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Yours to keep.

[Vivian & Theon]
von

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2. Kapitel - Guardian Angel.


 

Vivian
 


 

Die Welt drehte sich. Das tat sie zwar immer, aber heute erschien sie mir schneller als gewöhnlich. Deutlich schneller.

Bereits das kleine Männchen, das mir von der Tür der Männertoilette her bedeutete, dass ich hier an der richtigen Adresse war, vollführte irgendeinen neumodischen Tanz, von dem ich noch nie gehört hatte. Mit der Kraft seiner Gedanken bewegte es nun auch noch die Türklinke; als es mir dennoch gelang, diese zu greifen, lachte ich triumphierend auf.

"Denkst wohl, du kannst mich austricksen, kleiner Freund?"

Nein, mich konnte man so schnell nicht hereinlegen, dazu war ich eindeutig zu intelligent. Egal, wie schnell sich die Welt drehte, für die Details hatte ich immer ein offenes Auge. Dachte ich. Denn als ich in den Waschraum trat musste ich feststellen, dass jemand darauf aus zu sein schien, meine Klugheit infrage zu stellen.
 

"Ach nee, du schon wieder", seufzte ich, bemerkte dabei einmal mehr, wie schwer mir das Sprechen derzeit fiel und wollte mich nur noch auf das Wesentliche beschränken. Das allerdings würde sich schwierig gestalten, das wusste ich, denn ich hatte mich vorhin schon beinahe in der Gegenwart dieses aufdringlichen, minderjährigen Vogels vergessen.

Nun stand er hier im Klo. Lehnte an einer Kabinenwand und qualmte den gesamten Stall voll. Obwohl er stark zu schwanken schien und wahrscheinlich nicht abgeneigt war, mit dem Männermännchen an der Toilettentür Tango zu tanzen, erkannte ich so etwas wie ein Grinsen in seinem Gesicht. Aber endgültig verging mir das Pinkeln erst, als er sich in Bewegung setzte und schließlich direkt vor meiner Nase stehen blieb. Dazu schaute er mir eindringlich und irgendwie wohl auch lasziv in die Augen und setzte noch ein letztes Mal alles auf eine Karte, die eigentlich längst verspielt war.
 

"Komm schon, du willst doch", hauchte er mir verführerisch entgegen, seine Hand packte mich nun entschlossen am Halsausschnitt meines Shirts und verursachte bloßes Verdutzen meinerseits. "Jetzt sind wir allein, niemand wird es merken, wenn du mich gleich hier auf dem Klo vögelst."

Endlich besann ich mich. Löste ziemlich bestimmt seine vorwitzige Hand von meiner Kleidung.

Wut schwelte in mir. Wut über seine Hartnäckigkeit. Darüber, dass er partout nicht akzeptieren wollte, dass zwischen uns nichts laufen würde. Dass er zu jung war. Dass Sex mit einem Mann für mich nicht infrage kam.

"Hab ich mich denn nicht klar ausgedrückt?", herrschte ich den Typen an, der wie beiläufig seine Zigarette in das Waschbecken warf und mir dabei ganz kurz seine Wange darbot.

Ich nutzte diese Chance und pfefferte ihm eine, so wie er es sich für seine Aufmüpfigkeit verdient hatte. Man schlug wahrscheinlich wirklich keine Kinder, aber solchen hormonbetriebenen Kerlen musste man einfach ein paar Manieren beibringen.
 

Nach dem klatschenden Schlag war Stille eingekehrt. Erst hatte der Bengel in Schockstarre verharrt, und auch ich zweifelte ganz kurz nur an der Richtigkeit meiner Tat, aber dann schaute er mich plötzlich direkt an.

Sein Grinsen war noch breiter geworden, noch dreckiger. Von Einschüchterung oder Aufgeben schien keine Spur zu sein, ich suchte diese beiden Sachen jedenfalls vergeblich in seinem Blick. Im Gegenteil, es wirkte viel eher so, als hätte ich mit meinem Tun ein Feuer in ihm entfacht. Er stand doch nicht etwa darauf, wenn man ihn schlug...?
 

