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Wherever you will go

"Überraschung!"
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Falls ihr die Beschreibung nicht gelesen habt: Ich hab das hier tatsächlich auf Korsika geschrieben, war ein wirklich schöner Urlaub ... na ja, und inspirierend zu Insel-Sommer-Romantik. Die Musikveranstaltung gab es übrigens auch wirklich :)

Also, ihr Lieben. Nicht mehr lange herumreden, ich überlasse euch diesem kleinen bisschen Romantik.
Liebste Grüße,
lady Komplett anzeigen

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Wherever you will go

„Also wenn du willst, dass wir keinen Platz mehr bekommen, dann bist du auf dem richtigen Weg“, stellt Henry fest und lehnt sich gegen den Türrahmen.

„Hättest du mich vorgewarnt, wäre ich bestimmt fertig!“, gebe ich zurück, während ich zwischen meinem Zeug nach einem noch tragbaren T-Shirt suche. Tragbar bedeutet in meinem Fall so viel wie: Nicht zu dreckig oder verschwitzt. Oder beides.

„Wärst du nicht. Du bist nie pünktlich fertig. Außerdem hätte ich dich dann nicht mehr überraschen können!“

„Was ich gar nicht schlecht gefunden hätte“, erwidere ich brummelig und ziehe mir ein Shirt über den Kopf, das tatsächlich noch ansehnlich zu sein scheint. Es ist wirklich ein Glück, dass meine Eltern sich heute Abend dazu entschlossen haben, am Strand essen zu gehen, denn wären sie da, hätte ich mir eine ewige Predigt über Safer-Sex anhören dürfen, bevor ich mit Henry mitkam. Seit sie wissen, dass ich schwul bin, übergießen sie mich förmlich mit Informationen über Aids, die ich nie wissen wollte. Egal mit welchem männlichen Essen ich mich treffe, ich werde immer wieder aufs Neue gewarnt. Und man soll nicht glauben, dass sie Rücksicht darauf nehmen, ob das betreffende männliche Wesen anwesend ist oder nicht: Schon so manches Mal wäre ich am liebsten im Boden versunken, wenn Mama mir im Beisein meines besten Freundes mal wieder erklärt hat, dass Sex ohne Kondom auch für Männer gefährlich sei – auch wenn sie nicht schwanger werden können. Tja, und jetzt, wo mit Henry tatsächlich so etwas läuft wie ein Flirt, kann ich die Abschreckungstechniken meiner Eltern ganz bestimmt nicht gebrauchen.

„Was genau ist das eigentlich heute Abend?“, frage ich, greife mit einer Hand nach dem Schlüssel unseres Häuschens und kritzele mit der anderen eine Nachricht für meine Eltern, damit sie nicht vor Sorge um ihren armen, schwulen Sohn umkommen.

„Irgendeine Gruppe, die original korsische Musik macht.“ Henry zuckt mit den Schultern, als würde es ihn selbst nicht wirklich interessieren.

„Klingt ja spannend. Damit will ich bestimmt meinen vorletzten Urlaubstag beenden.“ … Ups, das hätte ich vielleicht nicht sagen sollen, denn auf der Stelle senkt mein Gegenüber geknickt den Blick. Vorletzter Urlaubstag. Mein vorletzter Urlaubstag, während er noch eine Woche bleiben würde. Ich habe ihn kennengelernt, indem ich, so unglaublich geschickt wie ich nun mal bin, am Strand in ihn rein gerannt bin. Wir haben uns sofort gut verstanden und heute fühle ich mich, als ob ich ihn schon ewig kennen würde. Das Problem ist nur, dass es nicht ganz so einfach werden wird, den Kontakt zu halten, wenn wir zurück sind. Klar liegen zwischen Bremen und Osnabrück keine Welten, aber für zwei 16-Jährige ist die Entfernung doch nicht unwesentlich.

„Sorry“, sage ich schnell, bevor ich die Tür ins Schloss schiebe. „Wird bestimmt ein toller Abend. Wollen wir los?“

Henry nickt, lächelt zum Glück schon wieder, und ich genieße dieses angenehm kribbelige Gefühl, als er nach meiner Handy greift.
 

Noch immer Hand in Hand kommen wir auf dem Platz im Dorf mit Meerblick an, auf dem tagsüber alle Touris mit ihrem Eis stehen und den Ausblick bewundern. Jetzt ist dort eine kleine Bühne aufgebaut, davor einige Stühle, von denen tatsächlich noch welche frei sind. Energisch zieht Henry mich hinter sich her, platziert uns irgendwo in der Mitte.

