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Mach' es mir schwer

von

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50 wird man nur einmal

Kapitel 1
 

Dieses Jahr hatte es ihn vollkommen überfordert. Schon Monate zuvor hatte er angefangen in den Geschäften nach einem Geschenk für Bela Ausschau zu halten. Er wurde fünfzig und er hatte angekündigt, dass er feiern wollte. Nicht groß, aber mit Freunden und Familie essen, trinken, lachen. Das er eingeladen war, war selbstverständlich. Er hatte auch keine Einladung auf Papier gewollt, lediglich einen Anruf um zu erfahren wann er kommen sollte. Seit Bela das erste Mal hatte verlauten lassen, dass er seinen Geburtstag in geselliger Runde feiern wollte, suchte er. Sie waren zu jenem Zeitpunkt auf Tour gewesen. Das war sein Glück, denn so hatte er mehr Gelegenheiten zu schauen. Er dachte an viele Kleinigkeiten. Von jedem Halt etwas das typisch für die jeweilige Stadt war. Die Idee kam ihm schon nach wenigen Sekunden nicht gut vor, würde doch ein Teil der Städte, die sie auf der Tour schon hinter sich hatten, in diesem Sammelsurium der Kleinigkeiten fehlen. Er verwarf die Idee, hielt Ausschau nach Inspiration. Er machte Halt in Buchhandlungen, Musikläden, Elektronikgeschäften. Nach einem Monat endete die Tour und er musste seine Suche in der Heimat weiter führen. Hier fiel es ihm noch schwerer. Es gab einfach nichts was ihm sofort ins Auge stach. Etwas, das er ansah und sich sofort sicher war, dass Bela sich freuen würde. Er machte es ihm aber auch nicht leicht. Bela war ein erwachsener Mann mit genug Geld. Wenn er etwas wollte kaufte er es sich. Da gab es nichts was ihn aufhalten konnte und wenn es noch so unnütz war. Er hatte eine ganze Zeit über diese kleinen, gruseligen Puppen gesammelt. Mittlerweile hatte er es aufgegeben. Was er an Büchern und Comics wollte holte er sich sobald er die Möglichkeit dazu hatte und die hatte er in der Zeit des Internets immer und überall. Technikspielereien waren nicht unbedingt Dinge an denen er sich erfreute. Er hatte sein Handy, das nutzte er. Er hatte seinen Computer, den benutzte er zu Hause. Unterwegs tippte er ab und an in einen Laptop. Tablet und Konsorten wollte er nicht. Nach vier Monaten Suche war Farin so verzweifelt dass er an Gutscheine dachte. Die fand er zwar immer etwas unpersönlich, einfallslos, aber Bela hätte sich kaufen können was er wollte – sofern das Geschäft es hatte. Und hier fand er den Haken an der Sache. Er musste sich für einen Laden entscheiden. Er zerbrach sich wirklich den Kopf. Er gab sich alle Mühe, aber es fiel ihm diesmal unheimlich schwer. Die Ideen gingen ihm aus. Der Geburtstag war unaufhaltsam auf ihn zugekommen und er war mehr als nur verzweifelt.

Ein wenig unangenehm war es Farin schon als er auf das Geschenk in seinen Händen starrte. Er war nicht unbedingt ein Mensch, der schnell nervös wurde, aber jetzt hatte die Nervosität ihn in ihrem kalten Griff. Er trat sich selbst ständig von einem Fuß auf den Anderen. Seine Fußzehen beschwerten sich darüber mit einem heftigen Pochen. Er seufzte und klingelte. Von drinnen kamen Stimmen, die sich unterhielten und lachten. Das ganze Haus schien im Dunst des Grillduftes zu liegen. Dann vernahm er endlich Schritte hinter der Tür und sah wie die schwarze Haarpracht von Bela zum Vorschein kam. Lächelnd sah er Farin an, dann sah er auf das Geschenk. Das Lächeln wurde zu einem Grinsen.

„Du hast es mir echt nicht leicht gemacht“, entschuldigte sich Farin.

„Ach was, ist doch ein hübscher Blumenstrauß!“, lachte Bela.
 

