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Young Sherlock

von

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Auf der Suche

Genervt warf ich meine Jacke aus mein Bett und lies mich dann seufzend fallen. Ich war jetzt einmal über den ganzen Campus gelaufen, und verdammt, der ist riesig, und hatte Sherlock immer noch nicht gefunden. Wo könnte er nur stecken?

Ich legte mich hin und schloss die Augen. Vielleicht könnte ich, so wie mein Freund, auf die Lösung des Rätsels kommen, wenn ich nur darüber nachdächte.

Oder ich könnte auch einfach aufhören mir Gedanken zu machen!, ärgerte ich mich. Plötzlich piepte mein Handy. Erwartungsvoll holte ich es aus meiner Hosentasche und atmete enttäuscht aus, als ich den Absender sah. Der Redakteur unserer Schülerzeitung.

Ich schüttelte den Kopf über mich selbst, wen hätte ich den sonst erwartet.

Du hängst hinterher, wo bleibt dein Artikel? Melde dich! –LS

Oh... sh... Den Artikel hatte ich komplett vergessen! Louis würde mich aus der Schülerzeitung werfen, wenn mir das noch mal passieren würde...

Stöhnend erhob ich mich von meinem Bett, schlurfte zu meinem Schreibtisch und fuhr meinen Laptop hoch. Gerade wollte ich ein neues Word- Dokument öffnen, da fiel mir etwas ein. Ich öffnete Safari und gab bei Google „Sherlock Holmes“ ein.

Entsetzt keuchte ich auf. Über 57 Millionen Treffer. Ich lebte mit einer echten Berühmtheit zusammen. Ich scrollte die endlose Liste mit Links hinunter, alle sagten etwa das selbe: Sherlock Holmes, das junge super Genie löst Fälle durch Deduktion!

Ich klickte mich durch die Seiten, doch erst auf der siebzehnten Seite entdeckte ich etwas interessantes: Einen Artikel der Daily Mail, der sich schon von der Überschrift her unterschied.

Hier wurde neben Sherlocks auch noch ein anderer Name genannt.

Jim Moriarty.

Interessiert begann ich zu lesen.

„Kampf der Genies. Am heutigen Morgen wurde Jim Moriarty vom bekannten Jung- Detektiv Sherlock Holmes gefasst. Moriarty ist ein Computerexperte mit einem unbeschreiblich großem Wissensschatz für sein Alter. In der Wohnung des jungen Genies wurde ein vielseitiges Equipment gefunden und die IT- Abteilung der Polizei hat auf den Computern mehrere Softwares gefunden, mit denen Moriarty sich in hochverschlüsselte Systeme gehackt hat. Holmes hatte bedeutende Teile zur Überführung Moriartys beigetragen und...“ Ich blickte auf das Datum, an dem der Artikel veröffentlicht worden ist und stutzte. Es waren grade mal zwei Monate her seit der Festnahme Moriartys.

Ich klickte auf zurück und gab „Jim Moriarty“ ins Google- Suchfeld ein. Der Curser blinkte hinter dem Suchbegriff und die Maus verwandelte sich in eine drehende bunte Scheibe. Na super... das Programm hatte sich aufgehängt.

„Wenn du etwas über Moriarty oder mich wissen willst, dann frag das nächste mal einfach!“, ertönte eine beleidigte Stimme aus einer Ecke des Zimmers.

Erschrocken fuhr ich herum und sah Sherlock an einer Wand lehnen. Vorwurfsvoll die Stirn gerunzelt und die Arme vor der Brust verschränkt.

Peinlich berührt klappte ich meinen Laptop zu. „Sher... Sherlock!“, keuchte ich. „Seit wann stehst du da?“

Der Detektiv lächelte höhnisch. „Lange genug, John!“

Ich spürte meinen Kopf rot anlaufen und wand mich von ihm ab. „Verdammt, schleich dich nicht einfach so ins Zimmer!“, fauchte ich. „Was machst du überhaupt hier?“ Er kam zu mir und drehte meinen Kopf zu sich. „Sherlock?“, fragte ich verwirrt und wich zurück.

Dann kniff er mich in beide Backen und bewegte dadurch meinen Mund. „Ich. Wohne. Hier!“, sang er, ohne dabei mit den komischen Bewegungen aufzuhören.