"Genau so eine Aktion habe ich erwartet", meinte er, seine Stimme klang hocherfreut. "Männer, die wie du so verdammt wild und leidenschaftlich auf der Bühne sind, die sind auch wild und leidenschaftlich in der Kiste."

Er kaute auf seiner Unterlippe herum, kam dann wieder näher und tat etwas, das er besser hätte bleiben lassen: Er legte seine Hände auf meine Gürtelschnalle, machte Anstalten, diese zu öffnen. Dabei sah er mir wieder fest in die Augen und presste die Lippen aufreizend aufeinander.

"Ich werde deinen Namen stöhnen", versprach er im selben Zug, sein Gesicht berührte beinahe meine Wange und ich konnte deutlich seinen Atem auf meiner Haut spüren. "Vivian, Vivian..."

Er hauchte es, so obszön, so anrüchig - und es sorgte dafür, dass in meinem Kopf endgültig alle Sicherungen durchbrannten.

Mein Körper handelte, ohne dass ich darüber nachdachte, nachdenken konnte; ich sah lediglich meine erhobene Faust, die nach dem Gesicht des verdammten Typen schlug, mehrmals, aber nie zu treffen schien, nicht einmal, was mich noch mehr in Rage brachte.

Irgendwann bekam ich ihn allerdings mit der Linken am Kragen zu fassen, hielt ihn so fest, dass meine Knöchel weiß hervortraten und es zu schmerzen begann. An seinen Blick erinnere ich mich nicht mehr, er interessierte mich auch nicht im Geringsten; ob der Bengel nun auch noch Lust empfand, jetzt, wo er meine tiefschwarze Seite kennenlernte, wusste ich nicht. Doch ich bezweifelte es.
 

Nun konnte er mir nicht mehr entkommen. Wahrscheinlich war er ohnehin zu erschrocken, um Gegenwehr zu leisten. Nur der Gedanke daran, ihm endlich zu zeigen, wie der Hase lief, versetzte mich in einen Rausch der Endorphine, erweckte meine sadistische Ader, die so selten in mir pulsierte, und noch seltener zum Ausbruch kam.

Wieder erhob ich vor Erregung zitternd meine Faust, war gerade drauf und dran, ihm mitten auf die Nase zu hauen, als mich irgendetwas von ihm wegzog. Ein Magnet, der an der Wand des Waschraumes befestigt war, wahrscheinlich. Allerdings bohrte sich dieser ungewöhnlicher Weise in meine Oberarme und presste mich an etwas Warmes, etwas, das atmete.

"Verdammte Scheiße, fick dich, verpiss dich!"
 

Noch schwelte die Wut in mir, ich fluchte auch noch immer wie ein Postkutscher, doch das Gefühl wurde schwächer und schwächer, als ich letztlich erkannte, dass es Theon war, der meine Tracht Prügel verhindert hatte.

Ich begehrte noch ein paar Mal auf, wie ein wildes Tier, beschimpfte meinen besten Freund sogar, aber dieser ließ mich dennoch nicht mehr los, hielt mich so lange fest, bis ich wieder normal atmete und runtergekommen war.

Der Typ war mir mit einem Mal egal. Diese Situation fühlte sich gut an. Seine Wärme lullte mich ein. Seine Nähe.

Das war genau das, was ich jetzt brauchte.

Nur das konnte mich wieder auf den Boden der Tatsachen holen.
 


 

Theon
 


 

Noch nie hatte ich ihn so erlebt. So vollkommen außer sich. Für gewöhnlich glich Viv einem Lämmchen, war der liebste Mensch auf der ganzen Welt, aber dieser verdammte Alkohol hatte ihn in eine Bestie verwandelt. Schon öfter hätte er sich beinahe in Schlägereien mit Typen verwickelt, die ihn angeblich dumm angemacht hatten, aber der heutige Ausbruch war ungewöhnlich heftig.

