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Let's live

Eine OneShot-Sammlung zu Haikyuu-Pairs
von

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Altlasten

XVIII. Altlasten
 

"Let me wake up next to you, have coffee in the morning and wander through the city with your hand in mine, and I’ll be happy for the rest of my fucked up little life."
 

— Charlotte Eriksson, Empty Roads & Broken Bottles; in search for The Great Perhaps
 


 

Sein Kopf war immer voller Krach.
 

Tendou konnte sich nicht entsinnen, wann es angefangen hatte. Möglicherweise als er noch ein Kind gewesen war. Wahrscheinlich als er eingeschult worden war. Vielleicht auch schon früher, als Türen geknallt wurden, um die lauten Stimmen seiner Eltern zu erdrosseln. Im Endeffekt war es auch nicht wichtig.
 

Der Krach war da und forderte stetig seinen Preis.
 

Wenn er schlafen wollte, plagten ihn so viele Gedanken, dass er sich unruhig hin und her warf. Mehrmals aufstand, lange in seinen Mangas blätterte oder irgendwelche Videospiele zockte. An manchen Nächten hielt in der Krach solange wach, dass er erst in den frühen Morgenstunde Ruhe fand oder selten sogar gar keinen Schlaf. Besonders in den Wintermonaten gesellte sich eine für die Jahreszeit typische Depression hinzu, die den Effekt verdoppelte.
 

Daher war es überraschend gewesen, dass es Ushijima nicht zu stören schien. Was nicht ganz richtig war, da es ihn am Anfang besorgt hatte. Doch auf die Sorge des Größeren hatte er nur mit leichten Worten und einem Schulterzucken reagiert. Schweigend hatte Ushijima es hingenommen, dennoch entgingen Tendou die Veränderungen daraufhin nicht. Es waren nur Kleinigkeiten, wie sanftes Rückenkratzen, warmer Milch, ein entspannender Film oder nächtliches Kuscheln mit beruhigenden, geflüsterten Worten in seinem Ohr.
 

Die Hälfte der Zeit half es nicht wirklich. Aber wenn Tendou dem ruhigen Atmen von Ushijima neben sich lauschte, während er schlief, war der Krach bei Weitem weniger störend.
 

Es passierte nicht oft, aber von Zeit zu Zeit ähnelte der Krach einem schrillen Gekreische. Es war eine Symphonie aus Wut, Neid und Eifersucht. Oder sogar Hass, Abneigung und Gleichgültigkeit. Im ersten Moment ließ er sich davon auffressen, ließ dem Krach freien Lauf, füllte nicht nur sein Kopf, sondern auch sein Herz. Bis er sich dabei ertappte, erschrocken innehielt und nein, nein, nein, stoppstoppstoppppp schrie. Alles danach war ein grauenhaftes Knäuel an Stücken und Resten für das er ewige Wochen brauchte, um es endgültig zu entzerren.
 

„Manchmal beneide ich dich so sehr, um deine mentalen Kapazitäten, dass ich dir die Krätze an den Hals wünsche“, hatte Tendou an einem besonders schlechten Tag verlauten lassen. Ushijima hatte nur fragend aufgeschaut und ihn lange angestarrt.

„So geht es uns allen ab und zu, wenn wir mit Leuten konfrontiert werden, die besser als wir selbst sind“, antwortete dieser schließlich ruhig und gefasst.

Für manche waren diese direkten Worte wie Säure, aber für Tendou waren sie wie Balsam. Der Krach in seinem Kopf ebbte ab, kehrte zur Normalität zurück.

„….aber du würdest es nie tun, weil du weißt, dass dein Kopf dir aus Unsicherheit nie genug für mich zu sein, einen Streich spielt“, fügte Ushijima nach einigen Sekunden an.

„Sicher?“ Breit grinsend, die Intensität des Kraches wieder rasant zunehmend.

Ushijima schaute mit festen Blick zu ihm hinüber.

„Sicher.“
 

Viele Leute fanden Ushijimas plumpe Ehrlichkeit anstößig. Doch für den Krach in Tendous Kopf war es die beste Medizin.
 

Ein Großteil des Kraches waren auch Erinnerungen, die ihn stets einholten. Aus ihren verstaubten Ecken sprangen, buh machten und dann gackernd eine Zeit lang verweilten, bevor sie wieder verschwanden. Dabei waren es niemals gute Erinnerungen. Nur welche, die von Fehlern sprachen, ausgesprochene Sätze oder Situationen, für die er sich heutzutage schämte und all den Menschen, die ihn auf die eine oder andere Art verletzt hatten.
 