Wütend schlug ich seine Hände beiseite. „Lass das, Sherlock!“, rief ich genervt. „Was soll das?“

„Was soll das, dass du in meinem Privat- Leben schnüffelst, John?“, antwortete er zynisch. „Interessiere ich dich etwa?“ Lachte er und hauchte mir dann ins Ohr. „Er-bärm-lich!“

Ich stieß ihn wutschnaubend von mir. „Du bist widerlich“, keuchte ich atemlos. „Komm mir nie wieder so nahe!“

Sherlock sah mich spöttisch an und zog eine Augenbraue hoch. Dann schnaubte er genervt auf, ging zu seinem Bett, schmiss sich geräuschvoll darauf und zog sein Handy aus seiner Hosentasche.

„Sherlock?“, fragte ich, doch der Detektiv ignorierte mich. „Hallo? Sherlock?“ Wieder keine Antwort. Ich lachte genervt. „Du... s c h m o l l s t?“ Sherlock drehte sich auf die Seite, mir den Rücken zugewandt. „Jetzt weiß ich, was dein Bruder mit „kindisch“ meinte!“, schnaubte ich.

Das hatte Wirkung. Sherlock sprang von seinem Bett auf und kam auf mich zu. „Erwähne in diesem Zimmer niemals, und ich betone NIEmals, wieder meinen Bruder!“, fauchte er wütend.

„Was ist denn zwischen euch vorgefallen, dass du so...“, begann ich, doch er unterbrach mich.

„Ich habe übrigens Thomas gefunden“, fiel er mir ins Wort.

Seufzend ging ich auf den rasanten Themenwechsel ein. „Und, hast du auch schon mit ihm gesprochen?“, fragte ich.

Enttäuscht schüttelte er den Kopf. „Leider nicht, er weigert sich mit mir alleine zu sprechen!“, seufzte er. Warum wohl...? „Deshalb bin ich eigentlich auch gekommen, ich dachte, du hättest vielleicht Lust mitzukommen, aber wenn du nicht willst...“

„Warum sitzen wir noch hier?“, rief ich und sprang von meinem Stuhl auf. „Los geht’s!“ Sherlock musterte mich spöttisch, sagte aber nichts.

 

„Zu welchem Zimmer müssen wir?“, fragte ich Sherlock, während wir die leeren Gänge entlang liefen. Es war Samstag Nachmittag, die meisten anderen hatten etwas besseres zutun als im Privatleben der Mitschüler zu schnüffeln. Naja, wir waren eben wie die meisten anderen. Ich seufzte. Jetzt dachte ich schon von “wir“.

Sherlock deutete nach vorne in den Gang. „Dort! Zimmer 126! Und sei nett, John, wir wollen ihn schließlich befragen!“

Ich schnaubte verächtlich. „Ich glaube nicht, dass ich das Problem mit dem guten Benehmen habe, bei dir sieht das anders aus, Sherlock!“ Er blitze mich wütend an und beschleunigte seinen Schritt.

Als wir vor der hölzernen Zimmertür mit den bronzenen Ziffern 126 stehen blieben blickte ich noch einmal warnend zu Sherlock hoch, der genervt die Augenbraue hochzog, sich dann aber seufzend ergab und kräftig anklopfte. „Leon Thomas?“, rief er laut. „Bist du da?“

Von der anderen Seite der Tür vernahmen wir leises Rascheln, aber keine Antwort. Wollte er nicht mit uns sprechen, oder warum antwortete er nicht? „Ich bin noch einmal gekommen, Thomas! Und ich habe John Watson dabei!“

Jetzt meldete ich mich auch zu Wort. „Thomas? Können wir mit dir sprechen?“ Wieder keine Antwort, dafür aber ein Poltern, das verdächtig nach dem Verschieben von Möbeln klang. „Was machst du da drin?“, rief ich laut, doch Sherlock hielt mir die Hand vor den Mund.

