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broken arches

Battlestar Galactica
von

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Lost between Pain and Destiny

„Caprica Flight Academy ist nicht nur eine gewöhnliche Pilotenschule. Genauso wenig, wie diejenigen unter Ihnen, die es schaffen Ihr Programm zu absolvieren, nur simple Piloten sein werden. Nein, Ihr werdet die Beschützer... die Wächter der zwölf Kolonien sein“, verkündet Admiral Leidae, der auf dem Podium steht und die neuen Absolventen adressiert.

Die sechs Meter hohe und aus Granit gemeißelte Statue von Capricas Schutzgott, Apollo, untermauert seine Worte. Mit leblosen, aber doch alles sehenden Augen schaut der Gott auf die Kadetten herunter, während die von Admiral Leidae rastlos über die Menge vor ihm wandern. Sie bleiben an keinem einzigen hängen, als wäre keiner von ihnen seiner Aufmerksamkeit würdig.

Doch Karl Agathon, ein weiterer Neuling – ein Rook, wie sie hier genannt werden – hängt dennoch an seinen Lippen. Wie so viele andere hält er die Hände hinter dem Rücken verschränkt und trägt die dunkelrote Uniform, die von seiner Mitgliedschaft der Flugschule sowie seinem Status erzählt. Im Gegensatz zu dem Admiral, dessen Schärpe, die er über seiner dunkelblauen Admiralsuniform trägt, mit ihnen bestückt ist, besitzt Karl Agathon keine Auszeichnungen oder gar Orden. Aber das hier ist ohnehin nur der erste Schritt, die Grundausbildung.

„Mit diesem Titel kommt Verantwortung“, fährt der grauhaarige Admiral inzwischen fort. „Für Ihre Kameraden. Ihre zukünftigen Untergeordneten. Für die sieben Billionen Menschen auf Caprica.“

Admiral Leidaes Blick senkt sich auf das Blatt, das vor ihm auf dem Podium liegt. „Ich werde mir nicht die Mühe machen, mir die Gesichter oder gar Namen der hier versammelten Frauen und Männer zu merken. Dreiviertel von Ihnen werden uns ohnehin frühzeitig verlassen. Sie werden durchfallen oder sogar selbst zu der Einsicht kommen, dass Sie nicht die Qualitäten besitzen, die dieser Berufsweg benötigt.“

Einer seiner Mundwinkel hebt sich und ein Grübchen zeigt sich. „Wir haben sehr gute Lehrkräfte hier, die Möchtegernpiloten von den richtigen aussortieren werden, bevor Ihr überhaupt das erste Mal im Flugsimulator sitzen werdet. Denjenigen, in denen wir das Können sowie die Disziplin sehen, werden wir den Weg zeigen, damit Sie Ihr Schicksal erfüllen können. Gehen müsst Ihr ihn jedoch allein. Also beweißt uns, dass wir nicht unsere Zeit verschwenden. Wir geben unser Bestes und erwarten dasselbe von Ihnen.“

Admiral Leidae sieht wieder auf, erwartungsvoll diesmal, die Hände links und rechts auf dem Rednerpult abgestützt. „So say we all.“

„So say we all!“, ertönt es von jedem Kadetten aus der Halle. Es schallt von den Wänden wieder und spricht von einer Zusammengehörigkeit – und ein schmales Grinsen erstreckt sich auf Karl Agathons markanten Zügen, als er sich in der Halle umsieht und sein Blick an einer Frau mit weißblonden Haaren hängen bleibt.
 


 


 

Es ist laut, die Luft erfüllt von lachenden und scherzenden Stimmen. Die Euphorie der Männer ist förmlich greifbar. Doch am ersten Tag auf der Caprica Flight Academy steckt die Aufnahmefreude noch in den Knochen und hebt die Laune in unermessliche Höhen.

Selbst die lange Schlange vor dem Frisierzimmer vermag die Stimmung nicht zu kippen. Nicht das Geräusch der Rasiermaschine und auch nicht der Anblick von verschiedenenfarbigen Haaren, die sich rund um den Stuhl sammeln. In die Tiefe gestürzt und aufgeschlagen. Sie sind der Abschluss an eine unbefangene Zeit, an ein Leben, das man zurücklässt, um seinem Volk zu dienen.

Und obgleich des fremden Arms, der sich ungeniert um Karls Schultern schlingt, und der Geräuschkulisse, die jeden eigenen Gedanken untergehen lässt wie ein Stein im Wasser, hängt Karls Blick auch weiterhin an den heruntergefallenen Haaren.

