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Vom Lied des Blutes

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Kapitel 7

Kapitel 7
 

Vier Tage suchte er bereits nach ihm – vier verdammte Tage hatte er es aufs Spiel gesetzt, entdeckt zu werden, weil er vier verdammte Tage lang nicht nur des Nachts, sondern auch am Tage ununterbrochen unterwegs war, nur um diese Ratte zu finden. Nun war es mitten in der Nacht und der Morgen des nächsten Tages war nahe – aber das tat nun nichts mehr zur Sache, weil der Gassenkriecher wenige Meter unter ihm an einem Haus lehnte und mit anderen, ebenso nichtigen Ratten verhandelte. Informationskauf – Blackthorne war gut darin, in dieser Angelegenheit zu verhandeln. Aber leider verkaufte er sie selbst auch weiter – an die falschen Leute.

Ich werde dir den Kopf abreißen, Pisser – warte nur!

Seine Hand ruhte auf dem Schaft seines Langschwertes, während er die Szene unter sich beobachtete. Die anderen zwei Gestalten verschwanden wenige Sekunden später – das war ihm nur recht. Die Ratte schien durchzuatmen.

Ein Fehler. Aber ich werde dir schon zeigen, was Angst heißt.

Blackthorne richtete sich auf und wandte sich rechts um, ehe er ein paar Schritte tat – ohne zu zögern sprang Lucis vom Dach des Hauses hinunter und landete weniger Meter hinter dem Langfinger, der augenblicklich erstarrte. Langsam wandte er den Kopf um – er erkannte ihn nicht. Es war zu dunkel – und der Bluter verhüllt. Er richtete sich auf, die Ratte wandte sich ihm gänzlich zu.

„Wer bist du und was willst du?“, fragte die Ratte schnippisch, doch Lucis erwiderte nichts. Langsam zog er sein Schwert, die Augen Blackthornes weiteten sich schlagartig. „W-wartet, was soll das?“, seine Stimme zitterte. Lucis tat die ersten Schritte auf ihn zu und der Gassenkriecher wich zurück.

„Du wagst es noch, nach einem Grund zu fragen?“

Panik gesellte sich zum Entsetzen in den Augen der Ratte.

„L-Lucis? W-was machst du denn hier?“

„Du hast mich verraten, Caleb – wieder einmal. Ich hatte dir deine Chance gegeben, weil ich glaubte, dass du die Fähigkeit besitzt, zu denken, aber wie es scheint, habe ich mich geirrt.“

„V-Verraten? Ich dich? N-niemals!“

„Nein – und warum zitterst du dann? Warum bricht deine Stimme, wenn du mit mir redest, Caleb? Ich habe dir gesagt, was ich tue, wenn du deine Chance nicht nutzt. Hast du wirklich geglaubt, Mat und die anderen würden mich besiegen – dachtest du wirklich, ich sei so schwach?“

„Lucis, nicht …“

Die Schritte des Blutes verhallten, als er die Ratte in die Ecke gedrängt hatte.

„Ich hätte mehr von dir erwartet, Gassenkriecher – viel mehr. Aber sei's drum – es ist ohnehin vorbei.“

„N-nein!“

Mit eine blitzschnellen Bewegung trieb er der Ratte seine Klinge zwischen die Rippen, das Blut, das sich über ihm ergoss, spürte er kaum.

„Gibt es noch jemanden, Ratte? Noch jemanden, dem du von mir erzählt hast?“, fauchte er kühl und Blackthorne versuchte das Blut herunterzuschlucken, das aus seinem Mund drang. „Gibt es noch jemanden?!“, er drehte die Klinge und hörte einen Rippenbogen brechen.

„Ma … ene …“, nur ein Wispern.

„Sprich lauter, Ratte – vielleicht überlege ich es mir noch einmal anders? Wenn ich es will, wird dich jemand zurückholen.“

„Mar … en … e …“, die Augen des Langfingers wurden langsam trübe, seine Stimme erstarb. Lucis schluckte, bevor er dem Sterbenden die Klinge aus dem Leib zog. Dumpf fiel der Gassenkriecher zu Boden – Lucis spürte, wie sein Herz erstarb und die Totenseele, die ihn besetzt hatte, erfreute sich daran.

