ohne Titel
Leevi
Ich saß alleine an einem Tisch in der hintersten Ecke einer Bar. Sie befand sich in einem Wolkenkratzer und ich sah hinab auf die Lichter der Stadt. Um mich herum saßen schwatzend und lachend Gruppen junger Leute und feierten ihre Jugend, das pure Leben. Die Zeiten, in denen ich sie beneidet habe, sind schon lange vorbei.
Ich habe schon zu viel gesehen.
Ich habe gesehen, wie sich junge, aufstrebende Leute zu Grunde gerichtet haben.
Wie sie gefallen sind, wie sie gelitten haben.
Die Zeiten mögen sich geändert haben, die Geschichten der Menschen bleiben die selben.
Geld, Macht, Gier und Sex.
Und immer wieder die Liebe.
Die Liebe.
Die Törichte.
Die Lockende.
Ich packe die Whiskey-Flasche, die ich mir von der Kellnerin habe bringen lassen und schenke mir etwa drei Finger hoch ein. Ich lehre das Glas in einem Zug und genieße das Brennen in meiner Kehle, dass diese goldbraune Kostbarkeit verursacht.
Vidas
Er sitzt allein und schaut aus dem Fenster. Sein einziger Tischgenosse ist eine Flasche teuren Scotchs. Mal wieder kreuzen sich unsere Wege. Erst seit kurzem bin ich in New York. Hatte ich geahnt, das er auch hier sein würde, so weit fort von unserer alten Heimat? Nein. Doch egal wo ich hinging, irgendwann trafen wir doch wieder aufeinander. Ich hatte es also vielleicht nicht gewusst, aber ich hatte es sehr wohl geahnt.
Er sah gut aus. Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich gesagt lebendiger, wenn auch etwas verdrossen. Er trug ein dunkelrotes Hemd, seine Haare waren kurz und vorne etwas hochgegelt. Ich ging zu ihm hin und legte meine Hand auf seine Schulter.
„Sie ist tot.“
Leevi
Ich drehte mich nicht zu ihm herum, als ich seine Hand auf meiner Schulter spürte. Ich erwiderte nichts, als er mir sagte, was ich immer noch nicht glauben wollte.
Er nahm mir gegenüber Platz und endlich sah ich ihn doch an.
Vidas. Ich spürte, wie sich in meinen Augenwinkeln tränen sammelten.
„Ich weiß“, brachte ich schließlich doch hervor und danach schwiegen wir und tranken Whiskey bis weit nach Mitternacht.