Er ist als nächstes an der Reihe und obwohl er sein eigenes immer schon recht kurz getragen hat, fühlt er eine Aufregung in seinem Inneren aufsteigen. Er presst die Lippen eng aufeinander und zieht die Augenbrauen zusammen, als der Kadett sich aus dem Stuhl erhebt und sich mit einer Hand über den rasierten Kopf fährt.

Der Unteroffizier, der den Rasierer hält, sieht zu Karl herüber und winkt ihn zu sich heran. Es werden weder Worte noch Zeit verschwendet, es ist ein reibungsloser Ablauf, schon unzählige Male von ihm durchgeführt.

Karl atmet tief ein, ehe er den fremden Arm eines anderen Neulings abschüttelt und sich in Bewegung setzt. Bevor er jedoch zwei Schritte tun kann, drängelt sich jemand energisch an ihm vorbei.

„Darf ich mal? Ich hab’ nicht den ganzen Tag Zeit“, sagt eine Stimme und eine Frau lässt sich auf dem Stuhl plumpsen. Sie trägt dieselbe Uniform wie Karl – dunkelrot und undekoriert. Selbst unter dem blonden Haar, das ihr bis zum Kinn herunterreicht und ihr in die Augen hängt, wirft sie ihm ein neckendes Grinsen zu. „Sorry, aber die Schlange war mir einfach zu lang“, fügt sie unter Karls skeptischen Blick hinzu und zuckt mit den Schultern. Scheinbar spielt es für sie keine Rolle, dass die Geschlechter hier getrennt werden.

Dem Unteroffizier ist diese Regel und das Vorgedrängel ebenfalls gleich, denn er legt den Rasierer beiseite und greift zu der Schere, während er einen Zug von seiner Zigarette nimmt, die in einem Aschenbecher liegt. Dem Dunst und dem Geruch nach zu urteilen, ist sie aus Fumarella-Blättern gemacht, einer ziemlich teuren Sorte.

„Wie kurz willst du sie?“, fragt er und begegnet dem Blick der jungen Frau desinteressiert.

Abermals zeigt sie ihre strahlend weißen Zähne und zuckt mit den Schultern. „Sehr kurz.“

Und das ist auch genau das, was sie bekommt.

Karl verschränkt die Arme vor dem Brustkorb, als er dabei zusieht. Weißblonde Haarsträhnen fallen nach und nach zu Boden, mischen sich mit braunen und schwarzen. Doch im Gegensatz zu Karl lacht seine Gegenüber kehlig auf, als würde sie das köstlich amüsieren.

Als Karl jedoch einen Blick in den Spiegel vor ihr wirft, bemerkt er, dass ihr Blick nicht auf ihren Haaren liegt, sondern auf ihm. Provozierend und stechend. „Na, gefällt dir, was du siehst?“, fragt sie, während sie sich das Lachen verkneift und sich stattdessen auf die Unterlippe beißt.

Doch in Karls markantem Gesicht zuckt kein Muskel, während er über diese Frage nachdenkt.
 


 


 

Die Sonne steht im Zenit und brennt unbarmherzig auf sie herunter. Sie tut es seit Stunden, seit dem Morgengrauen. Verflogen ist der Enthusiasmus, jeder von ihnen schleppt sich nur noch mühevoll voran.

Der Schweiß rennt Karl in Strömen die Schläfen herab, sein Atem rasselt, jeder Schritt ist schwer, als wären seine Beine aus Blei gemacht. Nur der Anblick, der sich ihm fern von ihrem Trainingsplatz bietet, lässt ihn weiterlaufen.

Zwei Viper Mark II stehen vor einem der Hangar und ziehen die Blicke aller Kadetten auf sich. Die langen, schlanken Fluggeräte blitzen unter den einfallenden Sonnenstrahlen.

Karl hat schon einiges über den Raumüberlegenheitsjäger gelesen. Die Mark II sind während des ersten Zylonenkrieges in Einsatz gekommen und haben sich bewiesen, obwohl sie inzwischen als veraltet gelten. Welches Model benutzt die Kolonialflotte inzwischen?

Karl verengt die Augen, als er sich darauf zu konzentrieren, zeitgleich aber den Rhythmus seiner Atmung nicht durcheinander zu bringen versucht.

„Mark VII...“, presst Karl hervor.

Im selben Augenblick joggt jemand an ihm vorbei, aber nicht ohne ihn vorher anzurempeln. Er kommt ins Straucheln, fängt sich jedoch rechtzeitig. Als er aufschaut, bekommt er nur noch ein breites Grinsen zu sehen, ehe man ihm den Rücken zudreht.

