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Ein Lied für uns

meine Liebe für dich
von

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1/2 Lovesong

Die Kerzen brannten mittlerweile tief und die Musik spielte leiser, aber wahrnehmbarer. Leere Flaschen bedeckten Boden und Tische und jene, die sie zum Spielen benutzt hatten, war längst nicht wieder zu finden. Albus und Amy saßen an einander gekuschelt etwas abseits und genossen die gegenseitige Nähe. Auch Rose saß zwischen Scorpius Beinen auf dem Boden und lehnte sich mit halb geschlossenen Augen an seine Brust. Dominique und Roxanne hatten es erneut geschafft, einen über den Durst zu trinken und saßen kichernd in einer Runde mit Fred, Lorcan und Earl, welcher es nicht geschafft hatte, Lindsey in die Konversation zu zwingen. Sie hockte gelangweilt neben Aaron Marling und diskutierte Quidditch versetzt mit gelegentlichen feindlichen Kommentaren zur anderen Gruppe.

Da Lucy und Louis sich verabschiedet hatten, um ins Bett zu gehen, hockte Lily alleine auf einem der Tische und beobachtete das Treiben. Von dem, was sie mitbekommen hatte, waren die Reaktionen auf Roses geheime Beziehung nicht sehr positiv gewesen. Ihr selbst war es eigentlich egal gewesen, als sie die beiden damals gesehen hatte. Vielleicht auch weil ihr nicht bewusst gewesen war, wie ernst sie es meinten. Jedenfalls war ordentlich Feuer zwischen ihnen gewesen. Ein Feuer, das auf sie übergesprungen war, und sie einen Fehler hatte begehen lassen. Das würde er sie nie vergessen lassen. Genau wie jetzt, da er sich neben ihr an die Wand lehnte.
 

“Hey, Bambi, Zeit fürs Bett?” Er sprach leise, damit niemand mithören konnte.

“Dir fällt auch nie was anderes ein, was?” Angestrengt versuchte sie ihm deutlich zu machen, wie wenig Interesse ihrerseits an dieser Konversation bestand.

“Gut, warum hast du dich dagegen entschieden, mir nahe zu kommen, als du die Chance hattest?” Beide blickten sie auf ihren nackten Füße, denn ihrer Socken hatte sie sich entledigt, als es ihre Pflicht gewesen wäre, exklusiv für Lysander zu tanzen. Das war natürlich Earls blöde Idee gewesen und zu Albus Erleichterung hatte sie wenig Lust gehabt, Lysander den Gefallen zu tun.

“Verdienst du nicht.”, sagte sie steif.

“Hm, oder du dachtest, du seist nicht gut genug.”

Seine Selbstverliebtheit ekelte sie an. Es machte ihm abartig viel Spaß, mit ihr zu spielen. Zu versuchen, sie klein zu kriegen. Wieso existierten Menschen wie er? Und weshalb bei Merlin, hatte sie sich auf ihn eingelassen?

“Was hast du hiervon, Scamander?”, zischte sie. “Du hast doch bestimmt genug Verehrerinnen. Warum belässt du es nicht dabei, wie wir es abgemacht hatten?”

“Weil du von der Wahrheit davon läufst.”, wisperte er in Richtung ihres Ohres, sodass sein Atem feucht ihre Haut traf.

“Oder, weil du hoffst, dass ich wieder zu dir komme.” Zum ersten Mal sah sie ihm fest in die Augen.

“Ich habe bekommen, was ich wollte. Das war genug.” Energisch drückte sie ihm ihr Glas in die Hand und verabschiedete sich von den anderen.
 


 


 

Mit und mit taten die anderen es ihr gleich. Keinem von ihnen würde es am nächsten Tag blendend gehen, außer Amy vielleicht. Trotz eines geringen Alkoholpegels zögerte sie keine Sekunde zuzustimmen, als Albus sie fragte, ob sie die Nacht mit ihm verbringen würde. Aufmerksam verfolgte Scorpius die beiden wie sie Arm in Arm den Raum verließen, nachdem Al ihm zum Abschied brüderlich die Hand gegeben hatte.

Instinktiv zog er die Arme fester um Rose und übte mehr Druck aus mit seiner Hand auf ihrer Hüfte. Er spürte augenblicklich, wie sie sich dezent versteifte. Zärtlich rieb er mit seiner Nase gegen ihre Wange. Merkte sie wie viel anzüglicher seine Berührungen plötzlich waren? Fragend wandte sie ihm den Kopf zu und gab ihm die Gelegenheit sie tief zu küssen. Innig und wollend und hinweisend. Atemlos musste sie irgendwann abbrechen, da ihr Nacken zu schmerzen begann.
 

“Würdest du auch mit mir kommen?”, flüsterte er, woraufhin er sie schlucken hörte. Sein Bein verschlang sich mit ihrem und mit dem Daumen zog er Kreise unterhalb ihres Schlüsselbeins. Ihr flacher Atem und ihre ansteigende Hitze verrieten ihm, dass es ihr nicht unangenehm war und dennoch ergriff sie die Flucht. Hastig rückte sie von ihm ab.

“Ich bin ziemlich müde, weißt du. Danke für heute Abend. Ich muss über einiges nachdenken. Ich... vielleicht ein andermal.” Rasch wollte sie ihm einen Gute Nacht Kuss geben und gehen, jedoch hielt er ihre Hand fest.

“Gute Nacht.”, murmelte er und versucht seine Enttäuschung zu verbergen. Wenigstens ließ sie sich auf einen etwas längeren Kuss ein, bevor sie mit rotem Gesicht verschwand.

“Ist Lysander etwa auch schon weg?”, versuchte er die vielsagenden Blicke seiner verbliebenen Slyterhinkollegen zu überspielen.

“Ernsthaft Weasley?”, fragte Lindsey unzufrieden.

“Ja, ernsthaft.”

“Das ist also mehr als nur ein Zeitvertreib?”


“Ja.”, wiederholte er und sie zuckte mit den Schultern. Was immer das bedeuten sollte.
 


 


 


 


 

Eine bedrohlich ungewöhnliche Stille lag über dem Mädchenschlafsaal der Gryffindors. Amy war von ihrem nächtlichen Ausflug zu Albus zu ihnen gekommen und auch die einzige, die keine Kopfschmerzen hatte. Ihnen allen lag etwas auf der Zunge, doch nicht mal in die Augen sahen sie einander.

“Wie kannst du mit ihm zusammen sein?”, unterbrach Dominique plötzlich und die anderen zuckten zusammen.

“Was meinst du, wie?”, defensiv verschränkte Rose die Arme.

“Ein solches Ekel, das seine Hogwartskarriere damit verbracht hat, uns zu nerven und zu verspotten. Der Nachkomme vergifteter Gedanken und Ideen. Einen Malfoy. Sag mir wie?”

Dominique war wahrhaftig eine grandiose Schauspielerin, wenn sie all dies die ganze Nacht verborgen hatte.