Er zitterte in meinen Armen. Ich ertappte mich beinahe schon dabei, wie ich Mitleid für ihn entwickelte. Dabei wäre dies absolut nicht angebracht gewesen. Wer weiß, was geschehen wäre, wenn ich mich nicht prompt nach dem Vernehmen des Krachs, der aus den Toiletten drang, vom Barhocker geschoben hätte, um nachzusehen, was hier gespielt wurde. Vielleicht hätte er diesem Neo die Nase gebrochen. Oder ihn ins Koma geprügelt. Wer wusste das schon...
 

Apropos Neo: Der hatte sich längst vom Acker gemacht. Ihm war gottseidank nichts passiert.

"Was machst du hier eigentlich für Scheiße?", wollte ich enttäuscht und gleichzeitig entsetzt wissen, als wir allein waren. Dabei blickte ich dieses hilflose Bündel, das mal der tollste Mann auf der ganzen Welt war, vorwurfsvoll an.

"Der hat sich das verdient", kam es gekrächzt von Viv, der ohne Hilfe längst nicht mehr stehen konnte und sich in mein Shirt krallte wie ein Baby. Jämmerlich. Beängstigend. "Der hat nicht mehr aufgehört...dem müssen doch mal Manieren beigebracht werden...!"

Ich benötigte meine ganze Kraft, um Viv gegen eines der Waschbecken zu drücken und ihn einigermaßen aufzurichten. Doch auch als das mehr schlecht als recht geschafft war, wirkte er wie ein Häufchen Elend, bebend, zitternd und noch immer irgendwie geladen. Hoffentlich wurde ich nun nicht Ziel seiner Aggressionen, bangte ich. Schließlich hatte ich ihm sein Opfer abspenstig gemacht und die Flüche, mit denen er mir vorhin besehen hatte, waren ihm vielleicht nicht genug. Dabei hatten sie mir wehgetan, obwohl ich genau wusste, dass er es nicht ernst meinte. Dass er zu betrunken war, um klar und rational denken zu können. Dass seine Wut in diesem Augenblick einfach entweichen musste.
 

"Wir hätten richtig großen Ärger bekommen, wenn du den Typen verletzt hättest", redete ich auf Viv ein, merkte aber, dass es sinnlos war. Nicht nur, weil Vivian sich das Gehirn weggesoffen hatte, sondern auch, weil er immer wieder die Augen schloss und mir wegsackte. Einfach im Stehen einschlief. Ungünstig, äußerst ungünstig. Wie sollte ich ihn denn transportieren, ganz alleine? Ich würde ihn niemals zum Auto tragen können, er war viel zu schwer. Wenn sich die anderen einmal blicken gelassen hätten. Aber die dachten sich bestimmt wieder einmal nichts weiter und unterhielten sich sicher nach wie vor blendend.
 

"Hey, bleib munter!", forderte ich, als Vivs Lider sich erneut hinabsenkten und schlug ihm mehrmals auf die Wange, woraufhin er brummend zu grinsen begann und erst etwas Unverständliches nuschelte, ehe Worte seine Kehle verließen, die mir zusetzten.

"Bist wohl eifersüchtig gewesen, mh?"

Sein Grinsen wurde breiter. Seine Hand versuchte sich unbeholfen auf meine Schulter zu legen, erwischte aber nur mein Gesicht und ich hatte Mühe, sie wieder von diesem loszubekommen.

"Deswegen bist du gucken gekommen...du wolltest wissen, ob ich es schon mit dem Kerl treibe..."

Seine Hand war wieder im Zaum. Doch ich hielt sie fest. Viel zu lange. So lange, bis Viv sich mir entgegendrängte. Sich an mich klammerte. Sein Gesicht in meine Halsbeuge sackte und ich erschauderte ob dieses Körperkontakts.