„Was zum Teufel...?“ Doch die Frau mit den kurzen blonden Haaren ist zu weit vorne, um ihn hören zu können.

Obwohl es hierbei um Ausdauer geht und sie die gesamte Zeit über hinter ihm gelegen hat, holt sie nun zum Endspurt aus. Die Männer und Frauen bleiben keuchend und ächzend hinter ihr zurück, während sie mit festen Schritten die Ziellinie ansteuert. Ihr T-Shirt ist durchgeschwitzt, die Haare kleben an ihrer blassen Haut, doch das Feuer hat keine Sekunde ihre Augen verlassen, dessen ist sich Karl sicher.

„Mister Perse“, beginnt Colonel Hecaton, nachdem sie die Ziellinie überschritten haben. Seine Muskeln zeichnen sich unter seiner dünnen Kleidung ab, als er sich vor den erschöpften Kadetten aufbaut. Seine Augen fixieren derweil einen drahtigen jungen Mann, der nach Beendigung des Ausdauertrainings auf die Knie gesunken ist. „Stehen Sie auf, Mister Perse. Ansonsten sind Sie disqualifiziert.“

„Was soll das heißen, disqualifiziert?“, ruft einer von ihnen mit heiserer Stimme aus, während auch Karl aufschaut. Er hat die Hände auf die Knie gestemmt, um wieder zu Atem zu kommen.

„Das bedeutet, Rooks, dass wir euch in der ersten Woche drastisch dezimieren werden“, erwidert der Colonel und pustet sich eine dunkelblonde Haarsträhne aus der Stirn. Im Gegensatz zu seinen Kadetten findet nicht ein Schweißtropfen den Weg über sein Gesicht. „Aber das hat Ihnen der Admiral bei seiner Ankündigung bereits erzählt. Also stehen Sie auf, Perse, oder Sie sind der Erste, der seine Sachen packen darf!“

Als der junge Mann sich nicht rührt, notiert Hecaton sich mit einem Kopfschütteln etwas auf seinem Klemmbrett, das er stets unter dem Arm trägt.

Ist das sein Ernst? Karl verzieht das Gesicht, als er sich aufrichtet und ein paar Schritte auf den Colonol zugeht.

„Hey!“, fährt ihn eine energische Stimme über den Mund und Karls Augen zucken zu der jungen Frau zurück, deren Staub er schlucken durfte. Sie hat die Arme in die Hüften gestemmt und schafft es in ihrer Haltung gleichzeitig autoritär und leger zu wirken. Es ist eine seltsame Mischung, die Karl skeptisch innehalten lässt. „Perse hat das Rennen beendet. Genauso wie wir alle – frak, sogar besser als einige von den Würstchen, die es in die Anmeldung geschafft haben.“

Hecaton dreht den Kopf in ihre Richtung, ohne auf ihre Worte zu antworten. Er konsultiert stattdessen sein Klemmbrett, ehe er bedächtig nickt. „Sie dürfen dann also die berüchtigte Kara Thrace sein. Nicht viele schaffen es, sich bereits am ersten Tag einen Ruf hier aufzubauen. Was haben wir hier? Beleidigung eines Offiziers... und Regelverstoß.“ Er beäugt sie von Kopf bis Fuß und hebt einen Mundwinkel zu einem vielsagenden Lächeln – und allein der Anblick dreht Karl den Magen um. Er mag kein Samariter oder Verfechter schöner Frauen sein, doch er kennt diesen Blick an einem Mann und er lässt Karl die Zähne aufeinander beißen.

„Sich hier einen Ruf zu erarbeiten ist gar nicht so schwer...“, erwidert Kara. Die Heiterkeit ist längst aus ihren Zügen gewichen und hat der Provokation gänzlich das Feld überlassen.

Der Colonel und sie liefern sich ein stummes Gefecht mit Blicken allein, während einige Kadetten den Atem anhalten.

Schließlich hebt sich auch der andere Mundwinkel von Hecaton. „Weil ich heute meinen großzügigen Tag habe, kriegen Sie noch eine Chance, Perse“, sagt er und der drahtige Mann, der nicht älter als zwanzig sein kann, sieht erleichtert auf. „Vorausgesetzt natürlich, dass Miss Thrace noch eine Extratrainingseinheit besteht.“ Damit wendet sich Hecaton abermals der blonden Frau zu. „Ich weiß ja nicht, aus welchem Loch Sie gekrochen gekommen sind, aber hier herrschen unsere Regeln. Nicht Ihre, Thrace. Trauen Sie sich eine zweite Trainingseinheit zu oder wollen Perse und Sie gleich als Schande zu Ihrer Familie zurückkehren?“

Diesmal hält auch Karl den Atem an, als ein Schatten über Kara Thraces Gesicht huscht. So schnell, dass er es sich genauso gut einbildet haben kann.