“Ich habe ihn kennengelernt. Er ist nicht so wie sie. Er ist lustig, nett, intelligent, liebevoll. Seine Absichten mir gegenüber waren nie böse. Wir waren auch nie nett zu ihm.”

“Aber wie kannst du darüber hinwegsehen? Die Sache mit Carl zum Beispiel?”, schaltete Roxanne sich ein, die sich unwohl auf die Lippe biss.

“Genau nach der Auseinandersetzung hat sich alles geändert. Wir haben begonnen ehrlich zu sein, einander zu verstehen. Er hat dafür gesorgt, dass das alles aufhört. Und geht es wirklich noch um Carl? Ich meine, er ist immerhin mit Lindsey zum Ball gegangen. Ihm geht’s prima.”

“Nein, es geht nicht nur um Carl.”, widersprach Dominique etwas zu energisch. “So sind sie mit uns allen umgegangen.”

“Aber wir waren doch nicht besser!”, erklärte Rose verzweifelt. “Wir haben sie von Anfang an verurteilt. Fred und Lorcan sind okay mit ihnen klargekommen für eine Weile. Warum wir nicht? Warum könnt ihr nicht offen sein?”

“Für manche sitzen Narben eben sehr tief.”, sagte Amy leise.

“Wir haben keine wirklichen Narben, Amy! Der Krieg war vorbei, bevor wir geboren wurden. Weder er hat darin gekämpft noch wir. Auch seine Familie hat alles verloren! Nur weil wir die Gewinner des Krieges waren, heißt das nicht, dass wir besser sind. Er kann nichts dafür, dass er ein Malfoy ist.” Die anderen schwiegen bedrückt.
 

“Mal von der ganzen Sache abgesehen, du hättest es uns nicht verheimlichen sollen. Schon gar nicht so lange!”, brachte Amy einen neuen Punkt zum Vorschein. Noch immer war sie sehr ruhig. Doch Rose war es nicht.

“Das habe ich gestern Abend schon gesagt! Schaut euch doch an, wie ihr reagiert! Ich hatte Angst, was ihr sagen würdet.”

“Wir haben mehrmals nach deinem Verehrer gefragt! Du hättest etwas sagen müssen, anstatt blöd zu spielen.”, griff Dominique sie an. Vielleicht war es der Alkohol und vielleicht die Enttäuschung, dass ihr Traum von einer schönen Beziehung noch immer verdammt war, doch Rose war schrecklich wütend.
“Ehrlichkeit? Ich kann mich nicht daran erinnern, je erfahren zu haben, wer Amy entjungfert hat. Und Dominique, wieso erzählst du uns dann nicht gleich, dass du was mit unserem Cousin hast?” Alle vier starrten einander geschockt an.

“Tut mir leid.”, entschuldigte Rose sich gleich, als ein elendes Gewissen sich in ihr breit machte. “Das hätte ich nicht sagen sollen.”

Dominique schluckte und Roxanne fragte trocken: “Welcher Cousin Dome?” Der blonde Sonnenschein sah sehr verwettert aus. Sie schwiegen und in Rose brannte eine tiefe Scham.

“Du weißt schon welcher.”, gestand Dominique leise und zeitgleich brachen sie und Rose in Tränen aus. Die beiden jungen Frauen fielen sich in die Arme und schluchzten bei einander.

“Es tut mir so, so leid, Dome.”, schniefte Rose und ihre Freundin schüttelte heftig den Kopf.

“Ich hätte dich nicht so provozieren sollen. Du hast ja Recht, ich habe auch nichts gesagt.”
 

“Okay, okay!”, rief Amy verzweifelt. “Es war James.”

Ihre Atmung wurde schneller und auch ihr flossen nun die Tränen, sodass Roxanne hilflos und verdattert daneben saß. Rose und Dominique hatten ihre eigenen Probleme vergessen und beobachteten, wie die Information bei Amy selbst einsickerte und sie begann zu hyperventilieren.

“Oh, nein, oh Merlin. Ich habe mit dem Bruder meines Freundes geschlafen. Oh nein, oh nein.”

Roxanne hielt ihre Hände fest und redete beruhigend auf sie ein. “Atme tief ein und aus. Langsam, ruhig.”

“Keine Sorge, Amy. Das war ja bevor du mit Albus zusammen warst. Du wusstest noch nicht einmal, dass Albus dich mochte.”, versuchte es auch Dominique.

“Aber wenn Al das erfährt! Rose, du hattest so Recht, ich tue nichts für ihn. Ich verdiene ihn nicht.”

“Blödsinn!”, widersprach Rose sogleich. “Du hast ihn mehr als verdient. Jeder macht mal Fehler, Süße, wirklich jeder! Aber es ist doch nicht so schlimm. Er wird das schon... Du brauchst es ja nicht sagen.”

“Aber dann bin ich schon wieder unehrlich!”

“Nein, nein.” Dominique streichelte sanft ihr Haar. “Solange er nicht danach fragt-”

“Und wenn?”

“Dann überlegen wir dann. Jetzt komm erst mal zur Ruhe.”

Sie alle umarmten einander und hockten eine Weile als großes Bündel auf dem Boden. Roxanne schluckte hörbar, als der größte Sturm überwunden war.

“Also, können wir vielleicht mal darüber sprechen, dass Dominique mit meinem Bruder schläft?” Mit einem Schnaublaut packte Dominique ein Kissen und schlug es gegen den Kopf der Freundin.

“Präteritum, bitte. Und ich habe NICHT mit ihm geschlafen.”

Die schlimmsten Dinge verbanden manchmal die besten Freunde.
 


 


 


 


 

Auf dem Weg in die Bibliothek, den sie eilig und möglichst ungesehen angetreten hatte, wurde Lily dennoch von einem Rufen hinter sich aufgehalten. Es war Hugo. Ihr bester Freund, dem sie nie etwas verbergen wollte, und doch störte sie sein Auftreten jetzt.
“Lily, warte doch mal.” Gezwungen blieb sie stehen.

“Hey, Hugo. Was gibt’s?” Er lächelte, jedoch schimmerte seine Sorge durch.

“Nein, nein, nein, das frage ich dich. Was ist los?”

“Nichts.”, log sie. In ihrem Kopf allerdings blitzten sie auf, die Erinnerungen, die sie plagten. Sie spürte die Hitze des Genusses, gepaart mit der Scham des Versagens. Lysander war ihr gefolgt. Er hatte sie eingeholt nach der Party und er hatte sie geküsst, wie sie es nicht mehr gewollt hatte. Wie sie es nicht zugegebenermaßen gewollt hatte. Rasch schüttelte sie den Kopf.

“Warum bist du nicht ehrlich zu mir?”, fragte Hugo enttäuscht. Weil sie ein 14-jähriges dummes Mädchen war und er ein 14-jähriger Junge, der ihr nicht helfen konnte.

“Weil es keine große Sache ist.”, tat sie es ab und biss die Kiefer zusammen.
 

