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Fremde Welten Spezial: Es gibt keine Zufälle (#3 1/2)

oder: "Fremde Welten" kommt auf den Hund!
von

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Telekommunikation

Der Sound eines Harleymotors weckte Marik aus einem wirren Traum, den er gleich darauf vergessen hatte. Er griff nach seinem Smartphone. „Hmmm?“

„Marik! Warum gehst du nicht ran, verfickt nochmal!“

„Tu ich doch gerade, oder wie denkst du, reden wir jetzt miteinander?“

Marik mochte es, Bakura mit sprachlichen Feinheiten zu ärgern, allerdings ging der Weißhaarige darauf selten ein. Dabei arbeitete er mit Worten.

„Hast du meinen neuen Text schon fertig gelesen? Du wolltest mir bis heute früh deine Korrektur schicken!“ motzte der Gesprächspartner. „Jetzt ist es ein Uhr mittags und ich hab noch nichts gekriegt!“

Marik hangelte nach seinem Wecker. „Was? Quatsch, es ist… Moment… fünf Uhr früh…“

„Ja, in Japan, du Hirni!“

„Oh.“ Ach ja, das vergaß Marik immer. Es passierte auch oft, dass er und Bakura sich missverstanden, wenn sie Zeiten ausmachten. „Ich bin aber schon bei Sonntag. Bei dir müsste es noch Samstag sein. Also gib Ruhe und warte bis heute früh.“

„Für dich ist das doch wohl schon! Setz dich sofort an den Computer und---“

Doch Marik hörte sich Bakuras Antwort gar nicht bis zu Ende an. Vorsichtshalber schaltete er das Telefon aus, gleich nachdem er aufgelegt hatte, denn Bakura war für gewöhnlich sehr hartnäckig. Dabei sollte der Kerl mal froh sein, dass Marik seine Sachen durchlas.

Der Ägypter drehte sich wieder auf die Seite. Ihm war noch so, als hätte er irgendetwas vergessen, aber er schob den Gedanken beiseite und schloss die Augen, sehr darum bemüht, sich nicht über Bakura aufzuregen.

Im Bad ging die Klospülung.

Moment… hatte er gestern Besuch mitgenommen? Oh… natürlich! Marik war in Windeseile aus dem Bett und im Bad.

Joey schaute ihn unschuldig an und winselte, wobei er fragend den Kopf schräg legte. Mariks derzeit in Gebrauch befindliche Handtücher waren nicht mehr auf ihrem Ständer, sondern lagen auf dem Boden, und allem Anschein nach waren sie nass. Marik zählte schnell nach, aber keins fehlte – der Toilettendeckel war zu. Vielleicht hatte Joey seinem früheren Besitzer einfach abgeguckt, wie das funktionierte. Er thronte zwischen den nassen Handtüchern, als wollte er ein Lob.

Auch das Tier selbst war nass, und als Marik sich genauer umschaute, entdeckte er, dass die Dusche tropfte. Ach herrje… das war ja ein ganz gelehriges Exemplar. Der Blonde konnte sich nicht wirklich einen Reim darauf machen, was in dem Hundehirn vor sich ging, daher hob er einfach seufzend alle Handtücher auf, brachte sie in den Wäschekorb im Schlafzimmer und hängte dann neue auf.

Daran hatte er nicht gedacht. Hunde taten manchmal seltsame Dinge, die ihnen selbst vermutlich völlig logisch erschienen, ihren Besitzern aber ganz und gar nicht. Wahrscheinlich hatte er nur gespielt. Damit musste er sich arrangieren, wenn er einen eigenen haben wollte, und vor allem bei einem „gebrauchten“ war man nicht vor Überraschungen sicher.

Als Marik mit dem Aufräumen fertig war, stellte er fest, dass Joey vor seinem Bett lag und anscheinend noch weiter schlafen wollte. Marik runzelte die Stirn. Musste er denn nicht raus? Andererseits war es gut so… denn so bekamen sie beide noch etwas Schlaf. Wenigstens kroch der Hund nicht nass in sein Bett.