Es dauert noch eine Weile, bis die Band auf die Bühne tritt. … Also dafür, dass sie laut meiner Uhr 10 Minuten zu spät kommen, lassen die sich ziemlich beklatschen – obwohl ich mich laut Henry bei meiner Pünktlichkeit nicht aufregen dürfte. Apropos Henry: gerade spüre ich, wie sein Daumen kleine Kreise auf meinen Handrücken malt, was mir Herzstolpern und ein Grinsen auf dem Gesicht zaubert. Mehr als das ist bisher nicht gelaufen, aber es hat mich nicht wirklich gestört. Schade nur, dass vermutlich auch nicht mehr laufen wird, wenn ich übermorgen schon abfahre.

Der Sänger der Band erklärt irgendwas über die Geschichte der Musik, wovon ich lediglich die Hälfte verstehe, bevor er die ersten Töne anspielt.

Man muss zugeben: die melancholischen Melodien mit den lang gezogenen Tönen passen wunderbar zu Korsika. Zwar nicht zu meinem Musikgeschmack, aber auf diese Insel, weshalb ich damit leben kann. Mal ganz abgesehen davon, dass ich Henry seine Überraschung nicht mies machen will. Allerdings scheint meine Begleitung sich nicht ganz so gut arrangieren zu können, wie ich, denn er wippt die ganze Zeit fast nervös mit dem Fuß auf und ab.

„Alles okay?“, frage ich ihn, woraufhin er zusammenzuckt und zu mir herumfährt. Hoppla, was war das denn? Kurz scheint er irritiert, ehe meine Worte in sein Hirn gesickert sind. Dann nickt er und lächelt. „Alles okay.“

Na, wenn er meint …

Kurze Zeit später kündigt die Band eine ‚kleine Pause‘ an. Neben mir zieht Henry nervös die Luft ein. Was ist denn bloß los mit ihm? Und warum? Er ist doch sonst immer so gechillt. Eigentlich ist er sogar der gechillteste Mensch, der mir in meinem Leben bisher begegnet ist. Ich wette, er würde sogar ruhig bleiben, wenn eine Alieninvasion ankündigen würde, in 24 Stunden die Welt zu zerstören … Wobei das zugegebenermaßen vielleicht ein etwas extremes Beispiel ist, aber ich denke, man hat verstanden, was ich damit ausdrücken will und somit auch, warum ich gerade so irritiert bin.

„Sicher, dass alles klar ist bei dir?“ Meine Stimme klingt noch ein bisschen besorgter, als ich eigentlich beabsichtigt habe.

„Ja, sicher. Was sollte denn sein? Sag mal, meinst du, die nehmen Musikwünsche entgegen?“

„Ähm …“ Was hat er denn jetzt schon wieder vor? „Ich glaube eher …“

„Egal, ich probier’s einfach aus!“

… Nicht. Das Wort bleibt mir im Hals stecken, während ich beobachte, wie Henry zielstrebig auf den Sänger zusteuert. „A-aber du kannst doch … gar kein Französisch.“

Völlig verdattert verfolge ich Henrys Diskussion mit dem Sänger und schließlich, wie er ans Mikro tritt, während die Band sich fertig macht.

„Okay“, sagt meine Begleitung ins Mikrofon. „hello everyone!“

In meinem Bauch breitet sich ein mulmiges Gefühl aus, das auf meinen Magen drückt. Ist es gerechtfertigt, dass ich nicht ganz weiß, was ich von dieser Aktion halten soll?

„Em ... I know you’re probably a bit confused what I’m doing here. Em … my name is Henry and I’m here with someone I really like …“

Ja, ich bin in der Tat verwirrt, was du da tust! So langsam wird das wirklich komisch.

„His name is Ben and he sits in the audience. And … yes, I think I …“ Im Scheinwerferlicht erkenne ich, dass Henrys Wangen einen ungesunden Rotton angenommen haben – meine im Übrigen auch. „I … I fell for him.“

Oh mein Gott! Mein Herz macht einen Salto in meiner Brust und ich habe das Gefühl, gleich aufspringen und zu ihm laufen zu müssen. Vor allem, als er die Hand hebt und sich verlegen im Nacken kratzt. Doch ich kann mich beherrschen und warte ab. Ich hätte nicht erwartet, das von ihm zu hören – und ebenso wenig hätte ich erwartet, mich so sehr darüber zu freuen. Natürlich, wir haben in den vergangenen Tagen ein bisschen geflirtet, ein bisschen mit Blickkontakt gespielt und abends am Strand Sterne gezählt, aber eigentlich hat bei mir nie mehr stattgefunden als ein bisschen Gekribbel. Bis jetzt. Ich war auch davon ausgegangen, Henry ginge es genauso. Bis jetzt.