Um alles in der Welt wollte sie nicht daran denken müssen. Wie sie nicht einmal gekämpft hatte, um frei zu kommen. Wie hinterhältig und verabscheuungswürdig er geplant hatte, sie vor sich selbst zu blamieren. Nur damit er ihr zeigen konnte, dass er die Oberhand hatte. Natürlich hatte er das! Wieso konnte er nicht mit dem Wissen zufrieden sein? Weshalb musste er den Fehler, den sie als Mädchen gemacht hatte, noch vertiefen. Die Wahrheit war, dass er wusste, dass auch er einen Fehler begangen hatte und es ihre Schuld war.

“Gerade dann, würdest du es mir sagen.”, zog Hugo sie aus ihren Gedanken.

“Kannst du nicht einfach locker lassen?”, fauchte sie. “Bist du jetzt auch noch mein Moralapostel? Muss ich bei dir Beichte tun?”

Abwehrend und überrascht hob er die Hände. “Ich bin dein bester Freund, oder?”

“Dann benimm dich nicht wie meine Mutter.” Tränen stiegen in ihr hoch, weil sie sich selbst so fies fand. Wie konnte sie nur so mit ihm umgehen? Dem Menschen, der alles in der Welt für sie tat. Er würde Berge für sie verrücken, nein, das hatte er getan! Jetzt hatte sie ihn wütend gemacht. Schlimmer noch, sie hatte ihn enttäuscht. Mit kurzem Kopfschütteln wandte er sich um und ließ sie allein, wie sie gebeten hatte.
 

Frustriert verschränkte sie stark die Arme und biss sich auf die Lippen. Sie war zwar jung, aber normalerweise versuchte sie alles, um sich nicht wie ein Kind zu benehmen.

“Alles klar hier?”, fragte eine männliche Stimme. Sauer drehte sie sich mit einem giftigen “JA!” um, nur um sich gleich vor der beeindruckenden Statur von Scorpius Malfoy zu finden. Klasse, schon wieder ein Slytherin. Argwöhnisch beäugte sie ihn.

“Was machst du hier? Willst du etwa in die Bibliothek?” Sein Ausdruck wechselte von Sorge zu Belustigung.
“In der Tat. Manchmal zieht es sogar mich dorthin.”

“Hat es was mit deiner Freundin zu tun?” Es war nicht zu übersehen, wie ungewohnt es für ihn war, Rose als diese bezeichnet zu hören.

“Ja.”, sagte er jedoch. Lily nickte beiläufig.

“Wie läuft’s so?” Verwirrt sah er auf sie hinab.

“Äh, gut.”, antwortete er zögerlich. Seine Reserviertheit machte sie misstrauisch, also baute sie sich ein wenig vor ihm auf.

“Tu ihr nicht weh.”, forderte sie ernst. Stutzig runzelte er die Stirn.

“Hab ich nicht vor.”

“Nein, ich meine das Ernst! Ich kenne euch Männer, euch Slytherins. Ich weiß, wozu ihr in der Lage seid. Sie ist nicht dein Spielzeug, Malfoy.”

“Hör zu,”, unterbrach er viel ruhiger, als sie erwartet hatte, “wer auch immer dich verletzt hat, war ein Idiot. Rose ist aber alt genug, um zu wissen, was sie tut. Vielleicht solltest du mehr Vertrauen in ihre Entscheidung haben.

“Wenn du ihr wehtust, hast du es mit mir zu tun.”, entschied sie bedrohlich, selbst wenn es kaum Wirkung auf ihn zu haben schien.

“In Ordnung.”, stimmte er zu.

Unsicherheit trat in ihren Blick. Es schien als habe sie Wut erwartet, vielleicht sogar auf einen Streit gehofft. Doch nun ließ er sie leer hinter sich stehen.
 


 


 

Rose war wie erwartet in der Bibliothek, um für die Prüfungen zu arbeiten. Ihre Augen waren müde und ihr Zopf unordentlich. Neugierige Blicke Fremder folgten ihm, denn natürlich hatte die Neuigkeit sich verbreitet wie ein Lauffeuer. Sie mussten sich nicht mehr verstecken, konnten Hand-in-Hand durch die Schule gehen, sich küssen, wo sie wollten. Aber sie taten es bisher nicht.

Das Lächeln, mit dem sie ihn grüßte, war unsicher.

“Hey.”, murmelte sie. Kurz überlegte er, ob er ihr zumindest einen Kuss auf die Stirn geben sollte. Betreten setzte er sich nur neben sie.

“Vielleicht solltest du demnächst mal nach deiner Cousine schauen. Lily.”, riet er. “Hab sie eben getroffen und sie schien ziemlich zittrig und irgendwie komisch.”

“Oh.”, machte Rose ein wenig betroffen. Selbst schien es ihr nicht allzu gut zu gehen.

“Tut mir leid, dass das mit der Party nicht so geklappt hat, wie ich gehofft hatte.” Abwehrend schüttelte sie den Kopf.
“Nein, ich bin dir dankbar für deine Mühe. Ich habe alles kaputt gemacht, weil ich nicht die Klappe halten konnte.” Unauffällig nahm er ihre Hand in seine.

“Ewig hätten wir es nicht verschweigen können. Meinen Freunden ist es auch eigentlich egal. Es sind eher deine, die -”

“Ja, schon klar.”, unterbrach sie. “Ich weiß, dass meine die Schwierigkeiten machen. Es tut mir leid. Ich wünschte, sie könnten dich einfach akzeptieren!”
 

Ihre Stimme schwankte und so drückte er ihre Finger etwas fester.

“Darf ich dich um etwas bitten?”, fragte er sanft. Sie nickte.

“Vergiss sie.” Erschrocken weiteten sich ihre Augen und sie wollte protestieren. “Vergiss sie, wenn es um uns geht. Sei einfach glücklich, wie bisher und sie werden sich daran gewöhnen. Bitte, genieße einfach die Zeit.” Eindringlich sah er sie an und sie blinzelte nachdenklich zurück.

“Okay.”, sagte sie dann.

“Du bist doch glücklich mit mir, oder?” Er spürte wie sie seine Hand streichelte, begleitet von einem etwas zuversichtlicherem Lächeln. Beinahe als seien die Voyeuristen nicht mehr um sie herum, sahen sie einander an und erforschten die Hand des anderen. Die Sorge war vorübergehend aus ihren Augen gewichen. Nun standen dort Verlegenheit und Liebe.

Nach kurzem Zögern huschte ein keckes Lächeln über sein Gesicht. Fragend verengten sich ihre Augenbrauen und er nickte hinüber in eine wenig besuchte Ecke der Bibliothek. Er konnte beobachten, wie erst alle Farbe aus ihrem Gesicht wich, um rot wieder hinein zu schießen und ihre Augen sich ängstlich weiteten.
 

“Wir sind mitten in der Öffentlichkeit.”, widersprach sie flüsternd.

“Es wird keiner merken.”, versicherte er, doch der Gedanke behagte ihr deutlich nicht.

“Wenn wir beide alles stehen lassen und hinter einem Regal verschwinden, brauchen sie uns gar nicht sehen.”, zischte sie empört.