„Wie wär‘s, wenn wir nachher an den Stadtrand fahren, wo du genug Auslauf hast?“ fragte Marik das Tier. „Das gefällt dir bestimmt besser als die Stadt.“ Er hatte nämlich so den Eindruck, dass Joey sich gestern auf dem Spaziergang nicht recht wohlgefühlt hatte, aber das mochte daran liegen, dass er in einer neuen Umgebung war und mit einem unbekannten Menschen auskommen musste. Bestimmt konnten sie sich leichter miteinander anfreunden, wenn sie nicht so sehr auf andere Menschen achten mussten.

Joey bellte einmal leise und legte dann demonstrativ den Kopf auf seine Pfoten. Marik kroch zurück ins Bett, schlief aber erst nach einer halben Stunde noch einmal ein.
 

***
 

Um sechs klingelte das Telefon bei Sugoroku Mutou. An einem Sonntag ärgerte das den alten Mann ein bisschen, aber andererseits hatte er nicht so gut geschlafen. Das lag zum Einen an dem Gewitter, das sich erst in den sehr frühen Morgenstunden beruhigt hatte, zum anderen an dem Drachen in Menschengestalt, der so laut schnarchte, dass das Haus bebte.

Der alte Mann schaute auf das Display des kabellosen Geräts, und seine Miene hellte sich auf. „Angelus!“

„Guten Morgen, Sugoroku. Entschuldige, dass ich dich aus dem Bett klingle, aber ein gewisser Magier hier wollte nicht länger warten.“

„Huh? Welcher denn?“

„Na, der Rote.“

Sugoroku kicherte. „Hätte ich mir ja auch denken können.“ Schließlich war er genauestens über so manchen Vorgang im Schattenreich informiert – jedenfalls, soweit Lord Genesis davon Kenntnis hatte.

„Er möchte, dass du seine Karte auf die Duel Disk legst, damit er bei euch drüben erscheinen kann. Ich würde ihn ja in ein Flugzeug setzen und zu dir nach Japan schicken, aber das würde viel zu lange dauern,“ sagte der Vampir.

„Okay, das sollte wohl möglich sein, nur muss ich die Karte erst raussuchen. Die ist im anderen Schlafzimmer, und wahrscheinlich schlafen da noch alle – ich sitze ja auch gerade im Bett. Möchte er nicht lieber ans Telefon kommen?“

„Ich frag mal.“

Sugoroku hörte leise den Austausch zwischen seinem Vampirfreund und Crimson. Er hatte den Blutroten Magier, wie er ihn für sich immer nannte, noch nie persönlich getroffen, aber Yami und Yugi hatten viel von ihm erzählt, und natürlich auch Angelus, gerade im Zusammenhang mit Soach, über den sie ja ausführlich gesprochen hatten.

„Ähm… hallo? Kannst du mich hören, Sugoroku?“ erklang schließlich die neue Stimme. Sie klang ein bisschen härter als die von Dark, ansonsten aber ähnlich. Oh, da fiel ihm ein, dass er Crimsons Stimme ja doch schon einmal gehört hatte – damals im Duell, das Marik gegen seine dunkle Seite bestritten hatte.

„Klar und deutlich,“ sagte der alte Herr. Die Auslandsverbindungen waren wirklich inzwischen viel besser als noch vor einigen Jahren. „Freut mich sehr, dich persönlich sprechen zu können, Crimson.“

„Ähm… ja.“ Der eigentlich recht vorlaute Magier wirkte etwas unsicher. „Bei euch ist nicht zufällig Soach aufgetaucht? Mein Schlossherz dreht fast durch, weil es den Kontakt zu ihm verloren hat. Ich war beim Kristallschloss, um meinen Vater nach Onkel Kuro zu fragen, weil der mit Soach unterwegs war. Onkel Kuro hat anscheinend ein ähnliches Problem. Onyxenia, das ist sein Schlossherz, ist allerdings eher sauer, weil es sie ziemlich viel Energie kostet, die Bindung zu halten. Sie meint, Kuro hätte sie ja mal warnen können, dass er einen Weltensprung machen will.“

