit später betraten alle Männer gemeinsam das Zimmer und machten sich Schlaffertig.

„Kaede-chan? Schläfst du schon?“, hörte sie Tiedoll fragen.

„Nein.“, murmelte sie immer noch beleidigt. Seufzend setzte er sich neben sie und strich ihr behutsam über den Kopf.

„Sei ihm nicht böse.“, versuchte er das Mädchen zu beschwichtigen und lachte leise.

Sie antwortete nichts, schmollte nur weiter und drehte sich von dem General weg. Aber neben ihnen war das zweite Bett und sie blickte direkt zu dem Asiaten, während dieser sich hinlegte.

Kaede mochte ja seine direkte Art, bei ihm konnte man wissen woran man ist. Aber er hatte auch ein Händchen dafür schöne Momente einfach zu zerstören.

Grummelnd schloss sie ihre Augen.

Kanda warf noch einen kurzen Blick zu dem alten Mann, der nur resigniert mit den Schultern zuckte und sah danach zu dem Mädchen, die ihre Augen geschlossen hatte und versuchte zu schlafen. Also tat er dasselbe.

„Schlaft gut, Kinder.“, flüsterte Tiedoll noch, ehe er sich ebenfalls hinlegte.
 

Am nächsten Morgen stand der General als erster auf und wollte seine Kinder mit einem schönen Frühstück auf dem Zimmer überraschen.

Leisen Schrittes betrat er dieses wieder, diesmal mit einem vollen Tablett in den Händen und stellte es auf der Kommode ab, als er Kaede leise stöhnen hörte. Verwundert blickte er zu ihr und sah, wie sie sich von der einen Seite zur anderen wälzte und undefinierbare Dinge murmelte.

„Kaede-chan, wach auf.“, flüsterte er ihr zu und versuchte sie vorsichtig aufzuwecken.

„N-Nein. Yuu, Marie … Papa.“, sagte sie nun klarer.

„Kaede-chan.“, flüsterte er weiter, er wollte seine anderen Schüler nicht aufwecken.

„Nicht!“, schrie sie und schreckte auf. Dabei verpasste sie Tiedoll einen Schlag mit ihrem Kopf, noch nicht realisierend, dass sie nur geträumt hat. Kaede starrte angsterfüllt vor sich und atmete schwer, sie zitterte noch, weil dieser Traum sich so real anfühlte.

Erst als sich die Kopfschmerzen bemerkbar machten, erkannte sie, dass sie noch in dem Hotelzimmer war und niemand zu Schaden kam.

Außer dem General.

„Mh, was zur Hölle?“, murmelte sie, als sie sich vor Schmerzen an den Kopf fasste und den alten Mann mit einer schönen Beule neben sich erblickte.

„D-Du hast schlecht geträumt, Kaede-chan.“, räusperte sich Tiedoll und rieb ebenfalls über die schmerzhafte Stelle an seiner Stirn.

Sie blickte zu ihren Kameraden und sah sie in ihrem Bett selig schlafen. Ihr Anblick machte sie so unglaublich glücklich, dass sie ihre Tränen nicht länger zurückhalten konnte.

„K-Kaede-chan! Weine doch nicht!“, flüsterte er hilflos und nahm das Mädchen in seine Arme.

Die Exorzistin hatte schreckliche Angst davor, dass den Anderen ihrer Einheit dasselbe wiederfährt wie Daisya. So wie sie eben davon geträumt hat.
 

„General? Ist alles in Ordnung?“, fragte Marie, als er sie weinen und die beruhigenden Worte seines Meisters hörte.

„Ja, ich denke schon.“, erwiderte er und seufzte. Zu gerne würde er wissen, was für ein Traum das war, dass er sie so mitnahm.

„Kann man nicht einmal in Ruhe schlafen.“, meldete sich nun auch Kanda genervt zu Wort und warf einen wütenden Blick zu seiner rechten, als er etwas aufschreckte.

Er hatte sie schon so oft weinen gesehen, aber so, so verängstigt und verloren, hatte er sie noch nie zu Gesicht bekommen.

Irgendetwas in ihm rief ihm zu, sie in seine Arme zu nehmen, zu trösten und ihr die Angst zu nehmen. Aber sein Verstand sagte ihm Gegenteiliges.

„Tche.“, gab er nur knapp von sich und lief überfordert ins Badezimmer.
 

Der junge Mann wusch sich sein Gesicht mit kaltem Wasser und sah sein Spiegelbild vor sich wütend an. Er verstand nicht was in der letzten Zeit mit ihm los war.

Über die Jahre hat er erfolgreich eine Mauer um sich aufbauen können, Kanda wollte niemanden an sich heran lasen.

Niemanden!

Auch nicht diese schreckliche Nervensäge.