„So … I thought I should try to win his heart tonight.“

Im Publikum um mich herum ertönen gerührte ‚Oh‘-Laute, in meiner Kehle bildet sich ein Kloß.

„And this ist he part where I need some help. Is anyone here tonight who knows this beautiful song by The Calling? Wherever you will go?“

Zustimmendes Gemurmel.

„Oh … Yeah, that’s great! Would you sing it with me then?“

Applaus.

„I guess that’s a yes. Very good. So … let’s go!“ Er räuspert sich und ich spüre, wie mir vor Rührung die Tränen in die Augen steigen. Wenn ich so auf mein Herz und dessen aufgeregtes Schlagen höre, bräuchte er überhaupt nicht mehr singen: Mein Herz hat er schon sicher!

„So lately I’ve been wondering, who will be there to take my place“ Henry singt schön. Tief und dunkel und mit einer Stimme, die sich anhört, als wäre sie weich wie Samt. „When I’m gone, you need love to light the shadows on your face …“

Die erste Träne rinnt aus meinem Augenwinkel und neben mir beginnt ein Mädchen zu grinsen, dass scheinbar geschnallt hat, dass ich Ben bin.

Als Henry zum Refrain kommt, singt das komplette Publikum mit: „If I could, then I would, I’d go wherever you will go. Way up high or down low, I’ll go wherever you will go …“

In den nächsten zwei Minuten bekomme ich von meiner Umgebung absolut nichts mit. Ich sehe nur Henry da vorne stehen, höre nur ihn und das Publikum in meinen Ohren, bin völlig gefangen in diesem Strudel aus Glücksgefühlen. Sprichwörtlich auf Wolke 7.

Erst als der Song endet, tauche ich langsam wieder auf. Die Leute um mich herum klatschen, das Mädchen neben mit inklusive. Nur ist ihr Lächeln noch breiter als das der anderen.

„So …“, räuspert Henry sich vorne, „Ben.“

Schüchtern sucht sein Blick meinen, ich fühle mich, als würde mein Körper gleich explodieren vor Glück. „Did it work?“

Zu meiner Rechten ertönt ein Kieksen und als ich hinsehe, strahlt mich das Mädchen begeistert an. Sie nickt aufmunternd Richtung Bühne, in ihrem Augen ein so glückliches Funkeln, als hätte Henry für sie gesungen. Und verdammt: Sie hat sowas von recht! Ich stehe auf, ganz langsam. Versuche, in mir auch nur ein bisschen von dem Mut zu finden, den Henry bewiesen hat, indem er da hingegangen ist. Es ist förmlich zu spüren, wie das Publikum den Atem anhält und alle Augenpaare sich auf mich richten, wie ich mich unsicher zwischen den Stühlen her nach vorne schiebe, keine Sekunde Henrys Blick verlierend. An ihn klammere ich mich wie ein Ertrinkender an einen Rettungsring, denn ich bin sicher, ich würde zusammenbrechen, sobald ich wegsah.

Irgendwann stehe ich direkt vor Henry, mit noch immer feuchten Augen, und schaffe es noch nicht einmal, ein „yes“ zu flüstern, bevor ich ihm um den Hals falle. Hinter uns jubelt das Publikum und ich habe gar keine Zeit festzustellen, wie schwulenfreundlich die Leute hier zu sein scheinen. Stattdessen werde ich von Henry ein Stückchen zurück gedrückt. Er lächelt mich erleichtert an, kommt näher und eine Sekunde später fühle ich seine Lippen auf meinen. Ein Feuerwerkskörper explodiert in meinem Bauch, die Funken prickeln, als hätte ich zu viel Brausepulver gegessen.

„Warum hast du mir nicht gesagt, dass du singen kannst?“, flüstere ich, nachdem wir uns voneinander gelöst haben.

„Überraschung!“, flüstert er zurück und strahlt. Dann dreht er mich so, dass ich die Leute sehen kann, die noch immer da sitzen und klatschen. Neben meinem leeren Stuhl sehe ich das Mädchen einen Daumen in die Höhe strecken.

Grinsend kommt der Sänger auf uns zu. „I guess that was a yes“, sagt er in fürchterlich schlechtem Englisch. „Well done, boy. I think you are going to have an awesome night!“

Zwinkernd dreht er sich zum Mikro um, um sich beim Publikum für dessen Aufmerksamkeit zu bedanken.