„Nennen Sie mir Zeit und Ort, Sir.“
 


 


 

Die Dunkelheit an diesem Abend bringt die Regenfälle mit sich. Es plätschert monoton, während ein paar von ihnen im Gemeinschaftsraum die Karten herausgeholt haben. Keiner sagt etwas, jeder ist zu müde. Wortlos wird der Einsatz über den Tisch geschoben und die Karten gelegt und die billigen Zigaretten geraucht.

Genauso wie heute früh im Frisierzimmer hängt ein blauer Dunst in der Luft, der das Atmen erschwert und sie Ende Vierzig an Krebs erkranken lässt, sollten sie dieses Alter überhaupt erreichen.

Karl hat sich schon vor einigen Minuten vom Spieltisch abgeseilt, die Hosentasche voller gewonnener Süßigkeiten, die einer der Kadetten auf das Gelände geschmuggelt und verwettet hat.

Ein Lutscher steckt in Karls Mund, als er zum einzigen Fenster des Zimmers herüberschlendert. Die Rolllade steht offen und gibt eine gute Sicht auf den Trainingsplatz und einen der Hangars auf der anderen Seite des Geländes. Riesige Scheinwerfer beleuchten ihn, machen die fallenden Tropfen sichtbar, unter denen Kara Thrace ihre Liegestützen absolviert. Sie muss nass bis auf die Knochen sein, während Hecaton mit seinem Klemmbrett unter dem Arm und einem Regenschirm abseits steht und sie beobachtet.

Angewidert starrt Karl ihn an, während sich ihm eine Frage aufschleicht. Wäre Kara ihm nicht zuvorgekommen, wäre er dann dort draußen im Regen und würde sich durch eine weitere Trainingseinheit kämpfen? Die Müdigkeit sitzt auch ihm noch immer in den Knochen, macht ihn langsam und träge. Umso bewundernswerter ist diese Kara, die einen schönen Liegestütz nach dem nächsten zeigt. Es ist nicht das erste Mal an diesem Abend, dass Karl aus dem Fenster sieht und dieses Sondertraining beobachtet. Nein, Kara und Hecaton sind schon einige Stunden dort draußen im Regen und Karl kann immer wieder kleine Blicke auf die beiden erhaschen. Er kommt sich vor wie ein Spion, aber er weiß, dass er längst aus der Tür gestürmt wäre, wenn er nicht gelegentlich sichergehen würde, dass Kara ihren Mann stehen kann und nicht versagen wird.

Er kennt sie nicht und weiß nicht, woher sie kommt, aber sein Gefühl sagt ihm, dass sie sich im Laufe der Jahre ein dickes Fell angeschafft hat und offensichtlich einen großen Gerechtigkeitssinn besitzt. Kein anderer würde seine eigene Karriere für einen Kameraden aufs Spiel setzen. Niemand in diesem Raum, dessen ist sich Karl sicher. Es ist eine Sache, im Kampf gegen einen Feind sein Leben zu lassen, eine andere sich mit seinem Vorgesetzten anzulegen.

Inzwischen kämpft sich Kara auf die Beine, während Hecaton ihr ein Grinsen schenkt und sich auf dem Absatz seiner Stiefel umdreht. Er marschiert davon und hinterlässt lediglich seinen durchnässten Kadetten, der im Regen stehen bleibt.

Kara schließt die Augen und hebt den Kopf, während der Regen fällt und fällt. Einheitlich und beständig - und Karl kommt der Gedanke, dass er eventuell falschgelegen hat.

Womöglich ist Kara Thrace zwar hart im Nehmen, aber nicht ignorant zu den Dingen, die um sie herum geschehen. Wie sie dort im Regen steht, wirkt sie auf Karl nämlich ein klein wenig einsam.
 


 


 

„Ist hier noch frei?“

Sie wirft ihm einen Seitenblick zu, der von Belustigung spricht. „Siehst du da irgendjemanden sitzen?“, stellt sie schließlich die Gegenfrage und obgleich des unangenehmen Anfangs schiebt sich Karl auf den Barhocker.

Der Blick von Kara Thrace kehrt zu dem kleinen Bildschirm über der Bar zurück, zu dem auch Karl herübersieht. Das Finale der Pyramid-Weltmeisterschaft wird an diesem Abend übertragen. Das Ballspiel findet auf einem pyramidenförmigen Feld statt, der ihm seinen Namen gibt. Ebenso wie so viele andere innerhalb der zwölf Kolonien, Kara scheinbar eingeschlossen, ist auch Karl ein Fan von diesem Sport.