„Naja, das ist wohl nicht gerade geplant gewesen, soweit ich das verstanden habe,“ nahm Sugoroku seine Besucher in Schutz. „Aber sie sind hier, das stimmt. Samt Gandora, der eine menschlich anmutende Gestalt angenommen hat…“ Er berichtete ausführlich von den Ereignissen, wohl wissend, dass Angelus daneben stand und alles mit seinen empfindlichen Ohren hören konnte. Er erläuterte auch die Theorie, die Soach bezüglich der Gründe für die Umstände angegeben hatte.

„Bist du sicher, dass du das richtig verstanden hast?“ hakte Crimson nach, als er geendet hatte. „Ein Notfallzauber der Chaosmagie? Aber das ist unmöglich, er kann nicht---“

„Ich glaube nicht, dass es das Wort unmöglich im Vokabular eines Chaosmagiers gibt. Das zumindest hat Blacky ab und zu behauptet, als er hier war,“ warf Sugoroku ein.

„Stimmt, Blacky sagt immer, dass nichts unmöglich ist, und Soach hat das auch getan, aber das war vor der Sache mit dem Dieb. Er will es sich nicht anmerken lassen, aber er ist nicht mehr derselbe wie früher! Jeder von uns würde unter diesem Verlust leiden. Er… er war unterwegs, um eine Lösung für sich zu finden!“

Sugoroku war ein alter Mann, was den Vorteil hatte, dass er vieles gelassener sah. „Beruhige dich, Crimson,“ bat er. „Jemand wie Soach wird an diesem Problem nur wachsen. Menschen sind wie Bäume – man kann sie in Form ziehen, solange sie jung sind, oder mal einen Zweig kappen. Manchmal bricht ein Hauptast, aber jene, die das überstehen, bringen neue Zweige aus der Wunde hervor.“

Am anderen Ende der Leitung herrschte einige Sekunden Schweigen. „Das ist ein ziemlich merkwürdiges Bild,“ meinte Crimson schließlich. „Zumal Soach dann eher wie ein Baum ist, den der Blitz getroffen und verbrannt hat.“

„Das ist etwas sehr krass ausgedrückt,“ befand Sugoroku. „Es braucht seine Zeit, aber auch dieser Baum wird wieder Blüten tragen. Glaub mir – ich kann den Kampfgeist eines Mannes ungefähr einschätzen.“

„Na wenn du meinst...“ Crimson seufzte. „Ist es vielleicht möglich, dass du die drei mit so einem Flugzeug nach England schickst, damit wir durch Genesis' Weltentor zurück ins Schattenreich gehen können?“

„Ich werde mal fragen, was sie davon halten, aber ich glaube, sie werden es ablehnen.“

„Wieso das denn? Das wäre doch der einfachste Weg...“

„Manchmal ist der einfachste Weg nicht der, den jemand gehen muss. Du sagtest doch selbst, dass Soach nach einer Lösung für sich gesucht hat, nicht wahr? Etwas wurde hier in Gang gesetzt, und es muss von selbst wieder zum Stillstand kommen. Ich verstehe es nicht recht, aber ich habe so im Gefühl, dass wir es nicht stören sollten.“ Sugoroku lächelte... dann fiel ihm ein, dass Crimson das ja nicht sehen konnte. „Es ist wirklich sehr schön zu bemerken, dass du dich jetzt so gut mit Soach verstehst. Du machst dir ja ganz offensichtlich Sorgen.“

„Nun, ähm...“ Crimson wirkte verlegen, vielleicht errötete er gerade ein bisschen? „Es ist nur, weil... Ach, verdammt.“ Ein tiefer Atemzug. „Ja, du hast Recht. Soach war… wie eine Mauer, auf die ich mich stützen konnte und hinter der ich sicher war, wenn ich es wollte. Gleichzeitig musste ich niemals Angst haben, ihn in eine gefährliche Situation zu schicken. Eben weil für ihn nichts unmöglich zu sein schien.“