„Hat er recht?“, fragt Henry irgendwo dicht neben mir, „Werde ich eine tolle Nacht haben?“

Ich fühle, wie mir das Blut in den Kopf schießt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Yuma-chan
2013-10-18T23:30:35+00:00 19.10.2013 01:30
Oh wie süß! *-*
Das war ja ne süße ff!*-* aber mich würde es nicht wundern wenn dieses Mädchen im Publikum die schwester von henry wäre! :D
Oder ein fangirl! x'D
Naja schön gemacht!:3
Antwort von:  -ladylike-
26.10.2013 00:20
Jaaa! :))
Süß ist das absolut richtige Wort! :D Genau das habe ich beim Schreiben gedacht: Oh mein Gott, die zwei sind süß *-* Manchmal muss süß bei mir einfach sein, das befriedigt mein inneres Harmoniebedürfnis xD

Henrys Schwester ... Hm, das wäre auch eine Möglichkeit ... Über die habe ich gar nicht nachgedacht, daher liegst du mit dem Fangirl richtiger :) (Und neeeeein, die hat naüüürlich absolut keine Ähnlichkeit mit mir, ich würde nieee so reagieren oder so ... neeee *hust* *an Sarkasmus fast erstick* :DD)

Na ja, freut mich jedenfalls total, dass es dir gefallen hat und danke für's Lesen :)

lg,
Lady <3
Von:  Blacksad
2013-10-17T22:26:12+00:00 18.10.2013 00:26
Ganz erlich ich hab mir versucht das durchzulesen und nebenher den "original" Song zu hören aber das war mir dann dich zu heavy, so viel kitsch vertrag ich nicht *hust* *hat nebenher die Akkustikversion von Over My Head von The Fray gehört was ja auch soooo viel weniger schmazig ist* XD

Also ähm was soll ich sagen? Ich sitz hier grad mit nem superfetten Grinsen vor dem Laptop und freu mich wie Schnitzel weil es einfach so *moment das klemmt...Fangirlmodus an* schöööööööööööön *_____________* *spam kraisch spam* ist *fangirlmodus aus* hab ich schon erwähnt, das ich grinse, so richtig breit? Also ja verdammt es ist Kitschig es is sogar richtig scheiß derbe fluffiknuffi kitschig aber ich mag es *_* ich hab das malmwieder gebraucht XD Wer will schon immer drama und probleme so gehts doch auch *_*

Ich tippm mal das Mädchen ist dein alter Ego XD

LG
Blackii
Antwort von:  -ladylike-
26.10.2013 00:16
Hallü! *wink* (Nicht wundern, ich bin wahrscheinlich der einzige Mensch der Welt, der immer 'hallü' sagt ...)

Ja, stimmt, der Song dazu ist ziemlich Hardcore, aber The Fray sind auch nahe dran. The Fray sind toll *-* - zumindest zum (großen) Teil. Wenn ich irgendwann nachts einen von den Songs höre ... heilige Scheiße, ich bin dann emoltionaler, als ich mir das tagsüber zutraue.

Und ja, das grinsen erwähntest du bereits ;)
Find ich übrigens gut, dass es da nen paar Leute gibt, die auch mal mit weniger Drama was anfangen können oder besser: Manchmal vor dem Laptop sitzen, sich denken 'Oh mein Gott, was hab ich da gerade gelesen, ich werde das Klischeemädchen überhaupt!' ... und es trotzdem mochten. (Find ich wahrscheinlich gut, weil ich genauso bin.)
Aber nicht falsch verstehen, Drama hat auch mehr als gute Seiten - es muss nunmal auch die geben, die in ihren Storys keinen auf heile Welt machen. Solche Geschichten hab ich auch (nur irgendwie alle nicht fertig ... frustrierend -.-), aber, wie du sagtest: muss nicht immer sein :)

... Und du hattest nochmal recht, das Mädchen könnte tatsächlich ich sein. Wahrscheinlich käme ich mir ziemlich scheiße vor, aber zutrauen würde ich es mir :D Oder zumindest wäre ich begeistert (wahrscheinlich hab ich sie auch deswegen eingebaut, das kann ich aber nicht mit Bestimmtheit sagen).

So, abschließend noch das übrliche, das einfach dazukommt, weil es stimmt: Freut mich, dass du Spaß am Lesen hattest :) *freu*

lg,
Lady

PS: Oh Mann, das war nen halber Roman ...


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