„Maryene – verdammt! Diese Ratte!“, er spuckte aus und ließ die Klinge im Nichts verschwinden, ehe er sich umwandte und mit einem Satz auf das Dach zurückkehrte. Maryene – der Mann, den er für George töten sollte, der Schuld an seiner Rückkehr war. Der Mann, der dem König näher Stand, als irgendein anderer Gildenmeister des Landes.

Der Mann, wegen dem nun früher oder später mein Kopf rollen wird.

Lucis warf einen Blick über die Schulter – in der Richtung lag die Hauptstadt. Und er war sich sicher, dass man dort bereits bestens über ihn Bescheid wusste.
 

Hastige Schritte führten ihn die Treppe hinauf, vorbei an den Angestellten, Dienern, Kriechern und sogar seinem aufgebrachten Bruder, der versuchte ihn am Ärmel zurück zuzerren, den Lucis aber mit einer eiligen Handbewegung von sich stieß. Er schluckte – wenn sein Körper nicht dem eines Toten gleichen würde, ihm würde wohl Schweiß von der Stirn perlen. Als er auf die großen Türen zuschritt, warf er eine der beiden Wachen zu Boden, die ihn vom eindringen abhalten wollten, dann legten sich seine Hände an das dunkle Holz, bevor die Türen beinahe aus den Angeln gerissen wurden. Der Staub, der kurzzeitig aufgequollen war, verschwand und er sah dem Gildenrat direkt entgegen. Mit finsterer Miene knurrte er in den Raum hinein, bevor er auf die Männer zustürmte und einen nach dem anderen von seinem Stuhl zog, ehe er allesamt aus dem Raum jagte. Dann erst wandte er sich George zu, der ihn entsetzt anblickte.

„Was ist denn in dich gefahren?!“, donnerte seine Stimme, doch Lucis schloss erst angespannt die Türen, bevor er ein Zittern seiner Stimmer unterdrückte.

„Maryene.“, fauchte er, George blickte ihn fragend an.

„Maryene?“

„Maryene. Er weiß Bescheid.“

Stille. Dann ein sichtlich schweres Schlucken des Gildenmeisters.

„Du meinst …“

„Ich sehe, George, du weißt, worauf ich hinaus will.“, wisperte er, ging auf den Tisch zu und fuhr die Maserung des Holzes nach – ehe seine Faust alles zersplittern ließ. „Verdammt! George, der König weiß von mir! Und er weiß, wo er mich finden wird – Maryene als Gegenspieler zu haben ist schon schlimm genug, aber wenn er von mir weiß, ist das alles hier ein reines Selbstmordkommando! Er wird mich finden – spätestens in zwei Tagen werden die Soldaten des Hofes vor deinen Türen stehen und sie werden nach mir verlangen! Weißt du, was sie mit mir machen werden, George? Sie werden mich hängen – vielleicht auch glatt vierteilen! Und dann denke mal daran, was sie erst mit Criss anstellen! Verdammt!“, er warf einen Stuhl um und trat angespannt zu den Fenstern. „Ich bin nicht ohne Grund gegangen – wollte nicht ohne Grund nie wieder zurückkehren!“

Er biss sich auf die Lippe – Sand begann, an seiner Zunge zu kleben. Er hatte das Gefühl, sein Herz würde zu rasen beginnen – alles Einbildung, eine Illusion des Lebens, das er einmal in seinen Händen hielt.

„Was wirst du tun?“

Der Bluter spuckte aus, bevor er sich umwandte.

„Was ich tun werde? Die Frage ist, was wirst du tun? Du hast mir dein Wort gegeben, George.“, wieder wandte er sich ab – er konnte den Blick des Gildenmeisters nicht ertragen. Die Unsicherheit, die Angst … „Ich werde mein Ziel ausführen – Maryene wird sterben. Sorge dafür, dass Criss am Leben bleibt und zwischen uns wird alles geklärt sein.“

„Und wie willst du das bitte anstellen, du nichtsnutzige Klinge?“

Minder genervt entfloh ein Seufzer seinen kalten Lippen.