„Und jetzt fürchtest du um seine Sicherheit, wenn er außerhalb deines Wirkungskreises ist?“ neckte Sugoroku den Magier. „Was ist mit deinem Onkel? Nach dem fragst du ja gar nicht.“

„Das ist was ganz anderes! Onkel Kuro ist nichts Vergleichbares zugestoßen!“

„Streng genommen ist Soach aber im gleichen Alter wie er. Trau ihm zu, dass er zurechtkommt, Crimson. Er macht auf mich nicht gerade einen hilflosen Eindruck. Und ich passe schon auf die zwei Burschen auf... zusammen mit Gandora.“ Den würde er sicher beleidigen, wenn er sich anmaßte, auch auf ihn aufpassen zu wollen. Sugoroku nahm eine Bewegung in seinem Augenwinkel wahr.

Crimson lachte belustigt. „Ich mache mich wohl umsonst verrückt. Vermutlich kommt einiges davon auch von meinem Schlossherz – Cathy wird sich nicht damit abfinden, wenn ich allein zurückkehre.“

Soach trat lautlos neben den alten Mann und hob die Hand zum Zeichen, dass er auch einmal das Telefon haben wollte. Er reichte es ihm wortlos.

„Hallo, Crimson. Hier ist alles in Ordnung. Du kannst ganz beruhigt sein,“ sprach Soach mit ruhiger Stimme in das Gerät.

Sugoroku konnte Crimson jetzt nicht mehr hören, seine Ohren waren eben altersbedingt etwas schlechter als früher.

„Wir kommen bald zurück. Ein, zwei Tage dauert es aber schon noch.“ Ein Lächeln erschien auf Soachs Gesicht. „Ja, das sieht ihr ähnlich. Gib ihr einen Kuss von mir. Einen von den guten.“ Die Antwort war eindeutig amüsant, denn er fing an zu kichern. „Halt das, wie du willst. Und Cathy kriegt mich ja bald wieder. Nein, es ist kein Problem. Nur am Anfang… Crimson, ganz ruhig.“

Es entstand eine kleine Pause, in der er wohl nur zuhörte. Sugoroku musterte seinen Gast und stellte fest, dass dieser noch ziemlich zerknittert aussah, so als wäre er gerade aus dem Bett gekrochen. Die Haare waren zerzaust und die Kleidung bestand lediglich aus einer knielangen, ungefärbten Stoffhose, vermutlich Teil des Untergewands. Aber die Augen waren wach und klar, von einem glühenden Rot. Ansonsten fiel ein handtellergroßer Fleck mitten auf der Brust auf, der etwas heller war als die sonstige blaue Haut.

Sugoroku konnte keine Magie sehen, aber er nahm instinktiv Auren war, denn es war manchmal lebenswichtig für einen Spieler beziehungsweise Duellanten, seinen Gegner einschätzen zu können. Es gab hier einen deutlichen Unterschied zu gestern. Die ganze Haltung des Mannes war… aufrechter.

„Nein, du musst nicht in England bleiben,“ fuhr Soach schließlich fort. „Für Cathy ist es wahrscheinlich besser, wenn du so schnell wie möglich wieder im Schattenreich bist. Aber das überlasse ich ganz dir… nein, herkommen musst du nicht, ich weiß nicht, ob du mit uns zurückkehren kannst. Ja, dessen bin ich mir sicher. Genau. Crimson, es besteht kein Grund zur Beunruhigung. Ja, da hast du allerdings Recht – machen wir es so. Ich lasse dich jetzt nochmal mit Sugoroku reden.“