“Mach dir nicht so viele Gedanken. Ich habe das schon oft gemacht.” Erschüttert fuhr sie zurück und er griff rasch nach ihren Händen, sobald er seinen Fehler bemerkt hatte.

“So meinte ich das nicht. Vertrau mir. Versuchs einfach.” Ihre Augen huschten zwischen seinen hin und her, während sie tief einatmete.


“Okay.”, wisperte sie und er führte sie fort von den anderen. Die Angst stand ihr ins Gesicht geschrieben, also versuchte er sie zu beruhigen.

“Shhht.”, hauchte er nah neben ihrem Ohr. Bedacht legte er eine Hand auf ihre Hüfte und vergrub eine in ihrem Haar, bevor er ihren Mund einnahm und ihr den Atem raubte. Haltlos krallte sie die Finger in sein Hemd und ließ sich gegen das Bücherregal drängen. Diese Erfahrung war in der Tat nichts neues für ihn, doch nie hatte sie ihn so zufrieden gestellt. Zu spüren, wie sie sich ihm mehr öffnete, wie er ihr die Augen öffnete. Er merkte, wie die Anspannung aus ihrem Körper wich und sie eine ihrer Grenzen übertrat.

“Rose.”, flüsterte er, als sie nach Luft schnappte. “Verbring die Nacht mit mir. Bitte.” Sehnsüchtig hielt er ihren Arm, küsste sich ihren Nacken hinab, sodass sie seinen Kopf erneut zu sich hoch ziehen musste.

“Ja, okay. Am Wochenende.” Ungläubig küsste er sie erneut und zog sie noch heftiger an sich als zuvor.
 


 


 


 


 

“Wer hat im 13. Jahrhundert den gefährlichen Troll Mago zur Strecke gebracht, nachdem sein Zauberstab von jenem zertreten worden war?”, leierte Earl die Frage mit Elan hinunter.

“Keine Ahnung!”, maulte Lindsey und ihr bester Freund hieb das Lehrbuch so hart auf den Tisch, Scorpius Kürbissaft ihm über die Hand schwappte. Earl scherte das nicht. Stattdessen beugte er sich ernst zu Lindsey hinüber und schob sich eine imaginäre Brille die Nase hoch.

“Wenn du den Test am Dienstag bestehen willst, ist es an der Zeit, etwas mehr Aufwand in deine Vorbereitung zu stecken. Da du mich schon dazu zwingst, mit dir zu lernen, nutz die Zeit wenigstens sinnvoll!”, befahl er und sie rollte mit den Augen.

“Was für sinnvoll? Für dich musste nie irgendwas sinnvoll sein. Ich will den alten Earl zurück.”

“Na na, junges Fräulein, ich erwarte eine andere Attitüde.”

“Earl!”, zeterte sie. “Wie soll ich mich denn konzentrieren, wenn du die ganze Zeit so einen Mist redest?”
 

“Hey, schaut mal!”, unterbrach Albus aufgeregt. Die vorausgegangenen Minuten hatte er konzentriert auf seinen Teller gestarrt, welchen er jetzt in ihre Richtung drehte.

“Was ist das?”, fragte er und deutete auf den Rest Tomatensauce, den er augenscheinlich mit der Gabel zu einem Gebilde geformt hatte.

“Hogwarts.”, riet Lindsey, der die Ablenkung gelegen kam.

“Nein, aber ein guter Versuch.”

“Stalagmiten oder -titen.”, versuchte es Lysander und Earl brach in Gelächter aus, woraufhin ihm Lindsey einen Klaps auf den Hinterkopf verpasste.

“Titen, mit einem t, du Flubberwurm.”

Verzweifelt sah Albus auf sein Kunstwerk. “Kommt schon! Es ist eine Krone auf einem Kopf!”

Argwöhnisch suchten sie danach und taten dann so, als hätte ihnen das längst auffallen müssen.
 


 


 

Ein paar Haustische weiter lag Amys Kopf erschöpft auf der Tischplatte, während sie mit ihrer Gabel unberührt den Kartoffelbrei umher schob.

“Hast du mal wieder zu lang an der Zeitung gearbeitet?”, erkundigte sich Dominique fröhlich und klaute ihrer Freundin ein Stück Würstchen. Ihre Antwort kam von der kichernden Rose.

“Sie hat sich gestern im Bett vertan.”

Mit wackelnden Augenbrauen näherte sich Dominiques Gesicht der Jüngeren. “Wie ist er so? Hat er gemerkt, dass du Erfahrung hast?”

Eine halbherzige Bewegung Amys deutete an, dass sie mit einer Kartoffelbreischleuder drohte. “Natürlich nicht. Ich trau mich nicht, falls er fragen würde. Man kann sich auch anders wach halten.” Müde schloss sie wieder die Augen.

“Ui, wie denn?”, neckte Rose und Amy grunzte.

“Was seid ihr nur für neugierige, Sex besessene Hühner?” Sie glucksten und Roxanne stützte sich auf die Hände.

“Sex besessen? Was geschieht schon bei mir? Hingegen würde ich gerne etwas mehr über die Intimgeschichten eines gewissen blonden Adlers erfahren.” Herausfordernd wandte sie sich an Dominique, die genervt und betreten aufseufzte.

“Roxi, wirklich? Können wir das nicht vergessen?”

Die Angesprochene machte ein stark nachdenkliches Gesicht. “Hmm, meine beste Kindheitsfreundin lässt sich von einem der größten Schürzenjäger ausziehen und obendrauf ist der noch mein Bruder, aber ich erfahre kein Sterbenswörtchen. Natürlich wirklich!”

Nun vergrub auch Dominique das Gesicht in den Händen. “Dann bin ich eben auch auf ihn reingefallen, und? Unsere Freundschaft ist noch ok und es ist ja jetzt vorbei.”
 

Eine Mischung aus Neugierde und Misstrauen blickte ihr aus drei Augenpaaren entgegen.

“Ach kommt, wenn wir Sexdetails von irgendwem wissen wollen, dann doch vom blonden Bösewicht auf der anderen Seite der Halle. Wer hat einen ärgeren Ruf als er? Ist er wirklich so begehrenswert?”

Empört verpasste Rose ihr einen Klaps. “Red nicht so laut.”, murmelte sie und Amy kicherte, dann sah auch sie verschwörerisch hinauf.

“Hat er ein Sixpack?”, erkundigte sie sich. “Bizeps?”

“Ich habe ihn noch nicht ohne Hemd gesehen, aber es fühlt sich so an.”, antwortete sie schulterzuckend. Überrascht sog Roxanne die Luft ein.

“Du hast seit Monaten was mit Malfoy am Laufen und er hat dich nicht ausgezogen?”

Rose wurde scharlachrot. “Ich hab ja nicht gesagt, dass er mich noch nicht ohne gesehen hat.” Wie kleine Mädchen kicherten ihre Freundinnen.