„Zehn Bonbons, dass die Caprica Buccaneers die Picon Panthers vom Platz fegen“, sagt Karl und er kramt die Süßigkeiten aus seiner Hosentasche, um sie zwischen Kara und sich auf dem Tresen der Bar abzulegen.

Kara schnaubt, woraufhin sie ihn halb amüsiert und halb erstaunt mustert. „Glaubst du echt, dass ich gegen unsere eigene Mannschaft wetten würde?“, fragt sie und hebt eine Augenbraue. „Und dann noch für ein Haufen Bonbons?“

„Fünfzehn. Mein letztes Angebot.“

Nun lacht sie auf. So hell und kehlig, dass Karl sich ebenfalls zu einem schrägen Lächeln hinreißen lässt.

„Also?“

„Fein...“, murmelt Kara, ehe sie ihr Glas in einem Zug leert und den Barkeeper heranwinkt, damit er ihr nachschenkt. „Dasselbe für meinen Freund.“

„Ach, ich bin ein Freund?“, entweicht es Karl, als der Barkeeper ein zweites Glas unter dem Tresen hervorholt und ihnen beiden eingießt.

Kara hebt ihr Glas und stößt es mit einem leisen Klirren gegen Karls. „Ich wette nicht mit Fremden“, sagt sie, doch das Grinsen auf ihren vollen Lippen bestätigt Karl, dass ihre Worte der Wahrheit nicht ferner sein können. Seltsamerweise stört es ihn nicht, als er das eigene Glas an seine Lippen setzt.

„Ich sage, die Picon Panthers gewinnen und Anders landet am Boden“, erklärt Kara und nickt in die Richtung des Bildschirms, auf dem Samuel T. Anders, Führer der Caprica Bucceneers, mit konzentriertem Blick den Ball hat.

Eine dreiviertel Stunde später besiegen die Caprica Bucceneers die Picon Panthers haushoch und man überreicht einem unverletzten Samuel T. Anders und seiner Mannschaft den Pokal, den er mit strahlendem Gesicht in die Höhe hält.

In der Bar bricht ein Grölen und Jubeln aus, während sich Kara grinsend auf die Unterlippe beißt. Auch Karl grinst, als er sich einen Bonbon auspackt und in den Mund steckt, bevor er Kara einen zuschiebt.

Obgleich sie vor Sonnenaufgang wieder aus ihren Betten gejagt werden, feiern die Kadetten in der kleinen Bar noch bis tief in die Nacht hinein. Das Ambrosia fließt in Hülle und Fülle, ein Glas der grünen Flüssigkeit nach dem anderen wird eingeschenkt, bis Karl sicher ist, dass der Vorrat langsam zur Neige gehen muss.

Musik spielt über einigen Lautsprechern in der Ecke der Bar, während auf dem Bildschirm ihre feiernde Mannschaft gezeigt wird.

„Ich hab’ dir gar nicht gesagt, was du kriegst, wenn du gewinnst...“, raunt Kara ihm irgendwann betrunken ins Ohr, ihre Augen fiebrig und einladend.

Selbst nachdem Karl sie für eine geschlagene Minute mustert, nimmt sie dieses stumme Angebot nicht zurück. Höchstens ihr Grinsen wird noch etwas breiter und ihre Grüppchen etwas tiefer.

„Du hast wirklich zu viel getrunken, Kara“, ringt sich Karl ab und abermals an diesem Abend bricht Kara in Gelächter aus. Dabei kann er nicht bestimmen, was sie mehr erheitert: seine Worte oder doch, dass ihr Name ungewollt über seine Lippen gerutscht ist.
 


 


 

„Tango Eight, wie ist eure Stellung?“ Die Stimme über Funk ist verzerrt und von einem beständigen Rauschen begleitet.

Karl muss eine Hand von seinem Maschinengewehr lösen, um das Funkgerät an seine Lippen halten zu können.

Sein Blick ist gehetzt, wandert von links nach rechts nach links, nach dem Feind Ausschau haltend. Bäume und Sträucher verwehren ihm die Sicht, bilden aber gleichzeitig einen eigenen Schutz gegen mögliche Blicke. Er weiß, dass sie da draußen sind. Wartend, lauernd.