Seufzend drehte er das Wasser der Dusche auf und betrat diese, nachdem er seine Kleidung abgelegt hatte. Eine schön kalte Dusche würde seinen Kopf wieder abkühlen und seine Gedanken klären.
 

„Ist alles wieder gut?“, fragte der alte Mann, als sich Kaede allmählich beruhigte.

„Hm.“, erwiderte sie nur knapp und wischte sich ihr Gesicht trocken. Ein kurzer Blick zu Marie, ließ ihr ein erleichtertes Lächeln wieder auf die Lippen zaubern.

Es war nur ein dummer Traum, nichts weiter, dachte sie.

„Ich geh dann mal ins Bad und wasch mir lieber das Gesicht.“, lachte sie verlegen, als sie aufstand und zu besagter Tür ging.

Sie hatte die Türklinke bereits in der Hand, als sich Tiedoll zu Wort meldete.

„Kaede-chan, das Bad ist-.“, fing er zuerst an, unterbrach sich aber vor Schreck, als sie die Tür öffnete obwohl der Raum noch besetzt war.

Ihr Herz blieb vor Schreck stehen, als der Schwertkämpfer, mit nur einem Handtuch um die Hüften bekleidet, vor ihr stand. Er trocknete sich gerade die Haare ab, als er fragend zu dem Störenfried blickte und selbst erschrak.

Wie konnte er nur vergessen die Tür abzuschließen, fragte er sich und fluchte leise.

„Ah, ich wollte-.“, fing Kaede stammelnd an, sie konnte ihren Blick nicht von ihm abwenden.

„Du wolltest wieder verschwinden!“, brüllte Kanda und schmiss das Mädchen hinaus, als er die Tür zuschlug und diesmal auch abschloss.
 

„W-Wieso habt ihr nichts gesagt?“, schimpfte sie, als sie zu den verbliebenen Männern im Zimmer blickte.

„Wer hätte denn ahnen sollen, dass dieser Idiot vergessen hat abzuschließen.“, erwiderte Tiedoll entrüstet.

Aufgeregt packte sie ihre Jacke und flüchtete aus dem Zimmer.

Wie peinlich, dachte sie und würde sich am liebsten in ein tiefes Loch verkriechen und nie wieder mehr hinauskommen.
 

Ziellos streifte Kaede durch die Straßen, um sich zu beruhigen. Sie stand wieder vor der Pension, als ihr auffiel, dass es nicht die ist, in der sie übernachtet haben.

Wütend machte sie kehrt und versuchte den richtigen Weg zu finden, aber je weiter sie ging, desto mehr verlief sie sich.

Mit einem tiefen Seufzer blickte sie in den, mit dunklen Wolken durchzogenen, Himmel.

„Du lachst bestimmt wieder darüber, dass ich mich verlaufen habe. Nicht, Daisya?“, murmelte sie.

„Vielleicht könntest du mir irgendwie dabei helfen, den richtigen Weg wiederzufinden.“, fügte sie noch hinzu und wartete einen Moment.

„Oder auch nicht.“, gab sie niedergeschlagen von sich, als nichts passierte.

Kaede wollte gerade den linken Weg einschlagen, als sie aus der anderen Richtung einen, ihr nur zu bekannten Schrei, vernahm.

„Akuma!“, fluchte sie und folgte den Lauten. Hoffentlich würden nicht zu viele Menschen zu Schaden kommen.
 

Als sie den Ort des Geschehens betrat, schreckte sie direkt etwas zurück.

Vier Akuma, davon zwei der zweiten Klasse und sie allein.

Kaede versuchte sich etwas zu beruhigen und einen klaren Gedanken zu fassen. Sie müsste nur so viel Schaden wie möglich abwenden und Zeit schinden, bis ihr Team hier ist. Früher oder später würden sie die Akuma bemerken, solange müsste sie nur durchhalten.

Als die Akuma gerade einige Einwohner angreifen wollten, aktivierte sie schließlich ihr Innocence.

„Tozansho! Innocence erwache!“, rief sie und beschwor eine pyramidenähnliche Barriere um sich und die Akuma und schirmte sie damit von der „Außenwelt“ ab.

„Lauft! Schnell!“, rief Kaede den Bewohnern zu, als sie gerade einem Angriff auswich. Sie brauchte Platz zum kämpfen, sonst könnte sie direkt ihr Todesurteil unterschreiben. Nachdem der letzte Bewohner den Marktplatz verließ, konnte sie die Barriere auflösen und ihren Angriffen besser ausweichen.

Auf dem Weg durch die Straßen der kleinen Stadt verteilte sie ihre Papiertalismane, während die Akuma das Mädchen verfolgten.

Mit einem Sprung wich sie weiteren Angriffen aus und blieb in einer Seitengasse in Deckung.