„Psst!“, zischte er mir zu. „Er wird uns nicht rein lassen! Der hat was zu verbergen!“

Verächtlich schnaubte ich auf. „Dass er Lara vergewaltigt hat ist doch nicht wirklich geheim!“

Spötisch lächelnd meinte er: „Du wusstest doch auch nichts davon! Ausserdem“, theatralisch machte er eine Pause. „Ausserdem steht da noch viel, viel mehr dahinter, da bin ich mir sicher!“

„Und wer oder was glaubst du ist das?“

Mein Freund seufzte entnervt. „Das genau müssen wir herausfinden, John!“

Gemeinsam lehnten wir uns an die gegenüberliegende Wand und starrten die verschlossene Tür an. Die Minuten vergingen und mein Freund neben mir wurde zusehends ungeduldiger. „Verdammt!“, schimpfte er genervt. „Kann er nicht einfach nur mal kurz aus dem Zimmer kommen?“

„Aber du weißt doch, dass er der Täter war, warum willst du überhaupt noch mal mit ihm reden?“, fragte ich und versteckte ein ermüdetes Gähnen hinter meiner Hand.

Sherlock gähnte nun auch. „Du hast mich angesteckt!“, zischte er, doch sein Mund war zu einem leichten Lächeln gekrümmt.

Ich grinste ihn an. „Bist du nicht mehr wütend? Wegen eben, meine ich...“, fragte ich zaghaft.

Einen Moment blinzelte er mich perplex an, so als ob er überlegen müsste, was ich gemeint hatte. Dann schien es ihm wieder eingefallen zu sein und sein Lächeln erstarb. „Ich bin nicht wütend, John. Nur solltest du wissen, dass du meinen Bruder...“ Plötzlich stieß er sich von der Wand ab und rief: „Ich hab es!“ Mich ignorierend lief er zur Tür und sagte laut:„Thomas! Komm raus, komm raus! Wir wollen nur kurz mit dir reden!“ Wieder keine Antwort.

„Sherlock das bringt...“, begann ich, doch er schob mich zur Seite und meinte:„Thomas, wir werden es ihm sagen! Dass du aufgeflogen bist, dass du uns verraten hast, wer dich dazu angestiftet hat es zu tun!“

Plötzlich begann es hinter der Tür zu rappeln und eine verängstigte Männerstimme rief: „Woher wissen Sie das, Mister Holmes? Woher wissen Sie, dass er mich beauftragt hat die  Notebooks zu stehlen?“

Überrascht starrte ich Sherlock an. Hatte er es die ganze Zeit über gewusst?

Aus der Kehle meines Freundes drang ein glückliches Glucksen. „Ich habe nichts gewusst!“, kicherte er. „Aber ich danke dir, dass du mir die restlichen Puzzleteilchen gegeben hast! Nur eines ist mir noch unklar, Thomas...“

Von drinnen schlug etwas gegen die Tür. „Holmes! Sie mieser... Sie haben mich ausgetrickst!“, brüllte Thomas wütend.

Sherlock lächelte spöttisch. „Nein, wirklich? Du hast mir alles erzählt, ohne, dass ich etwas tun musste, so ist es doch, oder John?“, fragte er mich.

Verwirrt musterte ich ihn. „Was soll das, Sherlock?“, fragte ich.

Doch Sherlock ignorierte mich und rief noch lauter. „Zumindest wird das dir gut kommen, wenn wir auf dem Polizeipräsidium sagen, dass du deine Tat gestanden hast!“

Wutschnaubend erwiderte der Mann auf der anderen Seite bissig: „Was wollen Sie dafür, Mister Holmes?“

Das war also sein Plan gewesen! Es war brillant, Sherlock hatte in einer Sekunde auf die andere die Situation komplett verändert, jetzt waren wir es, die etwas gegen ihn in der Hand hatten und er musste mit und kooperieren, ob er wollte oder nicht. „Sag mir, wer dein Auftraggeber ist!“, rief Sherlock zurück.

„Das... das kann ich nicht!“, keuchte es. „Wenn ich Ihnen seinen Namen gebe... dann...“

Sherlock schien zu verstehen und, auch wenn es Thomas nicht sah, nickte zustimmend. „Da könntest du vielleicht gar nicht mal so unrecht haben...“, murmelte er nachdenklich.

„Aber... wenn es Ihnen und... mir etwas bringt... ich werde ihnen eine Nachricht zukommen lassen, versprochen, Mister Holmes!“, wisperte Thomas. „Und jetzt gehen Sie bitte, er hat seine Handlanger überall!“

Wieder nickte Sherlock und wandte sich dann ab. „Wiedersehen, Thomas!“, rief er laut und ging in Richtung der Treppen.