“Ach, ihr habt wirklich nichts gescheites im Kopf!” Mit der Gabel zeigte sie bedrohlich auf sie. “Ich wette, jede von euch hat sich schon mal ein Abenteuer mit Scorpius vorgestellt.” Während Dominique und Amy scheinheilig die Köpfe schüttelten, gestand Roxanne unbekümmert: “Ich habe ihn im Traum aber immer Malfoy genannt.”

“Wie ist die Affairensache?”, fragte Amy. “Die habe ich mir immer vorgestellt.”

“Mit James?”

“Klappe!”, kam es böse.

“Okay. Also, es war schon aufregend. So mysteriös und irgendwie verstärkt es die Beziehung. Manchmal habe ich mir aber einfach gewünscht, dass er mein richtiger Freund sein könnte.”
 

“Ihr hattet ernsthaft die ganze Zeit keinen... Verkehr?”

“Iih!”, rief Dominique und verzog das Gesicht, sodass Amy sie verwirrt anstierte. “Ist halt nicht Jede so versaut wie du, Miss Ich-treib’s-mit-Fred-auf-dem-Kl-.” Die Hand der Blonden war vorgeschossen und schloss sich um Amys Mund, um deren Wortschwall abzuwürgen. Genüsslich lehnte Roxanne sich zurück, denn sie konnte niemand mit nichts ärgern. Nur so lange, bis sie die Röte auf Roses Gesicht entdeckte.

“Du hast doch nicht, oder?”

“Meine Güte, nein!”, versicherte Rose direkt, jedoch schlummerte der Gedanke ans Wochenende im hinteren Teil ihres Kopfes.

“Tu’s nicht.”, quietschte Dominique und griff nach ihren Fingern. “Schlaf nicht mit ihm.”

“Merlin, es ist nicht so, als würde es mich umbringen.”

“Bitte, bitte, Rose.”, jammerte Dominique. “Tu’s nicht, tu’s nicht.”

“Er ist mein Freund, nicht das Biest..”, murmelte sie.

“Und du bist die Schöne. Er würde alles tun, um-”

Enttäuscht stand sie auf. Es schien so gut zu laufen, aber vielleicht war auch das wieder nur Schauspiel gewesen.
 


 


 

Nach dem Essen entfernte sich Lindsey ohne ein Wort von ihrem Haustisch, sodass Earl aufsprang und ihr hinterher hechtete.

“Was?”, zischte sie. Abwehrend hob er die Hände.

“Ich habe noch nicht mal etwas getan und trotzdem regst du dich auf. Tage?” Wütend drehte sie sich um.

“Nein? Eventuell nicht?”

“Was denn? Bist du sauer, weil ich mich eventuell mit Blondie verstehen könnte?”

“Spinnst du?” Schnaubend stemmte sie die Fäuste in die Hüfte.

“Du bist also nicht eifersüchtig?”, triezte er.

“Was bildest du dir eigentlich ein? Zwischen uns war immer alles freundschaftlich. Warum sollte das anders sein? Es sei denn bei dir hat sich was geändert?” Mit Argusaugen stierte sie ihn an und verzog noch mehr die Mine, als er zu lachen begann.
 

“Ohne dich verletzen zu wollen, aber kein Kerl mit einem Funken Vernunft fängt was mit dir an, Lindsey.”

“Ach, ist das so?”, fauchte sie zornig. Offensichtlich dem Ernst der Situation gegenüber ignorant, zuckte er mit den Schultern.

“Wir sind gute Freunde, weil du bist wie ein Kerl und wenn sich jemand doch an dich heranwagt, spielst du mit deinem Essen, verschlingst es und spuckst es dann aus. Du bist ein bisschen eine Viper zu Männern.” Lindsey schwieg ein paar Momente. Jedoch gab sie ihm damit nicht Recht, wie er vermutete.

“Gut, dass wir so gute Freunde sind.”, sagte sie trocken und wandte sich dann um.
 

Was für ein dreister Taipan war dieser Kerl? Angestrengt würgte Lindsey die Tränen hinunter. Sie weinte nicht. Niemals. Und ganz sicherlich nicht wegen eines Kerls. Das war ihre erste Regel im Leben. Gleich nach der, keinem Mann zu trauen. Ihre Freunde waren auf bestimmte Weise natürlich eine Ausnahme, da sie alle einen Pakt der Abstinenz von einander abgeschlossen hatten. Leider bedeutete das nicht, dass ihre Freunde sie nicht auch absonderlich mies behandeln konnten.

Kein Mann mit einem Fünkchen Verstand. Der Grund, dass ihre “Opfer” Idioten waren, war der, dass sie von ihnen nichts zu befürchten hatte. Keine echten Gefühle und keinen Herzschmerz. Ihr System war perfekt ausgeklügelt und lies keinen Raum für Versehen. Mit Brennstoff aus Wut, Verletztheit und Enttäuschung stapfte sie durch die Korridore hinauf ins Erdgeschoss. Dort wanderte sie ziellos umher, immer noch brodelnd im Inneren.

Sie wusste, was sie suchte, sie wusste nur nicht, wo. Ein kleines Fünkchen Verstand hatte sich in ihr System verirrt und es zum Erschüttern gebracht. Ihr selbst war nicht ganz klar, ob sie Earl’s oder ihrem Kopf etwas beweisen wollte. Jedoch war sie sich sicher, dass er im Unrechten lag. Dass sie eine Chance auf nutzlose, schmerzhafte, verwirrende Liebe hätte, wenn sie eine wollte. Anders als er vielleicht, der nun wirklich stumpf schien.
 

Im Endeffekt war es ihr Gesuch, das sie fand und vom Ende des Ganges her überrascht ihren Namen nannte. Jedes Gefühl und jeden Gedanken ignorierend marschierte sie ihm entgegen, zögerte eine Sekunde vor ihm und machte dann ihren Entschluss. Bevor er die Möglichkeit hatte, Vermutungen anzustellen, zog sie seinen Kopf zu sich herab und pflanzte ihm einen Kuss gleich auf die Lippen. In einer eigenartigen Bewegung erstarrte er, bis sie ihn freigab und er ein verlegenes Lachen lachen konnte.

“Dir auch einen schönen guten Tag.”

Mit großen Augen sah sie ihn an. Seine Brille war leicht verrutscht und brachte sie auch zum Schmunzeln, obwohl sie viel lieber weinen wollte. Er war so sachlich, obwohl er Gebrauch von ihrer Verzweiflung hätte machen können. Ganz so, wie jeder andere normale Junge.

Schweigend betrachteten sie einander. Sie mit verkrampft gerader Haltung und er mit in die Tasche geschobenen Händen. Seine Nerdigkeit mit Brille und Koteletten war beinahe lässig. Außerdem bemerkte sie, dass seine Krawatte gar nicht so eng saß, wie sie immer gedacht hatte.

“Tja, ich wollte gerade am Waldrand lang spazieren und sehen, ob ich irgendwelche Wildtiere erspähen kann. Hast du Lust?”

Nein, so etwas machen nur Langweiler ohne Hobbies. Frag doch einen deiner Studienkollegen. Earls blöde Kommentare schwirrten in ihrem Kopf.

“Ja.”, sagte sie. “Ok.”
 