Egal, wie besoffen er war, er blieb Vivian. Er blieb der Mann, der so viel für mich war. Der einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen hatte. Schon ewig. Schon immer.
 

"Doch keine Angst, Toro, ich hab doch gesagt, ich steh viel mehr auf blonde Haare und eisblaue Augen. Ich -"

Er kippte mir um. Zum Glück reagierte ich schnell genug und packte ihn an den Hüften. Zog ihn wieder hoch. Und bugsierte ihn schließlich langsam aus der Toilette. In Richtung Clubausgang sollte es gehen. Ein Taxi musste her. Ein Taxi, das uns in das Hotel bringen würde.
 

Die restlichen Jungs mussten mir helfen, Viv zu transportieren. Zwei schnappten sich die Beine und zwei weitere besangen das Schauspiel. Im Grunde liefen sie einfach nur nebenher und wollten umherrennend wie aufgescheuchte Hühner wissen, was sich zugetragen hatte. Ich aber erzählte kein Sterbenswörtchen, denn auch wenn Viv keine Scham für sein Verhalten zeigte, ich tat es.

Und ich schämte mich dafür, dass ich ihn selbst in diesen beschissenen Augenblicken noch liebte. Dass dieses vollkommen ruinierte Häufchen der Mann war, dem ich nahe sein wollte. So oft wie möglich.

Wie sehr wünschte ich mir, dass er seine Liebesbekundung wenigstens ein klein wenig ernst meinte. Aber ich musste mir keine Hoffnungen mehr machen. Nicht nach all den Jahren, in denen wir einfach nur Freunde waren.

Es war einfach nur ein weiteres Relikt seiner Trunkenheit. Etwas, das schon morgen nichts mehr bedeuten würde. An das er sich nicht mehr erinnern könnte. Alles nur Schall und Rauch, vorgetragen ohne Gefühl, ohne darüber nachzudenken.

Ich musste mich damit abfinden, wie so oft.
 

Vivis Herz würde niemals mein sein.

Denn Vivi empfand nicht dasselbe für mich wie ich für ihn.
 

*****
 

Außer den skeptischen Blicken des Taxifahrers gab es auf dem Weg ins Hotel keine besonderen Vorfälle mehr. Viv verhielt sich lammfromm, hatte den Kopf auf meinen Schoß gebettet und pennte wie ein kleines Baby. Ein besoffenes kleines Baby. Ab und an brummte er etwas vor sich hin oder kratzte sich die Nase. Als Letzteres überhandnahm, ergriff ich seine Finger und hielt ihn von seinem selbstverletzenden Verhalten ab.

Die restliche Band wollte später im Hotel auftauchen, erst einmal war es wichtig, dass Viv ins Bett kam. Dass wir zu sechst unmöglich in ein kleines Taxi gepasst hätten, war ihnen zum Glück ebenfalls klar. Wir hatten uns also darauf geeinigt, dass ich Viv nach Hause geleitete, weil ich es schließlich auch war, der sich seiner ohnehin schon angenommen hatte. Vielleicht schien ihnen die Gegenwart eines Stockbetrunkenen auch zu viel Verantwortung abzuverlangen.

Ich wusste es nicht und es war mir auch herzlich egal. Denn auch wenn ich mich für Vivs Verhalten schämte, so tat ich es doch gern. Wahrscheinlich besaß auch ich einfach nur einen Beschützerinstinkt, wie jeder Mann. Vielleicht genoss ich es aber auch nur ein wenig zu sehr, wie Vivs Kopf halb auf meinem Schritt lag und seinen Atem dagegen blies. Vielleicht gab es mir zu viel, dass ich seine Hand halten konnte, so lange ich wollte, während er schlief. Ich betrachtete seine Finger, fühlte, wie warm sie waren, nahm jedes noch so kleine Detail war. Doch schon nach wenigen Sekunden schimpfte ich mich einen Idioten und versuchte, die Gefühle in mir zurückzudrängen, starrte aus dem Fenster hinein in die dunkle Nacht, die uns umgab.