Farin stand vor dem langen Tisch, der mit einer weißen Papierdecke überzogen war. Bela hatte sich nicht lumpen lassen. Im Garten waren Bierbänke aufgestellt, für die Kleinen aus der Familie stand ein Planschbecken im Schatten eines extra in den Boden gerammten Sonnenschirmes. Irgendwer hatte ihm geholfen die Boxen seiner Anlage in die Ecken der Terrasse zu stellen, so dass beständig leise Musik im Hintergrund lief. Er hatte den Chef seiner liebsten Pommesbude dazu überredet heute den Grillmeister zu spielen. Mit einem Bier in der Hand, in der Anderen die Grillzange sprang er zwischen den beiden großen Kohlegrills hin und her und wendete was das Zeug hielt. Auf dem Tisch vor dem Farin noch immer stand, waren Papierteller und Plastikbesteck zu finden. Der Müllbeutel hing am Ende des Tisches. Neben den Tellern standen Unmengen Plastikschüsseln mit unzähligen Salaten. Getränke fanden sich in der Küche, das hatte er gesehen als er durch das Haus in den Garten gegangen war. Bela hatte ihn darauf hingewiesen. Er solle sich einfach nehmen was er wollte, wie immer wenn er da war. Ihm war das Blatt Papier über der riesigen Armee von Flaschen aufgefallen. Je oller, je doller prangte in roten Buchstaben darauf.

„Wer hat denn die Salate alle gemacht?“, wollte Farin wissen als Bela noch neben ihm gestanden hatte.

„Von jedem etwas. Ich glaube allerdings, dass das Meiste von meiner Schwester kam. Das sie nicht mit einem Lieferwagen vorgefahren ist, ist alles.“

Farins Blick glitt zwischen den Schüsseln hin und her. In seiner Hand hielt er eine Flasche Limo. Kühl fühlte sie sich an. Der Hunger war noch nicht recht vorhanden, auch wenn er extra wenig gegessen hatte um hier zuschlagen zu können.

„Zu viel Auswahl, was?“

Farin sah hoch: „Viel zu viel.“

Alex nickte, sie kannten sich seit Jahren: „Der ist nicht schlecht. Den hier“, er senkte seine Stimme, „würde ich nicht nehmen. Schmeckt nur nach Mayo.“

„Ich werde wohl eh noch warten. Keinen wirklichen Hunger, aber danke für den Tipp.“

„Oh, irgendwann wirst du aber was essen müssen. Sonst hast du ein wütendes Geschwisterpaar am Hals. Außerdem ist Essen für die halbe Stadt hier.“

„Ja, ich kenne Dirk. Er hat so die Angewohnheit die Leute mästen zu wollen. Ich schaue mal weiter wer noch so da ist. Lass' es dir schmecken.“

„Mit Sicherheit“, lachte Alex, schöpfte sich eine weitere Portion auf seinen schon benutzen Teller.

Farin sah sich um. Die schattigen Plätze waren belegt. Denjenigen, denen es draußen zu warum wurde, trafen sich im Wohnzimmer. Dafür das Bela nur ein paar Leute einladen wollte kam es ihm recht voll vor. Offensichtlich hatte sich jeder Zeit genommen, war hier aufgetaucht und ließ auf seine Weise die Feier aufleben. Immer wieder konnte er das Plantschen der Kinder im Wasser hören, die aufschrien wenn sie sich gegenseitig nass spritzen oder untertauchten. Die Bierbank direkt am Planschbecken wurde komplett von Belas Familienmitgliedern eingenommen, die allesamt ein wachsames Auge auf die Kinder hatten. Die Freunde verteilten sich überall. Schallendes Gelächter brach in einer Ecke des Gartens aus, Gläser stießen aneinander. Nur noch Wenige standen mit Tellern in der Hand herum, dafür schien umso mehr Alkohol zu fließen. Eine ruhige Feier, so wie angekündigt, würde das in den Abendstunden nicht bleiben. Es hätte ihn auch gewundert. Mit einem gedeckten Kaffeetisch und ein paar Kuchen hätte Bela sich nicht zufrieden gegeben. Das war nicht seine Art, das würde auch nicht zu ihm passen. Er ließ seinen Blick durch den Garten schweifen, dachte darüber nach sich irgendwo dazu zu setzen. Er kannte beinahe jeden hier. Mit den Meisten hatte er zusammen gearbeitet. Sein Blick blieb bei Bela hängen. Er stand mit dem Rücken zu ihm. Die Sonne lag zum Teil auf ihm. Die abgeschnittene Jeans legte seine Unterschenkel frei, ebenso bunt wie seine Arme, die nicht von dem Muskelshirt verdeckt wurden. Wie bei allen Anderen lag eine glänzende Schweißschicht auf seiner Haut. Er unterhielt sich offenbar angeregt, merkte nicht, dass etwas von seinem Getränk überschwappte als er wild gestikulierte. Das Zusammenspiel seiner sichtbaren Muskeln war faszinierend. Alles im Einklang, wundervoll anzusehen. Farin wollte seufzen, erstickte das Aufkeimen der Melancholie mit einem Schluck von seiner Limonade. Belas Gegenüber erblickte ihn, winkte ihm lächelnd zu. Farin nickte, wartete das Bela sich umdrehte, ihn an sah. Er tat es und Farin erkannte wie glücklich Bela im Moment war. Er ließ sich gerne feiern. Er hielt die Leute bei Laune, war ein guter Gastgeber. Er hatte einen Blick für die Kleinigkeiten, die aus gingen und merkte sofort wenn sich ein Streit anzubahnen schien, den er schlichten musste. Er gab sich immer Mühe alles in korrekten Bahnen zu verlaufen zu lassen. Sie sahen sich an, lächelten und Farin hob das Glas als Bela ihm aus der Ferne zu prostete.
 