 


 

Also schlenderten sie gemeinsam am See vorbei in Richtung Waldrand und sprachen über den baldigen Sommerbeginn und ihre Sehnsüchte aufs Schwimmen mit dem Kraken.

“Ich schwöre, er hat mich schon mal berührt.”, beteuerte Lindsey, jedoch runzelte Carl zur Antwort seine Stirn.

“Das ist eher unwahrscheinlich, da er in den flachen Uferbereichen, in denen wir schwimmen, nicht überleben, geschweige denn verschwinden könnte. Es war also eher ein Fisch.”

Enttäuscht senkte sie den Blick und er klopfte ihr auf den Rücken.

“Hey, es ist wahrscheinlich besser, wenn er es nicht war. Sonst hätte er dich vielleicht unter Wasser gezogen.”

“Und an Meermenschen verkauft, die mich dann zum Abendessen verspeisen.”, spann sie die Möglichkeiten aus.

“Ach was, gefährlich sind die eigentlich gar nicht.”, widersprach er erneut und sie biss sich auf die Lippe, sodass er sich gleich schlecht fühlte.
 

“Aber wenn doch, hätte ich dich eben retten müssen.”

Sie grinste. “Wie hättest du das denn angestellt?”

Lässig zuckte er mit den Schultern. “Verhandelt natürlich.”

“Weil du natürlich Meerisch sprichst.”

“Klar.” Verblüfft sah sie zu ihm hinauf und erhaschte dabei hauptsächlich seinen Kiefer. Carl war größer, als sie auf hohen Schuhen bemerkt hatte.

“Habe die Sprache mal für ein Jahr belegt. Ich bin natürlich nicht gut, aber was deichseln können, wenn es bei dir mal brenzlig wird, sollte ich schon.”

“Gibt es irgendwas, was du nicht kannst?” Kurz überlegte er.

“Ich bin kein guter Flieger. Und cool bin ich auch nicht.”

Erneut biss sie sich auf die Lippe, sich wohl bewusst, dass sie einer der Menschen gewesen war, die ihm das zu verstehen gegeben hatten.

“Natürlich bist du cool.”, sagte sie also und hoffte, das Gespräch wieder auflockern zu können. “Auf der ganzen Schule bist du wahrscheinlich der Einzige, der mich aus den Händen hungriger Wasserbewohner befreien könnte.” Zumindest zauberte sie ihm damit ein kleines Lächeln auf die Lippen.
 

Dann packte er sie plötzlich am Arm, sodass sie stehen blieb und seinem ausgestreckten Finger mit dem Blick folgen konnte.

“Sieh mal.”, sagte er mit leiser Faszination. Er deutete auf einen Vogel mit tiefblauem Gefieder und gefährlich blitzendem silbernen Schnabel. Trotz seiner geringen Größe beförderte er ein gewisses Unwohlsein in Lindsey zutage.

“Es ist ein Katzschnäbler.”

“Aha.” So gewillt sie auch war, den richtigen Enthusiasmus konnte sie bisher nicht aufbringen.

“Sie sind selten und richtig gefährlich. Sie zerstechen großen Tieren die Augen, bis diese am Hungertod sterben. Dann kommen große Scharen der Vögel zusammen und zehren von ihrer Beute. Ich hätte keinen von ihnen so nah am Rand erwartet.”

Um ihm ein Zeichen zu geben, schlenderte sie langsam weiter und zum Glück folgte er widerwillig.

“Ich glaube, für meinen ersten Tag der Wildtiersuche verzichte ich auf potentiell ausgekratzte Augen.”

“Meine Güte, ich habe mir ja einen richtigen Pessimisten mit auf die Mission genommen. Bringt das nicht Unglück?”, neckte er.

“Ich glaube, du weißt gar nicht, wie sehr du dich freuen darfst, dass ich überhaupt mitgekommen bin.”

“Oh, natürlich, ich fühle mich geehrt, eure Majestät.”, sagte er gespielt entschuldigend, sodass sie ihm einen Klaps auf den Hinterkopf gab.

Während ihres Spaziergangs blödelten sie viel herum, wenn er sie nicht gerade über ihre Umgebung informierte.
 

“Hui, was ist der Vogel da vorne?”, rief sie begeistert, sodass er gluckste.

“Ein Gartenspatz.”

“Oh.”

“Aber siehst du den dunkel braunen Käfer dort vorne?” Er zeigte auf ein großes Exemplar an einem nahen Baum, sodass sie angeekelt zur Seite trat.

“Da hätten wir einen Erlenkäfer, dessen Augen wir im fortgeschrittenen Unterricht gebrauchen. Das liegt daran, dass es sehr schwer ist nur seine Augen herauszunehmen, ohne sie dabei zu zerstören. Sein Körper hat einen sehr bitteren Geschmack und lässt sich nur schwer abbauen, aber seine Augen helfen bei der Reaktion von Zaubertrank Zutaten.”

“Carl.”, unterbrach Lindsey leise und er hielt überrascht die Luft an. “Es tut mir leid, aber das interessiert mich nicht.” Betreten sah er fort.

“Ich meine nur, vielleicht musst du Sachen etwas weniger ausführlich erklären? Es sei denn, man fragt speziell danach. Weißt du?”

“Ja ja, schon klar. Tut mir leid.” Natürlich wusste er, dass es ihm in der Natur lag, Menschen zu Tode zu langweilen. Jedoch merkte er es oft gar nicht, wie lang er redete und wann er es nicht tun sollte.

“Schau nicht so traurig aus der Wäsche.”, lachte Lindsey. “Ich meine es nicht böse. Erklär mir lieber, wie man diese Frucht aufkriegt.”
 

Interessiert folgte er ihrem Blick zu einem oval geformten Ernteprodukt, welches ein paar Bäume in den Wald hinein vom Ast hing.

“Ah, Nargnüsse.”

“Genau.”, stimmte sie zu. “In Kräuterkunde mussten wir die öffnen, aber ich habs nie hingekriegt.”

“So schwer ist das doch nicht. Das lernt man in der vierten.”

“Seit dem hatte ich das Fach auch nicht mehr. Zugegebenermaßen habe ich nicht aufgepasst, als dein Dad es erklärt hat. Aber zerschlagen konnte man sie einfach nicht.”

“Man muss eine bestimmte Stelle mit einem spitzen Ast piksen. Willst du, dass ich es dir zeige?” Stirnrunzelnd sah sie ihn an. “Dann kannst du sie auch gleich probieren.”

“Die Frucht hängt viel zu weit oben.”, widersprach sie und erntete ein Lachen.
 

“Komm auf meine Schultern.”, forderte er und ging in die Hocke. Nun war es an ihr zu Schnauben.

“Ich bin viel zu schwer.” Voller Empörung richtete er sich wieder auf.

“Du meinst, du bist zu schwer für mich? Du glaubst nicht, ich könnte dich tragen?”

Als sie stumm antwortete, weiteten sich seine Augen. “Amy krieg ich auch hoch.”