„Bravo Seven ist eliminiert, Homebase“, presst Karl harsch hervor, die Waffe fest gegen seinen Oberkörper gerichtet, den Finger am Abzug. Ruhig, so ruhig. „Ich wiederhole, Bravo Seven ist eliminiert.“

„Verstanden, Tango Eight“, kommt die Antwort, ehe der Kontakt abbricht und Karl das Funkgerät wieder an seinen Gürtel klemmt. Sein Zweierteam wurde schon vor einigen Minuten um einen reduziert, seitdem schlägt er sich allein durch. Nur ungern hat er Triton zurückgelassen, doch die Regeln waren eindeutig: Jemand Getroffenes ist disqualifiziert, basta.

Karl beißt die Zähen aufeinander, als er sich weiter durch die bewaldete Gegend schlägt. Einige Vögel singen in den Bäumen, einige Grillen zirpen in dem Gras um ihn herum. Hier und da raschelt es und lässt die Mündung seiner Waffe dorthin zucken. Sein Herz klopft und klopft und klopft, das Blut rauscht ihm ungehalten in den Ohren. Laut und immer lauter.

Hinter ihm bricht jemand aus dem Dickicht, Karl fährt herum, will gerade abdrücken, als etwas seinen linken Oberschenkel trifft. Es zeckt und hinterlässt einen blutroten Fleck auf seiner Trainingshose.

„Frak!“, flucht Karl und er schmeißt seine Waffe mit Wucht auf den Boden.

„Tut mir ja leid, Karl“, sagt der braunhaarige Kadett ihm gegenüber und marschiert unzeremoniell an ihm vorbei, um wieder zwischen den Bäumen zu verschwinden.

Inzwischen lässt sich Karl genervt im Schneidersitz nieder und hält abermals das Funkgerät an seinen Mund. „Homebase, Tango Eight ist eli—“ Doch er bricht ab, als er Kara zwischen den Büschen entdeckt.

Ihre eigene Waffe trägt sie im Anschlag, als ihr Blick konzentriert über die Umgebung wandert. In der nächsten Sekunde sprintet sie los, direkt auf Karl zu.

„Frak, Kara, was machst du?“, ruft er aus, da er genau weiß, dass der Kerl, der ihm aus dem Spiel geschmissen hatte, noch irgendwo in der Nähe lauerte. „Dreh um! Ich bin sowieso tot!“

Doch Kara rennt weiter, geduckt setzt sie einen Fuß vor den anderen. Sie keucht, als sie ihn erreicht und geht vor ihm in die Hocke. „Halt die Klappe. Oberschenkelschüsse bedeuten nicht gleich den Tod, Tango Eight“, murmelt sie, als sie ihm seine Waffe in die Hand drückt. „Also versuch nicht jeden in der Umgebung mit deinem Gebrüll auf uns aufmerksam zu machen.“ Sie zieht ungehalten an Karls Arm, um ihn um ihre Schultern schlingen zu können, obwohl Karl einen Kopf größer und muskulöser als sie ist. „Verstanden, Soldat?“

Karl legt den Kopf schief, als er sich von ihr stützen lässt, gespielt mit ihr weiterhumpelt, da der Fleck an seinem Bein nichts weiter als Farbe ist. „Sicher...“, erwidert er missmutig, obwohl ihm klar ist, dass Kara somit abermals gegen die Regeln verstößt – und trotzdem scheint er nicht viel Mitspracherecht zu besitzen.
 


 


 

Draußen ist es zu dunkel, weil es bereits zu spät ist. Die meisten liegen schon in ihren Betten oder zumindest ist inzwischen kaum noch ein Laut aus den angrenzenden Zimmern zu vernehmen.

Doch Karl liegt noch immer hellwach in seinem Bett und starrt die schattenbesetzte Decke an. Zumindest, wenn er nicht gerade zu dem kleinen Fenster des Zimmers herüberlinst, obwohl er weiß, dass er den Trainingsplatz von dieser Seite des Gebäudes nicht sehen kann. Da ist nur das Licht eines der Monde von Caprica, welches den Raum ein wenig erhellt. Trotzdem ist er sich bewusst, dass Kara wegen ihm jetzt da draußen ist und wahrscheinlich erneut Liegestützen macht.

Es ist die Wut in seinem Bauch, die ihn nicht schlafen lässt. Sie bringt sein Herz, seinen Puls, zum Hämmern, hart und schnell.

Sie hätte ihn einfach liegen lassen sollen anstatt sich die Mühe zu machen, ihn mitzuschleppen. Er hatte doch gewusst, dass Colonel Hecaton nicht gut darauf reagieren würde.

Zwar kann sich Karl glücklich schätzen, dass er seine Sachen trotz des Farbflecks auf seiner Hose noch nicht packen durfte und nicht auf dem Weg zurück zu seinen Eltern war, aber Eigenverdienst war es nicht. Nein, ohne Kara hätte seine Karriere wahrscheinlich genauso schnell geendet wie sie angefangen hat.