„Sai!“, rief sie laut, als die Dämonen sich über ihren Talismanen befanden.
 

Dadurch, dass die Papierstücke zentriert waren, addierten sich die Druckwellen zu einer großen und hielt die Monster nur kurz auf.

Allmählich verließ sie der Mut und vor allem die Ausdauer, für diese Akuma bräuchte sie eine bessere Synchronisationsrate mit ihrem Innocence, aber sie hatte diese nicht.

Kaede lief weiter durch die Straßen und warf immer wieder einen Blick nach hinten zu den Akuma, die ihr dicht an den Fersen waren.

Als sie wieder nach vorne sehen wollte, lief sie in jemanden hinein und wurde durch den Aufprall beinahe zurückgestoßen, wenn sie nicht festgehalten wurde.

Erschrocken blickte sie zu der Person und erkannte Marie.

„Was schleppst du da mit dir herum, Kaede.“, fragte Kanda genervt, als er die Akuma erblickte.

„Bekannte, denen ich in die Arme gelaufen bin und nicht mehr von mir ablassen wollen.“, lachte sie erleichtert und wurde von dem Braunhaarigen schützend hinter sich geschoben.

„Dir ist aber nichts passiert, oder?“, fragte der General besorgt, als er sie schwer atmen sah.

„Es ist alles in Ordnung, außer dass ich gerade einen halben Marathon hinter mich gelegt habe.“, antwortete sie mit einem gequälten Lächeln und versuchte ihre Atmung zu stabilisieren.
 

Obwohl zwei Klasse-Zwei Akuma dabei waren und der Kampf damit nur in die Länge gezogen wurde, ging das Team ohne weitere Verletzungen siegreich hervor.

Sie blickte zufrieden zu ihrer Einheit, als ihre Sicht verschwamm und sie schließlich in Ohnmacht fiel.

„Kaede-chan?“, rief er besorgt nach ihr, als sie von Marie auf den Rücken gehoben wurde und Kanda ihr einen Talisman aus der Hand nahm.

Tiedoll stieß einen tiefen Seufzer aus und schüttelte verständnislos den Kopf, als er das Papierstück in der Hand seines Schülers erkannte.

„Was ist das für eine Formel?“, fragte er, als er ihm das Papierstück reichte.

„Das ist die Formel für Tozansho, ihre mächtigste Barriere. Dieses Kind, dass sie die Angriffe von vier Akuma damit abwehrte.“, erklärte er und schüttelte weiter den Kopf.

„Kein Wunder, dass sie jetzt erschöpft ist.“, fügte er murmelnd hinzu und strich dem Mädchen die langen Haarsträhnen aus dem Gesicht.
 

Ein lautes Pfeifen weckte Kaede aus ihrem tiefen Schlaf, fragend sah sie sich um und sah, dass sie sich in einem Zug befand. Der Sitz neben ihr war leer und ihr gegenüber saß Marie.

„Marie? Wo sind Yuu und Papa?“, fragte sie etwas verschlafen.

„Laufen im Zug herum, weil sie nicht still sitzen können. Fühlst du dich wieder fit?“, beantwortete er zuerst die Frage des Mädchen und stellte danach seine.

„Hm, schon.“, erwiderte sie und streckte sich.

„Wo fahren wir überhaupt hin?“

„Nach Japan. Der General will nach neuen Schülern suchen.“, erklärte er lächelnd.

„Ich gehe mal nach ihnen schauen, vielleicht kommt mir noch ein Kaffeeverkäufer entgegen. Soll ich dir dann einen Kaffee mitbringen?“, fragte sie noch nach.

„Gerne.“, erwiderte er und hörte, wie sie das Abteil verließ.
 

Auf dem Weg durch die Waggons traf sie wie erhofft auf einen Kaffeeverkäufer, aber direkt hinter ihm erblickte sie Kanda.

Kaffee oder Kanda, überlegte sie hin und her.

Mit einem schelmischen Lächeln unterdrückte sie ihr Innocence und deutete dem Verkäufer, zwei Becher Kaffee haben zu wollen.

„Ihr Rückgeld, vielen Dank.“, hörte Kanda die Stimme des Verkäufers neben sich und starrte weiterhin aus dem Fenster.

„Hier bist du.“, hörte er hinter sich und sein Blick verfinsterte sich direkt. Wie sehr er es hasste, wenn sie sich von hinten an ihn anschlich.

„Schau nicht so.“, lachte Kaede und stellte sich neben ihn. Der junge Mann erblickte zwei Becher in ihren Händen und wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Landschaft vor sich zu.

„Ich will nichts trinken.“, murmelte er direkt.

„Das ist auch nicht für dich.“, erwiderte das Mädchen frech und warf einen kurzen Blick zu ihm.