Ich klopfte noch leicht an die Tür, murmelte ein „Auf wiedersehen“ und folgte Sherlock dann.

„Wohin willst du, Sherlock?“, fragte ich ihn, als ich zu ihm aufgeschlossen hatte.

Er seufzte. „Da hin, wo ich normalerweise nie hin will... zu meinem Bruder...“

Fragend hob ich die Augenbraue. „Woher plötzlich dieses Bedürftnis nach Familiennähe, Sherlock?“, meinte ich spöttisch grinsend.

Wütend blitzte er mich an und zischte: „Weil ich seinen dummen Fall gelöst habe und es mich nur knappe zwei Minuten beansprucht hat. Das hätte er auch selber hinbekommen, wenn er nicht so verdammt lauffaul wäre!“

„Aber woher wusstest du, dass Thomas der Dieb war, Sherlock?“, fragte ich, um ihn abzulenken.

„Eine Ahnung hatte ich schon von Anfang an“, meinte er schulterzuckend. „Aber mir war klar, dass ich nichts aus ihm herausbekommen würde, einfach so, meine ich. Deshalb habe ich ihn mit meinem nicht vorhandenen Wissen konfrontiert, zumindest sah es so für ihn aus. Ich hatte nicht einmal gesagt, was er getan haben sollte und wem ich sagen würde, dass er sich verraten hätte, aber seine Angst hat ihn so... verdummt, dass ihm das nicht aufgefallen war!“ Er seufzte. „Langweilig, einfach nur langweilig...“

„Freu dich doch lieber, Sherlock! Du hast den Fall deines Bruders gelöst und Thomas gibt dir die Informationen, die du benötigst um den nächsten auch noch zu lösen!“, meinte ich lächelnd und boxte ihm freundschaftlich in die Seite.

Doch er wand sich nur ab und murmelte so leise, dass ich es kaum hören konnte. „Ich glaube nicht, dass der Fall schon vorbei ist...“

 

Ohne anzuklopfen stürmte Sherlock in das Büro seines Bruders. Der ältere Holmes wirkte nicht überrascht, dass wir so plötzlich bei ihm auftauchten, im Gegenteil, es schien, als hätte er uns erwartet. „Guten Tag John, Sherlock! Setzt euch doch!“ Er deutete auf zwei leere Sessel auf der einen Seite seines Schreibtisches, vor denen schon dampfende Tassen schwarzen Tees standen.

Verwundert musterte ich den Schülersprecher. „Verzeihen Sie, Mister Holmes, haben Sie uns erwartet?“

Mycroft Holmes schüttelte den Kopf, doch bevor er zu einer Antwort ansetzten konnte meinte sein Bruder: „Er hat es berechnet. Er wusste ganz genau wann wir wo sein würden und wie lange ich brauchen würde um den Fall zu lösen.“ Verächtlich schnaubend lies er sich auf einen der Sessel fallen. „Verdamm Mycroft, kannst du dich nächstes mal nicht gefälligst selbst um deine langweiligen Problemchen kümmern?“

Mycroft lies sich seufzend gegenüber seines kleinen Bruders fallen und bedeutete mir lächelnd, mich dazu zusetzten. „Sherlock, es ist nicht nur irgendein kleines Problemchen, es steckt mehr dahinter und das weißt du ganz genau!“

„Aber dennoch wärst du auch selbst dahinter gekommen, wer die Notebooks geklaut hat!“

„Und das sogar schneller als du!“, lächelte Mycroft süffisant.

Sein kleiner Bruder warf ihm einen todbringenden Blick zu, dann wandte er sich an mich. „John, findest du nicht auch, dass er uns das nicht hätte machen lassen sollen?“, fragte er empört.

Überrascht wich ich ein Stück zurück. „Ich... Ich würde mich gerne aus euren Streitereien heraushalten“, stammelte ich schnell. Zwischen den Schulsprecher und den Schulpsychopathen (denn als dieser hatte sich Sherlock schnell herausgestellt) zu stellen war meines Erachtens nach nicht die klügste Idee.