Damit bekam Yugis Großvater das Telefon zurück. „Da bin ich wieder.“

„Sugoroku! Der Kerl macht mich irre! Spielt den harten Kerl und…“

„Nein,“ unterbrach der Ältere seinen Gesprächspartner. „Du solltest ihn sehen. Nachdem wir gestern am Strand waren, um die Sterne zu besichtigen, ist er heute ein neuer Mensch.“

„Die Sterne? Ihr habt ihn die Sterne besichtigen lassen?“

„Ja… wieso?“

„Nichts… Nur, er sagte mir mal, dass er an der Welt des Blauen Lichts besonders die Sterne mag. Ich freue mich für ihn... und werde sie mir auch mal genauer ansehen. Sag mal, es soll in Japan ein unerklärliches Gewitter gegeben haben…“ Crimson führte den Satz nicht zu Ende, was automatisch eine Frage in den Raum stellte.

Sugoroku kicherte. „Ach herrje. Kam das in den Nachrichten? Tja, kann gut sein, dass die Chaosmagie dafür verantwortlich ist, obwohl das ja eigentlich unmöglich ist, nicht wahr?“

„Mach dich nicht über mich lustig.“

„Ich gehe gleich mal nachsehen, wie es dem restlichen Besuch geht. Ruft mich später wieder an, ja?“

„Uhm... na gut. Grüße Onkel Kuro von mir… und die anderen auch alle.“

„Sicher.“ Sugoroku drückte den roten Knopf und legte das Gerät zurück auf den Nachttisch. Er schlief jetzt immer in Yugis früherem Zimmer, denn nachdem sein Enkel mit einem eigenen Körper aus dem Schattenreich zurückgekehrt war, hatten die Jungs und er die Zimmer getauscht. So war dem Bedarf an Platz besser gedient und Besuch aus dem Schattenreich kam besser unter.

„In letzter Zeit benimmt sich Crimson wie eine Glucke,“ bemerkte Soach mit einem gerührten Lächeln.

„In letzter Zeit? Also seit etwa vier Monaten,“ schloss Sugoroku.

„Ja, er scheint zu denken, dass meine Welt zusammengebrochen ist.“ Soach zuckte mit den Schultern. „Das trifft es ganz gut. Aber ich überlebe. Lily wird bald unser Kind zur Welt bringen. Schon allein für meine Kinder muss ich stark bleiben. Ich gebe ihnen Halt und Sicherheit, ganz egal, wie es mir geht. So war es immer, und das werde ich nicht ändern. Es wäre gut, wenn mein Schlossherr mich darin unterstützen würde, statt an mir zu zweifeln.“

„Crimson meint es gut. Er befürchtet, dass du mehr leidest, als du zeigst.“

„Das tue ich, aber ich kenne meine Grenzen, Sugoroku. Crimson kann mir in dieser Hinsicht schon vertrauen. Vielleicht sollte ich ihn ein bisschen ärgern...“ Er rieb sich das Kinn, und ein schalkhafter Ausdruck trat auf sein Gesicht. „Kannst du für mich ein bisschen dieses Telegerät benutzen?“
 

***
 

Marik wurde gnädigerweise erst um sieben wieder angerufen, denn um diese Zeit war das Smartphone gerade seit zehn Minuten wieder an. Joey blinzelte träge vom Bett aus und hörte zu, als der Blonde den Anruf annahm. Wie er feststellte, konnte er den anderen Gesprächspartner gut hören. Es war Sugoroku, und der gab dann gleich an Soach weiter.

„Wow, du weißt, wie man das Telefon richtig benutzt,“ scherzte Marik, der sich müde im Schritt kratzte, während er versuchte, ein paar noch brauchbare Klamotten zu finden.

„Ich hab es mir bei Sugoroku abgeguckt,“ erklang Soachs Stimme aus dem Gerät. „Marik, könntest du mir wohl einen Gefallen tun und jemanden kontaktieren?“

„Ja, das wäre wohl möglich, wenn ich denjenigen kenne...“

„Ich glaube schon. Sag ihm, er soll bei Mutous anrufen. Ich erkläre ihm dann alles.“ Soach klang richtig aufgekratzt.