“Sie ist ja auch ein Fliegengewicht.”, tat Lindsey sein Argument ab, sodass er frustriert den Kopf schüttelte. Ohne Vorwarnung trat er hinter sie, packte fest ihre Taille und hob sie mit einem Ruck über seinen Kopf. Geschockt kreischte Lindsey und kippte beinahe hinten wieder herunter. Zur Selbstrettung krallte sie sich an seinen Kopf und drückte ihm die Brille ins Gesicht. Rasch half er sie zu stabilisieren, bis sie freihändig sitzen konnte.

“So und jetzt hol das Ding da runter.”, befahl er.
 


 


 


 


 

Die heftige Reaktion der Freundinnen hatte Rose erschüttert. Aber sie war mit Scorpius doch viel länger zusammen, als Amy mit Albus und bei den beiden schien sich keiner zu stören. Zugegebenermaßen hatte sie bis jetzt ein wenig Sorge gehabt, dabei war es ihm so wichtig. Arg gedrängt hatte er auch nicht und im Grunde genommen, wollte sie es vermutlich selbst. Nun hatte sie es ihm versprochen und sie hatte Vertrauen in seine Rücksicht und Zärtlichkeit. Scorpius verstand sie gut und würde verstehen, wenn sie im letzten Moment einen Rückzieher machen sollte. Die Gewissheit hatte sie.

Dennoch war sie nervös wie nie, als sie ihr flatteriges Top glatt strich. Eine Jeans war vielleicht nicht das unkomplizierteste Kleidungsstück für eine sexy Entkleidung, aber das Top umspielte ihren Oberkörper vorteilhaft. Dem berüchtigten Scorpius würde es wohl auch nicht weh tun, für ihre hübsche Unterwäsche arbeiten zu müssen. Eigentlich hatte sie etwas zu spät kommen wollen, doch die Nervosität drängte sie, sich die Beine zu vertreten. So schlenderte sie mit pochendem Herzen durch die Gänge und bemerkte gerade, dass sie trotz allem zum Treffpunkt gelaufen war, als eine vertraute Hand nach ihr griff und sie gegen eine warme Brust zog.
 

“Hey, Löwin.”, flüsterte er und sie sah auch in seinen Augen die Aufregung. Hitzige Vorfreude auf sie. Mit etwas Mut überwältigte sie ihre Zurückhaltung und öffnete sich seinem Kuss. Rasch hob er sie auf seine Hüfte und sie küssend und neckend trug er sie einen Korridor entlang, bis sie ihre Ruhestätte in der Ruine wieder fanden. Die Beine um ihn geschlungen, nahm sie die Umgebung kaum wahr, doch dann ließ er sie hinunter und wechselte das Tempo. Sie spürte deutlich, wie er sich zügelte und nahm wahr wie fabelhaft er es mit dem Kitsch im Zaum gehalten hatte. Nur zwei Kerzen standen neben der Matratze auf dem Boden und Schneeglöckchen steckten in einer dezenten Vase. Wem könnte sie sich geben wollen außer ihm?

Ihre letzte Angst wandelte sich zu Freude, welche dann dem verborgenen Verlangen in ihr wich. Zitternd hielt sie sein Gesicht und küsste seine Lippen. Deutlich spürte sie seine Hände an ihr hinauf wandern. Ruhig fuhren sie über den Stoff ihre Bluse und sie zuckte, als seine kalten Finger den ersten Knopf öffneten. Überwältigt lehnte sie die Stirn gegen seinen Kiefer und sah zur Seite, während er ungeeilt fortfuhr.

Als er mit den Kuppen seiner Finger über ihre Schultern strich und dabei den schützenden Stoff mitnahm, wurde ihr Atem flacher. In der Suche nach Halt, wandte sie ihm den Blick zu und wurde vereinnahmt mit der Wärme, Ruhe und der Zuversicht in seinen hellen Augen. Er blinzelte sanft, schloss jedoch seine Augen nicht, während sein Mund sich auf ihren senkte und seine Hand in ihrem Rücken sie zu ihm schob. Hitze sammelte sich in ihrer Körpermitte, dabei hatten sie nicht einmal begonnen. Scham wallte in ihr auf, doch Scorpius ließ nicht zu, dass sie fort sah. Zielstrebig sank eine seiner Hände an ihr herunter und so sehr sie vor der Berührung zurück zucken wollte, tat sie es nicht.
 

Er neigte den Kopf zu ihrer Halsbeuge und küsste sie dort. Ein genießerisches Hauchen entwich ihren Lippen, während sie sich ihm entgegen bog und ihr Dekolleté freigab. Die Ruhe, die Nüchternheit des Moments verwandelte ihren Körper mehr, als sie sich je erdacht hätte. Es gab keine Zweifel mehr an der Richtigkeit dieser Tat. Wollend und sich sehnend, fasste sie den Stoff seines Hemdes. Sie war wie Ton, der von ihm geformt wurde, sich an seine Bewegungen anschmiegte und ihnen folgte. Wenn auch nicht heftiger, wurden sie inniger. Jedes Treffen ihrer Körper glühte und brannte sich durch sie hindurch. Wusste sie doch, wie viel Mühe es ihn kostete, zerrte sie leicht am Saum seines Hemdes, sodass er es sich rasch über den Kopf zog.

Ehrfürchtig glitten ihre Hände über seine Muskeln. Mit den Fingerspitzen nahm sie deren Stärke wahr, fühlte die Wölbungen seiner Brust und strich über seinen Bizeps. Nahm die Perfektion seines Körpers wahr, die Breite seiner Schultern, die Sehnen auf seinen Armen und ihr Blick blieb hängen. Ihre Sicht war ganz klar. Unangenehm traf die Kälte sie mit einem Schlag. Ihr Feuer war erloschen und stattdessen würgte sie nach Worten. Huschte hinauf zu seinen erstarrten Augen auf der Suche nach Erklärung. Es musste etwas geben, dass Tatsachen fälschen konnte. Ein schlechter Scherz vielleicht. Aber es konnte, durfte nicht wahr sein.
 

Er blickte sie an als wolle er ihr genau das geben, wonach sie lechzte, doch sie sah, was sie sah und sie wusste, dass er es nicht konnte.

“Rose.”, bat er tonlos, doch sie schüttelte den Kopf.

“Was ist falsch mit dir?”, hauchte sie erschüttert. Nicht einmal weinen konnte sie. Stattdessen streifte sie sich ihr Oberteil wieder über.

“Ich kann’s erklären.”, versprach er, aber er prallte an ihrer Kälte ab.

“Erklär’s mir.”, forderte sie barsch. Ihre Augen lagen unverwandt auf seinem linken Unterarm. Schwarz hob sich ein Tattoo von seiner glatten Haut ab. Es war länglich und zeigte einen Totenkopf, aus dessen Mund sich eine dicke Schlange wand. Roses Mund war trocken.

“Erklär’s mir, Malfoy.” Tröstend trat er auf sie zu, aber sie schlug seinen Arm fort.

“ERKLÄR’S MIR!”, rief sie ihm schrill entgegen.