„Garnett – ich hätte mir denken sollen, dass du deine Ohren überall hast.“

„Das hättest du, Lucis – aber du lernst eben nie dazu.“, die Stimme der Frau bebte und er konnte ihren erzürnten Blick in seinem Nacken spüren.

Machst du dir etwa nach all der Zeit noch Sorgen um mich, Garnett?

Ein Kopfschütteln, eine Drehung. Die blonde Windjägerin stand ihm direkt gegenüber, halb in den Schatten eines mächtigen Schrankes gelehnt. Lucis wusste, dass es dort einen Geheimgang gab – für den Fall einer spontan vorzunehmenden Flucht. Ihre blau schimmernden Augen ruhten auf ihm, ein eindringlicher Blick wollte sich in sein Innerstes bohren – doch die Seele des Bluters blieb verschlossen. Auch von ihr ein Kopfschütteln und Lucis trat langsam zum Tisch hinüber.

„Was willst du, Garnett – hast du nicht neue Jägerinnen anzuschnauzen oder Werber in einen Fluss zu schmeißen?“, augenblicklich ruhte der Lauf ihrer Pistole an seinem Hals und Kälte war in ihre Augen getreten. Lucis störte es nicht – es änderte nichts. „Ich weiß gar nicht, was du hast, Garnett – hast du es so nicht schon immer gehandhabt?“

„Dass du dich traust, dieses Thema anzusprechen, dumme Klinge!“, das Knurren war leise und Lucis war sich sicher, dass George die Worte nicht hatte vernehmen können. Und selbst wenn – er hielt sich seit je her aus den Streitigkeiten zwischen ihm und der Windjägerin heraus. Mit einem Mal ließ sie die Waffe sinken und ließ sich auf einen Stuhl sinken. Nach kurzem Schwiegen tat es George ihr nach und schließlich gab auch Lucis sich geschlagen und setzte sich. „Also, Lucis – wie willst du es anstellen? Jetzt, wo Maryene von dir weiß, wirst du wohl kaum einfach bei ihm hereinschneien und ihm den Kopf abhacken können.“, stellte sie fest und Lucis rollte seufzend die Augen.

„Als ob ich so plump vorgehen würde.“

Eigentlich hatte ich genau das vor, dumme Hexe …

„Warum verrätst du uns dann nicht deinen Plan?“

Wieder ein Seufzen, gefolgt von einem Kopfschütteln.

„Ich werde ihn wohl oder übel in einen Zweikampf verwickeln. So beschissen er auch als Gildenmeister wie als Stadthalter ist, er ist ein ehrenhafter Mann, der ein Duell nicht ausschlagen wird.“

Mit einem Mal landete der Schaft der Pistole in seinem Gesicht und ließ ihn Staub spucken.

Verdammte Hexe!

„Wann bist du bitte so wahnsinnig geworden, Lucis?“, fauchte die Jägerin und ließ die Waffe wieder verschwinden. „Wenn du Maryene loswerden willst, musst du ihn schon in einen Hinterhalt locken – solcherlei Dinge beherrschst du doch am besten! Pah, ein Zweikampf mit Maryene – als ob du da auch nur eine Minute auf den Beinen bliebst!“

Ein vernehmliches Knurren entwich seinen Lippen, ehe er ruckartig aufstand.

„Erzähl du mir nicht, was ich kann und was nicht, kleine Windhexe! Ein Hinterhalt ist völlig sinnlos – wir reden von Maryene, verdammt! Außer Reichtum liegt ihm nichts am Herzen und in irgendeine Schatzkammer werde ich ihn wohl kaum locken können! Womit also, willst du ihn reizen um ihn in einen Hinterhalt zu verwickeln, hm? Verdammt, ich werde nicht einmal an ihn herankommen, wenn ich mich ihm nicht offen ausliefere!“, fauchte er zornig, ehe ihm George beschwichtigend eine Hand auf die Schulter legte.

„Komm runter, Lucis, du-“

„Komm runter? Willst du mich verarschen? Hierbei steht verdammt noch mal nicht nur mein, sondern auch Criss' Leben auf dem Spiel! Wenn ich nicht schnell handle, werden alle Bemühungen umsonst gewesen sein! Verdammt!“, wieder trat er zum Fenster hinüber, er er sich durch die Haare fuhr und fieberhaft nachdachte. Wie sollte er das nur anstellen – wie konnte er ihn ohne jeden Schaden aus der Angelegenheit herausholen?