„Warte, ich geh an den Laptop, der muss in der Küche sein... da sind alle Telefonnummern gespeichert.“ Marik verließ das Schlafzimmer, so dass Joey den weiteren Gesprächsverlauf nicht richtig mitbekam, und er war auch zu faul zum Aufstehen, wenn er noch etwas liegen bleiben konnte. Hund zu sein hatte Vorteile.

Er hörte Marik in der Küche reden, machte sich aber auf dem Bett lang, jetzt wo er es für sich hatte. Die zerwühlten Decken waren noch ganz warm und rochen nach Marik. Seltsam. Joey brachte den Geruch automatisch mit dem Ägypter in Verbindung, dabei war er ihm noch nie zuvor bewusst aufgefallen. Aber er hatte mal gehört, dass auch Menschen unbewusst den Geruch des anderen wahrnahmen und sich deswegen manchmal buchstäblich nicht riechen konnten. Musste wohl bei Kaiba so sein.

Marik kam gar nicht wieder. Joey hatte noch etwas schlafen wollen, aber er hielt es dann doch im Bett nicht aus und ging nachsehen. In der Küche lief der Laptopcomputer mit etwas Musik, eine Datei war offen. Joey sprang neugierig auf den Stuhl.

‚Als die Helden in die Höhle vordringen, werden sie von Skeletten angegriffen, die noch blutige Fleischfetzen an den Knochen haben und Säbel schwingen. (dramatischer Kampf) Lorena wird von oben bis unten aufgeschlitzt und Kaduk, der neben ihr gestanden hat, kriegt all ihr Blut ab und sinkt schreiend auf die Knie, hält seine Geliebte fest, während sich ihre Gedärme…‘

Was war denn das für ein komischer Text?! Marik hatte in Rot als Anmerkung daneben geschrieben, dass die Beschreibung zu viele Einzelheiten enthielt. Das kam Joey auch so vor. Aha… das Dokument trug den Titel ‚Zombiegewölbe 4‘. Was auch immer… Er verzichtete auf eine weitere Lektüre und sah lieber nach, wo Marik steckte.

Der Ägypter stand im Bad vor dem Spiegel und stylte seine Haare. Das war anscheinend eine große Sache für ihn, obwohl seine Frisur Joeys Meinung nach nichts Besonderes war. Er selbst kämmte seine einfach fast jeden Morgen durch und ging alle zwei Monate zum Friseur, um sie schneiden zu lassen.

Marik achtete darauf, dass sein Scheitel gerade war und die Ponyfransen korrekt lagen. Er fixierte sie sogar mit Haargel! In dem Spiegelschrank über dem Waschbecken fanden sich Kosmetikartikel und Haarpflegemittel, wie man es normalerweise nur von Frauen kannte. Joey dachte an seine einsame Billigmarken-Duschgel-und-Shampoo-in-einem-Flasche zu Hause. Ein Rasierwasser hatte er manchmal noch, fertig.

Marik trug im Moment Jogginghosen und ein schlabberiges Shirt. In solcher Kleidung hatte Joey ihn noch nie gesehen. Er schien viel Wert auf seine äußerliche Erscheinung zu legen. Joey Nase gefiel der Geruch all der kleinen Mittelchen nicht, deshalb knurrte er vernehmlich, als Marik zum Deospray griff. Es war eins von der teureren Sorte, die waren meistens schon für Menschen gut zu riechen, und seine Hundenase nahm den Geruch schon übermäßig wahr, als lediglich der Deckel offen war.

„Huch?“ Der Blonde fuhr überrascht herum. „Joey… oh, soll ich auf das Deo verzichten, ja? Hm… hast Recht, ich bin vielleicht zu eitel. Für dich ist das bestimmt zu intensiv.“ Er beschränkte sich auf ein Anti-Transpirant, das er sich unter die Achseln strich. Es duftete nur dezent. Es gefiel Joey, dass Marik Rücksicht auf Tiere nahm… oder jedenfalls speziell auf ihn.