„Ich wollte mich entschuldigen, wegen gestern. Aber ich möchte Marie und dir auch einfach mal etwas Gutes tun und nicht immer von euch abhängig sein.“, erklärte sie schließlich und schaute nun ebenfalls aus dem Fenster hinaus.

Kanda seufzte, weswegen sie fragend zu ihm aufsah.

„Dann wird der nächste Restaurantbesuch teuer für dich.“, erwiderte der junge Mann. Kaede lachte auf und wandte sich zum gehen ab.

„Sehr gerne.“, sagte sie noch und lief wieder in die Richtung aus der sie kam. Die Exorzistin betrat das Abteil, in dem auch wieder Tiedoll saß und strahlte seine Tochter an.

„Das wäre doch nicht nötig gewesen, meine Klei-.“, fing der alte Mann freudig an, unterbrach sich aber, als Kaede den einen Becher Marie in die Hand drückte.

„Danke.“, sagte er knapp und nahm einen Schluck des Heißgetränks. Als sie noch den enttäuschten Blick des Generals sah, hielt sie ihm schließlich den zweiten Becher vor die Nase.

„Nimm schon.“, hörte Tiedoll sie sagen und sah verwundert auf. Seine kleine süße Ziehtochter streckte ihm den Kaffee entgegen, den er dankend annahm.

„Dafür kannst du für die restliche Fahrt mein Kissen sein.“, murmelte sie, als sie sich neben ihn setzte und sich an ihn lehnte.
 

Auch der Asiate betrat das Abteil und warf sich ächzend auf seinen Platz. Er sah noch kurz zu dem Mädchen, das an Tiedolls Schulter lehnte und scheinbar wieder schlief, bevor er wieder aus dem Fenster blickte.

Er hasste Zugfahrten.

Kaede öffnete ihre graublauen Augen und musterte den Schwertkämpfer auf dem gegenüberliegenden Platz. Ihr fiel sein Anblick von heute morgen ein und errötete etwas. Aus dem kleinen Jungen ist ja ein gutaussehender junger Mann geworden, das dachte sie zumindest immer.

Aber als sie ihn so im Bad sah, wie die nassen Haarsträhnen an seinen nackten Oberkörper klebten – wenn er sie nicht direkt hinausgeworfen hätte, wäre sie wohl an Nasenbluten verblutet.

Zumal sie ihn noch nie mit offenen Haaren zu Gesicht bekam, diese waren länger als ihre und nicht ansatzweise so glänzend und geschmeidig wie seine.

Sie verzog das Gesicht etwas, als sie so weit mit ihren Gedanken abschweifte, ohne zu ahnen, dass er ihr mustern im Zugfenster wiederspiegeln sah.

„Hör auf mich so anzustarren.“, zischte Kanda und sah genervt zu ihr. Das Mädchen blickte zuerst ertappt, danach gespielt verärgert zurück.

„Tue ich doch gar nicht, ich döse nur vor mich hin. So toll siehst du auch nicht aus, dass man dich anstarren würde.“, erwiderte sie und streckte ihm frech die Zunge entgegen.

Er musste sich wirklich zusammenreißen nicht mit Mugen auf sie loszugehen und schluckte seinen Ärger hinunter.
 

„Wie lange dauert es noch überhaupt?“, murmelte sie gelangweilt.

„Wir haben vorhin Hongkong verlassen, in etwa zwei Stunden werden wir in Shanghai ankommen. Danach müssen wir noch einen Tag mit dem Schiff fahren und sind dann in Edo.“, antwortete Tiedoll.

Kaede stieß einen tiefen Seufzer aus.

„Du kannst gleich sagen, dass wir erst übermorgen dort sein werden.“, zischte sie und entlockte dem alten Mann ein heiteres Lachen.

Wie es zu erwarten war, waren sie nach zwei weiteren Tagen schließlich in Edo. In weiter Ferne zogen zahlreiche Explosionen ihre Aufmerksamkeit auf sich.

„Dort drüben scheint ein ziemlich großer Akuma zu sein.“, murmelte der Schwertkämpfer, seine Hand wanderte schon zu seinem Mugen.

„Marie kannst du etwas hören?“, fragte Tiedoll. Der Braunhaarige aktivierte sein Innocence.

Kaede kniff die Augen zusammen und versuchte irgendetwas zu erahnen, aber sie waren noch etwas zu weit weg.

„Der Klang, er hört sich nach einem Maschinengetriebe an. Außerdem höre ich die Stimmen von Linali und Allen. Es sind alle von General Cross‘ Team.“, erklärte er.

„Dann geht los. Helft ihnen.“, befahl der alte Mann.
 

Ohne zu zögern liefen seine Schüler los.



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