Verdammt – verdammt!

„Lucis …“, setzte die Jägerin mit plötzlich weicher Stimme an, doch Lucis tat es ab.

„Nein, nein!“, er ließ die Hände sinken und beruhigte seinen Atem. „Wenn das alles vorbei ist – falls es jemals vorbei sein wird –, dann müsst ihr mich endgültig vergessen, verstanden? Lasst mir endlich die Ruhe, die ich mir all die Jahre über erkämpfen wollte.“

Ich werde ihn herausfordern – es ist die einzige Möglichkeit, bei der nicht noch mehr Schaden angerichtet wird …
 

Er war allein, die Mittagssonne tat ihr bestes, in sein Zimmer hinein zustrahlen, doch es half nichts. Er saß da – er saß einfach nur da und starrte auf seinen Arm. Er schmerzte – gleich einem Pulsieren, das er kaum noch zu erkennen vermochte.

„So schweigsam, Bluter?“

„Wann war ich jemals nicht schweigsam? Was willst du?“

Ein Geräusch, das einem Kichern gleichkam.

„Warum sitzt du hier herum, Bluter – warum greifst du nicht einfach an? Du kannst nicht einfach durch die Hand eines Menschen sterben.“

„Wenn es so einfach wäre-“

„Es ist so einfach – nichts ist einfacher, als einem Menschen das Herz herauszureißen. Du bist mehr als diese Maden – stärker, mächtiger!“

„Und doch viel weniger wert, nicht wahr?“

Er seufzte.

„Was plagt dein verkümmertes Herz, Bluter – alle Karten liegen klar auf dem Tisch! Du musst ihn nur töten – und vielleicht auch den König?“

„Den König?“

„Soll das Kind nicht endlich in Sicherheit verweilen? Bist du nicht deshalb den Pakt mit mir eingegangen, um wenigstens einem von euch beiden ein Leben zu schenken?“

„Was verstehst du vom Leben, Seele – was verstehst du von meinen Beweggründen? Du bist nicht mehr als ein Schatten, der sich an meinem Leid labt und meinen Körper zerfrisst, bis schließlich auch ich in die Tiefen eurer Dunkelheit hinab gerissen werde.“

„Du wusstest, worauf du dich einließest – und in diesem Wissen sangst du dein Siegel.“

Stille – Lucis war zu schwach, um noch etwas zu erwidern.

„Warum hast du dir nicht das Leben des anderen Bluters genommen – du hättest auch seine Kraft haben können. Es würde das alles noch einfacher machen, als es ohnehin schon ist.“

„Nein – es hätte mir den Abschied von dieser Welt nur noch erschwert.“

Ein kurzer, sengender Schmerz durchfuhr ihn, bevor er an der Scheibe des Fensters gelehnt zusammensank.

„Ich will doch nur etwas Ruhe …“

Er schloss die Augen und lauschte in die Stille hinein. Nichts, was ihn störte, nichts, was nach ihm verlangte …

Doch was war das – ein Klackern? Vorsichtig hob er den Kopf und sah schließlich, wie ein rot gemaserter Falke vor seinem Fenster auf und ab flog, eine Nachricht an sein Bein gebunden. Müde raffte sich die Klinge auf und öffnete das Fenster, woraufhin das Tier auf dem Fensterbrett landete und er die Nachricht vom Bein binden konnte. Noch bevor er sich geöffnet hatte, war der Vogel auch schon verschwunden – Lucis konnte diese Viecher noch nie leiden.

Sei's drum …

Er rollte die Nachricht aus und las aufmerksam – bevor er sie erschrocken fallen ließ und aus dem Zimmer stürmte. Hinter ihm schlug die Tür zu, man konnte hören, wie Statuen zu Boden fielen und zersplitterten, doch nichts hielt ihn auf.

„Er ist fort – der König hat ihn, aber er will dich“, das hatte auf dem Zettel gestanden. Und Lucis wusste leider zu genau, von wem die Rede war …



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