Und hoffte. Hoffte noch nach all den langen Jahren. Wollte nicht einsehen, dass es vergebens war. Meinte, dass diese friedliche Szene, die einen schlafenden Viv beinhaltete und einen viel zu wachen Theon, irgendetwas bedeutete. Ein Omen war.

Viel zu viel interpretierte ich in den Moment, bis ich nicht mehr anders konnte und über seinen Rücken streichelte. Meine Finger glitten zwischen seinen Schulterblättern hindurch, bahnten sich ihren Weg hoch in sein Haar. Wäre es nicht so kurz gewesen, hätte ich mit seinen schwarzen Strähnen gespielt. So blieb mir nur die Möglichkeit, über seine Stoppeln zu streicheln, immer wieder, bis ich es müde wurde. Außerdem waren wir ohnehin an unserem Ziel angekommen.
 

"Viv, Viv, munter werden!", kommandierte ich, mein Ton war allerdings nicht der eines Oberoffiziers.

Der andere regte sich allerdings erst, als ich ihm wieder sacht auf die Wange klatschte, ansonsten hätte er wohl weiterhin im Land der betrunkenen Träume verweilt.

Wach war er nun also geworden, ich überreichte dem Taxifahrer die gewünschte Summe, während Viv Gelegenheit hatte, so munter zu werden, dass er wenigstens nicht komplett von mir getragen werden musste.

Dass es ein absolutes Trauerspiel werden würde, war mir klar. Trotzdem hatte ich gehofft, Viv würde wenigstens nicht wie ein nasser Sack im Taxi liegen bleiben und schon wieder die Augen schließen. Es war schlimm. Und ich musste handeln. Schnell. Denn der Taxifahrer wurde schon sichtlich ungeduldig und murmelte etwas von 'betrunkenem Pack' und unendlicher Zeit. Es kümmerte mich nicht, wie er über Viv dachte, im Augenblick war ich sowieso viel zu beschäftigt damit, den anderen aus dem Auto zu zerren, sodass ich mich nur noch darauf konzentrieren konnte.

Er wog gefühlte drei Tonnen und ich spürte regelrecht, wie meine Arme länger und länger wurden, aber irgendwann hatte ich ihn zumindest draußen und der Taxifahrer konnte sich endlich vom Acker machen.
 

So stand ich am Straßenrand, hielt den schlaffen Viv umklammert und wusste nicht, wie lange ich ihn noch einigermaßen in der Vertikalen halten konnte.

"Jetzt gib dir mal ein bisschen Mühe!", herrschte ich ihn an, woraufhin er tatsächlich die Muskeln anspannte und einigermaßen selbstständig stehen konnte. "Geht doch. Und jetzt bitte einen Fuß vor den anderen setzen."

"Nich so schnell!", lallte Viv, als ich mich in Bewegung setzte, verlangsamte daraufhin gnädiger Weise mein Tempo. Ob wir nun in einer Stunde oder in drei auf dem Zimmer waren, spielte ja nun auch keine Rolle mehr. Es war ja nicht so, dass mir bald die Arme abfielen. Mitnichten. Ich war ja nur fast am Ende meiner Kräfte und mit jedem Schritt kam ich der Grenze etwas näher. Und doch schleppte ich Viv irgendwann erfolgreich durch die Tür in die Lobby und von dort in den Fahrstuhl.

Es war fast geschafft. Nur noch schnell in den dritten Stock düsen, sagte ich mir, rechnete aber noch nicht damit, dass mich ein großes Unglück ereilen würde.
 

"Mirs schlecht", kam es von Viv, als wir gerade mal den ersten Stock überquert hatten. Mir schwante Schlimmes. Wenn Viv schon zugab, dass ihm schlecht war, dann war er nicht mehr weit vom Spucken entfernt.