„Komm mit, ich mach dir was zu futtern,“ verkündete er dann. „Oder willst du erst vor die Tür?“

Nein, das wollte Joey nicht, deshalb rannte er in die Küche und bellte. Kurz darauf stand sein Gastgeber etwas ratlos vor dem mäßig gefüllten Kühlschrank und blickte abwechselnd von den Lebensmitteln zu Joey. Zuletzt rührte er etwas aus Wurst, Käse und gekochten Eiern zusammen und gab es dem Hund. Joey beäugte die Kreation skeptisch, entschied dann aber, dass man im Prinzip das Gleiche auch immer auf dem Pausensandwich hatte. Es schmeckte sogar ganz gut.

Marik war offensichtlich erleichtert. Er selbst aß Müsli und setzte sich dabei wieder an den Laptop, um den Text zu bearbeiten. Ach, das war dann wohl der, den er Bakura versprochen hatte. Na dann viel Spaß. Joey legte sich flach zu seinen Füßen unter den Tisch und wartete.
 

***
 

Die Schattenreichbewohner hatten viel Spaß im Badezimmer. Kuro war sich wage bewusst, dass sie Chaos anrichteten, aber das ging wohl nicht anders in Soachs Gegenwart. Der Typ versicherte immer wieder, dass er wusste, wie die Wasserzufuhr funktionierte, und dann passierte doch etwas anderes als gedacht. Zum Schluss hatten sie die Badewanne voll mit lauwarmem Wasser und die Bodenfliesen auch.

Gandora ließ sich gutmütig in die Wanne stecken und abschrubben. Sie testeten die Badezusätze und Körperreinigungsmittel, weil die Namen auf den Packungen ihnen nichts sagten. Dabei entstand ein Haufen Schaum. Sie freuten sich wie kleine Kinder, auch der Drachenmann.

„Man kauft das hier alles in einem Geschäft, die Leute machen fast nichts mehr selber,“ erläuterte Soach, während er aus einem Behälter ein Zeug auf seine Hand drückte, das angeblich nach Pfirsich roch. Kuro kannte keine Pfirsiche, aber es musste wohl eine Frucht sein. Er benutzte das Zeug, um es sich in die Haare zu reiben. Mehr Schaum. Aber wie er dann herausfand, brannte dieser in den Augen.

„Soach! Hilf mir und spühl mir das ab!“ rief er blind.

Soach drückte ihm einen feuchten Lappen in die Hand, mit dem er sich die Augen abwischen konnte, und bugsierte ihn mit dem Oberkörper über die Wanne, wo Gandora mit seinen großen Händen Wasser über seinen Kopf schaufelte, bis das Mittel rausgespült war.

„Warum benutzen die Leute hier sowas?“ beschwerte Kuro sich.

„Es gibt im Schattenreich auch Sachen, bei deren Benutzung man halt etwas aufpassen muss,“ entgegnete Soach.

„Gutes Stichwort.“

Alle erstarrten in ihren jeweiligen Bewegungen. Sugoroku stand in der Tür und ließ mit verärgertem Gesichtsausdruck seinen Blick schweifen.

„Ist ja toll, dass ihr euch so gut amüsiert, aber mittlerweile steht der Flur unter Wasser!“ schimpfte der alte Mann.

„Ach herrje.“ Kuro rannte aus dem Bad und fiel auf dem glatten Boden beinahe hin.

„Willst du dir nicht erst was anziehen?“ rief Sugoroku ihm nach.

Darauf konnte Kuro aber jetzt keine Rücksicht nehmen, denn das Wasser lief schon die Treppe hinunter. Außer der Männertruppe war doch eh niemand im…

„Waaaah!“

… Haus.

Kuro stand auf dem oberen Treppenabsatz, wobei seine triefenden Haare noch zur allgemeinen Katastrophe beitrugen, und starrte nach unten zu der jungen Frau, die vor Schreck die Hände vor den Mund gepresst hatte und nicht in der Lage war, den Blick von seinem Musterkörper abzuwenden.