„Sherlock! Zieh ihn da nicht mit hinein!“, schimpfte Mycroft aufgebracht. „Du benimmst dich kindisch!“

Sherlocks Augen wurden noch ein wenig schmaler, dann zischte er leise: „Meine Belohnung, Mycroft!“

Der Schulsprecher blickte ihn einen Moment lang nachdenklich an, dann meinte er lachend: „Deine Belohnung wird sein, dass John weiterhin in deinem Zimmer wohnen darf!“ Er grinste mich hämisch an. Wo bitte war der smarte Mycroft Holmes hingekommen? „Viel mehr erwartest du doch nicht, oder Sherlock? Das dürfte dir doch Lohn genug sein!“

Ich blickte zu meinem Freund, dessen Gesicht langsam eine unnormale Farbe annahm und platzte dann, ohne nachzudenken, heraus: „Er und ich sind nicht zusammen! Ihm dürfte es also nur wenig ausmachen, wenn ich ausziehen würde, oder Sherlock?“

Mycroft brach in schallendes Gelächter aus und er zwinkerte mir spielerisch zu. „Das war auch nur ein Scherz, ich hatte das nie angenommen! Und schließlich will ich meinem Bruder ja nicht seinen besten Freund wegnehmen!“ Er lächelte ihm freundlich zu, doch seine Lippen waren kaum merklich zu einem boshaften Grinsen verzogen

Jetzt meldete sich auch Sherlock zu Wort: „Du kannst ruhig ausziehen, John, du bist weder an mich, noch an unser Zimmer gebunden! Und Mycroft“ Er blickte seinen großen Bruder gleichgültig an. „Es ist mir neu, dass ich einen besten Freund habe!“ Und mit diesen Worten verließ er zum wiederholten Male an diesem Tag den Raum.

Mit offenem Mund starrte ich ihm hinterher. Ich konnte- nein, ich wollte- seine Worte einfach nicht verstehen. War es wirklich so für ihn, war ich nicht sein Freund und war es ihm egal was ich tat? Es hatte zwar eine Weile gedauert, dass ich mich an Sherlock gewöhnt hatte, doch ich hatte ihn bald als Zimmergenossen und guten Freund in mein Herz geschlossen. Und jetzt sagte er, dass er nicht einmal etwas wie Freundschaft für mich empfand?

„Schockiert?“, fragte mich Mycroft und riss mich damit aus meinen düsteren Gedanken. „Er meint es nicht ernst, sei dir da sicher!“ Er erhob sich aus seinem Sessel und legte mir die Hand auf die Schulter. „Du bist der erste, den ich kenne, um den sich Sherlock überhaupt geschert hat, von dem er erzählt hat und der jetzt schon...“ Er blickte auf einen großen Jahreskalender, der hinter seinem Schreibtisch hing. „Der es schon ganze drei Monate mit ihm ausgehalten hat!“ Aufmunternd lächelte er mir zu. „Los, geh hinter ihm her! Sonst schmollt er wieder!“

Und damit war ich entlassen. Stumm erhob ich mich aus meinem Sessel und ging ohne ein Wort des Abschiedes zur Tür hinaus. Obwohl Mycroft mich hatte aufmuntern wollen hatte es nicht wirklich zu etwas geführt. In Gedanken versunken wandelte ich durch die Gänge, ohne wirklich darauf zu achten, wo ich genau war, als ich plötzlich mit jemandem zusammen stieß.

„Oh, entschuldigen...“, hörte ich eine bekannte weibliche Stimme. „John!“ Ich blickte an mir herunter und sah, wie sich Molly Hooper ihre Brille wieder auf die Nase geschoben hatte. Ich konnte mich nicht erinnern, dass sie letztes mal auch schon eine getragen hätte...

„Hallo Molly“, sagte ich lächelnd. „Tut mir leid, dass ich in dich gerannt bin, ich hätte nicht so träumen sollen!“ Verlegen kratzte ich mich am Hinterkopf. Sie blickte zu mir hoch und blinzelte mich an. „Was... ist?“, fragte ich verwirrt. Der Blick aus ihren großen braunen Augen machte mich zusehends nervös.