Akzeptanz war schwer, wenn man Tendou Satori hieß.
 

Monster nannten sie ihn. Freak. Seltsam. Unheimlich. Mach die Worte, die dich verletzen, zu deinem Schild. Werde das, was sie eh von dir denken. Ignoriere sie. Geh ihnen aus dem Weg. Jetzt ist sowieso alles anders. Denk nicht weiter drüber nach. Atme. Vergiss. Krach, Krach, Krach, Krach, Krach, Krach, Krach, Krach, Kra-

Eine warme Hand in seiner.

Eine Stirn gegen seine eigene.

Ein warmes Lächeln nur für ihn.

Der Krach sortiert sich. Die Erinnerungen verblassen. Sie gehen nie ganz weg. Sie werden immer wiederkommen. Sie sind ein Teil von ihm bis er sterben wird. Trotzdem quälten sie ihm bei Weitem nicht mehr so stark, wie sie es früher getan hatten. Alles wurde mit genügend Jahren dazwischen schwächer und rostiger.
 

Vor Ushijimas Akzeptanz ihm gegenüber, musste sich sogar der Krach beugen, egal wie laut er war.
 

Tendou war bewusst, dass es nicht gesund war, mit so viel Krach im Kopf zu leben. Aber es gab nun einmal keinen Knopf zum Stummschalten, sondern nur Methoden, um alles etwas abzudämpfen. Außerdem hatte er gelernt damit zu leben und versuchte sein Bestes, es nicht allzu sehr sein Leben bestimmen zu lassen. Also lachte er lauter als alle Anderen, begeisterte sich und stürzte sich in Fantasien hinein oder beschäftigte sich mit allen möglichen Zeug.
 

Ja, in Tendous Kopf herrschte ständig Krach und dennoch war es in Ordnung, solange Ushijima da war, um ihn eine angenehme Note zu verpassen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  karlach
2017-01-13T13:50:45+00:00 13.01.2017 14:50
Ich wollte schon ewigst kommentieren und hab's dann doch immer verschwitzt!
Deine Interpretation von Tendou mag ich übrigens sehr gerne ( Kim_Seokjin und ich haben uns vor einer Weile auch wirklich über was in die Richtung unterhalten, es war ziemlich spannend zu sehen, dass wir da nicht alleine sind).
Da tut es extra weh, dass der Arme als Kind ziemlich leiden musste und macht es extra schön, dass er jemanden gefunden hat, mit dem der Krach etwas erträglicher wird. Man braucht so Leute im Leben.
Und als Mensch der mit der eigenen Sorte Krach im Kopf herumrennt, fand ich "Aber es gab nun einmal keinen Knopf zum Stummschalten, sondern nur Methoden, um alles etwas abzudämpfen" sehr schön – weil es halt sehr real ist. Da ist es schön, siehst auch du es so, dass Liebe und gute Gesellschaft nicht einfach alles "heilt" aber trotzdem viel dazu beitragen kann, dass es einfacher ist, sich auf die guten Dinge zu konzentrieren :)
Antwort von:  Rix
14.01.2017 13:51
Ach, ist doch nicht schlimm, mich freut es eher, dass du es überhaupt gelesen hast =D
Tatsächlich war ich etwas verunsichert, ob ich diese Interpretation von ihm überhaupt schreiben bzw hochstellen soll, da sie ja dann doch jetzt nicht die so ganz Übliche von ihm ist. Aber es ist interessant zu wissen, dass du und  Kim_Seokjin euch auch über sowas in der Richtung unterhalten habt. Ist dann doch ziemlich beruhigend, dass es da noch andere gibt, die solche Vorstellungen haben. Generell scheint ihr eh klasse Ideen für die Haikyuu Welt zu haben~
Und jep, genau so ist es. Hab hier auch etwas von mir auf Tendou projiziert, was eventuell nicht ganz so schlau ist *hust* Aber daher weiß ich, dass sowas nicht einfach weggeht und habe es daher ziemlich real halten wollen. Aber wenn man Menschen um sich hat, egal in welcher Weise, die sich um einen kümmern, hilft es schon sehr =)


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