Ebenso wie Perses, erinnert ihn eine leise Stimme in seinem Kopf. Ob Kara jeden Tag einen Kadetten vor dem Rauswurf retten wird? Warum tut sie es überhaupt? Es kommt Karl beinahe so vor, als tut sie es eher, um Hecaton zu provozieren, als einen Kameraden zu helfen. Oder bildet er sich das bloß ein?

Ehe Karl sich diese Frage beantworten kann, öffnet sich die Tür zu seinem Zimmer. Im Grunde hat er nur darauf gewartet, denn von seinem Zimmergenossen ist bisher noch keine Spur zu sehen gewesen.

Allerdings hat die Person, die sich durch einen schmalen Spalt in den Raum schiebt, weißblonde Haare und eindeutige Brüste.

„Kara?“, fragt Karl irritiert und setzt sich auf. „Ich dachte, Hecaton lässt dich draußen Spießruten laufen.“

Auf leisen Sohlen kommt sie auf ihn zu. Sie bleibt lediglich kurz vor dem Bett stehen, ihr Gesicht schweißtriefend und ihre kurzen Haare wirr. „Scheinbar ist ihm sein Schönheitsschlaf wichtiger.“ Auf ihre eigenen Worte heben sich ihre Mundwinkel, während ihre Finger ihr T-Shirt aus ihrer Hose zupfen.

Karl braucht nicht fragen, was sie vorhat, tut es aber trotzdem. „Was machst du, Kara?“

Sie schenkt ihm ein belustigtes Lächeln, als sie sich das T-Shirt über den Kopf zieht. Raschelnd fällt es zu Boden, gefolgt von ihrem BH – und Karl hat Mühe, seine Augen auf ihrem Gesicht zu lassen.

Seine Frage beantwortet sie ihm nicht, als sie frech eines ihrer Beine über seine schwingt und sich auf seinen Oberschenkeln niederlässt. Aufgesetzt wie er ist, schaut er weiter in ihr Gesicht, abwartend, abschätzend.

„Der Kerl, mit dem ich mir das Zimmer teile, wird jeden Moment reinplatzen“, versucht er es erneut, doch Karas viel zu kalte Finger finden seinen Nacken und ziehen ihn zu ihr herüber.

Ihre Lippen trennen nur Millimeter und ihr Atem trifft immerzu auf seine Haut, jagt einen Schauer nach dem nächsten seinen Rücken herunter.

„Das glaub ich nicht“, sagt Kara und zuckt mit ihren nackten Schultern. „Vielleicht hab’ ich ihn ja mit Bonbons bestochen, dass er sich für heute Nacht eine andere Unterkunft sucht.“ Ihr Gesicht verrät Karl, dass sein Zimmergenosse tatsächlich diese Nacht nicht mehr auftauchen wird, obwohl er die angewandte Methode dennoch bezweifelt.

Kara Thrace küsst ihn – leidenschaftlich und mit einer vorwitzigen Zunge.

„Ich wollte eigentlich professionelle Pyramid-Spielerin werden“, wispert sie gegen seine Lippen, als ihre Hände seine umfassen. Gemeinsam wanderten sie über Karas Knie und Oberschenkel zur Hüfte hinauf. „Aber eine Knieverletzung hat mir diesen Traum versaut. Frak, huh?“

Karls Fingerspitzen erfassen nackte Haut, während Kara fortfährt. Leise und ein klein wenig zerbrochen, ebenso wie ihr Lächeln es ist. „Danach wusste ich nichts mit mir anzufangen. Deshalb hab ich mich hier eingeschrieben. Ich musste von meiner Mutter weg—“

Sie wirft den Kopf in den Nacken und keucht, als Karls Hände ihre Brüste vorsichtig umfassen und er ihren Hals küsst.

„Jedes Mal, wenn sie die Tür zugeschmissen hat“, fährt sie fort, „und meine Finger noch dazwischen waren... wollte ich sie töten. Langsam und schmerzvoll – aber weißt du, was ich stattdessen gemacht habe? Ich bin weinend vor ihr auf die Knie gefallen... nur damit sie mir sagen kann, dass Schmerz gut für die Seele ist.“

In der Dunkelheit sind Karas Worte das Geständnis, was sie wahrscheinlich nie hat ablegen können. All die verschwiegenen Worte und Taten in einem heiseren Flüstern ausgesprochen sind ein Test, wird Karl bewusst. Sie sind eine aufgebaute Schutzmauer, die versucht Karl von sich zu stoßen, obwohl sie nichts weiter als Verständnis und Akzeptanz sucht. Und vielleicht hat nicht Kara Thrace sein Interesse als erstes geweckt, sondern er ihres, irgendwie und irgendwo.