“Es bedeutet nicht, was du denkst.”, versuchte er.

Ich habe es einfach nicht gewusst.”, keuchte sie. “Nach alldem, was du gesagt hast.”

“Nein! Rose, meine Eltern. Sieh doch, mein Vater hatte alles verloren. Das war alles was er hatte und ich konnte mich doch gar nicht dagegen wehren. Es bedeutet nichts, das schwöre ich dir.”

“Es ist aber da!”, fauchte sie. “Du hast nichts gesagt. Kein Sterbenswörtchen, Malfoy.”
 

Verzweifelt hob er die Hände. “Ich dachte, es spielt keine Rolle. Dass wir das alles hinter uns lassen könnten.” Mit voller Wucht traf ihre flache Hand seine Wange. Es brannte und er wusste, sie hatte sich dabei auch selbst verletzt. Zumindest schien sie etwas abzukühlen.

“Es bedeutet sehr viel.”, sagte sie ernst. “Es bedeutet, dass sie Recht hatten.” Bitterkeit umkleidete ihre Worte.

“Löwin, es ist nur ein blödes Tattoo.”


“Nenn mich nicht so.”

“Das kann doch nicht alles zunichte machen.” Seinen Versuch, nach ihrer Hand zu greifen, wehrte sie energisch ab.

“Oh doch. Alles. Vergiß nur einmal deinen Stolz und sieh mich.”

“Ich sehe immer dich.”, versicherte er eindringlich. “Ich weiß, du liebst mich noch immer.

Es gibt keine Geigen mehr, wenn wir uns küssen. Ich kann nicht mehr so fühlen wie zuvor. Du hast mich verraten.” Mit zusammen gepressten Kiefer sah sie auf den Boden.

“Ich habe dich verletzt.”, gab er zu. “Aber ich kann es wieder gut machen. Ich hoffe nur, meine Worte machen es nicht noch schlimmer.

“Kannst du es gutmachen, dass du mich angelogen hast? Kannst du das von deinem Arm kriegen?”

“Vielleicht niemals, doch ich liebe nur dich allein.
 

Hart kämpfte sie gegen die heiße Tränenflut, die ihre Kehle einnahm.

Soll es das gewesen sein?”, fragte er und aus seiner Stimme konnte sie nicht mehr lesen. Vielleicht hörte sie Reue, oder Enttäuschung oder ein Flehen, dass sie nein sagen würde. Stattdessen sagte sie nichts.

Fällt uns denn keine Lösung ein?

Die Möglichkeit ist viel zu klein, Scorpius!”, sagte sie laut und blickte ihm wieder ins Gesicht. “Wie soll ich das vergessen? Es ist aus, es ist vorbei!”

Stumm sah er sie an. Bitterlich dachte sie, dass er wohl immer derjenige gewesen war, der die Dinge beendet hatte. Das eine Mal, dass er es Ernst gemeint hatte. Hatte er es ernst gemeint? Aber nicht einmal Mitleid konnte sie für ihn fühlen.

Ich weiß, du wirst mich vermissen.”, flüsterte er und bevor sie protestieren konnte fügte er hinzu: “Auch, wenn du jetzt gehen musst. Ich vermiss auch die Geigen.” Da war nur Mitleid für sich selbst, denn sie hatte das ihr liebste verloren. Einen Grund zum Kämpfen, einen Grund zum Glauben. Ihren Grund zu lieben hatte er ihr genommen. Er hatte sie enttäuscht, aber mehr als das hatte sie sich selbst enttäuscht.

Vermiss dich zu küssen.” Er war ein Malfoy. Seine Natur war zwielichtig. Selbst wenn er so für sie gefühlt hatte, wie er behauptete, hatte er doch nicht ganz offen sein können.

Es gibt nichts auf dieser Welt, dass dich ersetzt.” Sie liebte ihn, natürlich tat sie das und er brach ihr das Herz, indem er so sprach. Denn sie konnte ihm nicht verzeihen. Vielleicht war sie zu stolz, vielleicht saß ihre Bitterkeit zu tief und wahrscheinlich hatte sie sich viel zu sehr in eine Traumwelt gestürzt. Kein Glück hielt für immer und das Ende ihres Glückes war gekommen.
 

“Ich liebe nur dich allein.

Wie ein Feigling drehte sie sich weg, sah ihn nicht einmal mehr an und schluckte seine letzten Worte hinunter wie eine Pille. Kurz und schmerzlos. Es dauerte bis sie den heilen Teil des Schlosses erreicht hatte, dass ihr Wall brach. Dass die Geschehnisse über sie hereinbrachen wie eine Sintflut, samt Donner und Blitz brachte es ihre Eingeweide zum Einsturz, dass sie ihn verloren hatte. Dass er sie verraten hatte, ihr Vertrauen enttäuscht hatte. Der Moment, in dem sie ihm alles hatte geben wollen.

Beschämung, Wut, Schmerz, Sehnsucht, Strafe - alles schlechte, dem sich ihr Geist öffnen konnte, kämpfte um die Dominanz. Eine Welle nach der anderen krachte auf sie hinab und blind vor Schmerz taumelte sie in Richtung ihrer Heimat. Dem einen Ort, an dem sie vielleicht heilen könnte. Was dort auf sie wartete, vermochte sich nicht in ihrem Kopf vernehmlich zu machen. Alles, was sie brauchte war ein Hafen, denn ihr Leuchtturm war untergegangen in den Ruinen ihrer Vergangenheit.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  LilyProngs
2014-10-12T19:18:28+00:00 12.10.2014 21:18
Aaaah ich liebe diese fanficiton. *-* aber dieses Kapitel tat so weh. Mann, ich hab so mitgefühlt und mir laufen gerade tränen über die Wangen, weil bei Amy und Albus wieder alles gut ist, und Scorpius sitzt daneben und vermisst seine Rose. Wie sehr er sie liebt zeigt sich in seinem verhalten, wie sehr er reue empfindet. Ach, ich lese schnell weiter und hoffe, dass die beiden sich auch wieder finden, aber das tun sie bestimmt ^^
mach weiter so, du hast so ein unglaubliches Talent, diese fanfiction ist zu meinem absoluten Favoriten geworden!! :) WEITER SO!!!! <3
Von:  Farbwolke
2014-01-24T14:11:08+00:00 24.01.2014 15:11
Hallöchen.
NEIN! Ich ahne was es für ein Kaack Tattoo ist. Aber Ahhh muss das Ende sein? Ich kriege die Krise. Da war ich völlig gefesseltund dann das!? Ich kann`s nicht fassen. Ehrlich nicht. Warum bist du so gemein? *schnief* Wie fies von Dome so ein Theater zu machen. Amy und James? Ne, or?

Gutes Kapitel :)

Grüße
Wolke :)
Antwort von:  Petulia
25.01.2014 01:12
Haha, hey!
Tut mir leid, es war aber von beginn an so geplant, wobei ich zugeben muss, dass es mich auch traurig gemacht hat :P hoffentlich hab ich dich nicht zu sehr geschockt! :/


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