Verlegen wich sie ein Stückchen zurück und fragte dann mit geröteten Wangen: „Ist... Sherlock... bei dir?“ Angestrengt starrte sie ihre Füße an und bekam so hoffentlich nicht mit, dass ich mich sehr zusammenreißen musste, um nicht plötzlich in schallendes Gelächter auszubrechen. Verdammt, wie sich dieses echt süße und nette Mädchen in so einen Idiot wie Sherlock verlieben konnte! Es war mir ein Rätsel!

„Nein, ich weiß auch nicht so ganz wo er ist...“, meinte ich und biss mir auf die Unterlippe um nicht zu lachen, doch irgendwie bekam ich Mitleid mit ihr und meinte dann: „Aber wir können ihn zusammen suchen, wenn du willst!“

Sie blickte auf und ihre Augen strahlten vor Freude. „Gerne!“, sagte sie grinsend.

Wenn sie lächelt ist sie sogar noch hübscher, schoss es mir durch den Kopf und ich schalt mich innerlich selbst für diesen Gedanken, sie stand auf Sherlock nicht auf mich. 

Ich schüttelte den Kopf um diesen Gedanken los zu werden und meinte dann zu Molly: „Das... ist mir jetzt etwas peinlich... aber wo sind wir? Ich hab mich... irgendwie verirrt...“ Peinlich berührt lächelte ich sie an, normalerweise hatte ich einen ganz guten Orientierungssinn, aber ich war so verstört durch die Schule gerannt... Verdammt! Und daran war nur Sherlock schuld!

Molly versteckte ein Grinsen hinter ihrer Faust und meinte dann: „Haus A, in der Nähe der Essensräume!“  Nachdenklich runzelte ich die Stirn. Was zur Hölle war noch mal im Haus A? „Da drüben ist Leon Thomas Zimmer, der dessen Mappe“, sie senkte ihre Stimme. „Dessen Akte wir geklaut haben!“

Mein Gesicht hellte sich auf. „Ich kann ja noch mal versuchen mit ihm zu reden!“, meinte ich selbstbewusst und ging schnellen Schrittes zu der Tür.

Lautstark klopfte ich an. „Thomas? Tut mir leid, falls ich nerve, aber können wir noch mal reden?“ Ich hatte zwar nicht mit einer Antwort gerechnet, aber trotzdem kratzte es an meinem Stolz, rufend vor einer verschlossenen Tür zu stehen. Ich griff nach der Klinke und drückte sie hinunter. Und zu meiner Überraschung sprang die Tür auf!

Molly war hinter mich getreten und legte mir die Hand auf die Schulter. „Gehen wir rein?“, fragte sie neugierig. „Vielleicht findest du ja einen Hinweis, der Sherlock helfen kann!“

Ich seufzte. „Ich habe nicht das Gefühl, dass ich wirklich irgendetwas tun kann, dass Sherlock auch nur im Geringsten helfen kann!“, meinte ich deprimiert.

Sie drehte mich zu sich und blickte mir tief in die Augen. „John“, meinte sie ernst. „Niemand ist jeh so nahe an Sherlock ran gekommen und... bei niemandem benimmt er sich so natürlich!“ Ein trauriger Schatten lief über ihr Gesicht. „Niemanden... guckt er so an, wie dich...“

Jetzt verstand ich Mollys Sorge und lachte. „Molly! Bitte mache dir keine Gedanken darüber! Ich stehe nicht im Geringsten auf Sherlock und er, ich habe ihn gefragt, hat auch kein Bisschen Interesse an mir!“, meinte ich schmunzelnd und drückte sie an mich.

„Wirklich?“, fragte sie und ein Hauch von Hoffnung schimmerte in ihren Augen. „ Hast du ihn wirklich das gefragt?“, nun war Belustigung der Angst und Sorge gewichen.

Ich nickte und spürte meine Wangen leicht rot werden. Im Nachhinein war es mir noch peinlicher, dass ich ihn echt so etwas gefragt hatte, oder dass ich das auch nur gedacht hatte, als der Moment, in dem das passiert war. „Ja, das habe ich... und er steht, zum Glück wirklich nicht auf mich!“ Ich wandte den Kopf ab. „Aber jetzt lass uns mal rein gehen!“

Ich klopfte noch ein weiteres Mal an und betrat das Zimmer.

Was ich da sah, werde ich wohl mein Leben lang nicht vergessen. 



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