Scheiße. Ich feuerte den Fahrstuhl gedanklich an, dass er sich doch bitte beeilen möge, aber es half trotzdem nichts. Wir standen fast vor unserer Zimmertür, als Viv zu husten begann und sich kurze Zeit später erbärmlich würgend auf dem Teppich erbrach. Nein, nicht nur auf diesem: Ich bekam auch etwas ab, hätte Viv zur Strafe am liebsten losgelassen und mich nicht darum gekümmert, ob er die ganze Nacht in seiner eigenen Kotze auf dem Gang gepennt hätte.

Doch ich konnte nicht. Schleppte Viv weiter, stieß endlich die Zimmertür auf und wollte nur noch raus aus diesen Klamotten, ekelte mich immer stärker, umso intensiver ich darüber nachdachte. Also: Nicht darüber nachdenken. Was natürlich leichter gesagt als getan war.
 

Die erste Erleichterung machte sich in mir breit, als ich Viv auf meinem Bett absetzte. Sein eigenes stand ein paar Meter dahinter, da mir jedoch jeder weitere Schritt zu viel gewesen wäre, entschied ich, ihn zunächst auf meiner Matratze abzuladen.

Er legte sich sofort hin und ich lief ratlos im Raum herum auf der Suche nach einem Behältnis, das einen weiteren Kotzanfall auffangen würde. Meine Wahl fiel schließlich auf den Papierkorb, welchen ich mir schnappte, um ihn neben Vivs Bett zu platzieren. Doch der Kerl machte mir einen Strich durch die Rechnung. Innerhalb weniger Sekunden schien er wieder in einen tiefen Schlaf gefallen zu sein, und für eine erneute Weckung fehlte mir schlichtweg die Kraft. Froh war ich, dass ich ihn nicht mehr schleppen musste, also entschied ich mich dazu, ihn einfach in meinem Bett liegen zu lassen und vor diesem den Papierkorb aufzubauen. Dann schälte ich mich endlich aus meinen beschmutzten Klamotten, warf sie zunächst achtlos auf den Fußboden, als ich mich aber an die Kotzflecken erinnerte, schnappte ich sie an einer Ecke und trug sie in das Badezimmer, schmiss sie auf die Fließen.

Doch ich konnte noch immer keine Ruhe finden. Ich stand schließlich nur mit meiner Unterhose bekleidet im Raum und begutachtete den pennenden Viv, der noch seine komplette Kleidung trug, selbst die Schuhe hatte er freilich noch an. Wenigstens diese wollte ich ihm ausziehen, denn es war mein Bett, welches er einsaute und ich würde wohl heute Nacht ebenfalls in diesem verbringen.
 

Ich fiel wie in ein tiefes Loch, als ich mich endlich auf mein Kissen fallen ließ. Schloss die Augen und merkte erst jetzt, wie sehr mich die ganze Sache angestrengt hatte.

Bereits im Halbschlaf befand ich mich, als ich plötzlich von Vivs Hand aufgeschreckt wurde, die sich einmal mehr unbeholfen auf mein Gesicht legte, um dort zu verharren. Durfte sie freilich nicht. Ich schlug sie weg, war dieses Mal aber nicht sonderlich behutsam, sondern einfach nur grob, denn ich wollte nichts lieber als meine Ruhe haben. Doch das war nicht so leicht zu bewerkstelligen, denn kurze Zeit später lag Viv halb auf mir drauf und blies mir seinen warmen Atem geräuschvoll gegen die Brust. Dass seine Hand nun fast auf meinem Schritt zum Liegen kam, war zu viel für mich. Und das, was er im Schlaf oder Halbschlaf murmelte, genügte, um mich trotz übermannender Müdigkeit nicht mehr schlafen zu lassen.
 

"Mein Mann...du bist mein Mann...nur du..."
 

Also blieb ich wach. Ein paar Stunden. Vielleicht auch nur ein paar Minuten. Ich wusste es nicht. Dann fiel ich doch noch in einen traumlosen Schlaf.

Und das, obwohl Viv zu allem Überfluss auch noch ein leichter Kotzgeruch anhaftete.



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