„Ich wollte euch gerade sagen, dass Mai Valentine zu Besuch gekommen ist,“ bemerkte der Hausherr.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Hikari-Yumi
2013-09-27T10:21:07+00:00 27.09.2013 12:21
Wie episch!
Alleine die letzte Szene hat mich lauthals lachen lassen.
Unglaublich!
Und Mai will doch bestimmt zu Joey?
Aber hundi und Marik sind schon knuffig zusammen x)
Generell ist das alles so geil!
Soach ist so.... Männlich (Ermangelung eines passenden Wortes)
Und Crimson ist so awwwwww (Same Here)
Geil!
Antwort von:  Purple_Moon
27.09.2013 18:06
Irgendwie habe ich in dieser Reihe eine Vorliebe für nasse, nackte Leute. XD Aber ist ja immer wieder witzig.
Deine Begeisterung ist richtig schön. :D
Mai ist wegen Joey da, ja. Erfährt man noch.
Hm... ich weiß, was du meinst, aber ich weiß auch nicht, wie man Soach in dieser Situation betiteln sollte. Ich bemühe mich einfach, ihn nicht verweichlichen zu lassen. Aber ne Krise darf auch er mal haben.^^
Tja... mal gucken was ich jetzt mit dem Hundi anstelle. *kein Plan*
:D Danke!
Von:  jyorie
2013-09-27T10:04:32+00:00 27.09.2013 12:04
Hey ◠‿◠

*hi hi* ich fand es witzig, das Malik so einen grausamen Text von Bakura betan muss *lacht* kein wunder das man ihn erst treiben muss, damit er an diese Geschichte geht^^ Aber das paßt zu Bakura^^

Schade das du noch nicht verraten hast, wen Malik da kontaktieren soll. Das mach mich neugierig.

Die Annahme die Opa Muto geäußert hat, das die drei nicht durch das Stargate zurück kehren sollten, teile ich auch, ich denke, das man wirklich warten sollte, was der Chaos-Not-Zauber da vorhatte und die Sache mit dem Gewitter ist wohl auch ein Teil der Lösung.

*ggg* jetzt ist ja doch eine Kleinigkeit herausgekommen. Es gab einen Dieb auf Schloss-Lotusblüte und vielleicht ist ja Sorc sogar beschuldigt worden, oder er kennt den Dieb und durfte ihn wegen Früheren Versprechen nicht verraten, zudem – Was wurde den entwendet *neugierig anbettelt*

Mir hat es wieder gefallen, wie du Joeys veränderte Wahrnehmung erwähnst, das Malik sich nicht ganz so einparfümieren muss und wie er es genossen hat, das Bett noch mal einen Moment für sich allein zu haben. Am lustigsten fand ich die Stelle, bei der Malik ins Bad kommt und sich wundert das die Toilettenspühlung ging und Joey wohl geduscht hat. Sehr verwunderlich, ob bald genug zusammen kommt, das sich Malik Gedanken über seinen neuen Mitbewohner machen wird...

CuCu, Jyorie

Antwort von:  Purple_Moon
27.09.2013 18:16
Ich hab hier nicht näher erläutert, was Bakura da schreibt... in seiner Beschreibung sind ein paar Hinweise.^^
NATÜRLICH hab ich nicht verraten, wen Marik anrufen soll. So hält man Leser bei der Stange!
Und ja, der Notzauber macht das schon alles.
Aha... es ist also was rausgekommen. *kicher* Ja, es gab einen Dieb. Aber--- Ah nein ich werd hier nichts weiter dazu sagen. Schicke dir vielleicht ne ENS.^^
Na dann wars ja ne gute Idee, Joeys Hundeperspektive zu beschreiben. Davon wird es sicher mehr geben, erinnere mich daran, dass ihn später mal jemand fragt, was er da im Bad angestellt hat.^^
Danke sehr!


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