Seine Hände erstrecken sich auf ihrem nackten Rücken, als er sich mit ihr dreht, damit sie unter ihm liegt. Ihre Haut ist kalt und klamm und blass.

„Es ist mir egal, woher du kommst oder wie deine Vergangenheit aussieht“, sagt er mit kratzender Stimme, als er sich neben ihrem Kopf abstützt.

Die Schatten sammeln sich in Karas Gesicht, Tränen in ihren Augen, nur durch das einfallende Mondlicht sichtbar, doch Karl hält ihren Blick. Es ist keine Liebe, aber das hält Karl nicht davon ab, ihr eine helfende Hand zu reichen, wenn sie eine benötigt.

„Niemand interessiert sich dafür. Jeder wird sich nur an die herausragende Soldatin erinnern, die du werden wirst, Kara. Das liegt dir im Blut. Es ist dein Schicksal, dessen bin ich mir sicher.“

„Ja...“, erwidert Kara gedankenverloren und lächelt ihn an, beinahe so, als wäre es eine nette Vorstellung, ein Tagtraum. „Schicksal... ja...“
 


 


 

Es ist dieselbe Halle, dieselbe Statue von dem Schutzgott Apollo, doch anders als bei seiner ersten Ansprache ist der ausdruckslose Gesichtsausdruck von Admiral Leidae von einem zufriedenen Lächeln ersetzt worden. Mit strammer Haltung tritt er an den Rednerpult heran, während die Kadetten unterhalb der Tribüne salutieren.

Er lässt den Blick über alle Anwesenden gleiten, bevor er sich räuspert. „Ich bin stolz, Ihnen allen zur bestandenen Grundausbildung zu gratulieren. Die letzten acht Wochen waren die Hölle und ich kann Ihnen versprechen, dass es ab jetzt alles andere als einfacher wird. Dabei spielt es keine Rolle, für welche Spezialität Sie sich letztendlich entschieden haben. Einige von Ihnen...“

Doch ein Ellenbogen, der sich in Karl Agathons Seite bohrt, lässt ihn den Faden verlieren und stattdessen Kara Thrace aus den Augenwinkeln heraus betrachten.

„Viperpilotin“, flüstert sie mit einem breiten Grinsen, das ihr gesamtes Gesicht aufhellt. „Du?“

Wahrscheinlich sollte es ihn irritieren, dass sie zuvor nicht darüber gesprochen haben. Insbesondere, da er genau weiß, dass sich ihre Wege hier vorläufig trennen werden.

„Raptor...“, murmelt er zurück. Es fällt keinem auf, dass sie der Rede nur mit einem halben Ohr folgen, aber immerhin sind sie auch nur zwei Kadetten unter ungefähr hundert. „Spezialist für elektronische Gegenmaßnahmen“, setzt er nach, da dieser Name beeindruckender klingt, als Pilot eines Mehrzweck-Fluggeräts.

Anstatt betrübt zu sein, prustet Kara Thrace leise, woraufhin sich einige ihrer Kameraden zu ihnen umdrehen.

„Na ja, dann sehen wir uns wohl auf meinem Schiff wieder.“

Karl Agathon hebt eine Augenbraue. „Deinem Schiff?“

„Klar, irgendwann werde ich bestimmt eines kommandieren“, sagt sie mit einem Selbstbewusstsein, das nicht an die vielen tiefgründigen Gespräche in der Finsternis erinnert, die sie in den letzten Wochen geführt haben. Geflüsterte Unterhaltungen, in denen Kara von ihrem Vater, dem durchgebrannten Komponisten, und ihrer Angst vor der Wertlosigkeit erzählt hat und Karl von seiner Familie, seinen kleinen Schwestern, die er geholfen hat zu erziehen, weil seine Eltern nie zu Hause gewesen sind.

„Irgendwann bin ich Captain – dann kannst du mein XO sein.“

Nun ist es an Karl Agathon belustigt zu schnauben. „In deinen Träumen, Kara...“
 


 

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“Thus will it come to pass. A dying leader will know the truth of the Opera House. The missing Three will give you the Five who come from the home of the Thirteenth. You are the harbinger of death, Kara Thrace. You will lead them all to their end. End of line.”


Nachwort zu diesem Kapitel:
Alle hier verwendeten Namen für die OCs sind von der griechischen Mythologie abgeleitet. Komplett anzeigen

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