Niemand schien den Mann zu kennen, der am späten Abend aufgetaucht war. Kurze, braune Haare und tiefbraune Augen. Er hatte diesen anzüglichen Schlafzimmerblick und schien jeden damit in seinen Bann zu ziehen. Seine Gesichtszüge waren markant, gleichzeitig auch sehr sanft. Ein perfekt getrimmter Bart umzog seine Mundpartie, die perfekte Zähne zum Vorschein brachte sobald er lachte. Er wollte ihn furchtbar arrogant finden, aber er schaffte es nicht. Farin musste zugeben dass dieser Mann eine unfassbare Anziehungskraft hatte. Er trat charmant und höflich auf, stellte sich auf Nachfrage als Christian vor. Es verunsicherte ihn, dass Bela sich offensichtlich so gut mit ihm verstand. Er hatte ihn noch nie gesehen, konnte sich auch nicht daran erinnern dass Bela ihn je erwähnt hatte.

Es war spät geworden. Die Familie hatte sich zum größten Teil schon verabschiedet. Die Kinder mussten in die Betten, die Älteren ebenso. Ein paar Freunde waren gegangen. Sie hatten sich nicht überreden lassen länger zu bleiben. Einige mussten arbeiten, andere hatten schon genug getrunken. Ein letzter harter Kern hielt die Feier noch am Leben. Die Stimmung hatte sich etwas gewandelt, war euphorischer und die Feier drohte in ein feucht-fröhliches Chaos ab zu triften. Die Frauen ließen den Sekt in Strömen fließen, die Männer hielten sich an Bier. Einzig Farin nippte hin und wieder an seiner Limo, auch wenn es mittlerweile eine weitere Flasche war. Christian hatte sich eine Flasche Wein geöffnet, stieß mit jedem an, der ihm sein Glas hin hielt. Er unterhielt sich angeregt mit einer Frau, die regelrecht dahin schmolz.

„Alles klar bei dir?“

Farin kletterte aus seinen Gedanken: „Ja, alles super. Verrätst du mir woher du den Kerl kennst?“

„Kneipen Bekanntschaft. Kamen ins Gespräch weil wir gemeinsame Freunde haben, wie sich heraus gestellt hat. Ist ein guter Unterhalter.“

„Ja, das sieht ganz danach aus. Die Frauen sind Wachs in seinen Fingern.“

Bela lachte: „Stimmt, das hat er extrem gut drauf. Er weiß aber selbst nicht woran das liegt. Er steht nicht mal auf Frauen.“

„Hätte ich nun nicht vermutet.“

„Hatte ich auch nicht. Er hält damit aber nicht unbedingt hinter dem Berg. Christian ist da ziemlich direkt in der Beziehung um gleich die Leute auszusortieren, die damit ein Problem haben.“

„Eigentlich keine schlechte Vorgehensweise.“

Ein leises Brummeln von Bela. Farin sah auf seinen schwarzhaarigen Freund hinab während er die Flasche ansetzte. Seine Augen hafteten an dem unbekannten Mann, der nur wenige Schritte von ihnen entfernt stand und sich einer scheinbar immer größer werdenden Menschentraube gegenüber sah. Sein Freund sah nachdenklich aus. Als würde seine Stimmung kurz davor zu stehen zu kippen. Er stieß ihm mit dem Ellenbogen gegen den Arm. Er blickte auf.

„Was ist los?“, wollte Farin wissen.

Bela zuckte mit den Schultern: „Nichts.“

„So guckst du aber nicht, wenn nichts ist.“

„Genau genommen gucke ich immer so.“

Schweigen. Irgendwas lag in seinen Augen, dass Farin störte. Die Schmetterlinge, die er bei jedem Anblick von Bela im Bauch hatte, erstarben. Sie lagen schwer in seinem Magen. Ein Gedanke, der ihm überhaupt nicht gefiel, kroch nur langsam in den Vordergrund. Er blinzelte, wollte ihn damit verscheuchen.

„Und?“, fragte er, legte seinen Arm um die Schulter des Kleineren, „Wie fühlt sich das so an fünfzig zu sein?“



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